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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 16.01.2003
Aktenzeichen: 3 U 89/02
Rechtsgebiete: InsO
Vorschriften:
InsO § 130 I |
3 U 89/02
Entscheidung vom 16. Januar 2003
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter/in
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2003
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.04.2002 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer des Klägers beträgt 9.520,33 €.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, da ein Rechtsmittel nicht eröffnet ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Der geltend gemachte Anspruch aus §§ 130 Abs. 1 Nr. 1, 143 Abs. 1 InsO besteht nicht, da vom Kläger nicht dargetan ist, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der beiden Zahlungen vom 09.02. und 16.03.1999 die unstreitig seit zumindest 31.12.1998 bestehende Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin gekannt hat; dies gilt auch unter Berücksichtigung von § 130 Abs. 2 InsO, wonach es ausreicht, wenn der Kläger Umstände darlegt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen.
An diesbezüglichen Umständen ist vorliegend nur folgendes vorgetragen: Im November 1998 zahlte die Gemeinschuldnerin einen Rückstand von 24.599,00 DM an die Beklagte erst nach Einschaltung eines Inkassounternehmens, und zwar in zwei Raten. Der streitgegenständlichen Forderung liegen Rechnungen vom 04.11.1998, 03.12.1998 und 11.01.1999 zugrunde; diesen folgten mehrere erfolglose Mahnungen und ein Schreiben des Inkassounternehmens vom 27.01.1999, in welchem eine eventuelle Ratenzahlung angeboten wurde. Anschließend erfolgten verschiedene Telefongespräche zwischen einem Angestellten des Inkassounternehmens und einer Angestellten der Gemeinschuldnerin, bei denen unstreitig nicht auf die Zahlungsunfähigkeit der späteren Gemeinschuldnerin hingewiesen worden ist; zum weiteren Inhalt dieser Telefongespräche ist nichts vorgetragen. Am 09.02.1999 und am 16.03.1999 wurde die Klageforderung dann in zwei Raten zu je 9.310,07 DM bezahlt. Am 13.05.1999 wurde der Insolvenzantrag gestellt.
Allein aus den genannten Tatsachen musste die Beklagte am 09.02.1999 bzw. 16.03.1999 nach Auffassung des Senats nicht zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der späteren Gemeinschuldnerin schließen.
Bei § 130 Abs. 2 InsO handelt es sich um ein beweisrechtliches Novum, wonach Hilfstatsachen mit einer starken Indizwirkung die unwiderlegbare Vermutung der Kenntnis begründen (vgl. Häsemeyer, InsO, 3. Aufl., Rdnr. 21.50). Im Gegensatz zum Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung hat der Gesetzgeber den Begriff der grob fahrlässigen Unkenntnis in § 130 InsO bewusst vermieden, so dass positive Kenntnis von den die Zahlungsunfähigkeit begründenden Umständen nachzuweisen ist (vgl. Hess/Weiss/Wienberg, Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 130, Rdnr. 50). Soweit das OLG Dresden grobe Fahrlässigkeit ausreichen lässt (ZIP 2001, 621), kann dem nicht gefolgt werden; vielmehr schadet selbst grob fahrlässige Unkenntnis nicht, entscheidend ist die Eindeutigkeit der Rechtslage (vgl. Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 130, Rdnr. 34). Positive Kenntnis im Sinne von § 130 Abs. 2 InsO, die zum Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts vorliegen muss, bedeutet für sicher gehaltenes Wissen (BGH WM 91, 150); dabei ist allerdings die genaue Kenntnis der rechtlichen Zusammenhänge nicht erforderlich, sondern es ist auf die natürliche Betrachtungsweise aus der Sicht eines durchschnittlich geschäftserfahrenen, unvoreingenommenen Gläubigers abzustellen (Münchener Kommentar, a.a.O., § 130, Rdnr. 32 f.). Danach muss der Anfechtungsgegner wissen, dass der Schuldner von seinen als fällig eingeforderten Geldschulden einen nicht unwesentlichen Teil -wenigstens 10 % - derzeit nicht erfüllen kann und auch keine konkrete Aussicht hat, hierfür ausreichende und verwendbare Geldmittel in den nächsten 3 Wochen zu erlangen (Münchener Kommentar, a.a.O., Rdnr. 35). Einen solchen Überblick über die Vermögenslage des Schuldners wird der Gläubiger allerdings nur äußerst selten haben. Daher wird es für ausreichend erachtet, wenn der Gläubiger vor oder bei dem Empfang der angefochtenen Leistung seine unstreitigen Ansprüche vergeblich eingefordert hat, diese verhältnismäßig hoch sind und er keine greifbare Grundlage für eine Erwartung sieht, dass der Schuldner genügend flüssige Geldmittel erhalten wird, um die Forderung fristgerecht erfüllen zu können (derselbe Rdnr. 35). Im übrigen sind letztlich entscheidend immer die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles. In seiner Rechtsprechung zu § 30 KO hat der BGH die Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bejaht, wenn letzterer dem Gläubiger eines verhältnismäßig hohen Anspruchs auf dessen Zahlungsaufforderung erwidert, er könne nicht zahlen, dafür aber die Abtretung seiner Kundenforderung angeboten hatte (BGH NJW 98, 607). Insbesondere derartige Fälle einer "unkongruenten Deckung", bei denen der Schuldner erfüllungshalber eine anderweitige Forderung abtritt, werden im allgemeinen als Anzeichen für die Zahlungsunfähigkeit angesehen (vgl. BGH NJW 2001, 211). Gleiches gilt, wenn ein Gläubiger nach monatelang wachsendem Zahlungsverzug des Schuldners und fruchtlosen Vollstreckungsversuchen gegen ihn wegen einer nicht unwesentlichen Forderung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt, der Schuldner daraufhin die Forderung mit seinen letzten Zahlungsmitteln begleicht und der Gläubiger daraufhin den Eröffnungsantrag zurücknimmt (Münchener Kommentar, a.a.O., Rdnr. 38).
Was den vorliegenden Fall betrifft, so sind zunächst einmal Kenntnisse der Beklagten über das Gesamtbild der Vermögenslage der späteren Gesamtschuldnerin nicht vorgetragen. Die streitgegenständliche Forderung von 18.620,14 DM einschließlich Inkassokosten kann im übrigen nicht als wesentlich oder verhältnismäßig hoch bezeichnet werden. Auch die Fälligkeitstermine der drei genannten Rechnungen liegen noch nicht soweit zurück, dass zwingend auf Zahlungsunfähigkeit hätte geschlossen werden müssen. Derartige Zahlungsverzögerungen sind im allgemeinen Geschäftsleben nicht unüblich und können z.B. darauf beruhen, dass ein Unternehmen zeitweise Liquiditätsschwierigkeiten wegen offener Außenstände hat. Solches führt des öfteren dazu, dass Zahlungen erst nach mehreren Mahnungen, Einschaltungen von Inkassounternehmen und auch nur ratenweise erfolgen, ohne dass daraus bereits zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden müsste. Die vorliegenden Umstände ergaben zwar eine nur schleppende Zahlung durch die spätere Gemeinschuldnerin, klare und eindeutige Umstände, aus denen zwingend auf Zahlungsunfähigkeit zu schließen wäre, lagen aber zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vor. Die Klage war mithin abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind vorliegend nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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