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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 15.08.2001
Aktenzeichen: 3 WF 153/01
Rechtsgebiete: MSA


Vorschriften:

MSA § 1
MSA § 9
MSA § 13
Verneinung der internationalen Zuständigkeit gemäß 9 MSA, wenn die Behörde am gewöhnlichen Aufenthalt ohne ernsthafte Gefährdung des Minderjährigen rechtzeitig von ihrer Regelzuständigkeit nach Art. 1 MSA Gebrauch machen kann. Der Umstand, daß das Kind, das in Frankreich bei seiner Mutter wohnt, den Kindesvater jeden Sommer für acht Wochen "besucht", begründet keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Als gewöhnlicher Aufenthalt ist der Ort des tatsächlichen Mittelpunktes der Lebensführung des Minderjährigen, des Schwerpunktes seiner sozialen Bindungen, insbesondere in familiärer und schulischer Hinsicht zu verstehen, mithin der "Daseinsmittelpunkt"
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

3 WF 153/01

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragstellers vom 10. August 2001 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - am 15.08.2001 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Beschwerdewert: 2.000,- DM

Gründe:

Der Antragsteller begehrt, ihm einstweilig das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinschaftliche Kind der Parteien zu übertragen. Die Parteien sind nicht miteinander verheiratet. Der Antragsteller hat die deutsche, die Antragsgegnerin die französische Staatsangehörigkeit.

Der Antragsteller hat vorgetragen, dass das betroffene Kind lediglich die französische Staatsangehörigkeit habe.

Der jedes Jahr acht Wochen seiner Sommerferien bei dem Antragsteller verbringt, ist in diesem Jahr seit dem 23. Juni 2001 zu Besuch bei dem Antragsteller.

Der Antragsteller hat vorgetragen, dass Kind lehne es ab, wieder zu seiner Mutter zurückzukehren, da diese ihn körperlich und psychisch misshandele und bedroht habe.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Antragschrift sowie die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat den Antrag des Kindesvaters, ihm 'einstweilig' des Aufenthaltsbestimmungsrecht für das minderjährige Kind zu übertragen, zurückgewiesen, da das angerufene Gericht international nicht zuständig sei. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vaters ist gem. §§ 19, 57 S. 1 Ziff. 8 FGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Für die internationale Zuständigkeit sind vorliegend Art. 1 ff. des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 05.10.1961 (MSA) heranzuziehen (Art. 13 MSA), da der Minderjährige seinen Aufenthalt in Frankreich, also einem Vertragsstaat hat (Palandt/Heldrich, Kommentar zum BGB, 60. Auflage, Anhang zu Art. 24 EGBGB zu Randziffer 1). § 35 b FGG, der ansonsten die maßgebliche Vorschrift wäre, ist insoweit verdrängt. Gem. Art. 1 MSA sind die Gerichte des Staates, in dem ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständig, Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens des Minderjährigen zu treffen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat Anthony Diego, der in Frankreich bei seiner Mutter wohnt und sich seit 23. Juni 2001 bei seinem Vater in Deutschland befindet, in Deutschland keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Der Umstand, dass das Kind jeden Sommer den Antragsteller für acht Wochen 'besucht', begründet keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Als gewöhnlicher Aufenthalt ist der Ort des tatsächlichen Mittelpunktes der Lebensführung des Minderjährigen, des Schwerpunktes seiner sozialen Bindungen, insbesondere in familiärer und schulischer Hinsicht zu verstehen, mithin der 'Daseinsmittelpunkt' (Palandt, a. a. O. Randnummer 10).

Unerheblich ist im Ergebnis, ob das betroffene Kind auch die deutsche Staatsangehörigkeit hat, was ein Eingreifen der deutschen Gerichte nach Art. 4 MSA ermöglichen könnte. Die weiteren Voraussetzungen des Art. 4 MSA liegen nämlich nicht vor. Art. 4 S. 1 MSA setzt nämlich voraus, das eine Verständigung der Behörden des Aufenthaltsstaates vorab erfolgt.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auch nicht nach Art. 9 MSA gegeben. Die Vorschrift begründet die internationale Zuständigkeit der Behörden im Staat eines auch nur vorübergehenden einfachen Aufenthaltes des Minderjährigen für die in dringenden Fällen notwendigen Schutzmaßnahmen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, falls die Behörde am gewöhnlichen Aufenthalt ohne ernsthafte Gefährdung des Minderjährigen rechtzeitig von ihrer Regelzuständigkeit nach Art. 1 MSA Gebrauch machen kann. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die international zuständigen französischen Behörden/ Gerichte nicht angerufen werden könnten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 131 Abs. 3 KostO, 13 a FGG.

Der Beschwerdewert bemisst sich nach §§ 94 Abs. 2 i. V. m. 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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