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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 03.03.2006
Aktenzeichen: 26 W 80/05
Rechtsgebiete: JVEG


Vorschriften:

JVEG § 9
Dem sog. isolierten Sachverständigen im Insolvenzeröffnungsverfahren ist eine Vergütung zuzubilligen, die über dem Stundensatz des § 9 II JVEG liegt (hier: 80,- €).
Gründe:

Das Amtsgericht hat den Antragsteller durch Beschluss vom 15.04.2005 mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens dazu beauftragt, ob Tatsachen vorliegen, wonach der Schluss auf (drohende) Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Insolvenzschuldnerin gerechtfertigt ist, ob eine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden ist und ob vorläufige Anordnungen zur Sicherung der Masse erforderlich erscheinen. Für das von ihm am 04.07.2005 erstattete Gutachten hat der Antragsteller eine Entschädigung in Höhe von 1.413,56 € verlangt, wobei er einen Stundensatz von 80,- € berechnet hat. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 20.09.2005 die Entschädigung des Antragstellers antragsgemäß festgesetzt. Auf Beschwerde der Bezirksrevisorin hat das Landgericht die Festsetzung des Amtsgerichts auf 1.156,- € abgeändert und dabei einen Stundensatz von 65,- € angesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass § 9 Abs. 2 JVEG zwar weder direkt noch analog auf den isolierten Sachverständigen im Insolvenzantragsverfahren anzuwenden sei, dessen Vergütung richte sich nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG. Es erscheine jedoch billig, im Rahmen dieser Bestimmung auch dem isolierten Sachverständigen lediglich einen Stundensatz von 65,- € zu bewilligen. Es sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass der isolierte Sachverständige für die gleiche Tätigkeit eine höhere Entschädigung erhalten solle als der Gutachter, der auch zum "schwachen" oder "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss (Bl. 197 - 200 d. A.) verwiesen, mit dem das Landgericht die weitere Beschwerde zugelassen hat.

Mit seiner weiteren Beschwerde rügt der Antragsteller, dass das Beschwerdegericht seine Prüfungskompetenz überschritten habe. Diese sei darauf beschränkt, ob das Insolvenzgericht von seinem Ermessen im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG einen ungesetzlichen Gebrauch gemacht habe. Dies könne der Fall sein, wenn das Gericht bei seiner Ermessensprüfung maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder erhebliche Tatsachen nicht festgestellt habe. Diesen Fragen sei das Beschwerdegericht jedoch nicht nachgegangen, sondern habe seine Entscheidung anstelle der Ermessensausübung der Vorinstanz gesetzt. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Ermessen "auf null geschrumpft" sei.

Der Antragsteller beantragt,

die angegriffene Entscheidung aufzuheben und den Beschluss des Amtsgerichts vom 20.09.2005 wiederherzustellen.

Die Bezirksrevisorin beantragt,

die weitere Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer unrichtigen Gesetzesanwendung im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 2 JVEG.

Der zu beanstandende Rechtsfehler der Vorinstanz liegt allerdings nicht, wie die weitere Beschwerde geltend macht, darin, dass das Beschwerdegericht die erstinstanzliche Entscheidung nicht lediglich auf Ermessensfehler überprüft hat. Die Beschwerde gegen die richterliche Festsetzung der Entschädigung eröffnet eine Tatsacheninstanz, in der das Beschwerdegericht anstelle des Erstgerichts zu entscheiden hat. Dem Beschwerdegericht fällt daher die volle Nachprüfung der Festsetzung einschließlich der Ausübung des billigen Ermessens an (OLG Oldenburg, JurBüro 1981, 86, 88; Meyer/Höver/Bach, Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG, 23. Aufl., § 4 Rn. 4.18; Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 4 JVEG, Rn. 26; Mümmler, JurBüro 1983, 416; anderer Ansicht OLG Frankfurt am Main, JurBüro 1983, 414). Dies entspricht der Ausgestaltung, die die Beschwerde im gesamten Zivilverfahrensrecht hat. Für eine Einschränkung des Überprüfungsmaßstabs gerade im Bereich des JVEG gibt es Anhaltspunkte weder nach dem Gesetzeswortlaut noch aufgrund anderer Erwägungen.

Die Entscheidung des Landgerichts ist jedoch deshalb rechtsfehlerhaft, weil es § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG unzutreffend angewendet hat. Dies kann im vorliegenden Verfahren der weiteren Beschwerde überprüft werden, auch wenn der Rechtsbehelf auf eine andere Begründung gestützt worden ist (§§ 557 Abs. 3 Satz 2, 577 Abs. 2 S. 2 ZPO entsprechend).

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die Vorschrift des § 9 Abs. 2 JVEG auf den isolierten Sachverständigen nicht anzuwenden ist. Für eine entsprechende Anwendung fehlt es an einer Regelungslücke, da § 9 Abs. 1 JVEG die Entschädigung für jegliche gerichtliche Sachverständigentätigkeit normiert, so dass § 9 Abs. 2 JVEG lediglich eine auf ihren Gegenstand beschränkte Ausnahmebestimmung darstellt (so auch OLG Bamberg, NJW-RR 2005, 563, 564; OLG München ZIP 2005, 1329, 1330).

Die Entschädigung des Sachverständigen richtet sich deshalb nach § 9 Abs. 1 JVEG. Dabei kann die Leistung des Sachverständigen zur Vorbereitung der Eröffnungsentscheidung im Insolvenzverfahren keiner der Honorargruppen nach Anlage 1 zu § 9 Abs. 2 Satz 2 JVEG zugeordnet werden (ebenso OLG Bamberg a. a. O. und OLG München a. a. O.). Daher muss das Honorar des Sachverständigen gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG nach billigem Ermessen bestimmt werden. Dabei kann hier ein allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarter Stundensatz nicht berücksichtigt werden. Solche Stundensätze existieren für Gutachtenaufträge der vorliegende Art nicht (ebenso OLG Bamberg a. a. O.; Begründung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zu § 9 Abs. 2 JVEG, BT-Drucks. 15/2487 S. 19). Der Senat folgt nicht der Auffassung des OLG Bamberg (a. a. O.), wonach es gerechtfertigt sei, dass der isolierte Sachverständige im Insolvenzeröffnungsverfahren mit dem Stundensatz zu honorieren sei, der in § 9 Abs. 2 JVEG für vorläufige Insolvenzverwalter festgelegt ist. Dafür ließe sich zwar anführen, dass der isolierte Sachverständige die gleiche Aufgabe zu erfüllen hat wie der bereits bestellte vorläufige Insolvenzverwalter. Entgegenzuhalten ist dem jedoch, dass der vorläufige Insolvenzverwalter zusätzlich eine Vergütung nach der InsVV erhält und sich seine Tätigkeiten als vorläufiger Verwalter und als Sachverständiger überschneiden (so auch OLG München a. a. O.). Zudem erscheint ein Stundensatz von 65 ,- € (entspricht Honorargruppe 4 in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG) im Vergleich zu den entsprechenden Sachgebieten (Mieten und Pachten Honorargruppe 5; Bewertung von Immobilien, Kraftfahrzeugschäden - und bewertung Honorargruppe 6; Unternehmensbewertung Honorargruppe 10) als zu gering. Daher ist ein höherer Stundensatz als derjenige für den Sachverständigen gerechtfertigt, der zugleich als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt ist. Dabei ist ein Betrag von 80,- € pro Stunde, wie er von dem Antragsteller begehrt wird, angemessen (so auch OLG München a. a. O.). Dies entspricht dem Stundensatz für die Honorargruppe 7, der auch für Gutachten über Architekten- und Ingenieurhonorare vorgesehen ist. Zwar unterscheidet sich die Aufgabenstellungen eines Honorargutachtens von dem dem Antragsteller erteilten Auftrag deutlich. Jedoch sind sowohl die Anforderungen an die Qualifikation des Sachverständigen als auch an die Schwierigkeit seiner Aufgabe vergleichbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.

Ende der Entscheidung

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