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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 11.08.2005
Aktenzeichen: 26 U 71/04
Rechtsgebiete: SGB X, BGB, TA, SGB XII, RVO, BaustellenVO, SGB VII


Vorschriften:

SGB X § 116
BGB § 278
BGB § 422
BGB § 823
TA § 1
TA § 1 Abs. 1
TA § 5
TA § 5 Abs. 2
TA § 5 Abs. 2 2. Alt.
SGB XII § 104
SGB XII § 106 Abs. 3
RVO § 636
RVO § 637 a. F.
BaustellenVO § 2
BaustellenVO § 3
SGB VII § 106 Abs. 3 3. Alt.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Am 10.09.1999 stürzte der bei der Klägerin versicherte (geb..1972), Arbeitnehmer der Firma .... bei Bauarbeiten auf der Baustelle in ... durch einen unverschalten, nur mit Dachpappe bedeckten Teil der Dachfläche eines der Gebäude ("Tonne 4") 4,45 m in die Tiefe und verletzte sich da bei schwer. Die Firma war mit Abriss- und Entkernungsarbeiten an "Haus 3" beauftragt; die Verschalungsarbeiten auf dem danebenliegenden Gebäude "Tonne 4" wurden von einer ...GmbH ausgeführt. Der inzwischen in Insolvenzgefallenen ...GmbH war die Bauleitung übertragen. Mit der Klage macht die Klägerin als Sozialversicherungsträgerin wegen dieses Baustellenunfalls nach § 116 SGB X übergegangene Ansprüche geltend. Insoweit begehrt sie vom Beklagten zu 1. als Insolvenzverwalter Schadensersatz und Feststellung einer weitergehenden Schadensersatzverpflichtung wegen der Verletzung von Insolvenzschuldnerin als Bauleiterin obliegenden Verkehrssicherungspflichten; die Beklagte zu 2. - Haftpflichtversicherer der Insolvenzschuldnerin - nimmt die Klägerin wegen des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Schadensereignis und versichertem Risiko auf der Grundlage des zwischen ihr und der Beklagten zu 2. bestehenden Teilungsabkommens (im Folgenden: TA) in Anspruch.

Die Beklagten haben dem .-TÜV... den Streit verkündet; diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Das Landgericht hat nach Beweiserhebung unter Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 1. sowie der von der Beklagten zu 2. erhobenen Widerklage die Be klagte zu 2. antragsgemäß verurteilt.

Zur Begründung der Klagabweisung gegenüber dem Beklagten zu 1. hat das Landgericht ausgeführt, die Insolvenzschuldnerin habe gegenüber dem Verletzten keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Ein mit der Bauleitung betrauter Architekt hafte nur, soweit auch der Bauherr, der die Bauüberwachung übertragen hatte, haften würde. Primäre Verkehrssicherungsverpflichtungen träfen den Architekten nur für selbst veranlasste Maßnahmen auf der Baustelle. Unter Würdigung der erhobenen Beweise könne jedoch nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin im Rahmen der ihr übertragenen Bauüberwachung die durch das nicht vollständig geschlossene Dach eingetretene Gefahr erkannt oder diese als baustellentypische Gefahrenstelle hätte erkennen können. Gegen die Beklagte zu 2. stehe der Klägerin dagegen der geltend gemachte An spruch aus §§ 823 BGB, 11 6 SGB X, 1 Abs. 1 TA zu. Die Beklagte zu 2. könne sich nicht darauf berufen, dass sie gemäß § 5 TA nur 25 % des erstattungsfähigen Betra ges zu zahlen habe. Eine Haftungsprivilegierung nach §§ 104,106 Abs. 3 SGB XII liege mangels einer gemeinsamen Betriebsstätte nicht vor. Dementsprechend sei auch die Widerklage nicht begründet. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen.

Die Klägerin hat mit am 20.12.2004 (Bd. 11 BI. 380 GA) eingegangenem Schriftsatz gegen das ihr am 25.11.2004 zugestellte klageabweisende Urteil Berufung eingelegt und diese zugleich begründet; sie verfolgt den erstinstanzlich abgewiesenen Anspruch gegen den Beklagten zu 1.(Anträge zu 1: und 3. der Klage) weiter. Die Beklagte zu 2. hat gegen das ihr ebenso am 25.11.2004 zugestellte Urteil am 13.12.2004 (Bd. 11 BI. 369 GA) mit dem Ziel der vollständigen Klagabweisung Berufung eingelegt und diese am 24.01.2005 (Bd. 11 BI. 412 GA) begründet.

Die Berufung der Klägerin rügt Rechtsverletzungen durch das Landgericht. Das Landgericht habe verkannt, dass der unzureichende Kenntnisstand der Zeugin ... auf einem Organisationsmangel im Betrieb der Schuldnerin und damit auf deren Geschäftsleitung beruhe. Aufgrund seines unzutreffenden rechtlichen Ausgangspunkts habe das Landgericht unstreitigen Sachvortrag nicht berücksichtigt. ggf. zu erhebende Beweise nicht erhoben und damit seine Aufklärungspflicht verletzt.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil, soweit die Klage abgewiesen wurde. Sie halten an ihrer erstinstanzlich vertretenen Auffassung fest, die Gemeinschuldnerin habe keine Verkehrssicherungspflichten verletzt, im Übrigen sei die Beweiswürdigung durch das Landgericht zutreffend, ein Organisationsverschulden der ... GmbH liege nicht vor. Darüber hinaus liege ein Fall des Haftungsausschlusses aufgrund einer gestörten Gesamtschuld vor; jedenfalls müsse sich die Klägerin ein Mitverschulden ihres Versicherungsnehmers zurechnen lassen. Schließlich erhebt der Beklagte zu 1. vorsorglich die Einrede der Verjährung.

Hinsichtlich ihrer Verurteilung begründet die Beklagte zu 2. ihre Berufung mit einer Rechtsverletzung durch das Landgericht. Insoweit hält die Beklagte zu 2. an ihrer Auffassung fest, aufgrund der Anwendbarkeit von § 5 Abs. 2 TA sei ihre Inanspruchnahme auf 25 % der nach dem Teilungsabkommen maßgeblichen Deckungssumme von 35.000 € beschränkt. Das Landgericht habe rechtsverletzend ignoriert, dass auch dem Arbeitgeber des Verletzten, der Firma ... eigene Fürsorgepflichten gegenüber dem Verletzten oblegen hätten und sie daher als haftungsprivilegierte Beteiligte im Sinne von § 5 Abs. 2 TA anzusehen sei. Im Übrigen beruhe das Urteil insoweit auf der unzutreffenden Ansicht des Landgericht, dass es an einer gemeinsamen Betriebsstätte fehle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien und Streithelferin der Beklagten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II

A. Berufung der Beklagten zu 2.

Die zulässige Berufung der Beklagten zu 2. ist unbegründet.

Das Landgericht hat der Klägerin zu Recht auf der Grundlage des zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. bestehenden Teilungsabkommens vom 27.10./ 10.11.1983 unter: Einbeziehung der Nachtragsvereinbarung vom 15.04./18.03.1985 nach § 9 Abs. 1 des Abkommens unter Berücksichtigung der bisher geleisteten Zahlungen in Hohe von 8.750,59 € noch einen weiteren Zahlungsanspruch in Höhe von 8.749,41 € zugesprochen.

Der mit der Berufung geltend gemachte Einwand der Beklagten, aufgrund von§ 5 Abs. 2, 2. Alternative TA sei die Erstattungspflicht der Beklagten zu 2. im Rahmen des Abkommens jeweils auf die Hälfte der nach § 1 TA erstattungsfähigen Sozialversicherungsleistung, also auf 25 % beschränkt, ist nicht tragfähig. Nach dieser Regelung "verzichten die Vertragspartner auf die Prüfung des Innenverhältnisses zwischen .... der nach §§ 636, 637 RVO begünstigten Person und dem Versicherten der Allianz ....", wenn "an der Entstehung eines Schadensereignisses neben einem Versicherten der Allianz noch ...., eine Person als Mitverursacher beteiligt (ist), deren Haftung im Verhältnis zum Verletzten nach §§ 636, 637 RVO ausgeschlossen ist".

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten zu 2. setzt die Anwendung von § 5 Abs. 2 TA daher schon nach dem Wortlaut nicht nur voraus, dass ein im Verhältnis zum Verletzten nach §§-636,. 637-RVÖ a. F. ( jetzt §§ 104; 105 SGBVII) Privilegierter existiert, sondern begrifflich notwendig ist die Feststellung einer Beteiligung "an der Entstehung eines Schadensereignisses". Die Regelung macht nicht die Prüfung entbehrlich, ob überhaupt ein haftungsprivilegierter Beteiligter existiert, sondern sie soll ersichtlich die Abwicklung bei mehreren Mitverursachern dadurch erleichtern, dass auf die Prüfung des Haftungsinnenverhältnisses zwischen haftungsprivilegierter Person und versicherter Person verzichtet wird. Denn nach der Rechtsprechung hat die Zahlung der Quote aus dem Teilungsabkommen eine Gesamtwirkung nach § 422 BGB auch zu Gunsten der übrigen Schuldner; dies gilt auch dann, wenn der Zweitschädiger tatsächlich nicht haftet, nur weil er gemäß §§ 636, 637 RVO a. F. (§§ 104, 1058GB VII) von der Haftung entlastet ist (vgl. BGH VersR 1972, 828).

Die Beteiligung einer haftungsprivilegierten Person im Sinne des Teilungsabkommens setzt daher die Feststellung voraus, dass mehrere Schädiger einen Schaden verursacht haben. Steht aber eine Beteiligung eines haftungsprivilegiertenvermeintlichen Mitverursachers bei der Entstehung des Schadensereignisses nicht fest, ist für die Anwendung von § 5 Abs. 2 des Teilungsabkommens kein Raum.

So liegt der Fall hier.

Mit Schriftsatz vom 10.05.2005 hat die Beklagte zu 2. klargestellt, dass sie nicht geltend machen will, der haftungsprivilegierte Arbeitgeber des Verletzten habe Verkehrssicherungspflichten gegenüber seinem Arbeitnehmer ...schuldhaft verletzt; allein der Umstand, dass die Firma ... als Arbeitgeber des Verletzen diesem gegenüber schon im Hinblick auf Unfallverhütungsvorschriften bestimmte Einweisungspflichten zu beachten hat, begründet jedoch keine "Beteiligung" im Sinne von § 5 Abs. 2 TA, weil sich allein daran anknüpfend ohne entsprechende tatsächliche Feststellungen eine Mitverursachung des Arbeitgebers bei der Entstehung des Schadensereignisses nicht begründen lässt. Es fehlt daher an der erforderlichen Darlegung einer Mitverursachung einer privilegierten Person im Sinne einer Beteiligung an der Entstehung des Schadens.

Der Zinsnebenanspruch der Klägerin ist nach Grund und Höhe unstreitig.

B. Berufung der Klägerin

Dagegen ist die zulässig eingelegte Berufung der Klägerin begründet.

Unter Zugrundelegung des nach Beweiserhebung erster Instanz insoweit unstreitigen Sachverhalts ist von einer schadensursächlichen schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung der Insolvenzschuldnerin auszugehen.

1. Unstreitig war die ...GmbH mit den gesamten Grundleistungen für das Leistungsbild 8 der HOAI, also Objektüberwachung und Bauüberwachung, beauftragt. Von ihr wurde die Zeugin ... als Bauleiterin eingesetzt. Unstreitig ist weiterhin, dass der Zeuge ..., der für die Verlegung von Schalungsbrettern auf der Dachfläche durch die .. GmbH zuständig war, die Zeugin ...am Vortage des Unfalls darüber informiert hatte,: dass auf dem Dach eine Lücke bleiben werde, weil ca. 2,5 qm Schalung fehlten. Unstreitig ist weiterhin, dass die Zeugin ... dem Zeugen ... gegenüber daraufhin eine Frist zur Fertigstellung der Schalungsarbeiten bis zum 10.09.1999 gesetzt hat. In dem Baurapport für den 09.09.1999 heißt es insoweit:

"Die Zimmererarbeiten - Dachstuhl, Tonne. 4 - müssen am 9.9. 99 beginnen und sind am Freitag, den 10. 9. 99 zu beenden."

Unstreitig ist schließlich, dass die ... GmbH freitags auf der Baustelle nicht arbeitete, dass dies zwar der Insolvenzschuldnerin, jedoch nach ihren Angaben der Zeugin ...nicht bekannt war.

2. Bei dieser Sachlage steht eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Insolvenzschuldnerin fest.

2.1 Schon zur früheren GOA ging die herrschende Meinung hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht des Architekten davon aus (vgl. Kullmann, BauR 1977, 84 m.w.N.), dass den Architekten keine. generelle (primäre) Verkehrssicherungspflicht gegenüber Dritten traf. Jedoch traf den Architekten schon nach der zur alten GOA ergangenen Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 1977, 898), an der sich durch das Inkrafttreten der HOAI nichts geändert hat, mit der Übernahme der Bauführung die Pflicht, Dritte vor solchen Schäden zu bewahren, die im Zusammenhang mit der Errichtung des Bauwerks entstehen können. Zwar muss der Architekt im Regelfall nur diejenigen Verkehrssicherungspflichten beachten, die dem Bauherrn als dem mittelbaren- Veranlasser der aus der Bauausführung fließenden Gefahren obliegen. Der mit der örtlichen Bauaufsicht beauftragte Architekt wird jedoch selbst verkehrssicherungspflichtig (u. a.) dann, wenn er Gefahrenquellen erkannt hat oder wenn er diese bei gewissenhafter Beobachtung der ihm obliegenden Sorgfalt hätte erkennen können. Der Architekt, dem Bauleitung und Bauaufsicht übertragen sind, darf also seine Augen nicht verschließen, um auf diese Weise jeglichem Haftungsrisiko aus dem Wege zu gehen; er muss vielmehr gewisse Gefahren auch bemerken. Die Unterscheidung in "primäre" Verkehrssicherungspflichten und "sekundäre" Kontrollpflichten hilft hier nicht weiter (vgl. auch OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 403, 404; OLG Stuttgart NJW RR 2000,752, 754). Hat ein Architekt die Bauleitung, ist es deshalb grundsätzlich seine Aufgabe, die aus dem Ablauf und der Verkettung der Bauvorgänge resultieren den Gefahren zu beherrschen; das ist nicht die Aufgabe der einzelnen Bauarbeiter bzw. der am Bau beteiligten Unternehmen (OLG Hamm, BauR 1999, 60 f; OLG Cel le, BauR 2001, 1925; Pastor in' Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Auflage, Rn. 1862 m.w.N.)

2.2 Von diesem Haftungsmaßstab ausgehend ist die Insolvenzschuldnerin für den Baustellenunfall haftpflichtig.

a) Es darf keiner näheren Begründung, dass infolge der am 09.09.1999 nicht zu Ende geführten Arbeiten seitens der Firma H durch 2,5qm fehlende Verschalung, die zudem optisch durch das Verdecken mit Dachpappe nicht erkennbar war, eine erhebliche Gefahrenlage auf dem Dach von "Tonne 4" entstanden war. Diese Gefahrensituation und die Verantwortlichkeit dafür hat das Landgericht nicht genügend präzise herausgearbeitet; es hat vielmehr in der Argumentation verkürzt auf den Zustand am Freitag, den 10.09.1999 abgestellt und damit die bereits am ... 09.09.1999ngegebeneGefanrensituation verkannt. Denn tatsächlich war der Zeugin ...schon an diesem Tag mitgeteilt worden, dass 2,5 qm Schalfläche fehlten.

b) Angesichts dieser Situation war es für eine verantwortliche Architektenbauleitung nicht ausreichend, dass die Zeugin ...gegenüber dem Zeugen ... an ordnete, "dass er diese Schalung besorgen müsse, egal wie und dass er die Zimmererarbeiten bis zum 10.09.99 fertig stellen müsse" (Aussage der Zeugin ... Zum einen wurde diese Anordnung der offenkundigen Gefahrenlage deshalb nicht gerecht, weil die Zeugin selbst mit Telefaxschreiben an die ... GmbH ausdrücklich mitgeteilt hatte, die von der Firma ... als Subunternehmerin auszuführenden Abbrucharbeiten am benachbarten Haus 3 könnten "ab Mittwoch, dem 08.09.1999 begonnen werden" (Anlage K 24, Bd. 11, BI. 309). Sie wusste also oder musste zumindest damit rechnen, dass in dem Zeitraum, den sie der ... GmbH zur Beseitigung der Gefahrenstelle eingeräumt hatte, ein anderes Unternehmen Abrissarbeiten auf dem Dach des benachbarten Gebäudes beginnen könnte. Dass ihr am Unfalltage noch keine Anzeige der Arbeitsaufnahme durch die Firma ... vorlag und dass der Unfallbereich des Daches der "Tonne 4'" noch nicht ausdrücklich zur Begehung freigegeben war, steht nicht der Feststellung entgegen, dass die Zeugin ... bei gewissenhafter Beobachtung der ihr obliegenden Sorgfalt hätte wissen müssen, dass eine erhöhte Gefahrenlage entstand, wenn ein weiteres Unter nehmen, das die spezifische Gefahrenlage im Baustellenbereich nicht kannte, mit Arbeiten auf der Baustelle beginnen würde. Denn es war durchaus nicht fernliegend, dass Arbeitnehmer, die mit der Dachabdeckung auf "Haus 3" beschäftigt waren, als Zugang dorthin auch die -scheinbar- sicher begehbare benachbarte Dachfläche des Gebäudes von "Tonne 4" benutzen würden. Die Zeugin hätte erkennen müssen, dass diese Gefahren/age selbst dann gegeben war, wenn die ... GmbH entsprechend der Fristsetzung der Zeugin die Verschalungsarbeiten bis zum 10.09. voll ständig abschloss. Denn es bestand ab dem 08.09.1999 ersichtlich die Gefahr, dass die Abrissarbeiten unmittelbar, jedenfalls am 09. oder 10.09.1999 beginnen würden, obwohl die Verschalungsarbeiten noch nicht abgeschlossen waren. Die Zeugin ...hätte sich schon angesichts dieser Gefahrenlage nicht darauf beschränken dürfen, sich auf die ordnungsgemäße Einhaltung der von ihr gesetzten Frist zur Fertigstellung der Schalung einerseits und eine fehlende Gefahrenlage andererseits mangels Anzeige der Aufnahme der Abrissarbeiten und Freigabe des Daches von "Tonne 4" zu verlassen.

Dies gilt umso mehr, weil sich der Unfall um 13.30 Uhr ereignete und eine verantwortliche Bauaufsicht bis dahin hätte feststellen können, dass die Abrissarbeiten tat sächlich begonnen hatten, während andererseits die Verschalungsarbeiten nicht ab geschlossen waren. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob der Zeugin bekannt war, .dass die ... GmbH an Freitagen nicht arbeitete. Dieser Umstand war jedenfalls der Insolvenzschuldnerin bekannt; sie musste daher die Gefahr erkennen, dass die Verschalungsarbeiten erst am Beginn der Folgewoche abgeschlossen wer den würden. War die Zeugin ... über die Arbeitszeiten der ... GmbH nicht informiert, begründete dies ein eigenes Organisationsverschulden der Insolvenzschuldnerin, die dafür sorgen musste, dass die vor Ort mit der Bauaufsicht beauftragte Mitarbeiterin über die insoweit maßgeblichen Informationen verfügte. War der Umstand der Zeugin ... entgegen ihrer Aussage - bekannt, müsste sich die Gemeinschuldnerin über § 278 BGB das Verhalten der Zeugin ...zurechnen lassen.

c) Bei diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob sich eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Schuldnerin ... GmbH weiter daraus herleiten lässt, dass ihr mit der Übertragung der Leistungsphase 8 der HOAI auch Sicherungs- und Koordinationsmaßnahmen gemäß §§ 2, 3 BaustellenVO oblagen.

2.3 Eine Ausschluss der Haftung der Beklagten zu 2. kommt auch nicht nach den Grundsätzen über die gestörte Gesamtschuld in Betracht. Voraussetzung für das Eingreifen der Grundsätze über die gestörte Gesamtschuld ist immer die Haftungsprivilegierung eines Gesamtschuldners. Eine solche Haftungsprivilegierung könnte vorliegend allenfalls aus § 106 Abs. 3, 3. Alternative SGB VII hergeleitet werden; dazu wäre erforderlich, "dass es sich bei den Arbeiten der beteiligten Unternehmen um vorübergehende betriebliche Tätigkeiten "auf einer gemeinsamen Betriebsstätte" gehandelt hätte.Unter Zugrundelegung der einschlägigen Rechtsprechung (BGH VersR 2001, 336; 2003, 904) liegt eine gemeinsame Betriebsstätte nur vor bei "Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wo bei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt" (BGH, Urteil vom 16.12.2003, VI ZR 103/03,Urteilsumdruck S. 7).

An einer solchen gemeinsamen Betriebsstätte fehlt es jedoch.

a) Die Annahme einer gemeinsamen Betriebsstätte zwischen Bauleiterin ... und dem geschädigte ...die die Beklagten aus dem Umstand herleiten wollen, dass sich die Zeugin ... am Schadenstag auf der Baustelle aufgehalten habe und deshalb als eine "für die beteiligten Unternehmen Tätige" anzusehen sei, ist offenkundig nicht tragfähig.

Insoweit kommen die Grundsätze über die gemeinsame Betriebsstätte nicht zur Anwendung. Denn sie finden ihre Rechtfertigung allein in der Gefahrengemeinschaft. hinsichtlich der für eine gemeinsame Betriebsstätte typischen Gefahr, dass sich die beteiligten Unternehmen bei den versicherten Tätigkeiten "ablaufbedingt in die Quere kommen" (BGH, Urteil vom 16.12.2003, Urteilsumdruck S. 8 m.w.N.). Derart "in die Quere kommen" konnten sich jedoch die ... GmbH in Gestalt ihrer Mitarbeiterin ...und die Firma ... nicht. Abgesehen davon fand zwischen der Zeugin... und der Firma ... - worauf die Klägerin zutreffend hinweist - gerade keine gemeinsame ineinander greifende Tätigkeit statt; es lag auch kein faktisches Miteinander und ein aufeinander bezogenes, miteinander verknüpftes gegenseitiges Ergänzen oder Unterstützen der wechselseitigen Werkleistungen vor.

b) Ebenso fehlt es an einer gemeinsamen Betriebsstätte zwischen der Firma ... und der ... und ...GmbH. Die ...und ... GmbH schuldete nicht gemeinsam mit der Firma ... Arbeiten; unstreitig war die Firma ... als Subunternehmerin der ... und ...GmbH für Abbruch und Entkernung zuständig. Es ist auch nichts dafür dargelegt oder sonst ersichtlich, dass die beiden Firmen vor Ort nebeneinander gearbeitet hätten.

c) Schließlich ist auch eine gemeinsame Betriebsstätte der Firma ... und ... GmbH nicht feststellbar. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass schon der Sachverhalt dagegen streitet. Eine Dachdeckerfirma, die unter Zurücklassung eines ungesicherten Daches abzieht, und eine Firma, die auf einem Nachbarhause Abbruch- und Entkernungsarbeiten durchführt, unterhalten keine gemeinsame Betriebsstätte. Vielmehr konnten die von der ... GmbH auf dem "Haus 3" geschuldeten Arbeiten ausweislich des Schreibens der Zeugin ... vom 8.9.1999 (K 24) erst nach "Vorleistung" der Abbrucharbeiten durch die Firma ... beginnen.

2.4 Der Mitverschuldenseinwand der Beklagten zu 2. hinsichtlich eines Eigenverschuldens des verletzten Versicherungsnehmers der Klägerin ist unbegründet. Unstreitig war eine Gefahrenlage nicht erkennbar. Allein der Umstand, dass der Verletzte über das Dach von "Tonne 4" ging, begründet keinen Mitverschuldensvorwurf, da ihm ein entsprechendes Handeln nicht verboten war; auch die Mitteilung der fehlenden Dachfreigabe erreichte die ... und ... GmbH, als deren Subunternehmerin die Firma ... arbeitete, erst am 23.09.1999, also nach dem schadensursächlichen Ereignis. Dass die Firma ... ihre Arbeitsaufnahme nicht anzeigte, ist schon im Hinblick auf das weit überwiegende Verschulden der Insolvenzschuldnerin am Eintritt des Schadensereignisses unerheblich. Die Beklagten haben im Übrigen in der mündlichen Verhandlung keine weitergehenden Umstände vortragen können, welche die Annahme eines Mitverschuldens des Verletzten rechtfertigen könnten.

2.5

Die Forderung der Klägerin ist nicht verjährt.

Die Verjährung ist auch gegenüber dem Schädiger selbst im Hinblick auf das zwischen der Klägerin und dem Versicherer, der Beklagten zu 2., abgeschlossene Teilungsabkommen gehemmt (BGH VersR 1978. 278; Schneider in:: Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Auflag, Kap. 76, Rn. 42). Auf die Kenntnis der Regressabteilung der Klägerin kommt es nicht an.

Die Kostenentscheidung folg aus §§ 91, 100, 101 ZPO; dabei führt der in erster Instanz infolge der Widerklage um 1080,62 Euro höhere Streitwert (in zweiter Instanz: 62096,58 Euro) zu keiner höheren Kostenlast der Beklagten zu 2..

Das Urteil ist nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Für die Zulassung der Revision fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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