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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 19.03.2007
Aktenzeichen: 3 U 241/06
Rechtsgebiete: AFB 87, VVG
Vorschriften:
AFB 87 § 11 | |
VVG § 69 |
Gründe:
I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Feuerversicherung wegen der Differenzentschädigung zwischen dem Zeitwert und den Neuwert nach einem Brand des Gebäudes auf dem ihm gehörigen Grundstück ...-Straße ... in O1 in Anspruch. Dem Versicherungsvertrag liegen die AFB 87 zugrunde. § 11 Nr. 5 a lautet:
"Ist der Neuwert (§ 5 Nr. 1 a und Nr. 2 a ) der Versicherungswert, so erwirbt der Versicherungsnehmer auf den Teil der Entschädigung, der den Zeitschaden (Abs. 2) übersteigt, einen Anspruch nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um
a) "Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen; ist dies an der bisherigen Stelle rechtlich nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zu vertreten, so genügt es, wenn das Gebäude an anderer Stelle innerhalb der Bundesrepublik Deutschland wiederhergestellt wird;...."
Bei einem Brand am 07.11.2002, zu welcher Zeit das Gebäude unter Zwangsverwaltung stand, wurde das Dachgeschoss zerstört. Die Beklagte stellte durch Sachverständigengutachten den Nettozeitwertschaden in Höhe von 118.691,92 € und den Nettoneuwertschaden in Höhe von 170.968,65 € fest. Den Zeitwertschaden zahlte sie an den Zwangsverwalter aus. Die Zwangsverwaltung wurde durch Beschluss vom 28.02.2005 aufgehoben.
Mit Schreiben vom 04.10.2005 wandte sich die ...sparkasse A an die Beklagte und bat wegen noch fehlender Unterlagen zur Kreditentscheidung um eine Verlängerung der Frist für den Wiederaufbau (07.11.2005) bis zum 15.12.2005. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 13.10.2005 (Bl. 19 d.A.) und 31.10.2005 (Bl. 20 d.A.) eine Fristverlängerung gegenüber dem Klägervertreter ab. Dieser hatte der Beklagten angeboten (Schreiben vom 03.11.2005, Bl. 21 f. d.A.), zur Sicherstellung der Verwendung der restlichen Entschädigungssumme diese auf ein von einem Treuhänder verwaltetes Sparkonto zu leisten oder die Abtretung an den Baugläubiger vorzunehmen. Er übermittelte der Beklagten den Entwurf eines notariellen Kaufvertrages (Bl. 56 ff. d.A.) sowie einen Architektenvertrag vom 05.10.2005 (Bl. 65 f. d.A.), geschlossen mit dem Kläger und der Erwerberin B. Deren Bauantrag zum Wiederaufbau vom 19.10.2005 (Bl. 26 ff. d.A.) wurde durch Bauschein vom 29.05.2006 (Bl. 115 ff. d.A.) bewilligt.
Der Kläger ist bis zum Abschluss der ersten Instanz weiterhin als Eigentümer im Grundbuch eingetragen gewesen.
Der Kläger hat geltend gemacht, wegen seiner unzureichenden finanziellen Verhältnisse habe er eine Wiederherstellung des Gebäudes nicht durchführen können und sich deshalb entschlossen, das Gebäude an Frau B, mit der ihn eine enge Interessengemeinschaft verbinde und die unter der selben Adresse wohne, zu verkaufen, die die Wiederherstellung durchführen würde. Die ...sparkasse A habe sich bereit erklärt, den Wiederaufbau zu finanzieren, sobald ein Gesamtkonzept vorliege, jedoch mit Ausnahme eines Betrages, der dem geltend gemachten Differenzbetrag von 52.276,93 € zwischen Zeitwert und Neuwert entspreche.
Der Kläger hat behauptet, den Bauantrag auch der Beklagten übermittelt zu haben. Er hat die Ansicht vertreten, die Ablehnung der Verlängerung der Wiederaufbaufrist und die Berufung der Beklagten auf den Ablauf der Frist seien rechtsmissbräuchlich.
Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass der Anspruch auf den Neuwertanteil der Entschädigung im Falle des Verkaufs erst in der Person des Erwerbers eintrete und sich auf den Standpunkt gestellt, die vom Kläger eingereichten Unterlagen reichten nicht zum Nachweis der Wiederherstellungsabsicht aus.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 01.09.2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Neuwertentschädigung nach § 11 AFB 87 seien nicht erfüllt. Der Kläger habe insbesondere innerhalb der bis zum 07.11.2005 laufenden Ausschlussfrist seine eigene Wiederherstellungsabsicht nicht nachgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die vorgesehene Erwerberin B- diese gehabt habe, weil es auf deren Wiederherstellungsabsicht nur angekommen wäre, wenn sie mit Ablauf der Ausschlussfrist schon Eigentümerin des Grundstücks geworden wäre, da der Versicherungsvertrag erst mit dem Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung auf den Erwerber übergehe. Demzufolge könne auch nur der Erwerber die Neuwertentschädigung geltend machen. Infolge dessen sei das Verhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger auch nicht rechtsmissbräuchlich, da nur die Erwerberin bei Nachweis der Wiederherstellung die Restwertentschädigung nach Eigentumsumschreibung beanspruchen könne.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung des Klägers, mit der er seine Auffassung wiederholt und vertieft, er habe einen Anspruch auf Auszahlung der Differenz zwischen Neuwert und Zeitwertschaden. Die Wiederherstellungsabsicht innerhalb von drei Jahren durch die Zeugin B als vorgesehene Rechtsnachfolgerin des Klägers sei hinreichend nachgewiesen worden. Die Zeugin B habe einen Bauantrag erstellen lassen und auch die Baugenehmigung erwirkt, einen Architektenvertrag geschlossen sowie einen notariellen Kaufvertragsentwurf aufsetzen lassen. Die ...sparkasse A sei auch bereit gewesen, den Ankauf und den beabsichtigten Wiederaufbau - ohne die Neuwertspitze von € 52.276,93 - zu finanzieren. Zusätzlich sei angeboten worden, die Neuwertspitze auf ein Treuhandkonto einzuzahlen, um die Verwendung für die Wiederherstellung zu sichern. Infolge dessen habe kein vernünftiger Zweifel an der beabsichtigten Wiederherstellung bestehen können. Die Beklagte habe es jedoch verstanden, wider Treu und Glauben zu verhindern, dass die Zeugin B innerhalb der Ausschlussfrist Eigentümerin des Grundstücks geworden sei und einen eigenen Anspruch erwerben konnte. Insbesondere sei die Nichtgewährung einer Nachfrist als rechtsmissbräuchlich anzusehen, zumal der Beklagten durch die Fristverlängerung kein Schaden habe entstehen können.
Insoweit habe das Landgericht eine ausreichende Tatsachenfeststellung dadurch unterlassen, dass es die Zeugin B und die Zeugen Z1 und Z2 nicht gehört habe, welche hätten bekunden können, dass der Wiederaufbau beabsichtigt und letztendlich sichergestellt gewesen sei, nach erfolgter Finanzierung. Letztere sei beabsichtigt gewesen und wäre auch erteilt worden, sofern die begehrte Fristverlängerung gewährt worden wäre.
Im übrigen habe die Beklagte immer noch nicht beantwortet, ob die Schadensminderungskosten sowie Aufräumungs- und Abbruchkosten, deren Zahlung sie auf Nachweis mit Schreiben vom 06.12.2002 an den Zwangsverwalter angekündigt habe, auf die Neuwertspitze anzurechnen seien oder nicht (Schreiben des Klägervertreters vom 17.10.2005, Bl. 17 f. d.A.).
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des am 01.09.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Wiesbaden (Az.: 3 0 102/06) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 52.276,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.11.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie wiederholt ihre Ansicht, es komme nicht auf die Wiederherstellungsabsicht der vorgesehenen Erwerberin B an, sondern auf diejenige des Klägers, die unstreitig nicht vorhanden gewesen sei. Im übrigen habe nach Aufhebung der Zwangsverwaltung am 28.02.2005 genügend Zeit für den Kläger zur Verfügung gestanden, die Sicherstellung der Wiederherstellung des Gebäudes nachzuweisen, nämlich bis zum 07.11.2005. Bis dahin habe er das Anwesen auch der Zeugin B- übereignen können. Beides sei jedoch nicht erfolgt. Zum Nachweis der Wiederherstellung sei weder ein Bauantrag noch eine Baugenehmigung ausreichend. Letztere sei auch erst nach Fristablauf am 29.05.2006 erteilt worden. Durch die Einzahlung auf ein Treuhandkonto sei eine art- und nutzungsgleiche Wiederherstellung nicht sichergestellt gewesen. Denn zuvor sei der Nachweis zu führen, dass für den Wiederaufbau ein höherer Betrag als die Zeitwertentschädigung benötigt werde (OLG Koblenz r+s 1986, 186). Sofern es daran fehle, könne ein Anspruch auf Auszahlung der Neuwertentschädigung erst gar nicht entstehen. Erst bei Nachweis durch Abschluss verbindlicher Bauverträge könne eine etwaige Treuhandvereinbarung zum Zwecke der Wiederherstellung überwacht und sichergestellt werden.
Ein Treuhandkonto habe es im übrigen innerhalb der Dreijahresfrist gar nicht gegeben. Die Dreijahresfrist sei Bestandteil der strengen Wiederherstellungsklausel. Deshalb sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, die Dreijahresfrist zu verlängern.
II. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger die Voraussetzungen für eine Neuwertentschädigung nicht hinreichend dargetan bzw. nachgewiesen hat.
1. Nach § 11 Nr. 5 a der AFB 87 (Bl. 102 d.A.) ist Voraussetzung für einen solchen Anspruch, dass der Versicherungsnehmer innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung zur Wiederherstellung eines Gebäudes in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle verwenden wird. Eine solche Sicherstellung hat der Kläger für seine Person unstreitig nicht erbracht; er hatte nach eigener Darlegung mangels finanzieller Grundlage auch selbst gar nicht die Absicht der Wiederherstellung.
2. Allerdings besteht nach § 69 Abs. 1 VVG im Falle der Veräußerung auch die Möglichkeit des Übergangs der Rechte aus dem Versicherungsvertrag, wobei allerdings maßgeblicher Zeitpunkt die Vollendung des Veräußerungsvorgangs ist, und das ist bei Grundstücken neben dem notariellen Kauf- und Verfügungsgeschäft die Grundbucheintragung (Prölss/Martin/Kollhosser, VVG, § 69 Rn. 4). Diese Voraussetzung hat der Kläger vorliegend unstreitig nicht geschaffen; er hat lediglich den Entwurf eines notariellen Kaufvertrages vorgelegt. Es ist nicht ersichtlich, in wie weit er durch die Beklagte daran gehindert gewesen ist, die Eigentumsübertragung und damit den Übergang der Rechte aus der Versicherung sicherzustellen.
3. Erfolgt allerdings erst die Sicherstellung der Wiederherstellung im Sinne von § 11 Nr. 5 a AFB 87 nach der Veräußerung bzw. durch den Erwerber, dann ergibt sich bei der vorliegenden Form der "strengen Wiederherstellungsklausel" (Kollhosser aaO. §97 Rn. 3), dass der Neuwertanteil der Entschädigung aus der Brandversicherung dem Erwerber zusteht (Kollhosser a.a.O., § 67 Rn 11). Vorliegend hätte der Kläger dann zumindest auf Zahlung an seine Rechtsnachfolgerin klagen müssen.
4. Es ist vorliegend auch nicht ersichtlich, weshalb die Beklagte nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehalten gewesen sein sollte, einer Verlängerung der Ausschlussfrist zur Sicherstellung der Verwendung der Neuwertentschädigung innerhalb von drei Jahren nach dem Versicherungsfall zuzustimmen. Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, diese Ausschlussfrist sei gerade Inhalt der Entschädigungsklausel, und sie sei deshalb grundsätzlich nicht verpflichtet, hierauf zu verzichten. In der Rechtsprechung ist auch lediglich anerkannt, dass sich der Versicherer dann nicht auf den Fristablauf berufen darf, wenn er durch sein Verhalten den Versicherungsnehmer an der Einhaltung der Frist gehindert hat (Kollhosser aaO. § 8 VGB 62 Rn. 3 m. N.; OLG Bremen NVersZ 2002, 412 = VersR 2002, 1372). Dafür gibt es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte. Zu Recht hat die Beklagte darauf verwiesen, dass nach Aufhebung der Zwangsverwaltung im Februar 2005 bis zum 07.11.2005 für den Kläger genügend Zeit vorhanden gewesen sei, die Verwendung der Neuwertentschädigung für den Wiederaufbau sicherzustellen. Im übrigen war er auch während der Zeit der Zwangsverwaltung nicht gehindert, die Vorbereitungen hierfür zu treffen. Der Kläger hat auch in keiner Weise nachvollziehbar gemacht, weshalb er erst "in letzter Minute" die Finanzierung durch die ...sparkasse A hat sichern können, die noch ausweislich ihres Schreibens vom 04.10.2005 (Bl. 105 d.A.) nicht alle Unterlagen vorliegen hatte. Die Berufung der Beklagten auf den Fristablauf ist auch dann nicht treuwidrig, wenn der Kläger als Versicherungsnehmer objektiv an der Wiederherstellung gehindert gewesen ist, weil die Baugenehmigung nicht vorlag (Kollhosser, aaO., unter Berufung auf OLG Koblenz r+s 1993, 427); diese wurde auch vorliegend erst nach Fristablauf erteilt.
5. Dass die Beklagte und auch das Landgericht die vorhandenen Belege nicht als ausreichend angesehen haben, die Verwendung der Neuwertentschädigung für die Wiederherstellung im Sinne von § 11 Nr. 5 a AFB 87 sicherzustellen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar wird es als ausreichend angesehen, wenn angesichts der vom Versicherungsnehmer getroffenen Vorkehrungen keine vernünftigen Zweifel an der Wiederherstellung bestehen (OLG Düsseldorf r+s 1995, 401 = VersR 1996, 623), nämlich dann, wenn ein Architekt, an dessen Seriosität zu zweifeln kein Anlass besteht, die Durchführung der Reparaturarbeiten bestätigt. Die Sicherstellung ist aber nicht belegt, wenn lediglich eine Bauplanung besteht (Römer/Langheid, VVG, § 97 Rn. 20); dagegen genügt die Vorlage eines Bauvertrages, der keine Rücktrittsmöglichkeit enthält. Vorliegend ist aber lediglich ein Architektenvertrag und kein Bauvertrag vorgelegt worden.
Überdies wird zwar auch vertreten, dass die Sicherstellung bei einem tatsächlich vorhandenen Baufortschritt vorliegen kann oder etwa bei Abtretung der Entschädigung an einen Baugläubiger oder bei Zahlung an einen speziellen Treuhänder oder ein von einem Treuhänder verwaltetes Baukonto (Römer/Langheid aaO.). Dazu wäre vorliegend aber zumindest vorauszusetzen, dass überhaupt ein den Wiederaufbau beabsichtigender Rechtsnachfolger definitiv bestimmt worden wäre, vorliegend die nach Darstellung des Klägers vorgesehene Übernehmerin B-. Die Grundstücksübertragung auf die Rechtsnachfolgerin hat der Kläger vorliegend aber gerade nicht vorgenommen und deshalb eine notwendige Voraussetzung nicht erfüllt.
Ende der Entscheidung
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