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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 14.11.2008
Aktenzeichen: 3 U 92/08
Rechtsgebiete: VVG, ZPO


Vorschriften:

VVG § 6 Abs. 3
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte als Kaskoversicherung wegen des Diebstahls seines Pkw ... mit dem amtlichen Kennzeichen ... vom 17.10.2005 in Anspruch.

Die Beklagte hat die Regulierung zunächst wegen unzureichenden Nachweises der Entwendung abgelehnt, sich erstinstanzlich zudem auf Obliegenheitsverletzung wegen falscher Angabe der Laufleistung des Fahrzeugs (32.000 statt 42.000 km) sowie wegen unzureichender Schlüsselvorlage und Angaben dazu berufen. Auf das angefochtene Urteil, insbesondere dessen tatsächliche Feststellungen wird Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 12.3.2008 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte sei wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung (dolos eventualis) des Klägers im Zusammenhang mit der falschen Angabe über die Laufleistung des Fahrzeugs leistungsfrei. Auf die Urteilsgründe wird Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der zunächst darauf hinweist, dass die Angabe in der Schadensanzeige lediglich eine ca.-Angabe gewesen sei, dass er wegen eines Augenleidens (Maculadegeneration) erkrankt sei und deshalb nur unter erheblichen Anstrengungen die Schadensanzeige habe ausfüllen können. Dies sei bei der Bewertung des Schuldgrades außer Betracht geblieben. Die Beklagte sei auch gehindert, sich auf die Obliegenheitsverletzung zu berufen, weil sie sich in ihrem Ablehnungsschreiben nicht darauf gestützt habe (OLG Düsseldorf VersR 1993, 425). Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, die Wertminderung des gestohlenen Fahrzeugs bei einer höheren Laufleistung von 11.000 km in Höhe von 438,00 € (unter 5 % des Werts) sei nicht so erheblich, dass darauf eine die Leistungsfreiheit begründende Obliegenheitsverletzung gestützt werden könne.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 12.3.2008 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.895,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 9.125,00 € seit dem 1.2.2007 sowie aus 770,00 € seit Rechtshängigkeit sowie weitere 837,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und verweist auf die Rechtsprechung zur Relevanz von falschen Angaben zur Laufleistung bereits bei weniger als 10.000 km.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Beklagten wegen der unrichtigen Angabe zur Laufleistung des gestohlen gemeldeten Fahrzeugs sowie die Relevanz dieser Falschangabe angenommen.

1. Die Angabe von 32.0000 km Laufleistung des entwendeten Fahrzeuges statt 43.000 km war eine objektive Falschangabe, deren Vorsätzlichkeit nach § 6 Abs. 3 VVG indiziert wird. Es entlastet den Kläger nicht, dass er lediglich eine Km-Angabe mit dem Vorsatz "ca." eingetragen hat. Insoweit ist eine Abweichung von etwa 10 % noch tolerabel, vorliegend maximal eine Laufleistung von 35.500 km, nicht aber von 43.000 km.

Wegen der Indizierung des Vorsatzes wäre es Sache des Klägers gewesen, nachvollziehbar zu machen, wie es zu der Falschangabe gekommen ist. Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass den eigenen Angaben des Klägers zufolge bedingter Vorsatz anzunehmen ist. Auf die Gründe kann insoweit Bezug genommen werden.

Soweit der Kläger zur Verminderung seines Verschuldens auf sein Augenleiden verweist, kann dies nicht zu seiner Entlastung führen. Es ist nicht ersichtlich, welcher Zusammenhang zwischen der (mäßigen) Sehschwäche des Klägers und der Richtigkeit seiner Angaben bestehen soll.

2. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht auch festgestellt, dass die Falschangabe des Klägers zur Laufleistung des Fahrzeugs allgemein geeignet gewesen ist, die Interessen der Beklagten als Versicherer zu beeinträchtigen, weil die Laufleistung für die Höhe der Versicherungsleistung von erheblicher Bedeutung ist. Dies hat die ergänzende Auskunft des Sachverständigen SV1 vom 9.9.2008 ergeben, der einen Minderwert des Fahrzeugs infolge höherer Laufleistung von 450,00 € ermittelt hat.

3. Auch im Sinne der höchstrichterlichen Relevanzrechtsprechung handelt es sich insoweit nicht mehr um eine Bagatelle, die ein verständiger Versicherer hinnehmen würde, sondern um einen Verstoß gegen die Pflichten aus dem Versicherungsvertrag von einigem Gewicht. Ein irrelevanter Bagatellbetrag läge allenfalls bei einer Wertdifferenz von unter 100,00 € vor. Ein erhebliches Verschulden in subjektiver Hinsicht ist angesichts der einfachen Feststellungsmöglichkeit für die zutreffenden Angaben durch Rückfrage ebenfalls zu bejahen. Ein geringes Verschulden, für das ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufbringen könnte, scheidet angesichts dieses Umstands aus. Da das Schadensformular auch die erforderliche Belehrung über die Folgen von unrichtigen Angaben enthalten hat (vgl. Bl. 55 d.A.) liegen die Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit infolge Obliegenheitsverletzung des Klägers vor.

Der erst in der Berufungsinstanz gehaltene Vortrag des Klägers, die Angabe des Zeugen Z1 zur Laufleistung des Fahrzeugs über 43.000 km sei unrichtig gewesen, ist mangels Darlegung besonderer Umstände verspätet und gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zu berücksichtigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind vorliegend nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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