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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.09.2005
Aktenzeichen: 26 W 51/05
Rechtsgebiete: JVEG


Vorschriften:

JVEG § 9 II
Für die Entschädigung des zum vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß § 22 Abs. 2 InsO bestellten Sachverständigen ist § 9 Abs. 2 JVEG unmittelbar anzuwenden.
Gründe:

Das Amtsgericht hat den Antragsteller durch Beschluss vom 05.08.2004 mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens dazu beauftragt, ob Tatsachen vorliegen, die den Schluss auf Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Insolvenzschuldnerin ermöglichen, ob eine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden ist und ob vorläufige Anordnungen zur Sicherung der Masse erforderlich sind. Durch weiteren Beschluss vom 11.08.2004 hat das Amtsgericht den Antragsteller zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, ohne der Schuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen. Der Antragsteller hat sein Gutachten am 18.01.2005 vorgelegt und die Festsetzung seiner Vergütung auf 3.790,57 € beantragt, wobei er einen Stundensatz von 95,- € zugrundelegt. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 11.04.2005 die Vergütung des Antragstellers antragsgemäß auf 3.790,57 € festgesetzt. Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin hat das Landgericht die Festsetzung des Amtsgerichts auf 2.920,57 € abgeändert und einen Stundensatz von 65,- € angesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwar § 9 Abs. 2 JVEG auf den - wie vorliegend - zusätzlich zum "schwachen" Verwalter bestellten Sachverständigen weder direkt noch analog noch im Wege der erweiternden Auslegung anwendbar sei. Demgemäss richte sich die Vergütung des Antragstellers nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG, da die Tätigkeit des "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters als Sachverständiger zu Fragen der Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung und verfügbaren Masse in keiner der Honorargruppen der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 Satz 2 JVEG aufgeführt sei. Da Leistungen wie die des Antragstellers ausschließlich durch Gerichte in Auftrag gegeben würden und somit außergerichtlich oder außerbehördlich vereinbarte Stundensätze nicht existierten, decke sich dies mit der Situation des Sachverständigen im Sinne des § 9 Abs. 2 JVEG. Deshalb sei es gerechtfertigt, bei der Bemessung der Vergütung nach Billigkeitsgesichtspunkten auch die gutachterliche Tätigkeit des "schwachen" Insolvenzverwalters mit 65,- € pro Stunde zu honorieren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss (Bl. 266 - 270 d. A.) verwiesen, mit dem das Landgericht die weitere Beschwerde zugelassen hat.

Mit der weiteren Beschwerde rügt der Antragsteller, das Landgericht habe nicht von der Feststellung ausgehen dürfen, dass Leistungen der hier maßgeblichen Art ausschließlich durch Gerichte in Auftrag gegeben würden und somit außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarte Stundensätze nicht existierten. Damit verkenne das Beschwerdegericht die tatsächliche Rechtspraxis. Schon eine einfache Nachfrage bei der zuständigen Wirtschaftsprüferkammer oder bei Anwaltskammern bzw. Anwaltsvereinen sowie bei berufsständischen Vereinigungen der Insolvenzverwalter hätte zutage gefördert, dass im täglichen Wirtschaftsleben sehr häufig Gutachtenaufträge an entsprechend spezialisierte Rechtsanwälte und/oder Wirtschaftsprüfer erteilt würden, um das Vorliegen eines Insolvenzgrundes bei einem Unternehmen und die voraussichtlichen Kosten eines Insolvenzverfahrens zu ermitteln. Solche Tätigkeiten würden regelmäßig mit den für Wirtschaftsprüfer und entsprechend qualifizierte Rechtsanwälte üblicherweise vereinbarten Stundensätzen vergütet. Ferner hätte die Zuordnung zu einer Honorargruppe nicht nur isoliert nach den außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätzen, sondern auch nach dem Inhalt der Sachverständigenleistung zu erfolgen. Der Vergleich mit den zur Honorargruppe 4 sowie zu höheren Honorargruppen gehörenden Sachverständigenleistungen ergebe, dass die ihm in Auftrag gegebene Tätigkeit in die Honorargruppen 8 bis 10 gehöre.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Entschädigung des Antragstellers auf der Grundlage eines Stundensatzes von 65,- € berechnet.

Der Stundensatz des Antragstellers bestimmt sich unmittelbar nach § 9 Abs. 2 JVEG. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Landgerichts, die auch vom OLG Bamberg (ZIP 2005, 819, 820; ebenso LG Mönchengladbach ZIP 2004, 410, 411 m. w. N.) vertreten wird, wonach § 9 Abs. 2 JVEG allein auf den vorläufigen Insolvenzverwalter anzuwenden ist, dem aufgrund eines der Schuldnerin auferlegten allgemeinen Verfügungsverbotes die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Insolvenzvermögen zusteht.

Gemäß seinem Wortlaut kann § 9 Abs. 2 JVEG sowohl auf den sogenannten starken als auch auf den sogenannten schwachen Insolvenzverwalter angewendet werden. Die Vorschrift legt den Stundensatz für das Sachverständigenhonorar für den "Fall des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Insolvenzordnung" fest. § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO befasst sich mit der Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters, zu prüfen, ob kostendeckende Masse vorhanden ist sowie - nach eventuellem zusätzlichem gerichtlichen Auftrag - , ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und ob Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen. Dadurch beschreibt § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO den Gegenstand der Begutachtung, die teils von Gesetzes wegen angeordnet ist, teils erst durch zusätzlichen Auftrag des Insolvenzgerichts festgelegt wird. Nach der Systematik des § 22 InsO hat der "starke" vorläufige Insolvenzverwalter in jedem Fall zu prüfen, ob eine kostendeckende Masse vorhanden ist. Für den "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalter, der in § 22 Abs. 2 InsO angesprochen wird, bestimmen sich seine Pflichten allein nach der Anordnung des Insolvenzgerichts. Seine Aufgaben unterscheiden sich von denen des "starken" Insolvenzverwalters nur insofern, als die Prüfung der Massezulänglichkeit ihm nicht von Gesetzes wegen, sondern nach einem eventuellen gerichtlichen Auftrag obliegt. Beiden Formen der vorläufigen Insolvenzverwaltung ist jedoch gemeinsam, dass darüber hinausgehende Gutachterpflichten auf einem besonderen gerichtlichen Auftrag beruhen. Insbesondere ist es möglich, dass dem Insolvenzverwalter gemäß § 22 Abs. 2 InsO durch das Insolvenzgericht genau diejenigen Begutachtungsaufträge erteilt werden, die § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO nennt. Auf diese Aufgaben bezieht sich § 9 Abs. 2 JVEG. Diese Bestimmung betrifft deshalb auch nach ihrem Wortlaut nicht allein den vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 22 Abs. 1 InsO, sondern jeden vorläufigen Insolvenzverwalter, der ein Gutachten im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO erstellt (ebenso OLG München, Beschlüsse vom 06.04.2005 - 11 W 863/05 und vom 20.05.2005 - 11 W 1422/05; ZIP 2005, 1329, 1330; AG Hamburg, NJW-RR 2005, 60, das eine analoge Anwendung des § 9 Abs. 2 JVEG befürwortet; Keller, NZI 2004, 465, 471; Hartmann, Kostengesetze, 35. Auflage, § 9 JVEG, Rn. 28). Dies steht auch im Einklang mit der Begründung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zu § 9 Abs. 2 JVEG (BT-Drucksache 15/2487 S. 139). Danach soll sich das Honorar gem. § 9 Abs. 2 JVEG auf "die Sachverständigentätigkeit im Insolvenzverfahren" beziehen. Die Begründung gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass dabei zwischen dem "starken" und dem "schwachen" Insolvenzverwalter zu unterscheiden sei. Vielmehr liegt der Zweck der Vorschrift in der Vermeidung von Abrechnungsschwierigkeiten, die bei beiden Formen der Insolvenzverwaltung gleichermaßen auftreten. Das vom Antragsteller weiterhin angeführte Argument, mit der vorstehenden Gesetzesauslegung würde nicht die Intention des Gesetzgebers des JVEG berücksichtigt, dass sich die als unzulänglich erkannten Vergütungen der Sachverständigen nach dem ZSEG verbessern sollten, trifft nicht zu.

In der Begründung des Rechtsausschusses wird vielmehr dazu angeführt, dass bis zur Gesetzesänderung die Tätigkeit der Sachverständigen im Insolvenzverfahren mit dem in § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG vorgesehenen Höchststundensatz von 52,- € entschädigt worden sei und dieser Stundensatz um 22 Prozentpunkte angehoben werden solle, so dass sich damit aufgerundet ein Stundensatz von 65,- € ergibt.

An der Anwendbarkeit des § 9 Abs. 2 JVEG ändert sich auch nichts dadurch, dass der Antragsteller zunächst nur zum Sachverständigen und erst sechs Tage später zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wurde. Angesichts des kurzen zeitlichen Abstands beider Beauftragungen und der Tatsache, dass der Antragsteller am 18.01.2005 sowohl den Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters als auch das Sachverständigengutachten vorlegte, liegt es auf der Hand, dass sich beide Tätigkeiten des Antragsstellers zeitlich und inhaltlich überschnitten haben. Dies rechtfertigt es, den Fall nicht anders zu beurteilen, als wenn dem Antragsteller beide Aufträge zum selben Zeitpunkt erteilt worden wären (so auch OLG München, Beschlüsse vom 06.04. und 20.05.2005).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

Ende der Entscheidung

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