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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 11.03.2004
Aktenzeichen: 3 U 89/03
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 59 I
1. Unterlässt der Belegarzt im Rahmen eines Klinikaufenthalts die gebotene Therapieaufklärung des Patienten über die Notwendigkeit engmaschiger Kontrolluntersuchungen und nimmt der weiterbehandelnde niedergelassene Arzt diese behandlungsfehlerhaft nicht vor, so haftet für die hierdurch verursachten Gesundheitsschäden sowohl der Belegarzt als auch der niedergelassene Arzt (vorliegend personenidentisch).

2. Für die Anwendung von § 59 Abs. 1 VVG (Doppelversicherung) ist es ausreichend, dass sich Teilbereiche der Haftpflichtversicherung des Belegarztes und des niedergelassenen Arztes decken.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 89/03

Verkündet am 11.03.2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch ... auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 9.4.03 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 220.000,-- € abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 200.000,-- €.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger zu 1) ist Facharzt für Urologie. In dieser Funktion ist er Belegarzt im Kreiskrankenhaus O1 und zudem als niedergelassener Arzt in eigener Praxis tätig. Das Haftpflichtrisiko des Klägers zu 1) als niedergelassener Arzt ist durch einen Haftpflichtversicherungsvertrag mit der Klägerin zu 2) abgedeckt; für das Haftpflichtrisiko des Klägers zu 1) als Belegarzt besteht zwischen dem Kreiskrankenhaus O1 und der Beklagten ein Haftpflichtversicherungsvertrag, in den u.a. der Kläger zu 1) mit einbezogen ist ( Bl. 179 ff ). Nach einer Überweisung durch den Hausarzt Dr. A wurde der Patient B C am 14.12.89 vom Kläger zu 1) in dessen Eigenschaft als niedergelassener Arzt wegen fortbestehender Mikrohämaturie und Proteinurie untersucht. Diese Untersuchung führte dazu, dass am 28.12.89 vom Kläger zu 1) im Kreiskrankenhaus O1 eine Cystoskopie unter Narkose durchgeführt wurde. Der Kläger zu 1) nutzte diesen stationären Aufenthalt außerdem zur Abklärung weiterer Entzündungsparameter, wobei u.a. eine leicht erhöhte Blutsenkung festgestellt wurde. Nach der Entlassung des Patienten aus dem Kreiskrankenhaus am 29.12.1989 war dieser am 3.1.90 wieder in der Praxis des Klägers zu 1), wobei es ursprünglich nur um die Abholung der Überweisung zu dem Radiologen Dr. D ging; bei dieser Gelegenheit wurde in der Praxis des Klägers zu 1) eine Urinkontrolle sowie eine Kontrollsonographie der Nieren durchgeführt. Am 5.1.90 war der Patient auf Veranlassung des Klägers zu 1) beim Radiologen Dr. D. Am 12.1.90 wurde der Patient erneut stationär im Kreiskrankenhaus O1 als Notfallpatient aufgenommen; es wurde ein Goodpasture-Syndrom mit vollständiger Niereninsuffizienz festgestellt. Durch Urteil des OLG Frankfurt vom 20.6.00 (14 U 113/96 Bl. 14 ff. ) wurde der Kläger zu 1) verurteilt, an den Patienten C 74.279,66 DM nebst Zinsen zu zahlen; es wurde außerdem festgestellt, dass der jetzige Kläger zu 1) dem Patienten allen weiteren materiellen Schaden im Zusammenhang mit der Behandlung vom 14.12.89 bis 12.1.90 zu ersetzen habe, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen seien; das OLG Frankfurt stellte als Behandlungsfehler des Klägers zu 1) fest, dass dieser die medizinisch gebotenen differenzial-diagnostischen Maßnahmen zur Abklärung der bestehenden Mikrohämatomie, der Anämie und der Proteinurie unterlassen habe.

Im vorliegenden Rechtsstreit streiten die Parteien insbesondere darüber, ob der im Urteil vom 20.6.00 festgestellte Behandlungsfehler des Klägers zu 1) auch dessen Haftpflichtrisiko als Belegarzt betrifft und ob ein Fall der Doppelversicherung gemäß § 59 VVG vorliegt. Mit der Klage haben die beiden Kläger in mehreren Klageanträgen die Zahlungs- und Eintrittspflicht der Beklagten geltend gemacht, und zwar sowohl im Verhältnis zum Kläger zu 1), als auch im Verhältnis zur Klägerin zu 2). Wegen des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 291 ff.). Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 9.4.03 zum überwiegenden Teil stattgegeben; es hat ausgeführt, die Beklagte sei zusammen mit der Klägerin zu 2) für die dem Patienten C durch mangelnde Aufklärung und Befunderhebung entstandenen Schäden eintrittspflichtig, wobei sich die Klägerin zu 2) und die Beklagte den Schaden hälftig zu teilen hätten. Die Beklagte sei aus dem Versicherungsvertrag mit dem Kreiskrankenhaus O1 auch für ärztliche Fehlleistungen des Klägers zu 1) einstandspflichtig, die auf dessen Tätigkeit als Belegarzt beruhten. Allerdings sei diese Haftung der Höhe nach begrenzt auf 2.000.000,-- DM für Personenschäden. Der Kläger zu 1) habe den Patienten am 28. und 29.12.89 im Kreiskrankenhaus als Belegarzt behandelt und untersucht, und die dabei aufgetretene fehlerhafte Tätigkeit des Klägers zu 1) sei mitursächlich für die am 12.1.90 festgestellten gesundheitlichen Schäden. Diese beruhten nicht allein auf dem schuldhaften Verhalten des Klägers zu 1) nach der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus in dessen Praxistätigkeit, sondern auch auf den im Kreiskrankenhaus unterlassenen, ab 28.12.99 gebotenen engmaschigen Kontrolluntersuchungen des Patienten. Auch die unterlassene Aufklärung des Patienten über die für diese bestehenden besonderen Risiken sei noch der Behandlung im Kreiskrankenhaus zuzurechnen. Es liege eine Doppelversicherung im Sinne von § 59 Abs. 1 VVG vor. Da beide Haftpflichtversicherungen jeweils für eine Höchstsumme von 2.000.000,-- DM für Personenschäden eintrittspflichtig seien, sei gemäß § 59 Abs. 2 VVG ein hälftiger Ausgleich vorzunehmen. Die Beklagte hafte allerdings nur für die im Zeitraum vom 28.12.89 bis 12.01.90 entstandenen Schäden und nicht auch für Schäden aus der Zeit vor dem 28.12.89. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, während die Kläger die teilweise Klageabweisung nicht angegriffen haben.

Die Beklagte begehrt weiterhin vollständige Klageabweisung. Sie trägt vor, der Kläger zu 1) könne schon nicht die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Haftpflichtversicherungsschutz verlangen, sondern allenfalls Befreiung von der ihn treffenden Haftpflichtverbindlichkeit. Von vornherein scheide auch ein Versicherungsschutz der Beklagten für die Zeit nach dem 29.12.89 aus, da zu diesem Zeitpunkt die Tätigkeit des Klägers zu 1) als Belegarzt für den Patienten C geendet habe. Im übrigen sei haftungsbegründend allein das fehlerhafte Handeln oder Unterlassen des Klägers zu 1) im Rahmen von dessen Tätigkeit als niedergelassener Arzt nach den bindenden Feststellungen im OLG-Urteil vom 20.6.00 sei das haftungsbegründende Fehlverhalten des Klägers zu 1) am 3.1. bzw. am 4.1.90 erfolgt, also erst in der Zeit nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. Ein für den Befund am 12.1.90 kausales Fehlverhalten des Klägers zu 1) aus der Zeit vom 28./29.12.89 ergebe sich aus dem OLG-Urteil hingegen nicht. Auch die Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Kläger zu 1) sei nach dem OLG-Urteil erst am 3.1.90 erfolgt. Vorsorglich wendet die Beklagte ein, ein am 28./29.12.89 möglicherweise unterbliebener Hinweis auf die Notwendigkeit weiterer Kreatinbestimmungen unterfalle jedenfalls nicht dem Versichertenrisiko als Belegarzt. Die Beklagte sei ausschließlich für die stationär durchgeführte Cystokopie eintrittspflichtig, und dabei sei es nicht zu einem ärztlichen Fehlverhalten des Klägers zu 1) gekommen. Schließlich liege vorliegend auch keine Doppelversicherung vor, da nicht einmal eine teilweise Identität des Versicherungsinteresses bestehe. Eine Überschneidung der beiden Deckungsbereiche des Klägers zu 1) als niedergelassener Arzt sowie als Belegarzt liege nicht vor.

Die Beklagte beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Der Kläger zu 1) sei vorliegend sowohl als Belegarzt als auch als niedergelassener Arzt tätig geworden und habe in beiden Eigenschaften fehlerhaft gehandelt. Das OLG-Urteil vom 20.6.00 habe dem Kläger zu 1) vorgeworfen, dass dieser aufgrund der am 28.12./29.12.89 als Belegarzt gewonnenen Untersuchungsergebnisse notwendigerweise engmaschige Kontrolluntersuchungen hätte durchführen müssen. Daraus ergebe sich die belegärztliche Haftung des Klägers zu 1). Dass der Kläger zu 1) als nachbehandelnder Arzt in seiner Eigenschaft als niedergelassener Arzt ebenfalls fehlerhaft die Kontrolluntersuchungen unterlassen habe, entlaste nicht den Kläger zu 1) in dessen Eigenschaft als vorbehandelnder Belegarzt. Außerdem habe der Kläger zu 1) auch noch nach der stationären Entlassung des Patienten bereits als Belegarzt die Pflicht gehabt, dafür zu sorgen, dass die sich aus den stationär gewonnenen Befunden ergebenden ärztlichen Maßnahmen durchgeführt würden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Denn die Beklagte ist aus dem mit dem Kreiskrankenhaus O1 abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag, in welchem die Belegarzttätigkeit des Klägers zu 1) mitversichert war (Bl. 184 oben), in dem vom Landgericht tenorierten Umfang einstandspflichtig. Denn die bei dem Patienten C entstandenen gesundheitlichen Dauerschäden sind nicht allein auf das Verhalten des Klägers zu 1) nach der Entlassung aus dem Kreiskrankenhaus O1 zurückzuführen, sondern gehen auch kausal auf die Tätigkeit des Klägers zu 1) als Belegarzt zurück.

Allerdings ist dem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 20.6.00 nicht zu entnehmen, dass die erforderlichen engmaschigen Kontrolluntersuchungen bereits während des stationären Aufenthaltes des Patienten C, also am 28./29.12.89, hätten vorgenommen werden müssen; diese waren vielmehr erst ab dem 3./4.1.90 vorzunehmen, also in dem Zeitraum, in dem sich der Patient wieder ­nämlich am 3.1.90- in der Praxis des Klägers zu 1) vorgestellt hat, wo dann andere als die erforderlichen Kontrolluntersuchungen vorgenommen wurden. Aus dem genannten Urteil vom 20.6.00 ergibt sich jedoch auch, dass sämtliche Befunde und Erkenntnisse, aus denen sich die Notwendigkeit engmaschiger Kontrolluntersuchungen ergab, bereits während des stationären Aufenthaltes des Patienten vom 28./29.12.89 angefallen sind. Dazu gehören insbesondere die leicht erhöhte Blutsenkung, die bei der Cystoskopie nicht festgestellte Blutungsquelle und weitere im Kreiskrankenhaus erhobene Befunde. Es mag sein, dass diese Befunde auch in der Praxis des Klägers zu 1) hätten erhoben werden können und im Kreiskrankenhaus nur wegen der dort durchgeführten Cystoskopie sozusagen "bei Gelegenheit" festgestellt worden sind; dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass diese Befunderhebung in tatsächlicher Hinsicht, auch was die Vergütungspflicht betrifft, im Rahmen des stationären Aufenthaltes erfolgt und daher der Belegarzttätigkeit des Klägers zu 1) zuzurechnen ist. Daher haftet die Beklagte auch für Fehlverhalten des Klägers zu 1) im Zusammenhang mit den im Kreiskrankenhaus erhobenen Befunden, da die Beklagte unstreitig für die persönliche gesetzliche Haftpflicht des Klägers zu 1) als Belegarzt einzustehen hat.

Aus den im Kreiskrankenhaus erhobenen Befunden ergab sich aber nach dem Urteil vom 20.6.00 die eindeutige Notwendigkeit, spätestens ab 3.1.00 engmaschige Kontrolluntersuchungen durchzuführen. Zwar oblag die Durchführung dieser Untersuchungen nicht dem Kläger zu 1) in seiner Eigenschaft als Belegarzt, weil der stationäre Aufenthalt des Patienten bereits am 29.12.89 endete; der Kläger zu 1) hatte jedoch die Verpflichtung, auf die Notwendigkeit der Durchführung engmaschiger Kontrolluntersuchungen sowohl im Entlassungsbericht, als auch mündlich gegenüber dem Patienten anlässlich von dessen Entlassung am 29.12.89 hinzuweisen und die Durchführung der Untersuchungen dringend anzuraten. Gegebenenfalls hatte er darüberhinaus auch die Verpflichtung, den Patienten zur Durchführung der engmaschigen Kontrolluntersuchungen an einen geeigneten Arzt zu überweisen.

Die Unterlassung einer entsprechenden Beratung des Patienten anlässlich von dessen stationären Aufenthalt unter Aufklärung über die Dringlichkeit weiterer Befunderhebungen war ein Verstoß gegen den medizinischen Standard; ein derartiges Unterlassen der notwendigen Schutz- und Gefahrhinweise im Sinne einer

"Therapieaufklärung" stellt sich als ärztlicher Behandlungsfehler dar (vgl. BGHZ 107, 222; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl., Rdnr. 221). Nach dem Obengesagten ist dieser Behandlungsfehler vom 28./29.12.89 der Belegarzttätigkeit des Klägers zu 1) zuzurechnen und unterfällt damit dem bei der Beklagten versicherten Risiko.

Der Behandlungsfehler im Rahmen des stationären Aufenthaltes war ­ebenso wie der vom 3.1.90- mitursächlich für die Niereninsuffizienz vom 12.1.90. Dabei kann dahinstehen, ob der unterlassene Hinweis als schwerer Behandlungsfehler zu qualifizieren ist, mit der Folge, dass die Kläger vom Nachweis der Kausalität entlastet wären (so im Fall von BGHZ 107, 222). Denn auch wenn man davon ausgeht, dass die Kläger beweisen müssten, dass der Patient C dem Hinweis Folge geleistet und sich ab 3.1.90 engmaschigen Kontrolluntersuchungen unterzogen hätte, so besteht angesichts der besonderen Funktion des Gefahr- und Warnhinweises vorliegend eine Vermutung dahingehend, dass sich der Patient aufklärungskonform verhalten hätte (vgl. Geiß/Greiner a.a.O., Rdnr. 225). Es spricht nämlich alles dafür, dass der Patient, wenn ihm die Anzeichen für einen fortschreitenden entzündlichen Prozess und die dringende Notwendigkeit alsbaldiger engmaschiger Kontrolluntersuchungen vom Kläger zu 1) verdeutlicht worden wären, sich beratungskonform verhalten und ab 3.1.90, bei welchem Arzt auch immer, die empfohlenen Kontrolluntersuchungen hätte vornehmen lassen. Dies ist auch deshalb anzunehmen, da es sich dabei nicht um schmerzhafte und zudem einfach durchzuführende Befunderhebungen gehandelt hätte, die jeder vernünftige Patient in der Situation des Patienten C unverzüglich hätte vornehmen lassen. Diese Vermutung ist von der Beklagten auch nicht erschüttert worden. Soweit ersichtlich stellt die Beklagte nicht einmal in Abrede, dass sich der Patient in diesem Sinne aufklärungskonform verhalten hätte. Mithin ist davon auszugehen, dass der Patient im Fall eines am 28./29.12.89 erfolgten Hinweises spätestens ab 3.1.90 die genannten Kontrollmaßnahmen hätte durchführen lassen, und zwar entweder in der Praxis des Klägers zu 1) oder aber in einer anderen dazu geeigneten medizinischen Einrichtung.

Gemäß den Feststellungen im Urteil vom 20.6.00 ist aber für diesen Fall davon auszugehen, dass bei Durchführung der empfohlenen Befunderhebung am 3. oder 4.1.90 die Niereninsuffizienz vom 12.1.90 verhindert worden wäre; die diesbezüglichen Ausführungen auf S. 14 ff des Urteils vom 20.6.00 werden von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen, soweit sie den Ursachenzusammenhang zwischen unterbliebener Befunderhebung vom 3./4.1.90 und der später aufgetretenen Niereninsuffizienz betreffen. Zur Befunderhebung vom 3./4.1.90 wäre es aber, wie dargelegt, im Fall eines Hinweises vom 28./29.12.89 gekommen.

Da der Behandlungsfehler aus der belegärztlichen Tätigkeit mitursächlich für die Niereninsuffizienz vom 12.1.90 war, hat das Landgericht zu Recht eine Einstandspflicht der Beklagten für die Zeit vom 28.12.89 bis 12.1.90 bejaht. Die Pflichtverletzung des Klägers zu 1) als Belegarzt tritt nämlich zu der gesondert zu beurteilenden Pflichtverletzung des Klägers zu 1) vom 3./4.1.90 als niedergelassener Arzt hinzu. Die im vorliegenden Fall gegebene persönliche Identität von Belegarzt und niedergelassenem Arzt ändert nichts daran, dass beide medizinische Tätigkeitsbereiche des Klägers zu 1) in rechtlicher Hinsicht so zu beurteilen sind, als ob sie von zwei verschiedenen Ärzten wahrgenommen worden wären. Dies folgt schon daraus, dass die Tätigkeiten des Klägers zu 1) als Belegarzt und als niedergelassener Arzt bezüglich der betrieblichen Organisation, der Vergütungsregelungen sowie auch in versicherungsrechtlicher Hinsicht unterschiedlich geregelt waren. Gleichwohl überschneiden sich im vorliegenden Fall die Identität des versicherten Interesses und des versicherten Risikos bezüglich der Klägerin zu 2) und der Beklagten in Teilbereichen, was für die Anwendung von § 59 Abs. 1 VVG ausreichend ist ( vgl. Römer, VVG, 1997, § 58, Rdnr. 4 u. 7). Die Überschneidung von Teilbereichen der beiden Haftpflichtversicherungen folgt vorliegend zunächst einmal daraus, dass die stationär vorgenommene Cystoskopie einschließlich der stationär erhobenen Befunde sich als Folge der niedergelassenen Tätigkeit des Klägers zu 1) darstellen, bei der sich die Notwendigkeit einer Cystoskopie ergeben hat, die aber nicht ambulant vorgenommen werden konnte; zum anderen haben die Befunde, die der Kläger zu 1) bei der stationären Behandlung gewonnen hat, Hinweispflichten für den Kläger zu 1) als Belegarzt begründet, die sich überschneiden mit den aus den gleichen Befunden sich ergebenden Hinweis- und Kontrolluntersuchungspflichten des Klägers zu 1) aus der Zeit der Praxistätigkeit nach der Entlassung des Patienten aus dem Kreiskrankenhaus. Dies reicht nach Auffassung des Senats zur Anwendbarkeit von § 59 Abs. 1 VVG aus.

Was das Innenverhältnis zwischen der Klägerin zu 2) und dem Beklagten betrifft, so hat das Landgericht unangegriffen festgestellt, dass beide Haftpflichtversicherungen vorliegend gleichermaßen für Personenschäden bis zu 2.000.000,-- DM einzustehen haben. Daraus folgt gemäß § 59 Abs. 2 VVG die hälftige Schadenstragungspflicht im Innenverhältnis.

Was schließlich den Einwand der Berufung betrifft, der erste Feststellungsausspruch im Tenor des landgerichtlichen Urteils auf Gewährung von Haftpflichtversicherungsschutz im Verhältnis zum Kläger zu 1) sei unzulässig, so kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Zwar ist das Urteil vom 20.6.00 rechtskräftig geworden, dort ist jedoch eine Zahlungspflicht des jetzigen Klägers zu 1) nur in Höhe von 74.279,66 DM ausgesprochen worden, während im übrigen nur die Feststellung einer weitergehenden Schadensersatzpflicht erfolgt ist. Damit ist gegenwärtig unklar, in welcher Höhe der Kläger zu 1) dem Patienten C letztlich zu haften hat. Soweit die Beklagte einwendet, statt des Feststellungsantrages hätte ein Antrag auf Befreiung von der Haftpflichtverbindlichkeit gestellt werden müssen, so ist dies nicht gerechtfertigt. Zwar handelt es sich bei einem Freistellungsantrag um einen Leistungsantrag, der dem Feststellungsantrag grundsätzlich vorgeht; aber ein Feststellungsantrag ist bereits zulässig, wenn der Leistungsantrag nicht endgültig beziffert werden kann (vgl. BGHZ 28, 126). Auch in der in der Berufungsbegründung in Bezug genommenen Fundstelle (Littbarksi, AHB, 2001, § 3, Rdnr. 128) wird als Voraussetzung für einen Freistellungsanspruch angeführt, dass die Haftung dem Grund und der Höhe nach feststehen müsse; an letzterem fehlt es aber vorliegend.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die vorliegende Entscheidung entspricht vielmehr ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zum Arzthaftungs- und Versicherungsrecht.

Ende der Entscheidung

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