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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.02.2003
Aktenzeichen: 3 U 37/99
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 64 II
Zur Ermittlung der Überschuldungsbilanz, insbesondere Passivierung eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens bei Rangrücktrittsvereinbarung.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 37/99

Verkündet am 20. Februar 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ........ auf die mündliche Verhandlung vom 30.01.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Schlussurteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14.01.99 abgeändert.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 12.000,-? abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet; die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen deutschen Kreditinstituts erbracht werden.

Die Beschwer des Klägers beträgt 140.877,18 ?.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger klagt als Konkursverwalter über das Vermögen der Firma V. Glasbau GmbH; der Beklagte war Mitgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin.

Der Konkursantrag wurde am 13.11.95 gestellt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Friedberg vom 25.01.96 wurde das Konkursverfahren eröffnet.

Mit der Klage hat der Kläger die Zahlung von 738.543,04 DM nebst Zinsen verlangt.

Das Landgericht hat durch rechtskräftiges Teilurteil vom 27.11.97 die Klage in Höhe von 463.011,23 DM abgewiesen (Bl. 235 ff.).

Vorliegend geht es um die Restforderung von 275.531,81 DM nebst Zinsen; diesbezüglich wird der Beklagte aus § 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz in Anspruch genommen, weil er in der Zeit vom 04.08.95 bis 29.09.95 über das Konto der Gemeinschuldnerin bei der Raiffeisenbank A. Schecks in dieser Höhe eingezogen hat; die kontoführende Bank verrechnete sodann die eingegangenen Beträge mit ihr gegenüber der Gemeinschuldnerin zustehenden Forderungen.

Der Kläger hat behauptet, die Gemeinschuldnerin sei zum 03.08.95 i n Höhe von 384.137,02 DM überschuldet gewesen. Er hat sich diesbezüglich bezogen auf die Bilanz der H.-Steuerberatungs GmbH zum 03.08.95 (Bl. 189 ff.) sowie auf die am 20.01.97 erstellte Bilanz für 1994 (auf Bl. 18). Die Unterdeckung sei dem Beklagten 3 seit Ende 1994 bekannt gewesen, und es habe auch eine negative Fortführungsprognose bestanden.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 275.531,81 DM nebst 4 % Zinsen seit 12.05.97 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die am 20.01.97 fertiggestellte Bilanz für 1994 sei falsch. Sein Steuerberater S. habe im Februar 1995 ein vorläufiges Ergebnis für das Jahr 1994 vorgelegt, in dem kein Hinweis auf Überschuldung enthalten gewesen sei. Noch im Mai/Juni 1995 sei er von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen.

Das Landgericht hat zwei schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 18.05. und 14.09.1998 eingeholt (siehe Aktendeckel Band II). Es hat sodann durch Schlussurteil vom 14.01.99 die Restforderung von 275.531,81 DM nebst Zinsen zugesprochen (§ 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz); das Landgericht hat im Schlussurteil ausgeführt, die Gemeinschuldnerin sei bereits zum 03.08.95 überschuldet gewesen.

Gemäß dem Sachverständigen L., dem zu folgen sei, habe die rechnerische Überschuldung zu diesem Zeitpunkt 616.464,- DM betragen. Auch die erforderliche negative Fortbestehungsprognose sei gegeben, weil entsprechender gegenteiliger Beklagtenvortrag fehle. Der Beklagte habe auch schuldhaft gehandelt, weil er es trotz vorhandener Anzeichen für eine Krise der Gemeinschuldnerin im Mai 1995 unterlassen habe, sich durch Aufstellen eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand der Gesellschaft zu verschaffen. Auf fehlende Hinweise seines Steuerberaters könne sich der Beklagte nicht berufen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt des landgerichtlichen Schlussurteils Bezug genommen (Bl. 310 ff.).

Gegen dieses ihm am 20.01.99 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 22.02.99 (Montag) Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 22.04.99 begründet.

Der Beklagte trägt vor, die den beiden erstinstanzlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. L. zugrundeliegende Bilanz der H. zum 03.08.95 sei falsch; es fehlten verschiedene Aktiva und es seien bereits entfallene Verbindlichkeiten berücksichtigt, so dass sich rein rechnerisch nur noch eine Überschuldung von 50.000,- DM ergebe, die aber durch eine Einlagenzahlung des Beklagten im Februar 1995 in Höhe von 100.000,- DM ausgeglichen worden sei, so dass es bereits an einer rechnerischen Überschuldung zum 03.08.95 fehle. Zudem fehle es am subjektiven Tatbestand des § 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz. Im August/September 1995 habe es noch keinerlei Anhaltspunkte für eine Überschuldung gegeben. Der Beklagte habe sich auf seinen Steuerberater S. verlassen, der auch die Buchführung gemacht habe. Letzterer habe am 10.02.95 einen Jahresabschluss zum 31.12.1994 erstellt, wonach ein Gewinn von 376.320,71 DM und ein Eigenkapital von über 500.000,- DM ausgewiesen worden sei. Im August/September 1995 habe noch ein völlig normaler und unauffälliger Geschäftsbetrieb stattgefunden. Kritisch sei die Situation erst im Oktober 1995 geworden.

Die Gutgläubigkeit des Beklagten zeige sich insbesondere darin, dass dieser noch im Februar 1995 eine Einlage von 100.000,- DM eingezahlt und im August 1995 für ein der GmbH gewährtes Darlehen eine selbstschuldnerische Bürgschaft über 665.000,- DM übernommen habe. Das von seiner Ehefrau der späteren Gemeinschuldnerin zur Verfügung gestellte Darlehen über 140.000,- DM sei mit der Maßgabe gewährt worden, es solle nur zurückgezahlt werden, wenn die Vermögenslage der GmbH es gestatte; einen schriftlichen Darlehensvertrag habe es nicht gegeben.

Dieses Darlehen sei in der Bilanz zum 03.08.95 nicht als Verbindlichkeit der V. GmbH einzustellen.

Der Beklagte beantragt,

das Schlussurteil vom 14.01.99 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die Gemeinschuldnerin sei zum 03.08.95 rechnerisch überschuldet gewesen. Er meint, der neue Vortrag des Beklagten zur Bilanz per 03.08.95 sei schon als verspätet zurückzuweisen. Die nunmehr zusätzlich geltend gemachten Aktiva seien nicht werthaltig, bestünden nicht bzw. seien abgetreten oder nicht zu aktivieren gewesen. Soweit der Beklagte weitere Tilgungen von Verbindlichkeiten in Höhe von 243.270,55 DM bezogen auf den Stichtag 03.08.95 geltend mache, werde dies bestritten. Das von der Ehefrau des Beklagten gewährte Darlehen über 140.000,- DM sei als Verbindlichkeit in die Bilanz zum 03.08.95 einzustellen.

Zu Recht habe das Landgericht auch die negative Fortbestehungsprognose bejaht. Die vom Beklagten 1995 vorgenommenen persönlichen Zahlungen bzw. die Bürgschaftsübernahme verdeutlichten, dass der Beklagte sich der krisenhaften Situation des Unternehmens bewusst gewesen sei.

Der Senat hat am 03.02.00 einen Auflagenbeschluss verkündet (Bl. 461) und am 31.05.00 einen Beweisbeschluss (Bl. 511). Anschließend hat der Sachverständige Dr. L. sein Ergänzungsgutachten vom 17.10.00 erstattet (siehe Aktendeckel Band IV). Am 21.06.01 hat der Senat einen weiteren Auflagen- und Beweisbeschluss verkündet (Bl. 604). Bezüglich der näheren Umstände der Darlehensgewährung über 140.000,- DM wird Bezug genommen auf die Aussage der Zeugin Silvia V. im Senatstermin vom 17.01.02 (Bl. 644). Bezüglich der in Ziffer 2 des Beschlusses vom 21.06.01 genannten Verbindlichkeiten wird Bezug genommen auf folgende Unterlagen, schriftliche bzw. mündliche Zeugenaussagen:

a) Schreiben der Fa. Rd., Bl. 473 und 693; der Beklagte hat anschließend auf Vernehmung des Zeugen R. verzichtet,

b) Schreiben der Fa. Rk., Bl. 633,

c) Schreiben der Fa. Ro.-Service Bl. 475; eine diesbezügliche Zeugenvernehmung war nicht möglich, da der Beklagte Name und Anschrift des Geschäftsführers trotz Aufforderung nicht mitteilen konnte,

d) Schreiben der Fa. S. Metallwaren GmbH Bl. 609; die diesbezügliche Vernehmung des Zeugen M. war nicht möglich, da der Beklagte dessen Name und Anschrift nicht mitteilen konnte (Bl. 627),

e) Schreiben der Fa. S. & Partner GmbH Bl. 617,

f) bezüglich des Zeugen R. konnte der Beklagte Name und Anschrift nicht nennen,

g) bezüglich der Forderung der Fa. V. GmbH wird auf die Aussage des Zeugen V. im Senatstermin vom 30.01.03 Bezug genommen (Bl. 745 ff. d.A.),

h) bezüglich der Forderung der Fa. Z. wird auf die Aussage des Zeugen Z. im Senatstermin vom 14.11.02 Bezug genommen (Bl. 704).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Die im Schlussurteil vom 14.01.99 zuerkannte Forderung vom 275.531,81 DM besteht nicht, da die Voraussetzungen des § 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz in der Fassung vom 15.05.86 nicht gegeben sind.

Zwar wird mit der Berufung nicht in Zweifel gezogen, dass die Hereinnahme der Schecks durch den Beklagten in der Zeit vom 04.08.95 bis 29.09.95 auf das Konto der Gemeinschuldnerin bei der Raiffeisenbank A., die die Bank mit zu ihren Gunsten bestehenden Ansprüchen verrechnet hat, Zahlungen im Sinne dieser Vorschrift waren und dass dadurch die Konkursmasse in Höhe von 275.531,81 DM geschmälert worden ist (vgl. dazu auch BGH MDR 2000, 1388); aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren war die V. GmbH zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechnerisch überschuldet. Danach lag per 03.08.95 nicht eine rechnerische Überschuldung von 616.464,- DM vor, wovon das Landgericht ausgegangen ist, sondern ein positives Eigenkapital von 34.889,40 DM. Auf die weiteren Anspruchsvoraussetzungen im Rahmen von § 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz (vgl. dazu BGHZ 119, 201) kommt es mithin nicht an.

Soweit der Beklagte in der Berufungsinstanz erstmals Einwände gegen die Bilanz der H.- Steuerberatungs-GmbH zum 03.08.95 vorgebracht hat - zusätzliche Forderungen und die Tilgung weiterer Verbindlichkeiten zum 03.08.95 - so war dieser Vortrag nicht nach § 528 Abs. 2 zurückzuweisen, da der Beklagte die Verspätung auf die Auflage vom 03.02.00 nachvollziehbar und ausreichend entschuldigt hat. Er hat nämlich dargelegt, wegen des Konkursverfahrens fehlten ihm sämtliche Unterlagen betreffend die Gemeinschuldnerin und der von ihm zur Stellungnahme aufgeforderte Steuerberater habe nur verzögerlich und außerdem unzureichend zur Bilanz der HRP GmbH Stellung genommen. Andererseits ist auch dem Kläger vorzuhalten, dass dieser die in der Berufungsbegründung vom Beklagten dargelegten zusätzlichen Tilgungen bezüglich der Kreditorenaufstellung zunächst nicht bestritten, sondern dies erst nach der Erörterung im Senatstermin vom 02.12.99 mit Schriftsatz vom 16.12.99 nachgeholt hat.

Da die Bilanz zum 03.08.95 die Ausgangsgrundlage für die erstinstanzliche Begutachtung gewesen ist, hat der Senat den Sachverständigen Dr. L. zur Erstellung eines Ergänzungsgutachtens aufgefordert. Dessen Ergänzungsgutachten vom 17.01.00 ist wie folgt zusammenzufassen: Entgegen seiner früheren Annahme konnte der Sachverständige nun nicht mehr davon ausgehen, dass es sich bei der Liquidationsbilanz der H. Steuerberatungs-mbH um eine ordnungsgemäß erstellte Liquidationsbilanz handele. Bei der Bewertung der Forderungen seien nach dem 03.08.95 eingetretene Tatsachen herangezogen worden, was nur zulässig wäre, wenn diese Tatsachen bereits vor dem Stichtag verursacht worden wären; Letzteres konnte der Sachverständige aber aus den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen. Zudem seien die in der Bilanz ausgewiesenen Forderungen, soweit sie zur Sicherheit abgetreten worden seien, mit Verbindlichkeit saldiert worden, was unzulässig sei. Schließlich seien in der Bilanz überhöhte Verbindlichkeiten ausgewiesen worden, weil die vor dem 03.08.95 vorgenommenen Tilgungen nicht ordnungsgemäß als Verminderung der Verbindlichkeiten berücksichtigt worden seien; vielmehr seien die vor dem 03.08.95 vorgenommenen Tilgungen auf einem seperaten Aktivkonto (Nr. 1792) erfasst worden.

Der Sachverständige kam daraufhin in einem Ergänzungsgutachten zu dem Ergebnis, nach den nunmehr vorliegenden Erkenntnissen müsse der von ihm erstinstanzlich angenommene Fehlbetrag von 616.464,- DM korrigiert werden; die Gemeinschuldnerin sei zum 03.08.95 nicht rechnerisch überschuldet gewesen, sondern habe ein positives Eigenkapital von 140.193,- DM ausgewiesen.

Diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, die nicht auf einem Sinneswandel, sondern auf der Vorlage neuen Datenmaterials beruhen, folgt der Senat mit einer im Nachfolgenden zu erläuternden Ausnahme.

Soweit der Kläger beanstandet, zur endgültigen Klärung der Überschuldungsproblematik fehlten Unterlagen, geht dies zu seinen Lasten, da er nicht nachweist, dass der Beklagte bewusst Unterlagen betreffend die Gemeinschuldnerin zurückhält.

Soweit der Sachverständige auf Seite 6 und 7 des Ergänzungsgutachtens zur Frage der Werthaltigkeit von 5 Forderungen Stellung genommen hat, überzeugen die diesbezüglichen Einwände des Klägers nicht.

a) Was die Forderung gegen die Fa. D. betrifft, so weist der Sachverständige zu Recht darauf hin, dass die Klageabweisung im Urteil vom 05.10.99 durch das OLG Frankfurt nichts über die Werthaltigkeit der Forderung zum 03.08.95 aussagt; eine Forderung ist so lange, wie sie gerichtlich geltend gemacht und nicht rechtskräftig abgewiesen ist, in der Bilanz als Aktivposten zu berücksichtigen, und zwar in voller Höhe des geltend gemachten Betrages.

b) Was die Forderung gegen W. betrifft, so weist der Sachverständige zu Recht darauf hin, dass die eidesstattliche Versicherung des Schuldners W. vom 07.12.95 erst nach dem Stichtag 03.08.95 datiert und daher nicht bilanzmäßig zu berücksichtigen ist; zu Recht hat der Sachverständige diesbezüglich auch den vollen Forderungsbetrag von 50.000,- DM in der Bilanz angesetzt, da es bilanzmäßig nicht darauf ankommt, in welcher Höhe sich eine Forderung im Nachhinein als gerechtfertigt erweist.

Wenn der Kläger einwendet, diese Forderung sei nur mit 13.754,40 DM anzusetzen und diesbezüglich auf die Anwaltsschreiben Blatt 431 und 433 d.A. hinweist, so handelt es sich dabei nur um eine anderweitige Meinungsäußerung, die den Ausführungen des Sachverständigen nicht entgegen steht. Der Sachverständige ist in seinem Ergänzungsgutachten auf diese Kontroverse bereits eingegangen und hat zu Recht den Nennbetrag zum 03.08.95 in die Bilanz aufgenommen.

c) Was die Forderung gegen die BBS-GmbH betrifft, so hat der Sachverständige zu Recht ausgeführt, dass für die Bilanz per 03.08.95 die erst am 20.02.96 vom Amtsgericht Meiningen festgestellte Abweisung des Gesamtvollstreckungsantrages mangels Masse nicht zu berücksichtigen sei; daher hat der Sachverständige zu Recht den Nominalbetrag von 75.000,- DM angesetzt. Nachträgliche anderweitige Bewertungen der Forderungen haben außer Betracht zu bleiben.

d) Was die Forderung gegen die Firma H. betrifft, so hat der Sachverständige zu Recht ausgeführt, dass die Forderung wegen des handelsrechtlichen Saldierungsverbots trotz der Abtretung in voller Höhe zu aktivieren sei.

e) Gleiches gilt für die Forderung gegen die Firma Se.. Zu Recht hat der Sachverständige das von der Zeugin V. der späteren Gemeinschuldnerin gewährte Darlehen über 140.000,- DM nicht als Verbindlichkeit per 03.08.95 in die Bilanz eingestellt, da es sich dabei um ein eigenkapitalersetzendes Darlehen gehandelt habe. Letzteres zieht der Kläger nicht in Zweifel; er meint allerdings, dies gelte nur im Fall einer Rangrücktrittserklärung und eine solche fehle vorliegend.

Diesbezüglich hat die Zeugin V. im Termin vom 17.01.02 bekundet, die V. GmbH habe sich in finanziellen Schwierigkeiten befunden und daher habe sie nach Rücksprache mit dem Beklagten, ihrem Ehemann, der GmbH 140.000,- DM zur Verfügung gestellt mit der Abrede, das Geld solle von dieser an sie zurückgezahlt werden, wenn die GmbH wieder Gewinne mache und dazu in der Lage sei; zu einer Rückzahlung sei es bisher nicht gekommen.

Die Zeugin hat bei ihrer Vernehmung einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Soweit der Kläger Zweifel hinsichtlich der von der Zeugin geschilderten Herkunft des Geldes sowie der Frage einer nur einmaligen Überweisung oder einer solchen in zwei Überweisungsvorgängen vorgetragen hat, betrifft dies nach Auffassung des Senats allenfalls nicht erhebliche Randaspekte. Denn die Zahlung der 140.000,- DM durch die Zeugin an die V. GmbH ist ja unstreitig. Streitig ist allein die Abrede, die dabei getroffen wurde. Was diese Abrede betrifft, so hat die Zeugin aus ihrer laienhaften Sicht nachvollziehbar dargelegt, eine Rückzahlung habe nur erfolgen sollen, wenn die GmbH wieder Gewinne mache und dazu in der Lage sei. Diese Abrede muss vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass die Zeugin und auch der Beklagte nicht juristisch vorgebildet und miteinander verheiratet sind; es handelte sich im Übrigen trotz der vom Steuerberater angeregten Umwandlung in eine GmbH - aus der Sicht der beiden handelnden Personen letztlich immer noch um einen "Familienbetrieb" mit dem Beklagten als alleinigem Geschäftsführer.

Geht man mithin von der von der Zeugin V. glaubhaft bekundeten Abrede aus, so hat der Sachverständige zu Recht das Darlehen über 140.000,- DM nicht als Verbindlichkeit in die Überschuldungsbilanz per 03.08.95 eingestellt. Dabei geht es vorliegend nicht um eine Jahresbilanz nach § 42 GmbH-Gesetz und auch nicht um eine sogenannte "Vorbelastungsbilanz", sondern im Rahmen eines Anspruchs aus § 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz um eine "Überschuldungsbilanz". Letztere erschöpft sich in der Feststellung, ob die Gläubiger der Gesellschaft aus dem am Stichtag vorhandenen verwertbaren Gesellschaftsvermögen befriedigt werden können oder ob zur Vermeidung einer weiteren Verschlechterung ihrer Befriedigungsaussichten umgehend die Durchführung eines Insolvenzverfahrens beantragt werden muss (vgl. Hachenburg, GmbH-Gesetz, 1997, § 63, Rdnr. 29).

Die Frage, ob die Forderungen aus eigenkapitalersetzend wirkenden Gesellschafterleistungen in der Überschuldungsbilanz als Passiva zu erfassen sind oder nicht, ist nicht nur im Rahmen der Insolvenzordnung umstritten; sie ist schon unter der Geltung des hier einschlägigen früheren Rechts nicht einheitlich beantwortet worden (vgl. dazu die Zusammenfassung in BGH ZIP 01, 235, 236). Für den vorliegenden Fall eines derartigen Darlehens durch einen Nicht-Gesellschafter müssen diese Grundsätze im Übrigen entsprechend gelten.

Dabei war und ist in der Rechtsprechung unumstritten, dass die Passivierung eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens in der Überschuldungsbilanz jedenfalls dann zu unterbleiben hat, wenn der das Darlehen gewährende Gesellschafter mit der GmbH eine Rangrücktrittsvereinbarung getroffen hat (vgl. Hachenburg, a.a.O., § 63 Rdnr. 46 a). Dies wird auch in der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung BGH ZIP 2001, 235 ausgesprochen. Allerdings haben sich die Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an eine derartige ausreichende Rangrücktrittsvereinbarung geändert, und zwar im Sinne einer Verschärfung. Nach der für 1995 geltenden Rechtslage reichte eine Rangrücktrittsvereinbarung des Inhalts aus, dass die Darlehensverbindlichkeit nur aus künftigen Gewinnen oder aus einem etwaigen Liquiditätsüberschuss zu erfüllen sei (noch 1997 einhellige Meinung laut Hachenburg, a.a.O., Rdnr. 46 a; BGH NJW 87, 1697; OLG Hamburg WM 86, 1110). Dem steht die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung BGH NJW 94, nicht entgegen. Diese betrifft die Vorbelastungs- oder Unterbilanz, und in dieser wird ausdrücklich auf die anderweitige Funktion der Überschuldungsbilanz hingewiesen.

Außerdem heißt es darin nur, bei Fehlen einer Rangrücktrittsvereinbarung sei das eigenkapitalersetzende Darlehen zu passivieren. Zu der Frage, welche Anforderungen an eine ausreichende Rangrücktrittsvereinbarung zu stellen sind, äußert sich die Entscheidung nicht. Die diesbezüglichen Anforderungen wurden erst durch die Entscheidung BGH ZIP 2001, 235 verschärft. Darin wurde im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung von einer die Passivierung im Überschuldungsstatus ausschließenden Rangrücktrittserklärung verlangt, dass der betreffende Gesellschafter sinngemäß zu erklären habe, er wolle wegen der genannten Forderung erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und bis zur Abwendung der Krise - auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagerückgewährsansprüchen seiner Mitgesellschafter berücksichtigt, also so behandelt werden, als handele sich bei seiner Gesellschafterleistung um statutarisches Kapital; stelle sich der Gesellschafter in dieser Weise wegen seiner Ansprüche aus einer in funktionales Eigenkapital umqualifizierten Drittleistung auf dieselbe Stufe, auf der er selbst und seine Mitgesellschafter hinsichtlich ihrer Einlagen stünden, so bestehe keine Notwendigkeit, diese Forderungen in den Schuldenstatus der Gesellschaft aufzunehmen; einer darüber hinausgehenden Erklärung des Gesellschafters, insbesondere eines Verzichts auf die Forderung, bedürfe es hingegen nicht.

Zu Recht spricht der Kläger diesbezüglich von einer "qualifizierten Rangrücktrittserklärung"; eine solche war jedoch, wie dargelegt, nach der 1995 bestehenden Rechtslage noch nicht erforderlich.

Legt man die oben genannte Aussage der Zeugin V. zugrunde, so kann nicht zweifelhaft sein, dass danach eine Rangrücktrittsvereinbarung im Sinne der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung vorlag. Hingegen ist es zweifelhaft, ob danach eine "qualifizierte" Rangrücktrittserklärung im Sinne der Entscheidung BGH ZIP 2001, 236 vorliegt.

Da es vorliegend um die Überschuldungsbilanz zum 01.08.95 geht, ist es mithin nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden, wenn der Sachverständige Dr. L. das Darlehen über 140.000,- DM in seinem Ergebnisgutachten nicht passiviert hat. Zudem verlangt § 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz persönlich schuldhaftes Verhalten des Geschäftsführers, so dass es nicht vorwerfbar ist, wenn sich der Beklagte bei der Prüfung des Vermögensstatus an der 1995 geltenden Rechtsprechung orientiert hat. Für die Haftung des Geschäftsführers aus § 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz kommt es nämlich nicht auf nachträgliche Erkenntnisse, sondern auf seine damalige Sicht an (BGH NJW 94, 2224). Wenn sogar ein gerichtlich bestellter Sachverständiger das Darlehen nicht passiviert hat, so wird man dies schwerlich dem Beklagten als schuldhaftes Versäumnis anlasten können.

Zudem darf man angesichts der oben genannten vorliegenden Gegebenheiten eines "Familienbetriebes" mit juristisch nicht vorgebildeten handelnden Personen die an eine wirksame Rangrücktrittserklärung zu stellenden Anforderungen ohnehin nicht überspannen.

Soweit der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten verschiedene Verbindlichkeiten nicht in die Überschuldungsbilanz eingestellt hat, da sich aus ihm vorliegenden Lieferanten-Bestätigungen deren Bezahlung vor dem 03.08.95 ergebe, so handelt es sich dabei - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - um die acht auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 13.03.2000 (Bl. 468) dargelegten Verbindlichkeiten mit einem Gesamtbetrag von insgesamt 243.270,55 DM. Deren Bezahlung bis zum 03.08.95 hatte der Sachverständige aufgrund ihm vorliegender Geschäftsunterlagen unterstellt und der Kläger hat dies - nachträglich - bestritten. Daher obliegt es insoweit dem Beklagten, die Erfüllung dieser Verbindlichkeiten bis zum 03.08.95 zu beweisen.

Dies ist dem Beklagten nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme nur zum Teil gelungen. Im Einzelnen ergibt sich dazu folgendes Beweisergebnis:

a) Die Forderung der Fa. Rd. GmbH über 11.360,85 DM ist erst nach dem 03.08.95 beglichen worden,

b) auf die Forderung der Fa. Rk. GmbH & Co KG über 52.691,85 DM sind bis zum 03.08.95 46.000,- DM bezahlt worden, 6.691,85 DM hingegen nicht,

c) bezüglich der Forderung der Fa. Ro .-Service in Höhe von 4.966,27 DM ist eine Zahlung vor dem 03.08.95 nicht bewiesen,

d) was die Forderung der Fa. S. Metallwaren GmbH über 4.600,- DM betrifft, so ist eine Zahlung vor dem 03.08.95 nicht bewiesen,

e) was die Forderung der Fa. S. & Partner GmbH über 12.455,42 DM betrifft, so ist die vollständige Zahlung vor dem 03.08.95 bewiesen.

f) was die Forderung der BVH Rb. in Höhe von 19.994,47 DM betrifft, so ist die Bezahlung vor dem 03.08.95 nicht bewiesen,

g) was die Forderung der Fa. V. Fenster GmbH über 79.511,53 DM betrifft, so ist die Zahlung bis zum 03.08.95 bewiesen. Dies folgt aus der Aussage des Zeugen V. in Verbindung mit der Aufstellung der Fa. V. Blatt 718. Daraus ergibt sich, dass sämtliche bis zum 03.08.95 bestehenden Forderungen der Firma V. Fenster GmbH gegenüber der Gemeinschuldnerin bis zum 03.08.95 in voller Höhe beglichen worden sind.

Zwar folgt aus dieser Aufstellung keine Forderung von 79.511,53 DM, der Zeuge hat jedoch glaubhaft ausgeführt, die Aufstellung sei sorgfältig erstellt worden und auch vollständig. Auch die diesbezügliche vorangegangene schriftliche Erklärung der Fa. Voit vom 11.11.02 (Bl. 708) hat der Zeuge bei seiner Vernehmung nachvollziehbar erläutert. Dem steht auch das vom Kläger vorgelegte Kontenblatt Blatt 733 ff. nicht entgegen. Auch wenn dies so zu verstehen sein sollte, dass danach per 31.10.94 eine Verbindlichkeit der Gemeinschuldnerin über 79.511,53 DM gegenüber der Fa. V. Fenster GmbH offen gestanden haben sollte, so handelt es sich dabei nur um eine Unterlage aus der Buchführung der späteren Gemeinschuldnerin. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es bei der Buchführung der Gemeinschuldnerin Fehler gegeben haben könnte. Entscheidend ist daher die Bekundung des Vertreters der früheren Gläubigerin, dass nämlich am 03.08.95 keinerlei Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin gegenüber der Fa. V . & Fenster GmbH mehr bestanden hätten.

h) Was die Forderung der Fa. Z. in Höhe von 57.690,16 DM betrifft, so ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Z. im Termin vom 14.11.2002, dass die Zahlung erst nach dem 03.08.95 erfolgt ist.

Danach sind über das Ergänzungsgutachten hinaus weitere Verbindlichkeiten von insgesamt 105.303,60 DM in die Überschuldungsbilanz zum 03.08.95 einzustellen. Es verbleibt somit ein positives Eigenkapital in Höhe von 34.898,40 DM, so dass schon eine rechnerische Überschuldung der V. GmbH zum 03.08.95 vom Kläger nicht nachgewiesen ist. Die Klage war daher auch im übrigen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Voraussetzungen des § 97 Abs. 2 ZPO sind vorliegend nicht gegeben, da nach dem oben Gesagten eine vorwerfbare Säumigkeit des Beklagten hinsichtlich des neuen Berufungsvortrages nicht zu bejahen ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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