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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 15.07.2004
Aktenzeichen: 3 U 135/02
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, weil ein Rechtsmittel nicht eröffnet ist.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen .... Auf das Sitzungsprotokoll vom 19.11.2003 (Bl. 280-283 d A) wird verwiesen.

Die Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat in der Sache überwiegend Erfolg. Der Beklagte haftet der Klägerin wegen fehlerhafter - weil unvollständiger - Information nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung jedenfalls eines Anlagevermittlungsvertrages.

Ob das Landgericht - wie die Berufung rügt - zu Unrecht von einem Anlagevermittlungsvertrag ausgegangen ist, oder ob nicht sogar ein Anlageberatungsvertrag vorlag, kann dabei dahinstehen. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden. Einen Anlageberater wird der Kapitalanleger im allgemeinen hinzuziehen, wenn er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat. Er erwartet dann nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung. Dem gegenüber übernimmt der typische Anlagenvermittler - meist gegen versprochene Provision - im Interesse des Kapitalsuchenden den Vertrieb einer bestimmten Kapitalanlage. Dem Anlageinteressenten ist dabei meist bewusst, dass der Vermittler die von ihm vertriebene Kapitalanlage werbend anpreist. Der zwischen beiden zustande gekommene Vertrag verpflichtet den Vermittler neben der Geschäftsabwicklung lediglich zur Auskunftserteilung, welche vollständig und richtig sein muss (BGH in NJW 1990, S 2461 f; Schimanski-Bunte-Lwowski, Handbuch des Bankrechts 2. Aufl., § 45, Rz. 3 und 4). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Beklagte die Klägerin bereits unvollständig über die von ihm vorgestellte Beteiligungsform ins Bild gesetzt und haftet schon deshalb.

Denn der Beklagte hat die Klägerin nicht über das Risiko des atypischen stillen Gesellschafters informiert. Der Zeuge ..., der dem Beratungsgespräch beiwohnte, hat zunächst angegeben, es sei ihm nicht bekannt, dass die Klägerin - seine damalige Lebensgefährtin - mit ihrer bisherigen Lebensversicherung unzufrieden gewesen sei. Er habe sie als nicht so sehr risikofreudig gekannt. Auf Einzelheiten des Gesprächs angesprochen, hatte der Zeuge an Stichworte wie "Steuerspareffekt", "Altersvorsorge" oder "atypischer stiller Gesellschafter" keine Erinnerung. Damit konnte zunächst zweifelhaft sein, ob die behauptete unvollständige Auskunft erwiesen ist, weil fehlende Erinnerung weder positive noch negative Bestätigung bedeutet. Der Zeuge hat allerdings zweimal betont, über Risiken der Geldanlage sei seiner Erinnerung nach nicht gesprochen worden. Er hat dies aus dem Umstand geschlossen, dass dies ansonsten Gegenstand des Gesprächs gewesen wäre, welches er im Anschluss an das Gespräch der Parteien mit der Klägerin geführt habe. Der Zeuge konnte ausschließen, dass von Seiten des Beklagten der Begriff "Verlust" gefallen ist und hat auch in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass dies ansonsten Gegenstand des nachfolgenden Gesprächs zwischen ihm und der Klägerin gewesen wäre. Abschließend hat er die Klägerin nochmals als kritisch und vorsichtig beschrieben. Er hat ferner angegeben, dass diese im Anschluss an das Gespräch mit dem Beklagten seinen Rat zu diesen Punkten suchte. Andererseits hat der Zeuge bestätigt, dass der Beklagte geäußert habe, es handele sich hier um eine tolle Sache und die Klägerin wäre dumm, wenn sie das nicht machen würde. So habe er sich jedenfalls sinngemäß ausgedrückt.

Der Beklagte hat dem allerdings entgegengehalten, er habe der Klägerin den Emissionsprospekt übergeben. Außerdem fänden sich entsprechende Hinweise auf dem Zeichnungsschein, den die Klägerin unterschrieben habe. Von der Übergabe des Emissionsprospektes ist auszugehen weil die Klägerin das Gegenteil erstmals im Berufungsverfahren bestritten hat. Die Übergabe des Emissionsprospektes reicht auch im Falle der Anlagevermittlung nicht aus, der Informationspflicht des Anlagevermittlers genüge zu tun. Denn es handelt sich um ein sehr umfang reiches Prospekt. Allein der von dem Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit vorgelegte Auszug hat 11 Seiten und beinhaltet lediglich die Abschnitte "A", "B" und "G". Der Abschnitt "G" enthalt zwar eine ausführliche Abhandlung über die Risiken der Beteiligung, angesichts des umfangreichen Gesamtprospektes der in der Beweisaufnahme augenfällig wurde, konnte der Beklagte indessen nicht erwarten, die Klägerin durch bloße Übergabe ausreichend informiert zu haben. Bei einem derart umfangreichen und für einen Laien - wie hier - unübersichtlichen Prospekt bedarf es auch im Falle der Anlagevermittlung einer zusätzlichen mündlichen Information, die hier nicht erfolgt ist, sondern der Beklagte hat sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme darauf beschränkt, die Anlageform in möglichst positivem Licht darzustellen (vgl. LG Stuttgart in VuR 2003, S. 188 f.).

Der Beklagte hat die Klägerin darüber hinaus auch nicht auf die negative Berichterstattung in der Presse hingewiesen, obwohl er auch hierzu als zur vollständigen Information verpflichteter Anlagevermittler verpflichtet gewesen wäre. Der Zeuge ... hat hierzu angegeben, von irgendwelchen Verfahren oder Berichten in den Zeitungen wegen des angebotenen Produktes sei im Gespräch mit der Klägerin und dem Beklagten nicht die Rede gewesen. Dabei kann es dahinstehen, ob dem Beklagten diese Berichterstattung in der Fachpresse bekannt war, weil er sich jedenfalls hatte kundig machen müssen (LG Stuttgart a.a.O. m.w.N.).

Ob der Beklagte der Klägerin auch zur Kündigung der Lebensversicherung geraten hat, ist demgegenüber nach der Beweisaufnahme unklar geblieben. Letztlich kann dies dahinstehen, weil Schaden aus dem Gesichtspunkt der Haftung wegen Falschauskunft durch den Beklagten damit nicht ausgeschlossen sind. Denn der Schaden beruht nicht kausal auf der Kündigung der Lebensversicherung und der hieraus entstandene Schaden wird nicht geltend gemacht. Dieser besteht vielmehr darin, dass die Klägerin bei ordnungsgemäßer Beratung die streitige Anlageform nicht gewählt und entsprechende Verträge nicht abgeschlossen hätte (BGH in NJW 1998, S. 302).

Etwaige Steuervorteile muss sich die Klägerin nicht auf diesen Schaden anrechnen lassen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 74, S. 103, 116), der der Senat folgt, wird ein auf den Schaden anrechenbarer Steuervorteil grundsätzlich durch die den Geschädigten hinsichtlich der Schadensersatzleistung treffende Steuerpflicht aufgewogen, ohne dass die Beträge im Einzelfall festgestellt werden müssen.

Die Klägerin muss sich nach Meinung des Senats allerdings ein Mitverschulden bei der Schadensentstehung anrechnen lassen, welches mit 1/3 zu bemessen ist. Auch wenn der Beklagte keine ordnungsgemäße Aufklärung erbrachte, hatten der Klägerin die Hinweise auf dem Zeichnungsschein, die über der Rubrik für die Unterschriftsleistung abgedruckt waren, Veranlassung geben müssen, die Sicherheit der Anlage zu hinterfragen. Dass sie dies getan hatte und das sie der Beklagte daraufhin wiederum unvollständig informiert hatte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Dass die Klägerin intellektuell nicht in der Lage gewesen wäre, diese Hinweise richtig zu erfassen, ist nicht erkennbar. Die mündliche Anhörung der Klägerin vor dem Senat am 24.04.2003 hat einen derartigen Eindruck keineswegs erweckt.

Was die Schadensberechnung betrifft, so kann die Klägerin - wie bereits ausgeführt - verlangen, so gestellt zu werden, als hatte sie sich an dem Anlagemodell nicht beteiligt. Von den eingezahlten Beträgen sind damit die an sie geflossenen Renditezahlungen abzusetzen (BGH in MDR 2000, S. 406). Dem hat die Klägerin Rechnung getragen. Bei der Anlage in Form der Einmalzahlung hat die Klägerin die an sie geflossenen Auszahlungen von der Klageforderung abgesetzt. Bei den übrigen Verträgen gab es keine Auszahlungen an die Klägerin, sondern es erfolgte Wiederanlage. Die Auszahlung des Schadensbetrages hat Zug-um-Zug gegen Übertragung der Anteilsrechte an den Beklagten zu erfolgen wie es die Klägerin beantragt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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