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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: 26 SchH 1/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1036 II
ZPO § 1037 II
1. Die §§ 1025 ff. ZPO kennen keine dem § 41 Nrn. 2 und 3 ZPO entsprechend automatische Ausschließung vom Schiedsrichteramt.

2. Die 2-Wochen-Frist des § 1037 Abs. 2 Satz 1 ZPO zur Darlegung der Ablehnungsgründe beginnt mit der Kenntnis der Zusammensetzung des Schiedsgerichts und des zur Ablehnung führenden Umstandes, auch wenn die Schiedsklage zu dieser Zeit noch nicht zugestellt worden war.


Gründe:

I.

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Geschäftsübernahmevertrag vom 23.11.2000. Der Vertrag regelt unter Nr. 10 Meinungsverschiedenheiten:

"Für sämtliche eventuell aus diesem Vertrag entstehende Meinungsverschiedenheiten, Streitigkeiten oder Interpretationsdifferenz gilt zur Vermeidung kostenintensiver, gerichtlicher Auseinandersetzung der Unternehmensberater A als gemeinsam vereinbarter Schiedsmann".

Bei dem zum Schiedsmann bestellten Herrn A handelt es sich um den Bruder der Schiedsklägerin. Diese macht gegen die Schiedsbeklagte Ansprüche in Höhe von etwa 50.000,- € geltend. Der Schiedsmann führte am 18.11.2005 eine "Güteverhandlung" durch, an der beide Schiedsparteien teilnahmen. In der Güteverhandlung schlug der Schiedsmann einen Vergleichsbetrag von 35.000,- € vor. Eine Einigung über diesen Betrag kam jedoch in diesem Termin nicht zustande. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der "Güteverhandlung" verwiesen (Bl. 10 - 14 d. A.). Auch in der Folgezeit erklärte sich die Schiedsbeklagte mit diesem Vergleichsvorschlag nicht einverstanden. Am 02.12.2005 schrieb der Schiedsrichter an den Geschäftsführer der Schiedsbeklagten unter anderem wie folgt:

"In den nächsten Tagen wird Dir mein Protokoll über den Gütetermin zugehen. Es tut mir leid, dass Du das Superangebot von B nicht angenommen hast. Ich hatte Dich eindringlich gewarnt, dass jede andere Regelung viel teurer für Dich wird" (Bl. 16 d. A.).

Mit Schreiben vom 22.12.2005 (Bl. 17 d. A.) übersandte der Schiedsrichter der Schiedsbeklagten das Protokoll der Güteverhandlung. Durch anwaltliches Schreiben vom 30.12.2005 forderte die Schiedsbeklagte den Schiedsrichter auf, seine Tätigkeit ab sofort einzustellen, da er aufgrund der vorangegangenen Tätigkeit als Vermittler jetzt nicht mehr als Schiedsrichter tätig werden könne (Bl. 18/19 d. A.). Am 09.01.2006 wurde der Schiedsbeklagten die Schiedsklage vom 04.01.2006 zugestellt. Mit Schreiben vom 09.01.2006 an den anwaltlichen Vertreter der Schiedsbeklagten äußerte der Schiedsrichter u. a., dass dessen Schreiben vom 30.12.2005 nicht geeignet sei, das Schiedsverfahren aufzuhalten, zu stören oder zu unterbrechen (Bl. 20 d. A.). Mit dem am 30.01.2006 eingegangenen Antrag hat die Schiedsbeklagte begehrt, die Ablehnung des Schiedsrichters für begründet zu erklären.

Die Schiedsbeklagte ist ferner der Ansicht, wegen des verfassungsrechtlichen Gebots der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern könne Herr A als Bruder der Schiedsklägerin nicht Schiedsrichter sein. Seine Bestellung zum Schiedsrichter sei gem. Art. 97 GG, §§ 134, 138 BGB unwirksam.

Im Laufe des Verfahrens hat die Schiedsbeklagte den Schiedsrichter ferner deswegen abgelehnt, weil sie am Vortag erfahren habe, dass er bereits am 17.05.2005 vor dem Amtsgericht Ottendorf die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe (Bl. 44 d. A.). Dieses Ablehnungsgesuch hat der Schiedsrichter mit Schreiben vom 27.02.2006 zurückgewiesen (Bl. 46 d. A.). Die Schiedsbeklagte hat ihr Ablehnungsgesuch nunmehr auch auf diesen Umstand gestützt.

Weiterhin stützt die Schiedsbeklagte die Ablehnung des Schiedsrichters auf folgenden Umstand: Mit Schreiben vom 27.01.2006 beantragte sie, das Schiedsverfahren solange auszusetzen, bis über den Befangenheitsantrag vom selben Tag rechtskräftig entschieden worden sei (Bl. 50 d. A.). Unter dem 24.02.2006 teilte der Schiedsrichter der Schiedsbeklagten folgendes mit: "Nachdem Ihr Mandant sich nunmehr ca. 5 Jahre um jede Zahlung erfolgreich gedrückt hat, kann das Schiedsgericht sich nicht auf weitere Spielchen einlassen, die lediglich auf weiteren Zeitgewinn ausgerichtet sind" (Bl. 51/52 d. A.). Aus der Qualifizierung der Befangenheitsablehnung als "weitere Spielchen" durch den Schiedsrichter leitet die Schiedsbeklagte einen zusätzlichen Grund für die Ablehnung her.

Die Schiedsbeklagte beantragt,

die Ablehnung des Schiedsrichters A, ..., C1, für begründet zu erklären,

hilfsweise:

festzustellen, dass das Schiedsverfahren zwischen den Parteien aufgrund der Schiedsabrede im Vertrag über eine teilweise Geschäftsübernahme vom 23.11.2000 unzulässig ist.

Die Schiedsklägerin beantragt,

den Antrag auf Ablehnung des Schiedsrichters A abzuweisen.

Die Schiedsklägerin ist der Auffassung, dass Ablehnungsgründe nicht vorlägen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Soweit die Schiedsbeklagte geltend macht, dass Herr A als Bruder der Schiedsklägerin nicht wirksam zum Schiedsrichter habe bestellt werden können, ist fraglich, ob dies im Wege des Ablehnungsverfahrens nach § 1037 Abs. 3 ZPO geltend gemacht werden kann. Dies kann jedoch offenbleiben, da jedenfalls die Bestellung des Schiedsrichters nicht unwirksam ist. Die §§ 1025 ff. ZPO kennen keine dem § 41 ZPO entsprechende Ausschließung vom Schiedsrichteramt wegen der in dieser Vorschrift vorgesehenen Tatbestände der Nummern 2 und 3. Zwar folgt aus der Natur des Schiedsverfahrens, dass die Parteien selbst oder ihre Verfahrensbevollmächtigten nicht Schiedsrichter sein können. Darüber hinaus gehende Verbindungen zwischen dem Schiedsrichter und einer Schiedspartei können dagegen nur im Wege der Ablehnung geltend gemacht werden (BGH ZZP 65. Band (1952), 217, 218; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kapitel 9, Rn. 5; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Auflage, § 1036 Rn. 13; Schütze/Tschernig/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Aufl., Rn. 271; anderer Ansicht offenbar Henn, Schiedsverfahrensrecht, 3. Aufl., Rn. 161 ff.). Im Unterschied zu dem Verfahren vor einem staatlichen Gericht bedarf es einer Regelung wie § 41 Nr. 2 - 3 ZPO nicht. Beim staatlichen Gericht haben die Parteien keinen Einfluss auf die Besetzung der Richterbank. Im Schiedsverfahren liegt demgegenüber die Bestellung der Schiedsrichter gerade in ihrer Hand. Es muss den Parteien offen bleiben, auch solche Personen zu Schiedsrichtern zu bestellen, die als Richter in einem staatlichen Gerichtsverfahren nicht in Betracht kommen. Die von der Schiedsbeklagten angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGHZ 51, 255, 261 und 54, 392, 399 f.) betreffen andere Sachverhalte. Der Bundesgerichtshof hat in diesen Entscheidungen aber auch bestätigt, dass die Parteilichkeit von Schiedsrichtern im Wege der Ablehnung geltend gemacht werden muss, soweit es lediglich um die Befangenheit einzelner Schiedsrichter und nicht um ein Übergewicht einer der Schiedsparteien bei der Benennung des Schiedsgerichts oder um die Parteilichkeit aller in Betracht kommender Schiedsrichter geht.

Soweit die Schiedsbeklagte verlangt, die Ablehnung des Schiedsrichters A für begründet zu erklären, ist ihr Antrag zwar zulässig, er bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Auf die verwandtschaftliche Beziehung des Schiedsrichters zur Schiedsklägerin kann die Ablehnung nicht gestützt werden, da es sich hierbei unstreitig nicht um einen Umstand handelt, der der Schiedsbeklagten erst nach der Bestellung des Schiedsrichters bekannt geworden ist (§ 1036 Abs. 2 S. 3 ZPO).

Ferner kann die Schiedsbeklagte das Ablehnungsgesuch nicht darauf stützen, dass der Schiedsrichter in seiner E-Mail vom 02.12.2005 das Scheitern einer gütlichen Einigung mit den Worten kommentiert hat: "Es tut mir leid, dass Du das Superangebot von B nicht angenommen hast. Ich hatte Dich eindringlich gewarnt, dass jede andere Regelung viel teurer für Dich wird". Der Schiedsbeklagten mag zwar zuzugeben sein, dass eine solche Äußerung ernsthafte Zweifel an der Unparteilichkeit des Schiedsrichters im Sinne von § 1036 Abs. 1 ZPO wecken kann. Der Ablehnungsgrund hätte jedoch gem. § 1037 Abs. 2 Satz 1 ZPO innerhalb von zwei Wochen dem Schiedsrichter gegenüber schriftlich dargelegt werden müssen, somit spätestens am 16.12.2005. Diese Frist hat die Schiedsbeklagte nicht gewahrt. Die Zwei-Wochen Frist beginnt nämlich nicht erst - wie die Schiedsbeklagte meint - mit der Zustellung der Schiedsklage, sondern nach dem Wortlaut des Gesetzes bereits in dem Zeitpunkt, in dem der ablehnenden Schiedspartei der Umstand bekannt geworden ist.

Die Tatsache, dass der Schiedsrichter gemäß der Behauptung der Schiedsbeklagten auf Veranlassung der Schiedsklägerin die Güteverhandlung vom 18.11.2005 durchgeführt hat, kann gleichfalls nicht als Befangenheitsgrund herangezogen werden. Dies scheitert zum einen daran, dass sich die Schiedsbeklagte selbst auf die Güteverhandlung eingelassen hat, obwohl sie wusste, dass der Güteversuch auf Veranlassung der Schiedsklägerin stattfand. Zum anderen liegt in einer solchen Tätigkeit des Schiedsgerichts auch kein zur Besorgnis der Befangenheit führender Grund. Es handelt sich nicht um eine in diesem Zusammenhang in der Kommentierung aufgeführte Vorbefassung (Schwab/Walter, Kap. 14, Rn. 8), da der Schiedsrichter hier nicht im Interesse einer der Parteien tätig wird. Vielmehr handelt er - wie auch der staatliche Richter (§ 278 ZPO) - im Interesse beider Parteien, wenn er eine gütliche Einigung herbeiführen will. Darüber hinaus ist auch dieser Umstand nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 1037 Abs. 2 ZPO geltend gemacht worden.

Eine Besorgnis der Befangenheit ergibt sich ferner nicht daraus, dass der Schiedsrichter am 17.05.2005 vor dem Amtsgericht Ottendorf eine eidesstattliche Versicherung (offenbar gem. § 807 ZPO) abgegeben hat. Die ungünstigen finanziellen Verhältnisse des Schiedsrichters begründen für sich gesehen nicht die Besorgnis, dass er sich nicht unparteiisch verhalten werde.

Schließlich kann die Schiedsbeklagte das Ablehnungsgesuch auch nicht darauf stützen, dass der Schiedsrichter in seinem Schreiben vom 24.02.2006 die Ablehnungsgesuche der Schiedsbeklagten als "weitere Spielchen" disqualifiziert hat. Dies mag zwar gleichfalls auf fehlende Unvoreingenommenheit des Schiedsrichters hindeuten, die Schiedsbeklagte hätte jedoch auch diesen Ablehnungsgrund zunächst innerhalb von zwei Wochen gegenüber den Schiedsrichter geltend machen müssen.

Der Hilfsantrag, die Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens festzustellen, ist unzulässig. Nach §§ 1032 Abs. 2, 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO kann zwar eine solche Feststellung durch das für Schiedssachen zuständige Oberlandesgericht begehrt werden. Der Antrag ist jedoch nur bis zur Konstituierung des Schiedsgerichts zulässig (Münch in: MünchKomm. zur ZPO, 2. Aufl., § 1032 Rn. 11; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, Rn. 227). Das Schiedsgericht ist vorliegend jedoch schon durch die Vereinbarung des Schiedsmanns in der Schiedsklausel und der Übernahme des Amtes durch diesen gebildet worden. Abgesehen davon wäre der Feststellungsantrag auch nicht begründet. Zu prüfen ist durch das staatliche Gericht dabei allein, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung vorliegt, ob sie durchführbar ist und ob der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt (BayObLGZ 1999, 255, 269; Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 1032 Rn. 23). An keiner dieser Voraussetzungen fehlt es hier jedoch. Die Schiedsklausel in Nr. 10 des Geschäftsübernahmevertrages ist wirksam. Sie unterstellt alle Streitigkeiten aus dem Vertrag der Entscheidung des Schiedsmanns und schließt durch die Formulierung "zur Vermeidung kostenintensiver gerichtlicher Auseinandersetzung" den Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten aus. Die Schiedsvereinbarung ist auch durchführbar. Ebenso ist der Streit über die von der Schiedsklägerin erhobene Forderung von der Schiedsklausel erfasst.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Streitwert ist mit 1/5 des Gegenstandswertes der Schiedsklage anzusetzen.

Ende der Entscheidung

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