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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.10.2004
Aktenzeichen: 3 VAs 34/04
Rechtsgebiete: EGGVG


Vorschriften:

EGGVG § 23
1. Die Versendung von Fragebögen an Zeugen zur Sachverhaltsaufklärung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens stellen keine Maßnahme i.S. des § 23 EGGVG dar.

2. Gleiches gilt für bloße Äußerungen, die Polizeibeamte im Zusammenhang mit laufenden Ermittlungsverfahren oder anlässlich derer in persönlichen Gesprächen gegenüber Dritten, namentlich Zeugen, abgeben.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

3 VAs 34/04

Entscheidung vom 11.10.2004

In der Justizverwaltungssache

wegen Verwendung von Fragebögen in Ermittlungsverfahren u. a.,

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf den Antrag beider Antragsteller vom 3.5.2004 auf gerichtliche Entscheidung am 11.10.2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird auf Kosten der Antragsteller als unzulässig verworfen. Die Gewährung von Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt. Der Gegenstandswert wird auf 300,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die Antragsteller wenden sich gegen die Verwendung von Fragebögen bei der schriftlichen Anhörung von möglichen Geschädigten als Zeugen in von der Staatsanwaltschaft Darmstadt gegen sie wegen Betruges geführten Ermittlungsverfahren. Die Formulierung suggeriere, sie seien "tatsächliche Betrüger", verstoße damit gegen die Unschuldsvermutung in Verbindung mit Artikel 1 GG, kriminalisiere und diskriminiere sie und störe die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Auch seien sie von den jeweiligen Ermittlungsbeamten in "persönlichen" Telefongesprächen als "amtsbekannte Betrüger" bezeichnet worden. Sie begehren die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verwendung der Fragebögen sowie die Untersagung von deren weiterer Verwendung und dessen, sie "als Betrüger zu titulieren, als solche gegenüber Dritten zu verdächtigen bzw. darzustellen". Ferner wird Ersatz des infolge der Störung von Geschäftsbeziehungen durch das ruf- und geschäftsschädigende Vorgehen der Ermittlungsbehörden verursachten Umsatz- und Gewinnausfalls und Schmerzensgeld gemäß § 839 BGB geltend gemacht. Die als "Klage" bezeichnete Antragsschrift vom 3.5.2004 war beim Verwaltungsgericht Darmstadt erhoben worden. Dieses erklärte mit Beschluß vom 12.7.2004 den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Der Antrag bleibt indessen auch hier ohne Erfolg. Er ist unzulässig. Der Rechtsweg gemäß den §§ 23 ff. EGGVG ist für das Begehren der Antragsteller nicht eröffnet. Die beanstandete Verwendung der Fragebögen bei der schriftlichen Anhörung von etwaigen Geschädigten als Zeugen stellt sich nicht als Justizverwaltungsakt dar, sondern als Prozeßhandlung, d. h. eine auf Einleitung, Durchführung und Gestaltung eines Strafverfahrens gerichtete Betätigung eines Strafverfolgungsorgans. Zum Strafverfahren gehört auch der der Vorbereitung der öffentlichen Klage dienende Verfahrensabschnitt des von der Polizei und/oder der Staatsanwaltschaft zu führenden Ermittlungsverfahrens. Solche Prozeßhandlungen sind dem Rechtsweg nach den §§ 23 ff. EGGVG zum Oberlandesgericht nicht unterworfen. Dieser dient lediglich der Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandlungen der Justizverwaltung. Maßnahmen, die auf die Ermittlung, Aufklärung und Ahndung von Straftaten gerichtet sind, "verwalten" nicht. Sie gehören funktionell zur Rechtspflege, nicht zur Verwaltung (so OLG Karlsruhe, NJW 1967, 1417/1418; herrschende Meinung vgl. z. B. Meyer-Goßner, EGGVG, § 23 Rdnr. 9 m. N.; KK-Schoreit, EGGVG, § 23 Rdnr. 31 m. N.). Die rechtlichen Möglichkeiten, sich gegen solche Maßnahmen zu wehren oder deren Überprüfung zu erreichen, sind in der Verfahrensregelung der StPO abschließend enthalten. Die die Abschlußentscheidung vorbereitenden Maßnahmen wie z. B. die Anhörung von Zeugen werden im Verlauf des weiteren Verfahrens bestätigt oder nicht; sie können aber nicht zum Gegenstand von Nebenverfahren gemacht werden (vgl. z. B. KK-Schoreit, a. a. O. § 23 Rdnr. 31), sondern sind grundsätzlich unanfechtbar (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O. § 23 Rdnr. 9). Ob davon Ausnahmen zuzulassen sind und welcher Rechtsweg insoweit eröffnet wäre - der gemäß den §§ 23 ff. EGGVG oder der in entsprechender Anwendung des § 98 Abs. 2 S. 2 StPO zu dem sachnäheren Ermittlungs- oder Tatrichter - wenn es sich um tiefgreifende Eingriffe in Grundrechte handelt, kann hier dahinstehen. Zwar mag den konkret beanstandeten Formulierungen in den Fragebögen ("wären Sie in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Firma X ebenfalls in Geschäftsverbindung zu ihr getreten?" - "im Hinblick auf zu erwartende strafprozessuale Maßnahmen besteht Eilbedürftigkeit") eine - bei der letztendlich vorzunehmenden Beweiswürdigung zu berücksichtigende - gewisse Suggestivwirkung nicht abzusprechen sein und mögen sie eine - allerdings kaum messbare - Intensivierung der mit der Anhörung/Vernehmung von zahlreichen möglicherweise geschädigten Geschäftspartnern als Zeugen in Ermittlungsverfahren wegen Betruges notwendig einhergehenden nachteiligen Auswirkung auf die geschäftlichen Beziehungen zu ihnen zur Folge gehabt haben. Sie stellen sich indessen weder als rechtswidrig, noch erst Recht nicht als schwerwiegende Grundrechtsverletzungen dar, die eine ausnahmsweise Anfechtung gemäß den §§ 23 ff. EGGVG zulassen könnten. Diese kommt auch nicht in Betracht, soweit weiter die Untersagung der "Titulierung" der Antragssteller als Betrüger begehrt wird. Bloße Äußerungen von Polizeibeamten im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren oder anlässlich derer in "persönlichen Gesprächen" gegenüber Dritten sind keine "Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten" wie § 23 EGGVG es voraussetzt, nämlich ein behördliches Vorgehen in Form einer Anordnung, Verfügung oder in sonstiger Weise, das der Regelung einer Einzelangelegenheit dient (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O. § 23 EGGVG Rdnr. 6). Ansprüche auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen können unter Umständen vor dem Zivilgericht eingeklagt werden (vgl. Palandt, BGB, Einführung vor § 823 Rdnr. 27). Das gilt ebenso für die gemäß § 839 BGB wegen der geschäftsschädigenden Auswirkung des Vorgehens der Strafverfolgungsorgane geltend gemachten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche. Für Amtshaftungsklagen ist das Landgericht zuständig. Eine förmliche Verweisung der Sache gemäß § 17 a Abs. 2 GVG kommt nicht in Betracht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats betrifft die Vorschrift nur eine Verweisung an ein Gericht eines anderen Rechtsweges, nicht aber die hier in Rede stehende Verweisung innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit (vgl. z. B. Senatsbeschluß vom 18.9.1996 - NStZ-RR 1996, 366; Senatsbeschluß vom 18.12.2003 - 3 VAs 4/03). Eine formlose Abgabe an das Landgericht erschien vorliegend nicht sachdienlich.

Die weiter beantragte Gewährung von Prozeßkostenhilfe einschließlich der Beiordnung eines Rechtsanwalts war mangels Erfolgsaussicht des Antrages abzulehnen (§§ 29 Abs. 3 EGGVG, 114, 121 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 30 Abs. 1 EGGVG in Verbindung mit § 130 Abs. 1 KostO. Die Gegenstandswertfestsetzung basiert auf § 30 Abs. 3 EGGVG in Verbindung mit § 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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