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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 10.09.2009
Aktenzeichen: 26 U 8/09
Rechtsgebiete: BGB, StVG
Vorschriften:
BGB § 823 | |
StVG § 7 | |
StVG § 18 |
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.03.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - Az.: 2-24 O 108/08 - abgeändert.
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 7.285,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.265,49 € ab dem 10.07.2008 sowie aus weiteren 4.019,97 € ab dem 07.08.2008 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 683,16 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 07.08.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreites haben die Klägerin 1/3 und die Beklagten 2/3 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 14.05.2008 gegen 08.20 Uhr in der Gemarkung O1 ereignet hat.
Die Tochter der Klägerin, Frau Tochter A, befuhr mit dem im Eigentum der Klägerin stehenden PKW X mit dem amtlichen Kennzeichen ... die A-Straße aus Richtung O1 kommend in Fahrtrichtung B-Straße. Als sie sich auf der rechten von zwei Fahrspuren der Kreuzung zur L ...., der sogenannten Ortsbezeichnung Y näherte, sprang die dortige Lichtzeichenanlage für ihre Fahrtrichtung auf Grün.
Zur gleichen Zeit befuhr der Beklagte zu 1), der Fahrer des bei der Beklagten zu 2) versicherten Notarztwagens, die L .... aus Richtung O2 kommend und wollte die Kreuzung in Richtung O3 überqueren. Für ihn zeigte die Lichtzeichenanlage rot. Beide Fahrzeuge fuhren in die Kreuzung ein, wo es dann zur Kollision kam. Bezüglich des der Klägerin dabei entstandenen Schadens, der zwischen den Parteien unstreitig ist, wird auf die Klageschrift vom 13.07.2008 (Bl. 1 ff d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat behauptet, dass sich auf der Linksabbiegerspur neben ihrem Fahrzeug ein großer LKW befunden habe, so dass die Zeugin A das von links kommende Einsatzfahrzeug erst habe wahrnehmen können, als sie die Haltelinie zur Kreuzung bereits überquert hatte. Sie habe daher auch keine Möglichkeit gehabt, das besondere Signal am Einsatzfahrzeug, sofern es überhaupt eingeschaltet gewesen sei, optisch und akustisch wahrzunehmen. Das Einsatzfahrzeug müsse mit einer Bremseingangsgeschwindigkeit von ca. 60 km/h gefahren sein und habe ihr Fahrzeug seitlich gerammt.
Die Beklagten haben behauptet, der Notarztwagen habe sich auf einer Einsatzfahrt zu einer bewusstlosen Person befunden; sowohl das optische als auch das akustische Signal seien dabei eingeschaltet gewesen. Der Beklagte zu 1) habe das Fahrzeug auf Schrittgeschwindigkeit abgebremst und sich dann in den Kreuzungsbereich hinein getastet. Nach dem er sich vergewissert habe, dass alle anderen Verkehrsteilnehmern im Kreuzungsbereich ihn wahrgenommenen und angehalten hätten, habe er das Fahrzeug wieder beschleunigt, wobei er im Zeitpunkt der Kollision mit einer Geschwindigkeit von unter 20 km/h gefahren sei. Die Zeugin A sei von rechts mit hoher Geschwindigkeit in den Einsatzwagen hinein gefahren.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 10.03.2009 (Bl. 126 ff d.A.) verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme zum Unfallhergang (wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.01. 2009 - Bl. 105 ff d. A. - Bezug genommen) in vollem Umfang stattgegeben. Es ist davon ausgegangen, dass die Sicht auf den Kreuzungsbereich für die Zeugin A durch einen auf der Linksabbiegerspur befindlichen LKW versperrt war und ferner das Einsatzfahrzeug mit optischem und akustischem Sondersignal in die Kreuzung eingefahren sei. Dabei könne es dahingestellt bleiben, ob der Beklagte zu 1) tatsächlich mit Schrittgeschwindigkeit gefahren sei, denn auch dann sei nicht nachvollziehbar, warum er nicht rechtzeitig habe halten können. Insbesondere wegen des weiter vorstehenden LKWs habe der Beklagte zu 1) damit rechnen müssen, dass weitere Fahrzeuge, denen der LKW die Sicht versperrte, in die Kreuzung einfahren würden. Er hätte deshalb das Fahrzeug in der Mitte der Kreuzung bis zum Stillstand abbremsen müssen. Aufgrund der sich aus den Lichtbildern ergebenden Schäden der beteiligten Fahrzeuge sei auch davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1) in das Fahrzeug der Klägerin hinein gefahren sei. Demgegenüber sei ein unfallursächliches Verschulden der Zeugin A nicht festzustellen. Zwar habe sich für sie wegen des an der grünen Ampel haltenden LKWs eine unklare Verkehrslage ergeben, der sie indes ausreichend Rechnung getragen habe, indem sie ihr Fahrzeug abgebremst habe. Selbst wenn sie das akustische Signal des Einsatzwagens hätte hören müssen, sei es ihr nicht vorwerfbar, dass sie ihr Fahrzeug nicht sofort zum Stehen gebracht habe.
Gegen das den Beklagten am 12.03.2009 zustellt Urteil haben diese mit Schriftsatz vom 23.03.2009, eingegangen bei Gericht am 25.03.2009, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 09.05.2009, eingegangen bei Gericht am 11.05.2009, begründet.
Die Beklagten sind der Auffassung, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft eine Haftung der Beklagten für den bei dem Verkehrsunfall entstandenen Schaden der Klägerin bejaht habe. So aber es zu Unrecht ein Verschulden der Zeugin A verneint. Da sie das akustische Signal des Notarztwagens hätte hören müssen, wäre es ihre Pflicht gewesen, ihr Fahrzeug vor der Kreuzung anzuhalten, um festzustellen, ob gegebenenfalls ein Einsatzfahrzeug mit Sonderrechten Vorrang an der Kreuzung haben könnte. Dies gelte umso mehr, als sie aus dem Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer hätte schließen können, dass eine solche Verkehrssituation bestand. Darüber hinaus habe das Landgericht zu Unrecht ein Verschulden des Beklagten zu 1) angenommen, indem es die besonderen Sorgfaltspflichten des Führers eines Einsatzfahrzeuges überspannt habe. Der Führer eines solchen Fahrzeuges sei verpflichtet, bei Rotlicht mit Schrittgeschwindigkeit in eine Kreuzung einzufahren. Dieser könne dann darauf vertrauen, freie Bahn zu haben, wenn er annehmen könne, dass alle Verkehrsteilnehmer ihn und seine Zeichen wahrgenommen hätten. Soweit das Landgericht aufgrund des Schadensbildes davon ausgegangen sei, dass der Beklagte zu 1) in das Fahrzeug der Klägerin hinein gefahren sei, beruhe diese Feststellung auf einer nicht ausreichend ermittelten Tatsachengrundlage. Das Gericht hätte diese Feststellungen nur auf der Grundlage eines unfallanalytischen Gutachtens treffen dürfen. Dafür, dass der Beklagte zu 1) nur mit Schrittgeschwindigkeit in den Kreuzungsbereich eingefahren sei, hätten die Beklagten Beweis angetreten durch Vorlage und Auswertung der Diagrammscheibe. Indem das Landgericht diesen Beweis nicht erhoben habe, habe es wesentlichen Tatsachenvortrag der Beklagten übergangen.
Die Beklagten beantragen,
das am 10.03.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - Az.: 2-24 O 108/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil; sie ist der Auffassung, die Berufung habe weder Fehler bei der Tatsachenfeststellung noch bei der rechtlichen Würdigung aufgezeigt. So rechtfertigten die Schadensbilder sehr wohl die Annahme, dass das Einsatzfahrzeug in das Fahrzeug der Klägerin hinein gefahren sei, da auf der Stoßstange unterhalb des rechten Frontscheinwerfers des Einsatzfahrzeuges deutliche Kollisionsspuren zu sehen seien. Im Übrigen sei der diesbezügliche Beweisantritt verspätet, da sich der in erster Instanz angebotene Sachverständigenbeweis allein auf die Lautstärke von Schallwellen bezogen habe. Die vorgelegte Diagrammscheibe lasse keine Rückschlüsse auf die von den Beklagten behauptete Geschwindigkeit zu, da für die Zeit nach 8:15 Uhr bis zum Stillstand der Fahrzeuge eine Geschwindigkeit im Bereich zwischen 60 - 90 km/h aufgezeichnet sei; Aufzeichnungen im Bereich bis zu 20 km/h ließen sich auf der Diagrammscheibe nicht erkennen. Aus dem Schadensbild und der Stellung der Fahrzeuge nach der Kollision lasse sich ableiten, dass der Beklagte zu 1) mit einer wesentlich höheren Kollisionsgeschwindigkeit als lediglich Schrittgeschwindigkeit auf das Fahrzeug der Klägerin geprallt sei (ca. 20 km/h). Schließlich habe das Landgericht ein unfallursächliches Verschulden der Zeugin A zu Recht verneint; diese habe auf das Verhalten des Lkw-Fahrers richtig reagiert und ihr Fahrzeug sofort abgebremst. Dass die Redaktionsaufforderung, nämlich das Stehenbleiben des LKWs, zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Zeugin nicht mehr vor der Kreuzung habe anhalten können, sei ihr nicht vorwerfbar. Im Übrigen habe der LKW die akustische Wahrnehmung des Einsatzfahrzeuges blockiert.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 09.05.2009 (Bl. 160 ff. d.A.) und auf den Schriftsatz der Klägerin vom 02.06.2009 (Bl. 173 ff. d.A.) Bezug genommen.
II.
Die gem. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und darüber hinaus gemäß § 520 Abs. 2 ZPO rechtzeitig begründete Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nur zum Teil begründet.
Das Landgericht hat die Beklagten dem Grunde nach zu Recht zum Ersatz des der Klägerin bei dem Verkehrsunfall am 14.05.2008 entstandenen Schadens für verpflichtet gehalten. Eine hiervon abweichende Bewertung der Sach- und Rechtslage kommt auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens lediglich insoweit in Betracht, als das Landgericht eine Mithaftung der Klägerin gänzlich verneint hat. Nur diesbezüglich rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO); im Übrigen das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch ist eine abweichende Entscheidung geboten.
Die Beklagten sind der Klägerin dem Grunde nach gemäß §§ 18 Abs. 1, 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, § 3 Abs. 1 PflVG a. F. (gem. Art. 1 Abs. 1 u. 2 EGGVG findet auf Versicherungsverhältnisse, die bis zum Inkrafttreten des VVG zum 01.01.2008 entstanden sind, bei Eintritt eines Versicherungsfalls bis zum 31.12.2008 das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung, vorliegend mithin das PflVG, Anwendung) zum Schadensersatz verpflichtet, da der Schaden bei dem Betrieb des vom Beklagten zu 1) geführten und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw's entstanden ist. Die Haftung der Beklagten ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, da der Unfall auch unter Zugrundelegung des von den Beklagten behaupteten Geschehensablaufes nicht durch höhere Gewalt verursacht wurde.
Die Ersatzpflicht der Beklagten ist auch nicht gemäß § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen, da der Unfall für den Beklagten zu 1) nicht unabwendbar im Sinne dieser Vorschrift war. Die insoweit gestellten Anforderungen - Beachtung jeder nach den Umständen gebotenen Sorgfalt - entsprechen den zu § 7 Abs. 2 StVG a. F. entwickelten Grundsätzen. Danach ist ein Unfallgeschehen nur dann unabwendbar, wenn es auch bei größtmöglicher Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen wäre, wozu geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus gehört, indes nicht gemessen an dem Verhalten eines gedachten "Superfahrers", sondern an den durchschnittlichen Verkehrsanforderungen, die an einen Idealfahrer zu stellen sind (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 17 StVG Rz.22; BGH, NJW 1987, 2375).
Diesen Nachweis haben die Beklagten nicht erbracht. Zwar ist nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen in erster Instanz davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1) sich in einem Notfalleinsatz befand und schon vor dem Einfahren in den Kreuzungsbereich das optische und akustische Signal des Einsatzfahrzeuges aktiviert hatte. Allerdings stand die Ampel für seine Fahrtrichtung auf rot und auch ein Sonder- oder Wegerechtsfahrzeug (§§ 35, 38 Abs. 1 StVO) bleibt grundsätzlich an die Verkehrsregeln gebunden; der nach allgemeinen Regeln Vorfahrtsberechtigte behält sein Vorfahrtsrecht, muss aber ggf. sofort freie Bahn schaffen. Die Sonderrechte dürfen nur bei Wahrung größtmöglicher Sorgfalt wahrgenommen werden (vgl. schon BGH NJW 1962, 798; OLG München, Urteil vom 15.12.2006 - 10 U 4582/06; OLG Celle, DAR 2005, 283; KG, NZV 2006, 307; NZV 2008, 149). Insbesondere dann, wenn der Sonderrechte in Anspruch nehmende Fahrzeugführer bei Rot in eine Kreuzung einfährt, muss er sich vergewissern, dass sämtliche Verkehrsteilnehmer ihn bemerkt haben und ihm Vorrang einräumen. Besteht insoweit keine Sicherheit, muss sich der Fahrer im Schritttempo bewegen und darf sich in die Kreuzung nur hineintasten. Da mit der Möglichkeit der Verwirrung der anderen Verkehrsteilnehmer zu rechnen ist, ergibt sich sogar eine gesteigerte Sorgfaltspflicht (OLG München, a.a.O.). Dies gilt umso mehr bei einer Verkehrssituation, in der der Fahrer des Sonderfahrzeuges damit rechnen muss, dass möglicherweise nicht alle Verkehrsteilnehmer rechtzeitig auf ihn aufmerksam geworden sein könnten. Er darf sich nur dann über den über fremden Vorrang hinwegsetzen, wenn für ihn positiv erkennbar ist, dass der Verkehr ihm Vorrang einräumt. (OLG Celle, a.a.O.). In dieser Situation kann es sogar geboten sein, dass der Fahrer des Sonderfahrzeuges dieses bis fast zum Stillstand abbremst, um auf diese Weise eine hinreichende Übersicht über die Verkehrslage zu gewinnen (KG, Urteil vom 08.01.2001 - 12 U 7095/99).
Unter Anwendung dieser Grundsätze konnten die Beklagten den Nachweis der Unabwendbarkeit nicht führen. Nach den von den Beklagten insoweit nicht mehr angegriffenen Feststellungen in erster Instanz befand sich auf der Linksabbiegerspur der A-Straße ein größerer LKW, der sowohl den Sichtbereich der Zeugin A nach links, aber auch den Sichtbereich des Beklagten zu 1) auf den bevorrechtigten Verkehr von rechts beschränkte. Vor diesem Hintergrund hätte der Beklagte zu 1) sich so lange im Kreuzungsbereich vortasten und jederzeit bremsbereit sein müssen, bis er einen ausreichenden Überblick über den von rechts kommenden bevorrechtigten Verkehr gewinnen konnte. Diesen besonderen Sorgfaltspflichten kann der Beklagte zu 1) nicht ausreichend Rechnung getragen haben, jedenfalls ist dieser Nachweis durch die Beklagten nicht geführt worden, was zu ihren Lasten geht. Selbst wenn man die Aussagen der Zeugen Z1 und Dr. Z1 zugrunde legt, nach der der Beklagte zu 1) mit Schrittgeschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren ist und dann den Wagen wieder etwas beschleunigt hat, nach Aussage des Zeugen Z1 auf eine Geschwindigkeit, "in der man normalerweise eine Spielstraße überquert", nach Aussage der Zeugin Dr. Z1 "noch Schrittgeschwindigkeit", ist der Beweis der Unabwendbarkeit nicht geführt. Wie bereits oben dargelegt hätte der Beklagte zu 1) wegen der besonderen Verkehrssituation mit einer Geschwindigkeit und einer Aufmerksamkeit fahren müssen, die ein jederzeitiges Anhalten möglich gemacht hätte. Es ist auch nicht nachvollziehbar dargetan, warum der Beklagte zu 1) das von rechts herannahende Fahrzeug nicht hat wahrnehmen können. Dass die Zeugin A mit einer so hohen Geschwindigkeit gefahren ist, dass sie für den Beklagten zu 1) erst zu einem Zeitpunkt sichtbar geworden wäre, zu dem ihm ein Anhalten nicht mehr möglich war, ist weder dargetan noch aus den Umständen ersichtlich. Insbesondere das Schadensbild spricht gegen eine Kollision mit einer hohen Geschwindigkeit.
Im Übrigen hat das Landgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Art und Weise aus dem Schadensbild abgeleitet, dass die Zeugin A nicht in das Notarztfahrzeug hinein gefahren ist, was ebenfalls dagegen spricht, dass der Unfall für den Beklagten zu 1) unabwendbar war. In diesem Zusammenhang gilt es zu berücksichtigen, dass der Prüfungsumfang des Berufungsgerichts bezüglich der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung eingeschränkt ist. Zwar noch Tatsachengericht hat es aber gemäß §§ 529 Abs. 1 Ziffer 1, 520 Abs. 3 Ziffer 3 ZPO zunächst von den Tatsachen auszugehen, die das Gericht des ersten Rechtszuges festgestellt hat, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Ergänzende Tatsachenfeststellungen kommen daher nur in Betracht, wenn eine gewisse, nicht nur theoretische Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen unrichtiger oder unvollständiger Feststellungen besteht. Dies kann der Fall sein, wenn die beweiswürdigenden Erwägungen einer ausreichenden Tatsachengrundlage entbehren, also nur Vermutungen wiedergeben, lückenhaft sind oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder schließlich bei einer Verkennung der Beweislastverteilung und wenn dies zu einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung geführt hat (vgl. etwa OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.02.2009 - 1 U 76/08).
An diesen Anforderungen gemessen haben die Beklagten eine rechtsfehlerhafte Würdigung des Landgerichts, soweit es den aus dem Schadensbild abgeleiteten Unfallhergang betrifft, nicht darzulegen vermocht. Das Landgericht hat sich insoweit nachvollziehbar mit den Aussagen der Zeugen Z1 und Dr. Z1 auseinandergesetzt, die bekundet haben, dass die Zeugin A in das Einsatzfahrzeug hinein gefahren sei, und in der Sache zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Schilderung nicht mit dem Schadensbild in Einklang zu bringen sei. Denn ausweislich der vorliegenden Lichtbilder erfolgte der Anstoß am Pkw der Klägerin im Bereich des vorderen linken Kotflügels über dem Radkasten, während die Front des Fahrzeuges augenscheinlich unbeschädigt ist. Demgegenüber weist der Einsatzwagen deutliche Anstoßspuren an der Stoßstange im Bereich zwischen dem rechten Scheinwerfer und dem Kühlergrill auf. Da die Klägerin unstreitig vorgetragen hat, vor dem Anstoß nicht nach rechts ausgewichen zu sein und die im polizeilichen Unfallbericht festgehaltene Endstellung ihres Fahrzeuges allein durch den Anstoß des Notarztwagens erfolgt sei, kann die Zeugin nicht in das Einsatzfahrzeug hinein gefahren sein, sondern muss, wenn auch nur um Bruchteile von Sekunden vor dem Einsatzfahrzeug den Kollisionspunkt erreicht haben. Dies gilt selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass der Beklagte zu 1) noch nach links ausweichen wollte, zumal zum Grad des Ausweichens nichts weiter vorgetragen wurde. Soweit sich die Beklagten zum Beweis ihrer Sachverhaltsdarstellung nunmehr auf die Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens berufen, sind sie mit diesem Angriffsmittel gemäß §§ 529 Abs.1 Ziffer 2, 531 Abs. 2 ZPO in der Berufung ausgeschlossen. Umstände, die es nach § 531 Abs. 2 ZPO ausnahmsweise rechtfertigen könnten, diesen Beweisantritt in zweiter Instanz zuzulassen, haben die Beklagten nicht vorgetragen.
Bei dieser Sach- und Rechtslage gab es auch keine Veranlassung für das Landgericht für eine weitergehende Auswertung der in Kopie vorlegten Diagramm-Scheibe des Fahrtenschreibers, da es für seine rechtliche Bewertung den diesbezüglichen Vortrag der Beklagten zugrunde gelegt hat. Insoweit kann also das Urteil von vornherein nicht auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage beruhen.
Die Beklagten haften jedoch nicht in vollem Umfang für den eingetretenen Schaden, denn der Unfall beruhte auch für die Fahrzeugführerin des klägerischen Pkw's weder auf höherer Gewalt im Sinne des § 7 Abs.2 StVG noch hat die Klägerin nachweisen können, dass der Unfall für die Zeugin A unabwendbar war gemäß § 17 Abs. 3 StVG.
Zwar war die Zeugin A aufgrund der für sie grün zeigenden Ampel grundsätzlich vorfahrtsberechtigt. Jedoch bestand für sie wegen des mit Blaulicht und Einsatzhorn fahrenden Notarztwagens die Pflicht, diesem Fahrzeug unverzüglich freie Bahn zu verschaffen (§ 38 Abs. 1 StVO). Der Unfall wäre für die Zeugin A in dieser Situation allenfalls dann unabwendbar gewesen, wenn auch ein Idealfahrer im Zeitpunkt, als die Ampel auf Grün schaltete und der neben ihr befindliche LKW trotz Grünlicht abbremste, seinen Pkw nicht mehr hätte zum Stehen bringen können und auch er das eingeschaltete Martinshorn des Einsatzfahrzeuges wegen des auf der Linksabbiegerspur stehenden LKW`s bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht hätte wahrnehmen können. Diesen Nachweis hat die Klägerin indes nicht erbracht. Weder lässt sich der Aussage der Zeugin A entnehmen, dass es nicht möglich gewesen sein könnte, ihren Pkw rechtzeitig zum Halten zu bringen, einen weitergehenden Beweis hat die Klägerin auch nicht angeboten, noch dass das Martinshorn nicht wahrnehmbar gewesen sei. Allein die Angabe, es nicht gehört zu haben, schließt nicht aus, dass das Signal zu hören war. Zudem hat die Zeugin eingeräumt, dass Radio angehabt zu haben, so dass sie auch deshalb möglicherweise in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt war. Was die Zeugin unter "normaler Lautstärke" versteht, hat sie nicht weiter ausgeführt. Da die Beklagten substantiiert vorgetragen haben, dass das von dem Einsatzfahrzeug ausgehende akustische Signal zu hören war, hätte die Klägerin dies zu ihrer Entlastung widerlegen müssen, etwa durch Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens. Einen dies- bezüglichen Beweisantrag hat sie jedoch weder in erster noch in zweiter Instanz gestellt.
Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile gemäß §§ 9, 17 Abs. 1 StVG entscheidet in erster Linie das Maß der Verursachung, d.h. das Gewicht der von den Beteiligten gesetzten Schadensursachen, so wie sie sich beim konkreten Unfall ausgewirkt haben, wobei neben der Betriebsgefahr auch das Maß des jeweiligen Verschuldens zu berücksichtigen ist (vgl. Hentschel, a.a.O., § 17 StVG, Rz. 4; BGH NJW 2006, 896).
Zu Lasten der Beklagten ist aus den oben dargelegten Gründen das Verschulden des Beklagten zu 1) gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 StVG in die Abwägung einzustellen. Insoweit gilt es auch zu berücksichtigen, das den Beklagten zu 1) besondere Sorgfaltspflichten trafen. Derjenige, der Sonderrechte in Anspruch nimmt, muss in besonderem Maße darauf achten, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer das Martinshorn auch wahrgenommen haben, zumal von dem Einsatzfahrzeug wegen der durch den LKW nach rechts beeinträchtigten Sicht ein ganz besonderes Gefahrenpotential ausging. Diesen Sorgfaltpflichten ist der Beklagte zu 1) aus den oben dargelegten Gründen nicht gerecht geworden. Ein erhöhtes Maß an Verschulden, weil der Beklagte zu 1) mit überhöhter Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, lässt sich indes nicht feststellen. Zu Lasten der Beklagten geht auch die von dem Rettungsfahrzeug in der konkreten Situation ausgehende höhere Betriebsgefahr.
Aus den oben dargelegten Gründen ist allerdings ebenfalls von einem Verschulden der Fahrzeugführerin des klägerischen Pkw's auszugehen, was sich die Klägerin anrechnen lassen muss. Ihr Verschulden bzw. die vom Fahrzeug der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr sind auch nicht so geringfügig, dass sie gegenüber dem Verschulden des Beklagten zu 1) und der Betriebsgefahr des von ihm geführten Fahrzeuges gänzlich vernachlässigt werden könnten und deshalb eine Mithaftung der Klägerin völlig ausgeschlossen wäre. Unter Berücksichtigung aller Umstände hält der Senat eine Haftungsverteilung von 2/3 zu Lasten der Beklagten für angemessen.
Die Klägerin kann mithin von den Beklagten 2/3 ihres in der Höhe unstreitigen Schadens, mithin einen Betrag von 7.285,46 € ersetzt verlangen. Die Höhe der ebenfalls erstattungsfähigen außergerichtlich entstandenen Geschäftgebühr nach §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG bemisst sich nach dem berechtigten Schadensbetrag; insoweit ergibt sich ein Betrag von 683,16 €.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs.1 Ziffer 1, Abs. 2 Ziffer 1, 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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