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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 12.09.2008
Aktenzeichen: 3 U 262/07
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 61
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht (§ 67 VVG) auf Ersatz des von ihr regulierten Leitungswasserschadens der Vermieter des Beklagten in Anspruch. Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe dadurch, dass er an einem drucklosen Untertischboiler eine Standardarmatur angeschlossen und dadurch das Gerät unter Druck gesetzt habe, den durch Leckschlagen des Geräts entstandenen Wasserschaden im Haus von etwa 100.000,-- € grob fahrlässig herbeigeführt. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil die Hinzuziehung eines Fachmanns beim Anschluss eines solchen Warmwasserspeichers unabdingbar sei.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage mit Urteil vom 19.10.2007 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gegenüber dem Beklagten sei auf Grund der Gesamtumstände nicht gerechtfertigt. Auf die Urteilsgründe, insbesondere die tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die von der Klägerin rechtzeitig eingereichte und rechtzeitig begründete Berufung, mit der sie zunächst rügt, das Landgericht habe keine konkrete Feststellung darüber getroffen, ob und wieweit der Beklagte als Laie auf dem Gebiet der Sanitärtechnik anzusehen sei, sondern dies lediglich unterstellt. Demgegenüber habe der Beklagte selbst vortragen lassen, dass er Erfahrungen mit der Installation von Armaturen gehabt habe, und er habe eine Mitarbeiterin, die sich wiederum auch mit der Installation von entsprechenden Armaturen ausgekannt habe, zu Rate gezogen. Das Landgericht habe zumindest die Frage klären müssen, ob dem Beklagten der Unterschied zwischen einer drucklosen Armatur und einer Standardarmatur bekannt gewesen ist.

Im übrigen bleibt die Klägerin bei ihrer bereits erstinstanzlich zum Ausdruck gebrachten Ansicht, dass das unentschuldbare Fehlverhalten des beklagten allein in dem Umstand begründet sei, dass er hier die Armatur selbst angeschlossen habe. Solche Installationen seien von einem ausgebildeten Handwerker vorzunehmen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 19.10.2007 zum Az. 7 O 307/06 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 98.404,-- € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.044,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat mit ausführlicher und zutreffender Begründung die Voraussetzungen für einen Rückgriff der Klägerin gegenüber dem Beklagten als Mieter ihrer Versicherungsnehmer einer Gebäudeversicherung verneint und ist dabei - wie die Klägerin selbst zugesteht - von einem zutreffenden Begriff der groben Fahrlässigkeit ausgegangen. Auf die zutreffenden Urteilsgründe kann deshalb zunächst Bezug genommen werden. Ergänzend ist lediglich noch folgendes anzufügen:

1. Entgegen der Meinung der Klägerin war eine gesonderte Feststellung zu der Frage, ob der Beklagte als Laie auf dem Gebiet der Sanitärtechnik anzusehen ist, nicht erforderlich. Auf die persönliche Einvernahme bzw. Anhörung des Beklagten kann deshalb verzichtet werden. Denn für die Laieneigenschaft des Beklagten auf dem Gebiet der Wasserinstallation spricht zunächst der unstreitig durchgeführte falsche Anschluss der Wasserleitung an den Unterdruckboiler, der zum streitgegenständlichen Schaden geführt hat. Gegen eine fachliche Qualifikation des Beklagten als Installateur spricht auch sein tatsächlich ausgeübter Beruf als Arzt, wenngleich dieser Umstand eine Qualifikation nicht ausschließt. Die von der Klägerin in Bezug genommene Darstellung des Beklagten (Schriftsatz vom 16.3.2007, Bl. 84 d.A.) belegt eine fachliche Qualifikation als Installateur nicht. Der Beklagte hat lediglich vorgetragen, bereits zuvor Boiler an die Wasserversorgung angeschlossen zu haben, wobei deren nähere Bezeichnung unterblieben ist. Er hat überdies dargelegt, dass er seine Mitarbeiterin, deren Mann Handwerker ist, und die sich mit der Installation von Warmwasserboilern auskenne, beim Erwerb der Armatur hinzugezogen habe. Auch dieser Umstand deutet darauf hin, dass der Beklagte sich trotz seiner Vorkenntnisse nicht vollständig sicher gewesen ist, allein das zutreffende Material für die Installation zu besorgen. Die Qualifikation des Beklagten als Laien auf dem Gebiet der Wasserinstallation durch das Landgericht als Ausgangspunkt für die von ihm zu erwartende Sorgfaltspflicht ist deshalb nicht zu beanstanden.

2. Entgegen der Meinung der Klägerin kann ein Vorwurf grober Fahrlässigkeit gegenüber dem Beklagten als Laien nicht bereits deshalb gemacht werden, weil er den Anschluss des drucklosen Boilers mit einer im Möbelhaus erworbenen Armatur an die Wasserversorgung ohne Hinzuziehung eines Fachmanns selbst vorgenommen hat. Denn die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls erfordert auch ein Bewusstsein, dass das Verhalten bzw. die Tätigkeit den Eintritt des Schadens bzw. dessen Vergrößerung zu fördern geeignet war, wobei grob fahrlässige Unkenntnis dem gleich steht (Römer/Langheid, VVG, § 61 RN 43). Die Herbeiführung des Versicherungsfalls bzw. Schadens ist dann grob fahrlässig, wenn der Schadenseintritt nahe lag und es für den Schädiger ohne weiteres möglich gewesen wäre, ein anderes, schadenvermeidendes Verhalten an den Tag zu legen (Römer/Langheid, a.a.O.). Vorliegend fehlt es aber nicht nur am Bewusstsein des Beklagten, sondern bereits an der Möglichkeit zu erkennen, dass eine falsche Installation des Boilers zu dessen Leckage und folglich zu einem Wasserschaden kommen könnte. Das hat das Landgericht bereits überzeugend unter Bezugnahme auf die zutreffenden Ausführungen des Sachverständigen festgestellt. Insbesondere die vom Sachverständigen getroffene Feststellung, dass der Anschluss eines drucklosen Boilers an die unter Druck stehende Kaltwasserleitung regelmäßig zu Undichtigkeiten und zum Wasseraustritt führt, kann als Erkenntnis bei "teilweise versierten Laien", wie dem Beklagten, nicht vorausgesetzt werden. Insoweit verfügt der Einzelrichter des Senats über einschlägige (begrenzte) Erfahrung über Jahrzehnte.

a) Entgegen der Ansicht der Klägerin konnte aus dem auf dem Gerät angebrachten Hinweis, der aus der Abbildung 2 zum als Anlage K 3 vorgelegten Gutachten des Sachverständigen SV1 ersichtlich ist, nicht ersehen werden, dass ein unrichtiger Anschluss zur Undichtigkeit des Geräts führen würde. Der Warnhinweis: "Achtung! offenes Gerät" macht für einen Laien bereits nicht erkennbar, dass es sich um ein druckloses Gerät handelt und ebenso wenig, dass bei dessen falschem Anschluss Undichtigkeiten auftreten. Dass demgegenüber Fachleuten aus der Bezeichnung "offenes Gerät" ohne weiteres die Besonderheiten der Installation ersichtlich sind, ist bei der Beurteilung des Sorgfaltsumfang für einen Laien unerheblich. Gerade aber die Erkennbarkeit der Folgen eines ggf. fehlerhaften Anschlusses stellt eine entscheidende Voraussetzung für den Vorwurf grober Fahrlässigkeit dar. Ausreichende Umstände der Erkennbarkeit waren vorliegend nicht vorhanden. Grob fahrlässige Unkenntnis des Beklagten kann deshalb nicht festgestellt werden.

b) Ein unentschuldbares Fehlverhalten des Beklagten auf Grund der vorgenommenen Selbsthilfe kann nicht angenommen werden. Warmwasserbereiter der streitgegenständlichen Größenordnung, auch drucklose Geräte der Firma X sind ohne weiteres im Baumarkt erhältlich und damit auch dem Laien und Heimwerker zugänglich. Sie werden (mit einer entsprechenden Montageanleitung) auch überwiegend fehlerfrei installiert. Angesichts eines vielfältigen Angebots von Installationsmaterialien, Armaturen und Sanitärobjekten einschließlich der streitgegenständlichen Warmwasserbereiter für Heimwerker kann nicht als allgemein anerkannt gelten, solche Installationen nur durch einen Fachmann vornehmen zu lassen. Die Selbstvornahme des Wasseranschlusses begründet mithin allein den Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht. Ein besonderer Hinweis auf das Erfordernis der Montane durch einen Fachmann war an dem Gerät ebenfalls nicht vorhanden.

c) Soweit die Klägerin geltend macht, nach Auskunft der die Vorinstallation des Warmwasserbereiters ausführenden Firma hätten die Mitarbeiter die Betriebsanleitung bei dem Gerät zurückgelassen, ist dies unerheblich. Es fehlen Zeit und genaue Ortsangaben für die hinterlassene Anleitung, aus denen geschlossen werden könnte, der Beklagte habe die Anleitung zur Kenntnis zu nehmen können. Einer Beweisaufnahme ist diese Darlegung nicht zugänglich. Folglich ist zugrunde zu legen, dass eine Montageanleitung dem Beklagten nicht zur Verfügung stand.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind vorliegend nicht erfüllt, weil Gegenstand der Entscheidung individuell auf den streitgegenständlichen Sachverhalt zugeschnittene Feststellungen für das Maß etwaigen Verschuldens des Beklagten gewesen sind.

Ende der Entscheidung

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