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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.07.2001
Aktenzeichen: 3 VAs 18/01
Rechtsgebiete: StVollstrO, StVollzG, EGGVG, KostO


Vorschriften:

StVollstrO § 21
StVollzG § 10
StVollzG § 6
EGGVG §§ 23 ff.
EGGVG § 30 Abs. 1
EGGVG § 30 Abs. 2
KostO § 30
Für die Entscheidung, ob sich ein Strafgefangener für den offenen Vollzug eignet, ist nicht die Vollstreckungsbehörde, sondern die Vollzugsbehörde zuständig, der ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum einzuräumen ist.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

Entscheidung vom 11.7.2001

In der Strafvollstreckungssache ...

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf den Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung vom 17. April 2001 am 11. Juli 2001 beschlossen:

Tenor:

Die Ladungen des Verurteilten zum Strafantritt vom 30. August 2000 und 26. Januar 2001 durch die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Darmstadt sowie der Bescheid der Staatsanwaltschaft vom 18. Januar 2001 und der Beschwerdebescheid der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 21. März 2001 werden aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Darmstadt wird verpflichtet, über die Ladung des Verurteilten zum Strafantritt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden. Der weitergehende Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die notwendigen Auslagen des Antragstellers werden nicht aus der Staatskasse erstattet.

Der Geschäftswert wird auf 5.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wurde am 8. Oktober 1999 vom Landgericht Darmstadt wegen gemeinschaftlichen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung, gemeinschaftlicher sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Er hatte sich in dieser Sache vom 21. Mai 1998 bis zum 16. Oktober 1998 in Untersuchungshaft befunden. Das Urteil ist seit dem 3. Mai 2000 rechtskräftig. Der Antragsteller ist nicht vorbestraft.

Mit Verfügung vom 19. Juli 2000 hatte die Staatsanwaltschaft die Vollstreckungsunterlagen zunächst der Justizvollzugsanstalt Dieburg ­ offener Vollzug ­ zur Prüfung der Eignung des Verurteilten für den offenen Vollzug mit folgender Stellungnahme übersandt: Der Verurteilte erscheine für den offenen Vollzug nicht geeignet, weil er eine Strafe wegen grober Gewalttätigkeit gegen Personen zu verbüßen habe (Nr. 2 Abs. 3 VV zu § 10 StVollzG) und weil eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung vorliege (Nr. 2 Abs. 3 VV zu § 10 StVollzG).

Nachdem der Leiter der Justizvollzugsanstalt Dieburg einer Direkteinweisung in die Abteilung des offenen Vollzuges nicht zugestimmt hatte, weil diese Anstalt bis Ende d.J. voll belegt und so nicht aufnahmefähig sei und er deswegen die Vollstreckungsunterlagen an den Leiter der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main IV weitergeleitet hatte, sandte dieser unter dem 18. August 2000 die Vollstreckungsunterlagen der Staatsan- waltschaft unter Bezugnahme auf den Runderlaß des Hessischen Ministers der Justiz vom 19. Juni 2000 (4516-III/6-101/00) mit dem Hinweis zurück, daß hiernach Sexualstraftäter, die zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten oder einer Jugendstrafe verurteilt worden seien und sich auf freiem Fuß befänden, grundsätzlich in die zuständige Einrichtung des geschlossenen Vollzugs zu laden seien, weshalb der Aufnahme in den offenen Vollzug dieser Anstalt nicht zugestimmt werde.

Der vorgenannte Ministererlaß enthält folgende Regelung:

1. Personen, die wegen einer Straftat nach §§ 174 bis 180, 182 des Strafgesetzbuches oder nach § 323 a des Strafgesetzbuches, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder einer Jugendstrafe verurteilt worden sind und sich auf freiem Fuß befinden, sind künftig grundsätzlich in die zuständige Einrichtung des geschlossenen Vollzugs zu laden.

In diesen Fällen ist wie folgt zu verfahren:

Die Vollstreckungsbehörde übersendet spätestens 14 Tage vor dem beabsichtigten Strafantritt die erforderlichen Vollstreckungsunterlagen (§§ 29, 31 der Strafvollstreckungsordnung) der zuständigen Einrichtung des geschlossenen Vollzugs und nimmt aus ihrer Sicht zu der Frage der Eignung für den offenen oder geschlossenen Vollzug Stellung. Auf ein gegebenenfalls bereits vorhandenes Sachverständigengutachten kann die Vollstreckungsbehörde hierbei Bezug nehmen; das Sachverständigengutachten ist in Ablichtung beizufügen.

Die Vollzugsbehörde prüft unverzüglich, ob die verurteilte Person für den offenen Vollzug geeignet ist.

2. Von einer Ladung in die zuständige Einrichtung des geschlossenen Vollzugs ist nur dann abzusehen, wenn im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für die An- nahme vorliegen, dass die verurteilte Person für den offenen Vollzug geeignet ist und keine Flucht- oder Missbrauchsgefahr besteht.

In diesen Fällen sowie bei Verurteilungen wegen der genannten Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten ist ­ sofern nicht aus anderen Gründen eine Ladung in den geschlossenen Vollzug geboten ist ­ wie folgt zu verfahren:

Die Vollstreckungsbehörde übersendet spätestens 14 Tage vor dem beabsichtigten Strafantritt die erforderlichen Vollstreckungsunterlagen (§§ 29, 31 der Strafvollstreckungsordnung) der zuständigen Einrichtung des offenen Vollzugs und nimmt aus ihrer Sicht zu der Frage der Eignung für den offenen Vollzug Stellung. Auf ein gegebenenfalls bereits vorhandenes Sachverständigengutachten kann die Vollstreckungsbehörde hierbei Bezug nehmen; das Sachverständigengutachten ist in Ablichtung beizufügen.

Die Vollzugsbehörde prüft unverzüglich, ob die verurteilte Person für den offenen Vollzug geeignet ist. Falls noch kein Gutachten zur Frage der Eignung für den offenen Vollzug vorliegt, holt die Vollzugsbehörde mit Zustimmung der verurteilten Person unverzüglich ein externes Gutachten ein. Die Vollzugsbehörde unterrichtet die Vollstreckungsbehörde über die Einholung des externen Gutachtens.

In diesen Fällen stellt die Vollstreckungsbehörde die Ladung zum Strafantritt bis zur Entscheidung der Vollzugsbehörde über die Eignung für den offenen oder geschlossenen Vollzug zurück.

Stimmt die verurteilte Person in diesen Fällen der Einholung eines externen Gutachtens nicht zu, erfolgt die Ladung unmittelbar in eine Einrichtung des geschlossenen Vollzugs."

Mit Verfügung vom 30. August 2000 wurde der Antragsteller daraufhin von der Vollstreckungsbehörde zum Strafantritt in den geschlossenen Vollzug der Justizvollzugsan- stalt Butzbach geladen. Die Einwendungen des Verurteilten gegen die Ladung in den geschlossenen Vollzug wies die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Darmstadt mit Bescheid vom 18. Januar 2001 zurück, wobei sie sich zur Begründung ebenfalls auf den Erlaß des Hessischen Ministers der Justiz vom 19. Juni 2000 bezog. Hiergegen und gegen die erneute Ladungsverfügung zum Strafantritt vom 26. Januar 2001 wandte sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde gem. § 21 StVollstrO, die von der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht mit Bescheid vom 21. März 2001 zurückgewiesen wurde.

Gegen den ihm am 26. März 2001 zugestellten Beschwerdebescheid, der sich ebenfalls auf den Ministererlaß vom 19. Juni 2000 stützt, richtet sich der am 19. April 2001 eingegangene Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung vom 17. April 2001, mit dem dieser unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung die Anordnung der Aufnahme des Verurteilten in den offenen Vollzug beantragt hat.

II.

Der gegen die Ladung zum Strafantritt in den geschlossenen Vollzug gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. den §§ 23 ff. EGGVG zulässig (vgl. KK-Kissel, StPO, 4. Aufl., § 23 EGGVG Rn. 92; ständ. Rspr. d. Senats, z.B. Senatsbeschl. v. 7.11.2000 ­ 3 VAs 47/00 -).

Der Senat hat sich allerdings inzwischen der Auffassung angeschlossen, daß für die Entscheidung der Frage, ob sich ein Gefangener für eine Unterbringung bzw. für einen Verbleib im offenen Vollzug eignet, nicht die Vollstreckungsbehörde, sondern die Vollzugsbehörde zuständig ist (vgl. Ittel, in Schwind-Böhm, StVollzG, 3. Aufl., § 10 Rn. 4), die nach dem Aufnahmeverfahren im Rahmen der Behandlungsuntersuchung die Persönlichkeit und die Lebensverhältnisse des Gefangenen zu erforschen (§ 6 Abs. 1 StVollzG) und sodann die Vollzugsplanung zu erstellen hat, die u.a. Angaben über die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug enthalten muß (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StVollzG). Insbesondere kann die nach Nr. 2 Abs. 3 der Verwaltungsvorschrift zu § 10 StVollzG geforderte besonders gründliche Prüfung der Eignung für den offenen Vollzug bei Gefangenen, gegen die eine Strafe wegen grober Gewalttätigkeiten gegen Personen oder wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu vollstrecken ist, regelmäßig nur durch die mit der Behandlungsuntersuchung gem. § 6 StVollzG betraute Vollzugsanstalt vorgenommen werden (vgl. Senatsbeschl. v. 28.9.2000 ­ 3 Ws 882/00 (StVollz) -).

Auch wenn es sich bei der Prüfung der Eignung für den offenen Vollzug hiernach regelmäßig um einen Entscheidungsprozeß innerhalb und nicht außerhalb des Strafvollzugs handelt (vgl. Preusker NStZ 1994, 303), umfaßt der Begriff Unterbringung" in § 10 StVollzG aber auch die Möglichkeit, eine Freiheitsstrafe von Anfang an im offenen Vollzug zu verbüßen (vgl. AK-StVollzG-Feest-Lesting, StVollzG, 4. Aufl., § 10 Rn. 4; Ittel aaO, § 10 Rn. 4).

Allerdings steht dem Verurteilten nach § 10 StVollzG nach allgemeiner Meinung kein Rechtsanspruch auf Unterbringung im offenen Vollzug im Falle seiner Eignung zu, sondern lediglich ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 18. Aufl., § 10 Rn. 2).

Kommt hiernach kraft Gesetzes die Unterbringung eines Verurteilten in den offenen Vollzug bereits mit dem Beginn der Strafvollstreckung in Betracht, hat die von der Vollzugsbehörde vorzunehmende Prüfung der Eignung und des Fehlens einer Flucht- oder Mißbrauchsgefahr grundsätzlich bereits vor Strafbeginn und auf der Grundlage dieser Entscheidung die Ladung durch die Vollstreckungsbehörde in den offenen oder in den geschlossenen Vollzug zu erfolgen.

Verneint in diesen Fällen die Vollzugsbehörde die Eignung für den offenen Vollzug und lädt deshalb die Vollstreckungsbehörde in den geschlossenen Vollzug, ist in dem gegen die Ladung zum Strafantritt gerichteten Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG die Entscheidung der Vollzugsbehörde mit zu überprüfen, wobei zu berücksichtigen ist, daß der Vollzugsbehörde bei der Prüfung der Eignung und der Prognoseentscheidung über Flucht- und Mißbrauchsgefahr ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist (ständ. Rspr. d. Senats, zuletzt Senatsbeschl. v. 11.6.2001 ­ 3 Ws 452/01 (StVollz) -; BGHSt 30, 320) und deshalb diese Entscheidung nicht uneingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliegt.

Liegt dagegen noch keine Entscheidung der Vollzugsbehörde über diese Frage vor ­ wovon vorliegend auszugehen ist, weil diese lediglich auf den Ministererlaß vom 19. Juni 2000 verwiesen hat, ohne die Eignung des Verurteilten für diese Vollzugsform in vorliegendem Einzelfall zu prüfen -, so hat sich die in gerichtliche Prüfung nach § 23 ff. EGGVG gegen die Ladung in den geschlossenen Vollzug hinsichtlich der Frage der Eignung und des Fehlens einer Flucht- oder Mißbrauchsgefahr darauf zu beschränken, ob für die Vollstreckungsbehörde hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme vorlagen, daß die verurteilte Person für den offenen Vollzug geeignet ist und keine Fluchtoder Mißbrauchsgefahr besteht, weil in diesem Fall eine Ladung in den geschlossenen Vollzug nicht hätte ergehen dürfen, sondern zuvor die Entscheidung der Vollzugsbehörde hierüber herbeizuführen gewesen wäre.

Auf der Grundlage dieses Prüfungsmaßstabs halten die angegriffenen Entscheidungen der Überprüfung, ob die Vollstreckungsbehörde ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, nicht stand.

Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht hat zwar in den Gründen des Beschwerdebescheids das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für eine Eignung des Verurteilten für den offenen Vollzug verneint und dies wie folgt begründet:

Der Beschwerdeführer hat bei der abgeurteilten Tat mehrere Verbrechenstatbestände von erheblichem Gewicht verwirklicht, wobei insbesondere seine beträchtliche Gewaltbereitschaft auffällig erscheint. Er hat nicht nur ein Opfer geschlagen, gequält und erniedrigt, sondern zwei Menschen gezielt über eine längere Zeit in gemeinster Weise unter Druck gesetzt. Hinsichtlich der sexuellen Nötigung ist festzustellen, daß die befohlenen sexuellen Handlungen sehr schmerzhaft, aber auch äußerst erniedrigend waren, weil sie Geschwistern abgepreßt wurden. Angesichts dieser gezeigten verachtenswerten Einstellung und erheblichen kriminellen Ener- gie bietet der Beschwerdeführer nicht die Gewähr, daß er künftig einschlägige Straftaten unterlassen wird, wenn sich ihm eine entsprechende Gelegenheit bietet. Wie die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Darmstadt in ihrem Bescheid vom 18. Januar 2001 zutreffend dargelegt hat, bietet auch der Umstand, daß der Verurteilte bei der begangenen Sexualstraftat weniger aus sexuellen Neigungen, sondern mit dem Ziel der Demütigung und Einschüchterung gehandelt hat, keinen Grund zu einer abweichenden Bewertung der fehlenden Eignung für die Ladung in den offenen Vollzug. Im übrigen wirft auch der Umstand, daß der Verurteilte sich bislang nicht zum Strafvollzug gestellt hat, Zweifel an seiner Eignung für den offenen Vollzug auf."

Diese Begründung, die vor allem auf die Art und die Umstände der von dem Verurteilten verübten Straftaten abstellt, läßt indes wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt, die sich sämtlich aus dem Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 8. Oktober 1999 ergeben und die für die Frage einer Eignung für die Unterbringung im offenen Vollzug und das Fehlen einer Mißbrauchs- und Fluchtgefahr ebenfalls in die Gesamtabwägung einzustellen sind.

Danach war der Antragsteller von dem Mitverurteilten C., der die Idee zur Tat hatte, der der Hauptnutznießer sein sollte und der der Wortführer war, nachdrücklich" überredet worden, sich dessen Plänen anzuschließen (U.A. S. 32). Weiter heißt es in den Urteilsgründen in diesem Zusammenhang: Ohne die Drohung C's, in das bisherige geordnete Leben des Antragstellers einzugreifen, indem er dessen Ehefrau das Treiben ihres Mannes während ihres Urlaubs offenbaren werde, falls dieser ihm die Gefolgschaft versagen sollte", hätte sich der Antragsteller wohl kaum zu der Tat hinreißen lassen" (U.A. S. 33). Auch die im Rahmen der räuberischen Erpressung bzw. des erpresserischen Menschenraubes an den Brüdern V. verübte gemeinschaftliche sexuelle Nötigung war ausweislich der Urteilsgründe von dem Mitverurteilten C. initiiert worden (U.A. S. 14). Von den drei Verurteilten hatte der Antragsteller ein umfassendes Geständnis abgelegt. Die Zeit der Untersuchungshaft hatte als erste Freiheitsentziehung alle drei Verurteilten beeindruckt und war besonders für den Antragsteller, der für eine Familie zu sorgen hat, sehr einschneidend (U.A. S. 33). Hinsichtlich des Nachtatverhaltens war dem Antrag- steller vor allem vom erkennenden Gericht zugute gehalten worden, daß er aufrichtige Reue gezeigt und sich bindend zur Zuwendung erheblicher Schmerzensgeldbeträge an die Opfer verpflichtet hatte, indem er zu deren Gunsten auf die Rückzahlung der Kaution in Höhe von 10.000 DM verzichtet hatte. Dieses ernsthafte Bemühen um einen Täter- Opfer-Ausgleich hatte schließlich für die Strafkammer den Ausschlag gegeben, hinsichtlich des ausgeurteilten erpresserischen Menschenraubs nur von einem minderschweren Fall auszugehen (U.A. S. 35) und eine insgesamt milde Freiheitsstrafe zu verhängen. Schließlich hat die Strafkammer die Hoffnung ausgesprochen, daß angesichts des vorangegangenen einwandfreien Lebens des Angeklagten und seiner familiären Verpflichtungen eine Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland unterbleibe und dem Verurteilten und seiner Familie die Chance eingeräumt werde, nach Teilverbüßung der Strafe weiter im Inland zu leben.

All diese Erwägungen deuten darauf hin, daß es sich bei dem Tatgeschehen um eine einmalige Verfehlung des Verurteilten handelte und daß bei diesem, der seit seiner Haftentlassung am 15. Oktober 1998 weiterhin ein arbeitsames und sozial integriertes Leben führt, weder eine Wiederholungs- noch Fluchtgefahr besteht und auch hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß er den besonderen Anforderungen des offenen Vollzugs genügt.

Soweit die Staatsanwaltschaft in dem Beschwerdebescheid Zweifel an der Eignung des Verurteilten für den offenen Vollzug daraus ableitet, daß dieser sich bislang nicht zum Strafvollzug gestellt habe, kann dem nicht gefolgt werden, da der anwaltlich vertretene Antragsteller nach Auffassung des Senats bisher davon ausgehen durfte, daß bis zur Ausschöpfung seiner sämtlichen Rechtsbehelfe seitens der Vollstreckungsbehörde die Ladung zum Strafantritt in den geschlossenen Vollzug stillschweigend zurückgestellt worden sei.

Nach allem erweisen sich die angegriffenen Bescheide der Vollstreckungsbehörde wegen Ermessensfehlgebrauchs als rechtswidrig, weil wesentliche Gesichtspunkte, die bei der gebotenen Gesamtabwägung zu berücksichtigen wären, außer acht gelassen wur- den (vgl. Schuler, aaO, § 115 Rn. 20). Sie waren deshalb ebenso wie die ergangenen Ladungsverfügungen aufzuheben (§ 28 Abs. 1 EGGVG).

Gleichzeitig war die Vollstreckungsbehörde zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden (§ 28 Abs. 2 S. 2 EGGVG).

Die Anordnung einer Zurückstellung der Ladung zum Strafantritt - wie es der Ministererlaß vom 19. Juni 200 vorsieht und wie es wegen der Verpflichtung zur unverzüglichen Strafvollstreckung (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 449 Rd. 2; § 2 Abs. 1 StVollzGO) durch einen förmlichen Ausspruch geboten sein kanndurch den Senat wäre nur möglich, wenn im Falle des Antragstellers hinsichtlich der von der Vollstreckungsbehörde vorzunehmenden vorläufigen Eignungsprüfung nur diese Entscheidung rechtlich vertretbar, also der Beurteilungsspielraum entsprechend eingeengt ( auf Null reduziert") wäre (vgl. Senatsbeschl. v. 26.2.2001 ­ 3 Ws 1315/00 (StVollz) -). Eine solche Reduzierung der Entscheidungsprärogative ist jedoch zu verneinen.

Der weitergehende Antrag des Antragstellers, die Ladung in den offenen Vollzug anzuordnen, konnte nach den vorstehenden Ausführungen keinen Erfolg haben, weil es dafür an der notwendigen Prüfung und Entscheidung durch die zuständige Vollzugsbehörde fehlt.

Die Entscheidung ergeht gem. §§ 30 Abs. 1 EGGVG, 130 KostO gerichtsgebührenfrei. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des teilweise erfolgreiche Antragstellers durch die Staatskasse kam nicht in Betracht, da die Belastung der Staatskasse nach § 30 Abs. 2 EGGVG die Ausnahme bleibt.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 30 Abs. 2 EGGVG, 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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