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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.06.2006
Aktenzeichen: 3 U 143/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 93
BGB § 94
BGB § 912
EGBGB Art. 181 I
1. Voraussetzung des Vorliegens eines Überbaus ist es nach § 912 Abs. 1 BGB, dass der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut hat. Sind Feststellungen über die Absichten und Interessen des Erbauers nicht möglich, muss auf die objektiven Gegebenheiten zurückgegriffen werden, wobei diese auch die Vermutung rechtfertigen können, dass sie den Absichten des Erbauers entsprechen. Als objektive Kriterien kommen die wirtschaftliche Interessenlage, die Zweckbeziehung des überbauten Gebäudes und die räumliche Erschließung durch einen Zugang in Betracht. Maßgeblich sind bei einem älteren historischen Baukörper nach Art. 181 Abs. 1 EGBGB die tatsächlichen Verhältnisse bei Inkrafttreten des BGB.

2. Eine feste Verbindung des Überbaus mit dem überbauten Grundstück ist nicht erforderlich; es genügt eine Nutzung des Nachbargrundstücks im Luftraum über der Erdoberfläche. Das Bestehen einer festen Verbindung zum Nachbargrundstück ist aber auch nicht schädlich. Auf die Frage, ob der Baukörper im Sinne eines wesentlichen Bestandteils (§ 94 BGB) mit dem überbauten Grundstück verbunden ist, kommt es nicht an.

3. Eine sinngemäße Anwendung der §§ 912 ff. BGB erfolgt auch dann, wenn das Grundstück, das überbaut wurde, sowie das Grundstück, von dem aus der Überbau erfolgt ist, zunächst in einer Hand gewesen sind, also ein sog. Eigengrenzüberbau vorliegt. Beim Eigengrenzüberbau ist der Eigentümer der in Betracht kommenden Grundstücke nicht an die zuvor bestehende Zuordnung der Gebäudesubstanz zu einem bestimmten Grundstück gebunden. Die Folgen eines Überbaus können abweichend von § 912 BGB und in Abänderung der ursprünglich vorgenommenen Zuordnung des Erbauers bestimmt werden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuordnung des Überbaus ist deshalb beim Eigengrenzüberbau derjenige, in dem die vom Überbau betroffenen Grundstücke in verschiedene Hände gelangt sind.


Gründe:

I.

Die Kläger, Eigentümer des Grundstücks Flur ..., Flurstück ..., eingetragen im Grundbuch von O1 Bl. ... (Xstraße1) in O1, begehren die Feststellung, daß sie auch Eigentümer eines als "A" (in älteren Dokumenten auch als "B") bezeichneten überbrückenden Gebäudeteils über dem im Eigentum der Beklagten zu 1) stehenden Straßengrundstück "C" (Flur ... Flurstück ..., eingetragen im Grundbuch von O1, Blatt ..., lfd. Nr. ...) seien.

Der umstrittene Gebäudeteil in der Altstadt von O1 ist mit den angrenzenden Gebäuden auf dem Grundstück der Kläger ( Xstraße1) einerseits und andererseits dem Grundstück Flur ... Flurstück ..., eingetragen im Grundbuch von O1 Blatt ... (Xstraße2) der Beklagten zu 2) fest verbunden. Überbaut ist an dieser Stelle seit alters her ein Durchgang von der Gasse "C" durch die historische Stadtmauer in Richtung ... (heute: zur Straße "D"). Zur näheren Beschreibung wird auf die Seiten 3 und 4 des Tatbestandes des angefochtenen Urteils sowie die vorgelegten Fotografien (Bl. 42 f d.A.) Bezug genommen.

In den Bestandsverzeichnissen der Grundbuchblätter der vorbezeichneten Grundstücke der Parteien ist der Gebäudeteil keinem der beteiligten Grundstücke zugeordnet. Die Beklagte zu 1) bewilligte allerdings als Eigentümerin der Gasse "C" durch Bewilligung vom 14.8.1992 (Bl. 214 d.A.) die Eintragung einer im Grundbuch (Blatt ... Abt. II Nr. ... bzw. Blatt ... Bestandsverzeichnis) eingetragenen Dienstbarkeit, nach deren Inhalt der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Xstraße2 (damals noch Flur ..., Flurstück ..., jetzt Flur ..., Flurstück ...) berechtigt sein sollte, den Gebäudeteil "A" unentgeltlich zu nutzen.

In zu den Akten gereichten Kopien oder Fotografien historischer und aktueller Verzeichnisse bzw. Darstellungen wurde der Überbau der C unterschiedlich zuordnet, überwiegend den Grundstücken Xstraße1 und 2:

- In dem "Parzellar Plan" der Stadt O1 vom 12. Januar 1825 - Flur ... - (Bl. 7 d.A.) sowie einem Plan im "Deutschen Städteatlas" von 1984 (Bl. 8 d.A.) ist der Gebäudeteil über die Gasse dem heutigen Grundstück der Kläger zugehörig eingezeichnet.

- Weitere Flurkarten aus den Jahren 1824, 1863 und 1878 aus dem ... Staatsarchiv (Bl. 236, 237 f und 239 d.A.), in denen der Gebäudeteil dem heutigen Grundstück der Kläger zugehörig dargestellt wurde;

- Im Katasterplan nach der preußischen Landvermessung von 1878/79 (Bl. 10 d.A.) ist ein - dem heutigen Grundstück der Kläger zugeordneter - Grundstücksteil vermerkt, der die Straße C im Bereich des Durchgangs durch die historische Stadtmauer verengt. Die Straße C ist hier jedoch einheitlich dem Flurstück ... (Gasse "C") zugeordnet. Der überbrückende Gebäudeteil "A" ist nicht dargestellt. Ebenso ist der Bestand in einem Stadtplan von 1967 (Bl. 57 d.A.) eingezeichnet.

- Bauplan nebst Lageplan mit baupolizeilicher Genehmigung vom 11.1.1904 (Bl. 240 d.A.); im Lageplan wird der Überbau dem jetzigen Grundstück der Kläger zugeordnet.

- In einem "nach dem Bebauungsplan" aufgestellten Plan der Stadt O1 vom 4.11.1911 (Bl. 54 f d.A.) fehlt sowohl der überbrückende Gebäudeteil als auch die Verengung der Straße im Bereich des Durchgangs durch die Stadtmauer völlig.

- In einer vom Landesamt für Denkmalpflege ... im Jahr 2004 herausgegebenen Denkmaltopographie "Kulturdenkmäler in ... Stadt O1" wird im Verzeichnis Kulturdenkmale A-Z auf S. 280 (Bl. 26 d.A.) das Objekt "Xstraße1 Wohnhaus mit Remise" beschrieben, also das heutige Grundstück der Kläger. Hier heißt es:

Zu den Gebäuden gehört auch die Überbauung des Durchgangs zur ....

- In einem aktuellen Vermessungsriß vom 8.4.2004 (Bl. 212, 231 d.A.)Žwird ein vom Grundstück der Kläger aus in das Straßengrundstück hineinragender Bauteil B (= Rest der Stadtmauer) dem Grundstück der Kläger zugeordnet. Ein in Richtung Xstraße anschließender Bauteil C (= Zugemauerter Winkel) wird dem Straßengrundstück zugeordnet; ebenso beiderseits des Durchgangs durch die Stadtmauer an dessen - aus Sicht der Xstraße gesehen - Außenseite befindliche Bauteile A (= Stützmauervorsprung).

Unergiebig für den Rechtsstreit ist ein außerdem vorgelegtes Faksimile von 1605 aus dem Deutschen Städteatlas (Bl. 8R d.A); Gegenstand der historischen Darstellung ist eine Ansicht der Stadt von NNW;

Der Kläger zu 1) selbst verfasste einen im Januar 1993 in der "... Zeitung" veröffentlichten Aufsatz unter dem Titel "Interessante Entdeckungen an den Resten der ... Stadtmauer" (Bl. 39 = 58 d.A.), in welchem er ausführte:

Auch diese Mauerpforte wird [sc.: ebenso wie das Sudhaus und die Mälzerei des mittelalterlichen "... Brauhauses" auf dem heute den Klägern gehörenden Grundstück] im 16. Jahrhundert mit Wohnraum überbaut worden sein. Die darunter durchführende Straße und das Tor waren städtisch, und so ist auch der Überbau bis heute im städtischen Eigentum. Bereits 1774 wird er [sc: im ... Häuserverzeichnis] urkundlich erwähnt als "... in die Stadtrenth" gehörig.

In den Grundakten Nr. ..., Grundbuch der Katastergemeinde O1, Band ..., Bl. ... waren die heutigen Grundstücke Xstraße1, Xstraße3 und Xstraße2 zunächst vor der Vermessungsreform Ende des 19. Jahrhunderts unter Flur ... als Parzellen Nr. a, b und c eingetragen. Sie standen gemeinsam und einheitlich etwa bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts im Eigentum eines E. Die Erbengemeinschaft nach E veräußerte durch notariellen Kaufvertrag vom 20.10.1874 den aus den drei Parzellen a, b und c bestehenden Grundbesitz an F, die kurze Zeit später G heiratete, woraufhin das Grundstück als Eigentum der Eheleute G eingetragen wurde. Durch eine in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts durchgeführte Neuvermessung erhielten die alten Flurstücke a, b und c neue Bezeichnungen, nämlich als Flurstücke ... und .... Am 5.2. 1891 wurde das Flurstück ... in die Parzellen .../... und .../... geteilt. Das Flurstück .../... (= Xstraße3) veräußerten die Eheleute G an einen Dritten.

Die den Eheleuten G verbliebenen Grundstücke Flurstück .../... (Xstraße2) und Flurstück ... (Xstraße1) wurden durch Kaufvertrag vom 6.11.1919 - Urkundenrolle Nr. .../1919 des Notars Dr. N1 zu O1 - (Bl. 81-84 d.A.) an die Eheleute ... und ... Y verkauft. Im Jahre 1923 wurde die Parzelle .../... in die Flurstücke .../... und .../... geteilt. Das Flurstück .../... ist eine kleine Fläche von 2 qm, die an die Beklagte zu 1) übereignet wurde. Das Flurstück .../... (Xstraße2) verblieb - ebenso wie das Flurstück ... (Xstraße1) - im Eigentum der Eheleute Y.

Durch Kaufvertrag vom 25. 3.1926 - Urkundenrolle Nr. .../1926 des Notars Dr. N1 - (Bl. 85-87 d.A.) verkauften die Eheleute Y zunächst einen Teil des Flurstücks ... (Xstraße1) an den Gastwirt Z, wobei dieser Teil als "derjenige mit Lagerhaus" bezeichnet wurde, der vermessen und neu parzelliert werden sollte. Weiterhin wurde dem Erwerber für sich und seine Rechtsnachfolger das Recht eingeräumt, über den zwischen den beiden Lagerhäusern liegenden Hof zu gehen, um zu dem oberen Lagerraum des von ihm erworbenen Lagerhauses zu gelangen.

Dieses Recht ist, wie aus der Grundbuchnachricht des AG Wetzlar zu O1 ... - Flur ... Nr. .../... - (Bl. 67 d.A.) und dem Grundbuch zu O1 ... - Abt. III Nr. ... - ersichtlich, am 10.5.1927 als Belastung des heutigen Grundstücks der Beklagten zu 1) Flurstück .../... zugunsten des Eigentümers der Parzelle ... eingetragen worden. Die damals geplante Aufteilung der Parzelle ... wurde jedoch nicht vorgenommen. Die Eheleute Y schlossen stattdessen mit Z einen weiteren Kaufvertrag vom 9.6.1926 - Urkundenrolle Nr. .../1926 des Notars Dr. N1 - (Bl. 88 f d.A.), in dem auf den vorausgegangenen Vertrag vom 25.3.1926 Bezug genommen und das Eigentum an der ganzen Parzelle ... auf den Gastwirt Z übertragen wurde.

Die Kläger erwarben das Flurstück Nr. ... (Xstraße1) durch Kaufvertrag vom 18.12.1990 - Urkundenrolle Nr. .../1990 des Notars N2.

Das Flurstück .../... (heute: .../1) ging auf die Erben ... Y (1959) und ..., geborene Y, (1974) über, die es 1983 an die Eltern der Beklagten zu 2, die Eheleute H, veräußerten. Diese übertrugen es im Wege vorweggenommener Erbfolge durch Vertrag vom 13.10.1995 - Urkundenrolle Nr. .../1995 Dr. N3 - ihrer Tochter, der Beklagten zu 2).

Der heutigen Nutzung nach stellt sich der überbrückende Gebäudeteil "A" als dem Grundstück Xstraße2 der Beklagten zu 2) zugehörig dar; er wird als Nebenraum des dort im Erdgeschoß befindlichen Friseurgeschäfts genutzt.

Die Kläger haben der jetzigen Beklagten zu 2) als Eigentümerin des Grundstücks Xstraße2 den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Die Kläger haben behauptet, der umstrittene Gebäudeteil stehe baulich nicht in Verbindung mit dem darunter befindlichen Straßengrundstück. Sie haben unter Bezugnahme auf die historischen Dokumente die Ansicht vertreten, der Baukörper "A" sei als Überbau Teil des Eigentums an ihrem Grundstück Xstraße1 (Flurstück ...), und habe entsprechende Feststellung begehrt.

Die Beklagte - heutige Beklagte zu 1) - hat vorgetragen, der überbrückenden Gebäudeteil stehe als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks Straße C (Flurstück ...) in ihrem Eigentum. Er sei konstruktiv mit der auf dem Grund und Boden der Beklagten stehenden ehemaligen Stadtmauer verbunden. Die seitlichen Torbögen der "C" bestünden aus massiven Granitblocksteinen, die auf dem Grund und Boden der Beklagten fest verankert seien; der obere Torbogen, ein massiver Holzbalken, liege auf den aus Granit bestehenden seitlichen Torbögen auf und sei mit diesen fest verbunden. Von diesen Eigentumsverhältnissen sei bei der Eintragung der auf dem Grundstückseigentum der Beklagten lastenden Dienstbarkeit zugunsten des Grundstücks ihrer Streithelferin im Jahre 1992 auch das Grundbuchamt ausgegangen. Sollte das zu verneinen sein und es sich tatsächlich um einen Überbau im Sinne des § 912 BGB handeln, sei er nach den seit Jahrzehnten bestehenden tatsächlichen Verhältnissen dem Grundstück ihrer Streithelferin zuzuordnen und nicht demjenigen der Kläger.

Das Landgericht hat nach Beweiserhebung durch Inaugenscheinnahme des umstrittenen Gebäudeteils und seiner Umgebung mit Urteil vom 18.3.2005 die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Kläger hätten nicht nachgewiesen, daß das Streitobjekt durch den Kaufvertrag vom 9.6.1926 dem Erwerber des heutigen Grundstücks der Kläger übertragen worden sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe dagegen fest, daß das "A" baulich eine Einheit mit dem Erdgeschoß des Grundstücks Xstraße2 bilde. Daraus, daß man in das "A" nur durch die Xstraße2 gelangen könne, rechtfertige sich der Schluß, daß der streitgegenständliche Gebäudeteil von jeher nur von der Xstraße2 aus begehbar und nutzbar gewesen sei. Hierdurch sei belegt, daß im Juni 1926 der streitgegenständliche Gebäudeteil "bei Aufteilung des Grundstücks in die Parzellen ... und ... von Y auf Z nicht übertragen" worden sei.

Mit der gegen dieses Urteil des Landgerichts rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung haben die Kläger zunächst ihre Klage auf die bisherige Streithelferin der heutigen Beklagten zu 1) erweitert. Sie haben vorgetragen, die Klageänderung sei sachdienlich, weil das erstinstanzliche Gericht seiner Überzeugung Ausdruck gegeben habe, der streitige Gebäudeteil stehe im Eigentum der bisherigen Streitverkündeten; deshalb müsse das Rechtsverhältnis nun zwischen allen Parteien geklärt werden.

Die Kläger stimmen zunächst dem Ausgangspunkt des Landgerichts zu, daß die Beklagte zu 1) mangels einer festen Verbindung zwischen der ihr gehörenden Gasse und dem Gebäudeteil nicht Eigentümerin des überbrückenden Gebäudeteils über dem Straßengrundstück C sei. Eine feste Verbindung des Baukörpers zum Grundstück der Beklagten zu 1) ergebe sich auch nicht aus deren Katasterplan vom 8.4.2004, weil die als Verbindung allenfalls in Frage kommende Zargen des Durchgangs bzw. Stützen der Zarge über dem Durchgang den jeweiligen Nachbargrundstücken der Kläger und der Beklagten zu 2) zugewiesen seien.

Sie rügen es sodann als verfahrensfehlerhaft, daß das Landgericht das Eigentum der Beklagten zu 2) angenommen habe, ohne die Parteien auf diesen für sie überraschenden Gesichtspunkt hinzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Stellung geeigneter Anträge zu geben.

Unzutreffend sei das Landgericht von einem einheitlichen Grundstück der Voreigentümer ...und sodann ... E im Jahre 1900 ausgegangen, weil Grundstück im Rechtssinne ein Teil der Erdoberfläche sei, der im Grundbuch als rechtliche Einheit unter einer besonderen Nummer eingetragen sei. Vorliegend seien jedoch bereits in die Grundbuchtabelle II zu den Grundakten Nr. ... der Katastergemeinde O1, Band ..., Artikel ..., verschiedene Grundstücke eingetragen gewesen seien, nämlich (alle in der Gemarkung O1, Flur ...)

lfd. Nr. ..., Flurstück ..., Xstraße2,

lfd. Nr. ..., Flurstück ..., daselbst mit 145 qm,

lfd. Nr. ..., Flurstück .../..., Xstraße 139 qm,

lfd. Nr. ..., Flurstück .../..., 55 qm,

wobei die lfd. Nr. ... und ... aus der ursprünglichen Nr. ... hervorgegangen seien. Die Zuordnung des Überbaus müsse auf die Verhältnisse im Zeitpunkt 1900 abstellen, als der Überbau als Folge des Inkrafttretens des BGB kraft Gesetzes entstanden sei. Sie richte sich nicht nach der Willkür des gemeinsamen Eigentümers, sondern nach der Zuordnung zu diesem Zeitpunkt. Bereits in der Klageschrift sei vorgetragen, dass die historischen Zeichnungen für einen Überbau im Eigentum der Kläger sprächen.

Die Kläger nehmen erneut Bezug auf die vorgelegte historische Dokumentation und ferner auf drei Zeichnungen in den Grundakten, die sich auf die Grundstücke der Beklagten zu 2) und ihres Nachbarn beziehen; dort sei in keinem Fall ein Überbau zugunsten des Grundstücks .../... (Beklagte zu 2) eingezeichnet; Eine die Eigentumsverhältnisse ändernde Zuordnung des Überbaus durch Parteierklärung sei nicht möglich. Die vom Kläger zu 1) in einem Zeitungsartikel geäußerte Ansicht ändere an der rechtlichen Zuordnung nichts.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 18.3.2005(1 O 97/04) festzustellen, daß die Kläger Eigentümer des Überbaus C über dem Grundstück der Beklagten zu 1) sind, eingetragen im Grundbuch von O1, Bl. ..., lfd. Nr. ..., Flur ..., Flurstück ..., Straße C (80 qm).

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Die Beklagte zu 1) verteidigt sich gegen das Feststellungsbegehren der Kläger weiter in erster Linie damit, daß aufgrund einer festen Verbindung mit ihrem Grundstück ihr Eigentum begründet sei.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist die vorgenommene Klageerweiterung durch Einbeziehung der Beklagten zu 2) sachdienlich. In der Sache bleibt die Berufung jedoch erfolglos.

A. Die von den Klägern in der Berufungsinstanz vorgenommene Parteierweiterung auf der Beklagtenseite stellt eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO dar. Für sie ist nach § 533 Nr. 2 ZPO neben der Einwilligung des Gegners oder der Annahme der Sachdienlichkeit durch das Gericht erforderlich, daß die Änderung auf Tatsachen gestützt werden kann, die nach § 529 ZPO in der Berufungsinstanz zu Grunde zu legen sind. Da vorliegend der Streitgegenstand in zweiter Instanz unverändert geblieben ist, sind durch die Erweiterung der Klage auf die Beklagte zu 2) keine neuen Tatsachenfeststellungen notwendig. Für die Zulässigkeit der Klageerweiterung kommt es folglich nur auf die des Gegners oder deren Sachdienlichkeit an. Die Zustimmung hat die Beklagte zu 1) zwar nicht erteilt und auch die Beklagte zu 2) nur unter dem Vorbehalt, daß der Senat die Erweiterung für sachdienlich erachte. Hierauf kommt es aber nicht entscheidend an. Die Sachdienlichkeit kann vorliegend nämlich nicht zweifelhaft sein, weil ernsthaft in Betracht kommt, daß das zwischen den bisherigen beiden Parteien streitige Eigentum keiner von beiden, sondern der Beklagten zu 2) zusteht, ein Ergebnis, zu dem das erstinstanzliche Gericht gekommen ist. Eine abschließende Entscheidung zu der mit der Klage geltend gemachten Feststellung ist deshalb nur unter Einbeziehung der Beklagten zu 2) als weiterer Partei möglich. Der Beklagten zu 2) ist die Teilnahme am Rechtsstreit auch durchaus zumutbar, zumal sie in ihrem eigenen Interesse liegt und sie durch ihren Beitritt als Streithelferin der Beklagten zu 1) in erster Instanz vollständig über den Streitstoff orientiert ist.

B. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, denn die Kläger haben nicht den Nachweis führen können, daß der streitige Gebäudeteil, der zwischen ihrem und dem Grundstück der Beklagten zu 2) sowie im Luftraum des der Beklagten zu 1) gehörigen Straßengrundstücks gelegen ist, sachenrechtlich als Überbau ihrem Grundstück und somit ihrem Eigentum zuzuordnen ist. Zwar stellt der überbrückende Gebäudeteil "A" einen Überbau im Sinne des § 912 BGB dar mit der Folge, daß er nicht im Eigentum der Beklagten zu 1) als Eigentümerin des überbauten Straßengrundstücks "C" (Flur ... Flurstück ...) steht. Der Überbau ist jedoch nicht dem Grundstück Xstraße1 (Flur ..., Flurstück ...) der Kläger zuzuordnen, sondern dem Grundstück Xstraße2 (Flur ... Flurstück .../1) der Beklagten zu 2).

1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Kläger, daß es sich bei dem streitgegenständlichen Fachwerküberbau um einen Überbau im Rechtssinne handelt und der Bauteil folglich nicht im Eigentum der Beklagten zu 1) steht. Maßgeblich hierfür sind die Vorschriften der §§ 912 ff. BGB betreffend den Überbau, denn sie gelten auch bezüglich eines Überbaus, der - wie der vorliegende - vor dem 1.1.1900 entstanden ist; auf alle Fragen, die den Inhalt eines bei Inkrafttreten des BGB am 1.1.1900 bestehenden Eigentums betreffen, waren und sind nämlich nach Art. 181 Abs. 1 EGBGB von diesem Zeitpunkt ab die Bestimmungen des BGB anzuwenden (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, § 912 Rn. 1, RGZ 169, 172; BGHZ 97, 292 = NJW 1986, 2639).

a) Voraussetzung des Vorliegens eines Überbaus ist es nach § 912 Abs.1 BGB, daß der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut hat. Dem steht es gleich, wenn ein Gebäude nach Grundstückteilung von der Grenze durchschnitten wird, sofern sich ein Stammgrundstück feststellen läßt, dem der durch die Grenze abgetrennte Gebäudeteil zuzuordnen ist (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, § 912 Rn. 15 ; BGZ 110, 298 = NJW 1990, 1791). Gebäude im Sinne dieser Definition ist ein Bauwerk, das durch räumliche Umfriedung gegen äußere Einflüsse Schutz gewährt und den Eintritt von Menschen gestattet (vgl. Palandt/Bassenge a.a.O. Rn. 4 m.w.N.). Diese Definition trifft auf den streitgegenständlichen, als "A" ("B") bezeichneten überbrückenden Gebäudeteil zwischen den Häusern Xstraße1 und 2 auf den Grundstücken der Kläger und der Beklagten zu 2) zu.

Auch hinsichtlich des Luftraums des Straßengrundstücks der Beklagten zu 1) kann ein Überbau bestehen, denn eine feste Verbindung des Überbaus mit dem überbauten Grundstück ist nicht erforderlich; es genügt eine Nutzung des Nachbargrundstücks über der Erdoberfläche (Palandt/Bassenge a.a.O., § 912 Rn. 6 f).

Das Bestehen einer festen Verbindung zum Nachbargrundstück ist aber auch nicht schädlich und als mit dem Boden fest verbundener Überbau geradezu der Normalfall. Auf die umstrittene Frage, ob der Baukörper im Sinne eines wesentlichen Bestandteils (§ 94 BGB) mit dem Straßengrundstück der Beklagten zu 1) verbunden ist, etwa über als Stützkonstruktion einbezogene Reste der Stadtmauer oder die im Vermessungsriß vom 8.4.2004 dargestellten Stützmauervorsprünge (Bauteile A ), die von den Klägern nur als konstruktiv unwesentliche Zargen betrachtet werden, kommt es deshalb für die Entscheidung nicht an.

Die Grundregel der §§ 94, 946 BGB, nach dem insbesondere Gebäude als wesentliche Bestandteile des Grundstück zu betrachten sind, mit dessen Grund und Boden sie fest verbunden sind, und deshalb - nach § 93 BGB - nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können, ist Ausdruck des gemeinrechtlichen und auch dem Sachenrecht des BGB zu Grunde liegenden Grundsatzes "superficies solo cedit" (= das [Eigentum am] Gebäude weicht dem [Eigentum am] Grundstück). Dieser Grundsatz gilt im BGB jedoch nicht lückenlos. Er wird von der Regelung betreffend den Überbau nach §§ 912 ff. BGB durchbrochen. Die Regelung dient nach den Motiven zum BGB der Verhütung wertvernichtender Zerstörung von Sachverbindungen (Palandt/Bassenge a.a.O. § 912 Rn. 1) und nach ihr gehört deshalb ein Überbau zu dem Eigentum des Gebäudes, dem es als wesentlicher Bestandteil zuzuordnen ist (Palandt/Bassenge a.a.O. § 912 Rn. 12; Staudinger/Jickeli/Stieper, BGB, Neubearbeitung 2004, § 94 Rn. 12; RGZ 160, 166 [177], BGHZ 64, 333 [337] = NJW 1975, 1553; BGHZ 110, 298 [302 f] = NJW 1990, 1791; BGH, NJW 1985, 789; BGH, VIZ 2004, 130 = ZfIR 2004, 104; BGHZ 157, 301= NJW 2004, 1237).

Die Regelung § 912 BGB betrifft zwar zunächst nur den rechtswidrigen Überbau auf fremdem Grundstück, der bei fehlendem Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit dem Überbau zur Duldungspflicht führt. Der Grundsatz der Erhaltung wirtschaftlicher Werte gilt jedoch erst recht für einen vom Nachbarn gestatteten und damit rechtmäßigen Überbau (Staudinger/Jickeli/Stieper a.a.O. § 94 Rn. 12; BGH NJW 1974; 794, BGHZ 157, 301,= NJW 2004, 1237). Eine sinngemäße Anwendung der §§ 912 ff. BGB greift nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 160, 166 [181]) auch dann, wenn das Grundstück, das überbaut wurde, sowie das Grundstück, von dem aus der Überbau erfolgt ist, zunächst in einer Hand gewesen sind, also ein sog. Eigengrenzüberbau vorliegt, weil spätestens dann, wenn die Grundstücke in verschiedene Hände geraten, widerstreitende Eigentumsbelange aufeinandertreffen (vgl. auch Staudinger a.a.O. Rn. 13 m.w.N.; BGHZ 110, 298 = NJW 1990, 1791; BGH, VIZ 2004, 130 = ZfIR 2004, 104 m. N.).

Um eine gemäß Art. 181 EGBGB nach dem Sachenrecht des BGB zu beurteilende Fragestellung handelt es sich im übrigen auch bei einem Streit über die Zuordnung eines bereits vor Geltung des BGB entstandenen Zwischenbaus als Überbau eines bestimmten Grundstücks (RGZ 169, 172 [176 f]). Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben, da der vorliegend streitige Bauteil im Luftraum einen Zwischenraum zwischen den Grundstücken Xstraße1 und Xstraße2 überbrückt und mit den Gebäuden auf beiden Grundstücken baulich fest verbunden ist.

b) Für die Frage, ob ein Überbau vorliegt, ist zunächst auf die Absichten und Interessen des Erbauers (BGHZ 62, 141 = NJW 1974, 794) abzustellen, und zwar auch im Falle eines Eigengrenzüberbaus (BGHZ 110, 298 = NJW 1990, 1791). Eine konkrete Feststellung hierzu ist vorliegend allerdings nicht möglich.

Immerhin ist nicht streitig, daß einer der Voreigentümer der Grundstücke der Kläger und der Beklagten zu 2) den Bau zwischen beiden Grundstücken errichtet hat; streitig ist nur, welchem Grundstück bzw. welchem jeweils aufstehenden Gebäude dieser Zwischenbau dienen sollte. Insofern ist auch der durch eine mißverständliche Bemerkung im Urteil des Landgerichts (der streitgegenständliche Gebäudeteil sei im Juni 1926 "bei Aufteilung des Grundstücks in die Parzellen ... und ... von Y auf Z nicht übertragen" worden) veranlaßte Hinweis zutreffend, daß die Bestimmung der Zugehörigkeit eines Überbaus auf der Grundlage des Grundstücksbegriffs als eines abgegrenzten Teils der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblattes unter einer besonderen Nummer eingetragen oder nach § 3 Abs. 5 GBO gebucht worden ist (Palandt/Heinrichs a.a.O. vor § 90 Rn. 3; vor § 873 Rn. 1), vorzunehmen ist.

Die von den Klägern vorgelegten historischen Belege sprechen dafür, daß im 19. Jahrhundert eine Zuordnung des Zwischenbaus zu dem Straßengrundstück der Beklagten zu 2) nicht erfolgt ist. Nach dem vorliegenden Material war eher eine Verbindung des Zwischenbaus mit dem heutigen Grundstück der Kläger vorhanden, möglicherweise auch - vielleicht auch zugleich - zum heutigen Grundstrück der Beklagten zu 2). Völlig auszuschließen ist auch nicht, daß der Zwischenbau, der über der Straße liegt und an die Stadtmauer angebaut ist, vor langer Zeit einmal von der Stadt O1 hergestellt worden ist, etwa als Nebeneinrichtung zur historischen Stadtmauer, auch wenn dem die Kläger - historisch plausibel, aber ohne Beleg - mit dem Argument entgegentreten, derartige Überbauungen seien früher wegen der Raumnot innerhalb der historischen Stadtmauer zugunsten der anliegenden Hauseigentümer vorgenommen worden.

c) Sind - wie hier - Absichten und Interessen des Erbauers nicht festzustellen, kann und muß auf die objektiven Gegebenheiten zurückgegriffen werden (Staudinger a.a.O., § 94 Rn. 14; Palandt a.a.O., § 912 Rn. 14), wobei die objektiven Gegebenheiten auch die Vermutung rechtfertigen können, daß sie den Absichten des Erbauers entsprechen (BGHZ 110, 298 [303] = NJW 1990, 1791). Als objektive Kriterien hat der BGH beispielsweise die wirtschaftliche Interessenlage, die Zweckbeziehung des überbauten Gebäudes und die räumliche Erschließung durch einen Zugang genannt.

Als objektive Umstände für die Zuordnung zu einem bestimmten Grundstück sind vorliegend der Zugang, die Erschließung mit Versorgungsleitungen und die tatsächliche Nutzung des Überbaus von einem Grundstück aus festzustellen. Danach scheidet eine Zuordnung zu dem Straßengrundstück der Beklagten zu 1) schon deshalb eindeutig aus, weil der Baukörper von diesem aus mangels einer Treppe keinen direkten Zugang hat. Eine irgendwie auf das Straßengrundstück bezogene Nutzung wird auch von der Beklagten zu 1) für den Zeitraum ab 1.1.1900 nicht behauptet. Spätestens im 19. Jahrhundert ist danach der überbrückende Gebäudeteil als Zwischenbau von den damaligen Eigentümern der heutigen Grundstücke der Kläger und der Beklagten zu 2) genutzt worden, zu deren Gunsten vermutlich eine - in historischen Altstädten nach dem damals geltenden Gemeinen Recht gebräuchliche Servitut zur Fortsetzung ihrer Gebäude in den Luftraum des Nachbarn, eine sog. servitus proiiciendi (vgl. Puchta, Pandekten, 1852, § 184) bestand.

2. Ob der Überbau allerdings dem heutigen Grundstück der Kläger oder dem der Beklagten zu 2) zuzuordnen ist, läßt sich für den Stichtag des 1.1.1900 nicht definitiv feststellen, auch wenn das vorgelegte historische Material, namentlich der "Parzellar Plan" der Stadt O1 vom 12. Januar 1825 - Flur ... - (Bl. 7 d.A.), die weiteren Flurkarten aus den Jahren 1824, 1863 und 1878 aus dem ... Staatsarchiv (Bl. 236, 237 f und 239 d.A.), und ein - einem Bauplan mit baupolizeilicher Genehmigung vom 11.1.1904 (Bl. 240 d.A.) beigefügter - Lageplan dafür sprechen, daß der Überbau damals dem jetzigen Grundstück der Kläger zugeordnet wurde. Dem steht entgegen, daß die objektiven Kriterien für die Zuordnung zu einem bestimmten Grundstück - Zugang, Erschließung mit Versorgungsleitungen und tatsächliche Nutzung - für die seit mehreren Jahrzehnten bekannten und bei der erstinstanzlichen Inaugenscheinsnahme festgestellten heutigen Verhältnisse eindeutig für eine Zuordnung zum Grundstück der Beklagten zu 2) sprechen, und eine Änderung der Nutzung für einen Zeitpunkt im 20. Jahrhundert nicht konkret vorgetragen worden ist. Die Kläger verweisen zwar darauf hin, es habe früher einmal einen Zugang oder zumindest die Möglichkeit für einen Zugang zu dem Überbau von ihrem Grundstück aus gegeben und beziehen sich insofern auf eine Zeugin, die sich an Stufen in dem Bereich erinnern könne. Damit wird jedoch nur ein Indiz dafür vorgetragen, daß ein Zugang von diesem Gebäude aus zum "A" irgendwann einmal bestanden habe.

a) Darauf, ob irgendwann einmal ein Zugang vom heutigen Grundstück der Kläger aus bestand, kommt es schon deshalb nicht an, weil vorliegend bei der Zuordnung die Besonderheiten des Eigengrenzüberbau gelten, unter deren Berücksichtigung sich die Zuordnung des Überbaus zum heutigen Grundstück der Beklagten zu 2) ergibt. Ein Eigengrenzüberbau war gegeben, weil beide als Stammgrundstücke des Überbaus in Betracht kommenden Grundstücke, die heutigen Grundstücke Xstraße1 und 2 der Kläger und der Beklagten zu 2), am 1.1.1900 und noch bis in das Jahr 1926 jeweils demselben Eigentümer gehörten, nämlich den Eheleuten G und ihren Erben und ab 1919 den Eheleuten ... und ... Y.

Beim Eigengrenzüberbau wird für die Zuordnung grundsätzlich zwar ebenfalls auf die Absichten des Erbauers abgestellt, namentlich darauf, zu welchem seiner Grundstücks das Gesamtgebäude (nebst Überbau) nach seinen Absichten und Interessen gehören soll (Palandt/Bassenge a.a.O. § 912 Rn. 14). Der Eigentümer der in Betracht kommenden Gründstücke ist jedoch bis zum Zeitpunkt der Trennung des Grundbesitzes nicht an die zuvor bestehende Zuordnung der Gebäudesubstanz zu einem bestimmten Grundstück gebunden. Die Folgen eines Überbaus können grundsätzlich - unbeschadet der grundsätzlich zwingenden sachenrechtlichen Vorschriften - durch Rechtsgeschäft abweichend von § 912 BGB und in Abänderung der ursprünglich vorgenommenen Zuordnung des Erbauers bestimmt werden (vgl. Säcker in Münchener Kommentar, § 912 Rn. 45). So steht dem Eigentümer des überbauten Grundstücks nach § 915 BGB wegen des Überbaus ein Anspruch auf Abkauf zu. Die Übertragung von einem Grundstück zum anderen kann auch durch Aufhebung der Gestattung des Überbaus von einem Grundstück und Trennung des Überbaus von dem Gebäude auf diesem Grundstück mit nachfolgender Gestattung für das andere Grundstück sowie eine Verbindung des Überbaus mit dem Gebäude auf diesem Grundstück erfolgen (BGHZ 157, 301 = NJW 2004, 1237). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuordnung des Überbaus ist deshalb beim Eigengrenzüberbau derjenige, in dem die vom Überbau betroffenen Grundstücke in verschiedene Hände gelangt sind (vgl. bereits RGZ 160, 166 [179]). Das war hier unstreitig der 9.6.1926, denn unter diesem Datum wurde durch notariellen Vertrag die Parzelle ... (Xstraße1) von den Eheleuten Y auf den Gastwirt Z übertragen wurde und damit gelangte zumindest seit Geltung des BGB erstmals das Eigentum an den Parzellen ... und .../... (heute .../...) in verschiedene Hände.

b) Welche Absichten die Eheleute Y hinsichtlich des Überbaus "A" hatten, ist aus ihrem Kaufvertrag mit Z vom 9.6.1926 - Urkundenrolle Nr. .../1926 des Notars Dr. N1 ... - (Bl. 88 f d.A.) nicht zu erkennen; der Überbau wird dort nicht erwähnt. Das gleiche gilt für den vorausgegangenen Kaufvertrag der Eheleute Y mit Z vom 25. 3.1926 - Urkundenrolle Nr. .../1926 des Notars Dr. N1 - (Bl. 85-87 d.A.); das dort erwähnte "Lagerhaus" war ein Baukörper auf der Parzelle ... und unstreitig nicht das - ohnehin seiner denkbaren Funktion nach nicht als "Lagerhaus" in Frage kommende- "A". Auch die damalige Planung der in der Folgezeit nicht ausgeführten Aufteilung der Parzelle ... ist für die Frage, welche Absichten die Eheleute Y hinsichtlich des Überbaus hatten, ohne Bedeutung. Soweit der Grundstücksvertrag vom 9.6.1926 keinen konkreten Willen der Parteien zur Zugehörigkeit des "As" oder zu dessen Übertragung enthält, steht dieser Umstand allerdings dem Vorliegen eines dahingehenden Willen nicht zwingend entgegen, weil die Vertragsparteien einen solchen Willen mangels Eintragungsfähigkeit des Überbau als Grundstücksbelastung nicht grundbuchlich wahren konnten (BGHZ 157, 301= NJW 2004, 1237; Palandt a.a.O., § 912 Rn. 11 f; Staudinger a.a.O., Rn. 12).

c) Wenn aus der Nichterwähnung des Überbaus in den Kaufverträgen vom 25. 3. und 9.6.1926 überhaupt ein Schluß zu ziehen sein könnte, dann allenfalls der, daß die Eheleute Y daran interessiert waren, sich die weitere Nutzung des die Straße "C" überbrückenden Baukörpers vorzubehalten, d.h. ihn - wenn sie oder ihre Rechtsvorgänger das nicht schon zuvor so beschlossen hatten - in Zukunft dem weiter in ihrem Eigentum verbleibenden Grundstück Xstraße2 (Flurstück .../... - heute: .../...) zuzuordnen.

Daß dies tatsächlich der Wille der Eheleute Y war, erschließt sich jedenfalls aus dem Zustand nach dem Verkauf vom 9.6.1926 und der weiteren Nutzung des Überbaus im 20. Jahrhundert. Hierfür spricht die seit Jahrzehnten bestehende tatsächliche Verbindung des Zwischenbaus mit dem Grundstück Xstraße2. Diese tatsächliche Verbindung, die in dem ausschließlichen Zugang vom Grundstück der Beklagten zu 2) sowie der Zuordnung aller Versorgungsleitungen zu diesem Grundstück besteht, läßt in Verbindung mit der im landgerichtlichen Urteil festgestellten Tatsache, daß seit eigentumsrechtlicher Trennung der Grundstücke im Jahre 1926 bis zu dem vorliegenden Rechtsstreit kein Streit über die Zugehörigkeit des "As" bestanden hat, nur den Schluß zu, daß bei Aufhebung des Eigengrenzüberbaus im Jahre 1926 der Überbau, gegebenenfalls durch Herstellung der Verbindung zum Haus Xstraße2 und Schließung einer früher vorhanden gewesenen Verbindung zum Haus Xstraße1, dem Grundstück Xstraße2 zugeordnet wurde oder bereits war und deshalb sachenrechtlich einen Überbau zugunsten dieses Grundstücks begründet hat.

Die Kläger haben keinen Vortrag zur tatsächlichen Zuordnung des Überbaus in dem entscheidenden Zeitpunkt im Jahre 1926 gehalten. Sie bestreiten lediglich die Nutzung des streitigen Überbaus durch die (Vor-) Eigentümer des Grundstücks Xstraße 2, jedenfalls als Eigentümer. Das genügt jedoch zur Anspruchsbegründung nicht. Es wäre statt dessen zur Begründung des Klageanspruchs erforderlich zu beweisen, daß eine Verbindung zwischen dem Grundstück Xstraße2 und "A" zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung 1926 nicht bestand, sondern zum Grundstück Xstraße1, oder daß entgegen einer solchen Verbindung, die auf rechtsgeschäftlichem Willen oder auf Errichtung/Änderung durch den berechtigten Alleineigentümer beider Grundstücke beruhte, nachträglich eine widerrechtliche Veränderung vorgenommen worden ist. Solche Nachweise liegen nicht vor. Die Kläger haben auch nicht widerlegen können, daß der derzeit bestehende Zustand seit der Aufteilung der Grundstücke im Jahr 1926 auf verschiedene Eigentümer unverändert bestanden hat. Die von den Klägern vorgelegten Nachweise können nur belegen, daß in der Vergangenheit, sei es auch für längere Zeit und insbesondere noch im 19. Jahrhundert, eine Verbindung des Zwischenbaus "A" zur Xstraße1 bestanden hat. Diese Verbindung hatte jedoch rechtlich keine Außenwirkung, solange beide Grundstücke sich in einheitlichem Eigentum befanden und solange es vor dem 1.1.1900 die Vorschriften der §§ 912 ff. BGB betreffend den Überbau noch gar nicht gab. Sie konnte im Übrigen wie aufgezeigt jederzeit durch einseitige Maßnahmen geändert werden. Die Zeugnisse aus der Vergangenheit stellen deshalb nicht die Rechtmäßigkeit des derzeit bestehenden Zustands in Frage. Das gilt auch für den vorgelegten Bauplan von 1904 (Bl. 240 d.A.) und die Zuordnung aus historischer Sicht in der Darstellung "Kulturdenkmäler in ..." (Bl. 26 d.A.), welche nach alledem keinerlei rechtliche Relevanz hat.

3. Im Ergebnis erweist es sich somit als richtig, daß das Landgericht für die Frage der Zuordnung des Überbaus auf den Vertrag vom 9.6.1926 abgestellt und wegen der zweifellos von den Eigentümern des heutigen Grundstücks der Beklagten zu 2) gewollten und aufrechterhaltenen baulichen Verbindung mit dem dem Haus auf ihrem Grundstück Xstraße2 diesem den Überbau zugeordnet hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs.2 ZPO sind vorliegend nicht gegeben, weil Fragen grundsätzlicher Bedeutung durch die vorstehende Entscheidung nicht betroffen sind und auch nicht solche, die eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich machen, dessen Rechtsprechung vorliegend zugrundegelegt wurde.

Ende der Entscheidung

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