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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: 3 W 20/07
Rechtsgebiete: ArbGG, GVG
Vorschriften:
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 2 | |
GVG § 13 | |
GVG § 17 a Abs. 2 | |
GVG § 17 a Abs. 3 S. 2 |
2. Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs kann entgegen dem Grundsatz des § 17 a V GVG auch noch im Beschwerdeverfahren überprüft werden, wenn in der Beschlussphase eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes bis zur erstinstanzlichen Entscheidung der Antragsgegner nicht beteiligt war, da er unter diesen Umständen in erster Instanz keine Gelegenheit zu einer die Zulässigkeit des Rechtswegs betreffenden Rüge gemäß § 17 a III Satz 2 GVG hatte.
3. Das gilt auch dann, wenn dem erstinstanzlichen Gericht eine Schutzschrift des Antragsgegners vorliegt und das Gericht diese dem Antragsteller zur Kenntnis bringt, solange eine Anhörung des Antraggegners zu dem konkret gestellten Antrag unterbleibt. In diesem Fall stellt die Anhörung des Antragsgegners im Beschwerderechtszug für diesen die erste Gelegenheit dar, die Rüge der Unzulässigkeit des Rechtswegs anzubringen, über die nach § 17 a III Satz 2 GVG durch das Beschwerdegericht zu entscheiden ist.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin, nach eigenen Angaben einer der führenden IT-Dienstleister in der Finanzbranche mit Hauptsitz in Frankfurt am Main, beschäftigt in ihrem Unternehmen mehr als 3.300 Mitarbeiter, die über 300 Sparkassen in Deutschland betreuen. Die Antragsgegnerin zu 1). eine der größten Gewerkschaften in Deutschland hat u.a. einen Fachbereich "Finanzdienstleistungen" gebildet, zu dem auch der Bereich "Sparkassen" gehört. Der Antragsgegner zu 4) ist als "Bundesfachgruppenleiter Sparkassen" für den Fachbereich "Sparkassen" der Antragsgegnerin zu 1) zuständig. Die Antragsgegnerin zu 2) ist ein Landesbezirk der Antragsgegnerin zu 1). Ihr Landesbezirksleiter ist der Antragsgegner zu 3).
Am 12.2.2007 versandten die Antragsgegner zu 3) und 4) an sämtliche über 3000 Mitarbeiter der Antragstellerin gleichlautende E-Mails (Muster s. Anl. AS 4, Bl. 93-96 d.A.), mit denen sie unter dem Betreff "Information 01/07 der Gewerkschaft ver.di zum Vorgehen und Forderungseckpunkte zum Standortkonzept SI" über Aktivitäten der Antragsgegnerin zu 1) informierten; zugleich kündigten sie an, sich auch künftig "intensiv und direkt auf diesem Weg des Mailings" unmittelbar an die Mitarbeiter der Antragstellerin wenden zu wollen. die Adressaten wurden aufgefordert, über eine "Replay-Adresse" Meinungen oder Fragen mitzuteilen. Über einen weiteren Link wurde ihnen auch die Möglichkeit gegeben, sich aus dem Verteiler zu löschen.
Durch anwaltliches Schreiben vom 28.2.2007 (Anl. AS 6, Bl. 122-124 d.A.) forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) auf, derartige - von der Antragstellerin als rechtswidrig bezeichnete - Aktionen in Zukunft zu unterlassen und bis zum 2.3.2007 eine entsprechende strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung zu erklären. Zugleich wandte die Antragstellerin sich durch einen E-Mail-Rundbrief vom 28.2.2007 (Anl. AS 7, Bl. 125 f d.A.) an ihre Mitarbeiter, in dem sie unter Hinweis auf eine Gesamtbetriebsvereinbarung der Antragstellerin mit ihrem Gesamtbetriebsrat vom 23.11.2006 (Anl. AS 5: 97-121) erklärte, die Antragsgegnerin zu 1) habe die E-Mail-Adressen bzw. eine Mitarbeiterliste ohne ihr Wissen und Einverständnis erlangt und die Antragstellerin werde derartige Eingriffe in ihr Netzwerk wie die fragliche Mailing-Aktion nicht tolerieren. Die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) haben die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben.
Die Antragstellerin hat vorgetragen, es handele sich bei der Mailing-Aktion um einen rechtswidrigen Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht sowie in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Antragsgegner seien insbesondere nicht berechtigt, die ohne Wissen und Wollen der Antragstellerin und damit rechtswidrig erlangten E-Mail-Adressen ihrer Mitarbeiter und ihr Netzwerk (Intranet) zu nutzen. Der Eingriff sei nicht durch die Ausübung ihrer gewerkschaftlichen Rechte, nach Art. 9 Abs. 3 GG (Koalitionsfreiheit), gerechtfertigt. Den Antragsgegnern sei deshalb durch die beantragte einstweilige Verfügung aufzugeben, die unangekündigte oder ohne Einverständnis der Antragstellerin erfolgende Übersendung von E-Mails an die dienstlichen E-Mail-Adressen ihren Mitarbeiter und eine Weitergabe dieser E-Mail-Adressen an Dritte zu unterlassen.
Die Antragsgegnerin zu 1) hat in einer bei dem LG Frankfurt am Main hinterlegten Schutzschrift vom 2.3.2007 (Bl. 128-133 d.A.) beantragt, einem eventuellen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht stattzugeben, da sie lediglich ihre Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG wahrgenommen habe und weiter wahrzunehmen gedenke. Vorsorglich wies sie auch darauf hin, die Angelegenheit falle nach § 2 Abs. 1 Nr.2 ArbGG in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte.
Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss vom 7.3.2007 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten bejaht, weil ein bürgerlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB geltend gemacht werde. Auf die Streitfrage, ob die Antragsgegner sich gegenüber diesem Anspruch auf Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG berufen könnten, komme es für die Frage des Rechtswegs nicht an. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin durch den denkbaren Eindruck in der Belegschaft, sie kümmere sich als Arbeitgeberin nicht um eine vertrauliche Behandlung der personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer, sei bereits zweifelhaft; jedenfalls aber fehle insofern ein Verfügungsgrund, weil sie einem solchen Eindruck bereits selbst durch ihren E-Mail-Rundbrief an alle Mitarbeiter vom 28.2.2007 entgegengewirkt habe. Hinsichtlich des den Antragsgegnern vorgeworfenen Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder einer Verletzung von Eigentumsrechten der Antragstellerin sei der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter Abwägung mit den Rechten der Antragsgegner aus Art. 9 Abs. 3 GG nicht glaubhaft gemacht, da das Ausmaß der Eigentumsbeeinträchtigung unter Berücksichtigung der für die Mitarbeiter der Antragstellerin nach der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 23.11.2006 bezüglich der Benutzung des internen Netzwerks geltenden Regeln geringfügig sei.
Die Antragstellerin rügt mit der sofortigen Beschwerde, das Landgericht habe verkannt, dass eine Verletzung ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts bereits durch die rechtswidrige Erlangung und Verwendung der E-Mail-Adressen aller ihrer Mitarbeiter eingetreten sei; diese sei auch nicht durch den Versuch der Antragstellerin, den Schaden mittels ihres E-Mail-Rundbriefs vom 28.2.2007 intern gering zu halten, beseitigt worden. Der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und das Eigentum der Antragstellerin sei entgegen der Ansicht des Landgerichts keineswegs geringfügig, denn die Versendung von mehr als 3.300 E-Mails an ihren elektronischen Briefkasten übersteige das Maß einer bloßen sozial adäquaten Belästigung bei Weitem. Einer Rechtfertigung des Eingriffs in ihre Rechte durch Rechte der Antragsgegner aus Art. 9 Abs. 3 GG widerspricht die Antragstellerin. Sie meint, die unaufgeforderte, unangekündigte und zur Werbung oder einfachen Unterrichtung der Arbeitnehmer genutzte Versendung von Massen-E-Mails sei nicht vom Schutzzweck des Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
Nach Anhörung durch den Senat rügen die Antragsgegner die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten, weil der Streit die Frage betreffe, ob die von der Antragstellerin beanstandete Information ihrer Beschäftigten im Rahmen rechtmäßiger gewerkschaftlicher Betätigung erfolgt sei. In der Sache tragen sie vor, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt nach Hinweis des Senats darauf, dass die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten zu verneinen sei, die Verweisung der Sache an das zuständige Arbeitsgericht Frankfurt am Main.
II.
Auf die statthafte und zulässige sofortige Beschwerde (§§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO) ist festzustellen, dass der beschrittene Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit unzulässig ist, und das Verfahren auf Antrag der Antragstellerin an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs der Gerichtsbarkeit in Arbeitssachen zu verweisen ist (§ 17a Abs. 2 GVG).
1. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht eröffnet. Zwar geht das Landgericht wegen der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen, die auf die Regelungen der §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB gestützt werden, zunächst zu Recht vom Vorliegen einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit i.S. von § 13 GVG aus. Es hat jedoch verkannt, dass vorliegend nach § 2 I Nr.2 ArbGG die nach § 13 GVG vorrangige Zuständigkeit der Gerichte in Arbeitssachen begründet ist.
§ 2 I Nr.2 ArbGG begründet die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für "bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfes oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt".
Um eine Frage der Vereinigungsfreiheit oder des Betätigungsrechtes einer Koalition i.S. dieser Bestimmung handelt es sich u.a., wenn streitig ist, ob sich eine Koalition in bestimmter, von ihr in Anspruch genommener Weise als Koalition betätigen darf, insbesondere betrifft der Streit das Betätigungsrecht, wenn er - wie vorliegend - darum geführt wird, wie die Befugnisse der Gewerkschaften zur Werbung und Betreuung von Mitgliedern im Betrieb gegenüber den Rechten des Unternehmers aus seinem Eigentum und dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb abzugrenzen sind (vgl. BAGE 30, 122 = NJW 1999, 1844 = AP GG Art. 9 Nr. 26; BAG AP GG Art. 9 Nr. 29; BAG NJW 1982 = AP GG Art. 9 Nr. 35; BAG DB 1984, 462 = AP GG Art. 9 Nr. 38; Matthes in Germelmann/ Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, § 2 Rn. 45 m.w.N.).
2. Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs kann entgegen dem Grundsatz des § 17a Abs. 5 GVG vorliegend auch noch im Beschwerdeverfahren überprüft werden.
a) Allerdings gilt die Vorschrift grundsätzlich auch für Beschwerden im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, § 17a GVG, Rn. 18).
b) Eine Ausnahme vom Grundsatz des § 17a Abs. 5 GVG macht die Rechtsprechung allerdings dann, wenn das erstinstanzliche Gericht es entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG versäumt hat, vorab über eine die Zulässigkeit des Rechtswegs betreffende Rüge zu entscheiden und damit die Möglichkeit der Beschwerde nach § 17a IV 3 GVG zu eröffnen (vgl. BGHZ 119, 246 [250] = NJW 1993, 470; BGHZ 121, 367 = NJW 1993, 1799; BGH NJW-RR 2005, 142; s. auch Zöller-Gummer aaO. § 17a GVG, Rn. 17, 18).
Von einem solchen Fall ist hier allerdings nicht auszugehen, weil die Antragsgegner am Vorverfahren gar nicht formell beteiligt waren. Zwar hat das Landgericht die vorsorglich eingereichte Schutzschrift der Antragsgegnerin zu 1) zur Kenntnis genommen und sie sogar dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zur Kenntnis gebracht; hiervon abgesehen hat es die Antragsgegner aber nicht zum konkreten Verfahren angehört und ihnen somit auch keine Gelegenheit zu einer über die den einzuschlagenden Rechtsweg betreffenden Ausführungen in der Schutzschrift hinausgehende Rüge gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG gegeben. Insofern war es konsequent, von einer Vorabentscheidung nach dieser Vorschrift abzusehen.
c) In der Beschlussphase eines Eilverfahrens stellt in einem solchen Fall die Anhörung des Antragsgegners im Beschwerderechtszug für diesen die erste Gelegenheit dar, die Rüge der Unzulässigkeit des Rechtswegs anzubringen, über die in dieser Konstellation auch noch durch das Beschwerdegericht nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG zu entscheiden ist (ebenso OLG Frankfurt - 6. Zivilsenat - NJW 1997. 2391). Diese Gelegenheit haben die Antragsgegner genutzt, weshalb die Verweisung antragsgemäß erfolgen kann.
Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main geht der Senat ohne eigene Prüfung von den Angaben der Antragstellerin aus.
Ende der Entscheidung
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