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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 17.08.2000
Aktenzeichen: 3 U 72/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 72/99

2/23 O 377/98 Landgericht Frankfurt

Verkündet am 17. Aug. 2000

In dem Rechtsstreit ...

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.02.1999 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin ist in Höhe von 10.356,54 DM beschwert.

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Eintrittspflicht der Beklagten aus einer für den PKW- Kombi VW-Bus, amtliches Kennzeichen ..., mit der Klägerin abgeschlossenen Teilkaskoversicherung.

Der geltend gemachte Reparaturschaden fällt unter den Versicherungsschutz der Teilkaskoversicherung (§ 12 Nr.1 Abs.1 b AKB). Der Kfz-Teilversicherer ist danach auch dann leistungspflichtig, wenn der Täter das Fahrzeug nicht schon bei der Entwendung, sondern erst bei der nachfolgenden Benutzung beschädigt (Stiefel/Hofmann, AKB, 16. Aufl., § 12 Rdnr. 37; Knappmann in Prölls/Martin VVG, 26. Aufl. § 13 AKB, Rdnr. 22; OLG Hamm, VersR 1973, 121; 1974, 1194; BGH VersR 1975, 225, 226).

Das Landgericht hat jedoch zu Recht angenommen, dass die Beklagte leistungsfrei ist, weil die Klägerin ihre Aufklärungsobliegenheit im Zusammenhang mit dem behaupteten Fahrzeugdiebstahl und dem dabei eingetretenen Schaden verletzt hat (§ 7 Abs.5 AKB, 6 Abs.3 VVG).

Eine objektive Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit ist vorliegend in zweifacher Weise gegeben:

Der Versicherungsnehmer verletzt seine Aufklärungsobliegenheit mit der Folge der Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn er in einem Zusatzfragebogen zur Schadensanzeige die Frage nach der Anfertigung von Ersatzschlüsseln verneint, obwohl er für sämtliche Schlüssel Duplikate hatte anfertigen lassen (vgl. u.a. OLG Hamm VersR 94, 44; Knappmann aaO, AKB, § 7 Rdnr. 42). Gleiches gilt, wenn der Versicherungsnehmer die Laufleistung des angeblich gestohlenen Fahrzeugs erheblich, nämlich mehr als 20 % unter der tatsächlichen Laufleistung angibt (OLG Hamm, VersR 1993, 473; VersR 1982, 891; Knappmann aaO, Rdnr.48).

Unstreitig war die Verneinung der Frage nach angefertigten Ersatzschlüsseln in der Ergänzung zur Schadensanzeige objektiv falsch. Ebenso war die mit 80.000 Km angegebene Gesamt-Km-Leistung unzutreffend und lag erheblich unter der tatsächlichen Laufleistung des Fahrzeugs von weit über 100.000 Km.

Bei folgenlos gebliebenen objektiven Obliegenheitsverletzungen ist der Versicherer nach der sogenannten Relevanz-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs leistungsfrei, wenn der Obliegenheitsverstoß generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und subjektiv von einigem Gewicht war, das heißt, wenn den Versicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden trifft.

Falsche Angaben zu der Zahl angefertigter Ersatzschlüssel und zur Kilometer-Laufleistung sind generell geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden (vgl. Römer/Langheid, VVG, § 6 Rdnr.42).

Da die objektive, folgenlos gebliebene Obliegenheitsverletzung feststeht, wird Vorsatz gesetzlich vermutet. Die Klägerin muß deshalb fehlenden Vorsatz oder einen geringeren Verschuldensgrad als grobe Fahrlässigkeit beweisen ( Römer / Langheid aaO, Rdnr. 94).

Zu Unrecht hat das Landgericht jedoch gemeint, der Klägerin werde das vorsätzliche Verhalten ihres Ehemannes zugerechnet, weil er als sogenannter Wissensvertreter tätig geworden sei. Ehegatten und Lebensgefährten sind nicht schon als solche Wissenserklärungsvertreter (Römer/Langheid, aaO, Rdnr. 122 mwN). Insbesondere ist derjenige nicht Wissenserklärungsvertreter Dritter, der ein Schadensformular aus eigenem Wissen ausfüllt, wenn der Versicherungsnehmer das ausgefüllte Formular unterschreibt. Mit der Unterschrift macht sich der Versicherungsnehmer die Erklärung vielmehr zu eigen. Der Dritte ist dann nur Gehilfe beim Ausfüllen des Formulars, so daß es in solchen Fällen an einem Zurechnungsgrund fehlt und bei ­ wie hier ­ objektiv falschen Angaben ein eigenes Verschulden des Versicherungsnehmers zu prüfen ist (Römer/Langheid, aaO, Rdnr. 121; OLG Hamm RuS 1997, 1; VersR 1994, 802; Senatsurteil vom 18.06.1998 ­ 3 U 91/97). Daraus folgt, dass die Klägerin selbst sich von der Vermutung vorsätzlichen Handelns entlasten muß (OLG Hamm, RuS 1997, 1).

Umstände in ihrer Person, die geeignet wären, sie von der Vermutung vorsätzlichen Handelns zu entlasten, hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen. Allerdings müßte die Klägerin Kenntnis von den unzutreffenden Angaben gehabt und diese zumindest mit Eventualvorsatz gebilligt haben. Die Klägerin hat sich im Verlauf des Rechtsstreites auf die Unkenntnis ihres Ehemannes, nicht jedoch auf ihre eigene Unkenntnis berufen. Insbesondere im Schriftsatz vom 09.05.2000 hat sie vortragen lassen, ihr Ehemann, der Zeuge ... habe beim Ausfüllen des Formulars nicht gewusst, dass drei Nachschlüssel für das Fahrzeug angefertigt worden seien. Er habe die Geschäfte für seine Frau, die Klägerin, geführt, die schwer erkrankt gewesen sei. Die Klägerin sei die einzige Person, die einen verlässlichen Überblick gehabt habe. Damit hat die Klägerin eingeräumt, dass sie Kenntnis von der Anzahl der angefertigten Nachschlüssel hatte und die Schadensanzeige in Kenntnis der unrichtig beantworteten Frage unterschrieben haben muss. Ihr weiterer Vortrag, nicht ihr Ehemann, sondern sie selbst als Betriebsinhaberin sei informiert gewesen und habe sich üblicherweise um Rechnungen, Bankengeschäfte und den gesamten Schriftverkehr gekümmert, spricht dafür, dass ihr auch die erhebliche Diskrepanz bei den Kilometerangaben des als gestohlen gemeldeten Fahrzeugs nicht verborgen geblieben sein kann.

Jedenfalls ist der Vortrag der Klägerin nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung vorsätzlichen Handelns hinsichtlich der Angaben zu den Nachschlüsseln zu widerlegen. Diese Vermutung ist nicht schon dann widerlegt, wenn der Versicherungsnehmer falsche Angaben über die Anzahl der erhaltenen oder der nachgearbeiteten Fahrzeugschlüssel gemacht hat und dies später damit erklärt, er habe sich geirrt oder angibt, er habe der Frage keine größere Bedeutung beigemessen (Römer/Langheid aaO, Rdnr. 94). Der Versicherungsnehmer muß vielmehr plausibel darlegen, wie es zu dem Irrtum kam. Angesichts der eindeutigen Formulierung der Frage in dem Fragebogen und der inhaltlich wie gestalterisch ausreichenden Belehrung über die Folgen von Obliegenheitsverletzungen kann weder die Einlassung des Ehemannes der Klägerin noch der Vortrag der Klägerin selbst als plausible Ent- schuldigung gewertet werden. Solange die Möglichkeit vorsätzlichen Handelns nicht zur Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen ist, besteht die Vorsatzvermutung fort. Zwar hat die Klägerin vorgetragen, sie habe im August 1997 in der Türkei einen schweren Unfall erlitten und sei kurz darauf an einer Rauchgasvergiftung erkrankt. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Klägerin bei Unterzeichnung der Schadensmeldung am 24.09.1997 zurechnungsunfähig gewesen sein könnte. Der Senat hat auf diesen Gesichtspunkt in der mündlichen Verhandlung hingewiesen, ohne dass der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hierzu weitergehende konkrete Tatsachen vorgetragen hat. Neuer Tatsachenvortrag in dem nach der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 29.06.2000 ist nicht zu berücksichtigen , weil die Klägerin keinen Schriftsatznachlass hatte.

Nach allem ist davon auszugehen, dass die gesetzliche Vorsatzvermutung nicht widerlegt ist. Der Klägerin steht deshalb ein Leistungsanspruch aus der mit der Beklagten abgeschlossenen Teilkaskoversicherung nicht zu. Die Aufklärungspflichtverletzung im Zusammenhang mit dem behaupteten Entwendungsfall führt zur Leistungsfreiheit der Beklagten auch hinsichtlich der allein noch verlangten Kosten für die Reparatur des wieder aufgefundenen Fahrzeugs.

Zwar hat der 1. Zivilsenat des OLG Frankfurt (VersR 1997, 1264) angenommen, dass vorsätzlich falsche Angaben des Versicherungsnehmers, die zur Leistungsfreiheit des Versicherers in der Diebstahl-Versicherung führen, nicht ohne weiteres auch zur Leistungsfreiheit des Versicherers wegen der Unfallschäden an dem wieder aufgefundenen Kraftfahrzeug führen. Der Senat kann offen lassen, ob er dieser Entscheidung, die im Schrifttum auf Kritik gestoßen ist (Knappmann aaO, § 12 AKB, Rdnr.31), folgen würde. Denn der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich von demjenigen des dortigen Verfahrens, weil es dort um den Versicherungsschutz aus einer neben der Teilkaskoversicherung bestehenden Vollkaskoversicherung ging, die selbständig und gleichwertig neben der Diebstahlversicherung steht (OLG Ffm, aaO, S. 1264; Knappmann aaO). Vorliegend geht es jedoch ausschließlich um einen Leistungsanspruch aus der bestehenden Teilkaskoversicherung und um den Ersatz des nach Rückerlangung des (angeblich) entwendeten Fahrzeugs verbleibenden Schadens. Jedenfalls unter dieser Voraussetzung schlägt eine Obliegenheitsverletzung im Zusammenhang mit der Anzeige einer Entwendung auch auf die Leistungspflicht des Versicherers im Zusammenhang mit einem Reparaturschaden an dem später wieder aufgefundenen Fahrzeug durch. Da es bei einer vorsätzlichen folgenlos gebliebenen Obliegenheitsverletzung grundsätzlich darauf ankommt, ob diese objektiv und generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, kann das spätere, zufällige Wiederauffinden des (angeblich) gestohlenen Fahrzeugs die infolge der Obliegenheitsverletzung eingetretene Leistungsfreiheit des Versicherers in diesem Fall nicht wieder entfallen lassen.

Inwieweit ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Reparaturschadens aus der bestehenden Kaskoversicherung ­ unabhängig von der zur Leistungsfreiheit in der Teilversicherung führenden Obliegenheitsverletzung ­ besteht, war in dem vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Gegenstand des Rechtsstreits ist nur die Eintrittspflicht der Beklagten aus derTeilkaskoversicherung. Das ergibt sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils und der Klagebegründung vom 08.10.1998, in der es (S. 7 unter II) heißt, die Klägerin verlange die Regulierung eines Teilkaskoschadens. Die Klägerin hat die Klageforderung dementsprechend auch unter Berücksichtigung der für die Teilversicherung abgeschlossenen Selbstbeteiligung in Höhe von 300,-- DM berechnet.

Zwar weist die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.06.2000 ­ wie schon in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ­ darauf hin, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nicht nur teil-, sondern vollversichert war. Dies vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass Gegenstand der vorliegenden Klage nur ein etwaiger Anspruch der Klägerin aus der Teilversicherung ist und ein möglicher Anspruch der Klägerin aus der Vollversicherung von der Entscheidung daher unberührt bleibt.

Da der Klägerin jedenfalls ein Anspruch aus der Teilversicherung nicht zusteht, musste die Berufung mit der sich aus § 97 Abs.1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückgewiesen werden.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO).

Ende der Entscheidung

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