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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 13.04.2006
Aktenzeichen: 26 U 37/05
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 133
InsO § 143
1. Rechtshandlung des Schuldners bei Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung.

2. Zu den Voraussetzungen des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners und der Kenntnis des Anfechtungsgegners.


Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückzahlung an ihn geleisteter Beiträge.

Der Insolvenzschuldner führte seit 1987 ein Baugeschäft. Am ...02.2003 stellten sowohl er als auch die A einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dieses Verfahren wurde mit Beschluss des AG Frankfurt am Main vom ...05.2003 eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des B bestellt. Der Beklagte hatte bereits im Jahre 2002 wegen offener Beitragsforderungen die Zwangsvollstreckung ge-gen den Insolvenzschuldner betrieben. In der Zeit vom 19.03.2002 bis zum 12.11.2002 leistete der Insolvenzschuldner Zahlungen an den Gerichtsvollzieher, die entsprechend seinen Vorgaben auf mehrere Gläubiger aufgeteilt wurden. Der Beklagte erhielt hieraus einen Anteil in Höhe von insgesamt 6.226,75 €. Mit Schreiben vom 09.12.2004 erklärte der Kläger die Anfechtung dieser Zahlungen.

Er hat behauptet, bereits seit 2001 habe die Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners gedroht. Er sei jedenfalls am 01.11.2002 objektiv zahlungsunfähig gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hätten seine flüssigen Mittel nur noch 0,05 % der fälligen Verbindlichkeiten abgedeckt. Im März 2002 habe der Insolvenzschuldner dem Finanzamt einen Betrag von 29.130,51 € geschuldet; Beitragsforderungen der A hätten zum 23.04.2002 in Höhe von 16.053,25 € bestanden. Im März 2002 habe der Insolvenzschuldner seine Zahlungen eingestellt. Der Schuldner habe bereits zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass seine finanziellen Mittel nicht ausreichen würden, um alle Gläubiger zu befriedigen. Mit seinen Zahlungen habe er die Zwangsvollstreckung des Beklagten vermeiden wollen. Dieser habe den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners und die Umstände gekannt, aus denen auf dessen Zahlungsunfähigkeit zu schließen gewesen sei; insoweit sei insbesondere zu berücksichtigen, dass es dem Insolvenzschuldner über ein Jahr nicht gelungen sei, die Zahlungsrückstände gegenüber dem Beklagten auszugleichen. Der Beklagte habe auch gewusst, dass die ihm gegenüber ausstehenden Zahlungen nicht die einzigen Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners gewesen seien.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen in erster Instanz wird auf den Tatbestand des am 27.10.2005 verkündeten Urteils (Bl. 126 ff d.A.) verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar seien die Zahlungen des Insolvenzschuldners als Rechtshandlungen zu qualifizieren, da sie letztlich noch auf der Grundlage selbstbestimmten Handelns erfolgt seien. Indes lägen die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Anfechtungstatbestandes nach § 133 InsO nicht vor. Schon nach dem Vortrag des Klägers könne weder eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Insolvenzschuldners noch eine entsprechende Kenntnis des Beklagten festgestellt werden. Beweiserleichterungen kämen dem Kläger nicht zugute, da die Zahlungen außerhalb des Dreimonatszeitraumes des § 131 InsO lägen und deshalb keine inkongruente Deckung vorliege. Bei einer kongruenten Deckung könne ein Benachteiligungsvorsatz nicht ohne weiteres angenommen werden. Weder sei festzustellen, dass der Insolvenzschuldner einzelne Gläubiger vor anderen bevorzugt habe noch Gläubiger von der Stellung eines Insolvenzantrages abhalten wollte. Gerade der Umstand, dass der Schuldner seine Zahlungen auf mehrere Gläubiger verteilt habe, spreche gegen einen solchen Vorsatz. Zudem habe der Kläger nicht substanziiert dargelegt, dass der Beklagte von anderen Gläubigern gewusst habe. Eine solche Kenntnis könne nicht allein aus schleppenden Beitragszahlungen hergeleitet werden. Es sei genauso gut möglich, dass ein Schuldner nur einem Gläubiger gegenüber Zahlungsrückstände auflaufen lasse.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er ist der Auffassung, das Landgericht habe die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 133 InsO rechtsfehlerhaft verneint. Der Insolvenzschuldner habe die aufgeführten Teilzahlungen zur Abwendung der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung und damit in dem sicheren Wissen erbracht, andere Gläubiger zu benachteiligen, denn offensichtlich habe sein Vermögen nicht zur Begleichung aller Schulden ausgereicht. Dadurch habe er zugleich die anteilige Befriedigungsmöglichkeit der restlichen Gläubiger geschmälert, dies zumindest billigend in Kauf genommen. Gegen den Benachteiligungsvorsatz spreche nicht, dass er die Zahlungen auf verschiedene Gläubiger aufgeteilt habe; diese Vorgehensweise lasse nicht den Willen auf eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger, insbesondere der noch nicht vollstreckenden schließen.

Der Beklagte habe auch Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners gehabt. Von einem entsprechenden Vorsatz sei in Fällen der Erlangung einer inkongruenten Deckung regelmäßig auszugehen. Eine solche habe der Beklagte durch die fortlaufende Zwangsvollstreckung erlangt. Zudem seien die schleppenden Teilzahlungen zur Abwendung von Vollstreckungsmaßnahmen ein Indiz für die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bzw. dass dessen Mittel nicht mehr zur Befriedigung aller Gläubiger ausreichen würden. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Gesamtrückstände des Schuldners trotz fortlaufender Vollstreckungsbemühungen des Beklagten laufend angestiegen seien. So seien die Umlagen für Juni bis August 2002 noch nicht beglichen gewesen, als der Gerichtsvollzieher die weitere Vollstreckung unter Hinweis auf das laufende Eröffnungsverfahren eingestellt habe. Diese Umstände hätten bei dem Beklagten zumindest einen begründeten Verdacht auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hervorrufen müssen.

Schließlich sei deren Kenntnis gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO zu vermuten. Der Schuldner sei seinen Verpflichtungen gegenüber dem Beklagten im fraglichen Zeitraum niemals vollständig nachgekommen, sondern habe immer nur Teilbeträge als Abschläge auf fortlaufende Rückstände gezahlt. Von einer Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit sei regelmäßig dann auszugehen, wenn der Insolvenzschuldner über Monate hinweg zunehmend in Rückstand gerät und nicht abzusehen ist, wann er die Zahlungen wieder regelmäßig und pünktlich erbringen wird. Dies gelte umso mehr, wenn der Schuldner gegenüber seinen Gläubigern eine Hinhaltetaktik verfolge. Beitragsrückstände gegenüber Sozialversicherungsträgern rechtfertigten regelmäßig die Annahme der Zahlungsunfähigkeit, da es sich hier um ein strafbares Verhalten handle, welches üblicherweise der letzte Akt vor der Insolvenz sei. In dieser Situation sei dem Beklagten auch bekannt gewesen, dass es noch weitere Gläubiger mit offenen Forderungen gegeben habe. Für eine Kenntnis im Sinne des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO reiche es aus, wenn sich der Anfechtungsgegner dieser Umstände bewusst sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 27.10.2005 - Az: 2 O 99/05 - den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 6.226,75 € nebst 4 v.H. Zinsen hieraus seit dem 29.12.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach Auffassung des Beklagten fehlt es schon an einer anfechtbaren Rechtshandlung des Schuldners, der jeweils Zahlungen an den Gerichtsvollzieher im Rahmen der diesem erteilten Vollstreckungsaufträge erbracht habe. Es komme nicht darauf an, ob der Gerichtsvollzieher selbst eine Vollstreckungshandlung ausgeführt habe bzw. im Besitz eines Durchsuchungsbeschlusses gewesen sei oder nicht. Im Übrigen verteidigt der Beklagte die angefochtene Entscheidung im Wesentlichen unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 02.02.2006 (Bl. 165 ff d.A.) sowie auf den Schriftsatz des Beklagten vom 10.03.2006 (Bl. 177 f d.A.) Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und darüber hinaus gemäß § 520 Abs. 2 ZPO rechtzeitig begründete Berufung ist zulässig und in der Sache auch zum Teil begründet.

Dem Kläger steht dem Grunde nach ein Zahlungsanspruch gemäß §§ 133, 143 InsO gegen den Beklagten zu. Die vom Landgericht festgestellten Tatsachen rechtfertigen insoweit eine andere Bewertung der Sach- und Rechtslage (§§ 513, 529 ZPO).

Die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO sind jedenfalls für die Teilzahlungen des Schuldners ab dem 05.06.2002 an den von dem Beklagten beauftragen Gerichtsvollzieher zu bejahen. Der Schuldner hat insoweit Rechtshandlungen mit Benachteilungsvorsatz vorgenommen, was dem Beklagten bekannt war.

Die Übergabe von Bargeld an den von dem Beklagten mit der Zwangsvollstreckung beauftragten Gerichtsvollzieher ist eine Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff InsO. Zwar unterliegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern regelmäßig nicht der Anfechtung gemäß § 133 InsO, weil diese Norm eine Rechtshandlung des Schuldners voraussetzt. Nach § 133 InsO anfechtbar ist eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung jedoch dann, wenn dazu zumindest auch Rechtshandlungen des Schuldner beigetragen haben (vgl. BGHZ 155, 75 ff). Hat der Schuldner allerdings nur die noch die Wahl, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung zu dulden, ist also jede Möglichkeit eines selbstbestimmten Handelns ausgeschaltet, fehlt es an einer Rechtshandlung des Schuldners (vgl. BGHZ 162, 143 ff).

So liegt der Fall hier indes nicht. Nach dem insoweit unstreitigen Sachverhalt hat der Beklagte die ihm aufgrund der Zahlungen des Schuldners an den Gerichtsvollzieher gutgeschriebenen Beträge nicht durch Pfändung und Wegnahme des Geldes durch den Gerichtsvollzieher gemäß §§ 808 Abs. 1, 815 Abs. 3 ZPO oder durch sonstige Vollstreckungsmaßnahmen erlangt. Vielmehr hat der Schuldner die Teilzahlungen auf die Beitragsforderungen des Beklagten nach der Mitteilung des Gerichtsvollziehers, es liege ein Vollstreckungsauftrag vor, erbracht, bevor es zur Vornahme von Vollstreckungshandlungen kam. Der Schuldner wollte durch die Teilzahlungen Vollstreckungsmaßnahmen offensichtlich verhindern. Zahlungen, die ein Schuldner aber freiwillig oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher erbringt, stellen sich nicht als Zwangsvollstreckungsmaßnahme eines Gläubigers dar (§§ 754, 755 ZPO). Dass ein Schuldner nur unter dem Druck der drohenden Zwangsvollstreckung zahlt, rechtfertigt keine Gleichsetzung dieser Leistungen des Schuldners mit Vermögenszugriffen, die durch die Vornahme von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgen (vgl. BGHZ 155, 75 ff; BGH, ZIP 2003, 1900 ff).

Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch von der der Entscheidung in BGHZ 162, 143 ff zugrunde liegenden Fallkonstellation. Dort war es nämlich bereits zu Vollstreckungsmaßnahmen durch Vornahme einer Forderungspfändung gekommen, so dass dem Schuldner tatsächlich keine Wahlmöglichkeit mehr blieb. Hier lagen noch keine Vollstreckungsmaßnahmen vor und waren in der konkreten Situation auch nicht zu befürchten, da der Gerichtsvollzieher wegen des fehlenden Durchsuchungsbeschlusses nicht in der Lage gewesen wäre, gegen den Willen des Schuldners Vollstreckungsmaßnahmen durchzuführen.

Eine Anfechtung nach § 133 InsO setzt des Weiteren voraus, dass der Schuldner in dem Bewusstsein handelte, andere Gläubiger zu benachteiligen. Die Darlegungs- und Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz und die übrigen Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO liegt beim Insolvenzverwalter (vgl. BGH, ZIP 2003, 1799 ff m.w.N.). Der Tatrichter hat sich seine Überzeugung nach § 286 ZPO zu bilden und dabei das entscheidungserhebliche Parteivorbringen, das Ergebnis einer eventuellen Beweisaufnahme und Erfahrungssätze zu berücksichtigen.

Zur Feststellung eines Benachteiligungsvorsatzes hat die Rechtsprechung im Laufe der Zeit bestimmte aus der Lebenserfahrung abgeleitete Grundsätze entwickelt. Hat etwa der Schuldner eine inkongruente Leistung erbracht, auf die der Begünstigte keinen Rechtsanspruch hatte, so kann darin regelmäßig ein starkes Indiz für einen Benachteiligungsvorsatz liegen (vgl. BGH, a.a.O; ZIP 1990, 459; 1997, 1509; 2006, 290 ff). Allerdings sind die hier zu beurteilenden Zahlungen nicht als inkongruente Deckungsgeschäfte zu werten. Eine Leistung, die der Schuldner dem Gläubiger auf eine fällige Forderung hin früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag erbringt, stellt sich nicht bereits deshalb als inkongruente Deckung dar, weil sie zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgt (BGH ZIP 2003, 1506 ff; 1799 ff).

Bei einem kongruenten Deckungsgeschäft, bei dem der Schuldner dem Gläubiger nur das gewährt, worauf dieser einen Anspruch hat, sind erhöhte Anforderungen an die Darlegung und den Beweis des Benachteiligungsvorsatzes zu stellen. Der bedingte Vorsatz des Schuldners zur Gläubigerbenachteiligung ist dann zu vermuten, wenn er im Zeitpunkt der Rechtshandlungen zahlungsunfähig war oder zumindest wusste, dass seine Zahlungsunfähigkeit drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligen würde (§ 133 Abs. 1 S. InsO analog - vgl. OLG Dresden, ZIP 2003, 1716 ff; BGH, ZIP 2006, 290 ff). Der Schuldner ist nach § 17 Abs. 2 S. 1 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH ist von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr beträgt, soweit nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass diese Lücke innerhalb von drei Wochen (fast) vollständig beseitigt werden kann und den Gläubigern ein solches Zuwarten zugemutet werden kann (BGH, WM 2005, 1468 ff).

In Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist schon auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhaltes davon auszugehen, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlungen zumindest um seine drohende Zahlungsunfähigkeit wusste. Zwar beziehen sich die Feststellungen in dem vorgelegten Ermittlungsbericht vom 30.11.2004 zur Vermögenssituation des Insolvenzschuldners auf den Stichtag 01.11.2002, so dass Rückschlüsse aus diesem Bericht allenfalls im Hinblick auf die letzte Zahlung an die Beklagte, die am 12.11.2004 erfolgte, möglich sind. Für den Zeitraum davor ergibt sich aus dem Bericht nichts Stichhaltiges. Allerdings hat der Kläger ausreichend dargetan, dass in dem hier maßgeblichen Zeitraum (März/April 2002) erhebliche Rückstände gegenüber dem Finanzamt und der A bestanden. Ausweislich des Schreibens des FA O1 vom 21.03.2002 bestanden seit dem 11.10.2001 Steuerrückstände in Höhe von 29.130,51 € (Bl. 65 d.A.). Die A hatte wegen des bei ihr entstandenen Rückstandes in Höhe von 16.053,25 € unter dem 23.04.2002 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Das pauschale Bestreiten des Beklagten ist insbesondere im Hinblick auf den vorgelegten Schriftverkehr nicht ausreichend. Aus dem Schreiben ergibt sich, dass ein am 11.04.2002 erfolgte Pfändungsversuch fruchtlos geblieben ist. Vor diesem Hintergrund ergeben sich nachhaltige Indizien, dass der Schuldner zumindest um seine drohende Zahlungsunfähigkeit wusste. Gerät ein Unternehmer über einen nicht unerheblichen Zeitraum in einem nicht unerheblichen Umfang mit seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Fiskus und den Sozialversicherungsträgern in Rückstand, handelt es sich um das typische Bild eines Unternehmens in der Krise. Gerade die (strafbewehrte) unterlassene Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen ist insoweit ein deutliches Indiz dafür, dass der Schuldner nicht mehr in der Lage, seinen Verpflichtungen in angemessener Zeit nachzukommen. Erfolgen in einer solchen Situation kongruente Zahlungen an einzelne Gläubiger, ist davon auszugehen, dass damit wenigstens mittelbar auch die Begünstigung dieser Gläubiger bezweckt wird. Diese Schlussfolgerung liegt insbesondere dann nahe, wenn der Schuldner mit der Befriedigung gerade dieser Gläubigers Vorteile für sich erlangen oder Nachteile abwenden will. Einem Schuldner, der weiß, dass er nicht alle Gläubiger befriedigen kann und der Forderungen eines einzelnen Gläubigers vorwiegend deshalb erfüllt, um diesen von der Stellung eines Insolvenzantrages oder der Durchführung von Vollsteckungsmaßnahmen abzuhalten, kommt es nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner gesetzlichen und vertraglichen Pflichten, sondern auf die Bevorzugung dieses einzelnen Gläubigers an; damit nimmt er die Benachteiligung der anderen Gläubiger in Kauf.

Vor diesem Hintergrund ist es für die Frage der Benachteiligungsabsicht nicht von Bedeutung, dass der Schuldner im Mai 2002 Zahlungen an die A leistete; dies geschah offensichtlich, um die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verhindern bzw. hinauszuschieben.

Des Weiteren ist davon auszugehen, dass der Beklagte den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners spätestens zum Zeitpunkt der dritten Zahlung an den Gerichtsvollzieher kannte. Dem Kläger kommen insoweit Darlegungs- und Beweiserleichterungen gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO zu Gute. Nach dieser Vorschrift wird die Kenntnis des anderen Teils vermutet, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Insoweit reicht die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit hinweisen, regelmäßig aus (BGH, ZIP 2003, 1799 ff). Erhält ein Gläubiger trotz anhaltender Vollstreckungsbemühungen über einen längeren Zeitraum lediglich Teilleistungen, so dass der Rückstand auf dem Beitragskonto insgesamt bestehen bleibt oder sogar anwächst, so muss der Gläubiger daraus schließen, dass die Mittel weder zur Erfüllung seiner Forderungen und erst recht nicht mehr zur Befriedigung anderer Gläubiger ausreichen (vgl. BGH, ZIP 2003, 1900 ff). Wenn ein Schuldner selbst zur Begleichung der arbeits- bzw. tarifvertraglich geschuldeten Beiträge an die Zusatzversorgungskasse nicht mehr in der Lage ist, muss sich diesem Gläubiger der Schluss auf die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aufdrängen. In einer solchen Situation liegt es auch auf der Hand, dass die Verbindlichkeiten gegenüber einem Sozialversicherungsträger bzw. sonstigen Gläubigern nicht annähernd die einzigen eines gewerblich tätigen Insolvenzschuldners gewesen sind. Insoweit ergibt sich das typische Bild eines in die Krise geratenen Unternehmens, in der nur noch Forderungen derjenigen Gläubiger ganz oder teilweise befriedigt werden, die bereits Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet oder sonstige Druckmittel gegen den Schuldner in der Hand haben (vgl. BGHZ 155,75 ff). Wer solche Tatsachen kennt, kann daraus regelmäßig auf den entsprechenden Vorsatz des Schuldners schließen (vgl. BGH, ZIP 2003, 1900 ff).

Selbst wenn man davon ausgeht, dass es im Baugewerbe häufig zu Verzögerungen bei der Abführung der Beiträge für die Zusatzversorgung gekommen ist und der Beklagte deshalb allein aufgrund des zunächst entstandenen Rückstandes und den ersten beiden Vollstreckungsversuchen am 19.03.2002 und 23.04.2002 noch nicht zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und dessen Benachteiligungsvorsatzes schließen musste, konnte eine entsprechende Gutgläubigkeit des Beklagten bei den weiteren Zahlungen nicht mehr angenommen werden. Spätestens nach der zweiten Zahlung, die nicht zu einem vollständigen Ausgleich der offenen Forderung des Beklagten führte, musste sich ihm unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Gesichtspunkte aufdrängen, dass sich der Schuldner offensichtlich in erheblichen Zahlungsschwierigkeiten befand und seine Zahlungsunfähigkeit zumindest drohte. Der Beklagte musste ferner davon ausgehen, dass es noch weitere Gläubiger gab, die der Schuldner nicht gleichsam befriedigen konnte. Auch aus der Sicht des Beklagten handelte es sich spätestens ab Juni 2002 um das typische Bild eines Unternehmens in der Krise. Zu diesem Zeitpunkt ging es nicht mehr um einen erstmaligen Rückstand, der die Einschaltung eines Gerichtsvollziehers erforderlich machte. Aufgrund der bislang erfolgten Teilzahlungen musste der Beklagte nunmehr von erheblichen und dauerhaften Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners ausgehen. Dieses Bild kann sich auch in der Folgezeit nicht geändert haben, vielmehr wurden auch die laufenden Beiträge nicht geleistet. Jedenfalls hat die Beklagte Gegenteiliges nicht vorgetragen. Offensichtlich ist es auch nicht zu einer entsprechenden Zahlungsvereinbarung zwischen dem Insolvenzschuldner und dem Beklagten gekommen, aufgrund derer der Beklagte davon ausgehen konnte, der Schuldner werde seine augenscheinlichen Zahlungsschwierigkeiten in den Griff bekommen und fortan seinen Verpflichtungen nachkommen. Zahlungen erfolgten immer nur dann und nie vollständig, wenn der Gerichtsvollzieher bei dem Schuldner vorstellig wurde. Bei dieser Sachlage konnte sich der Beklagte nicht darauf zurückziehen, es handele sich nur um einen in der Bauwirtschaft üblichen Vorgang bloß verspäteter Zahlungen. Vielmehr musste der Beklagte in einer solchen Situation auch von dem Vorhandensein weiterer Gläubiger ausgehen, deren Forderungen von dem Schuldner ebenfalls nicht oder nur teilweise bedient werden konnten.

Damit lagen zumindest ab dem Juni 2002 die Voraussetzungen des § 133 InsO vor, so dass die ab diesem Zeitpunkt erfolgten Zahlungen (insgesamt 3.750,- €) anfecht- und rückforderbar sind; das landgerichtliche Urteil war deshalb auf die Berufung des Klägers wie aus dem Tenor ersichtlich teilweise abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs.1 Ziffer 1, Abs. 2 Ziffer 1, 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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