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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.09.2004
Aktenzeichen: 3 Ws 1028/04
Rechtsgebiete: StPO, StrEG
Vorschriften:
StPO § 231 I 2 | |
StrEG § 2 I |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS
Entscheidung vom 30.09.2004
In der Strafsache
wegen Verdacht des Betruges pp, hier: Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen,
hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des früheren Angeklagten gegen den Beschluss der Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.7.2004 am 30. September 2004 beschlossen:
Tenor:
Auf das Rechtsmittel wird der angefochtene Beschluss abgeändert und festgestellt, dass der frühere Angeklagte auch für die Zeit seiner Inverwahrnahme vom 21.1. bis 23.1.2003 aus der Staatskasse zu entschädigen ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels fallen dem früheren Angeklagten zur Last. Jedoch wird die Gebühr um 1/2 ermäßigt. Von insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten haben die Staatskasse und der frühere Angeklagte jeweils die Hälfte zur tragen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Kammer nach erfolgtem Freispruch aus tatsächlichen Gründen festgestellt, dass der (frühere) Angeklagte für die Dauer der Untersuchungshaft vom 17.7.2002 bis 2.8.2002 aus der Staatskasse zu entschädigen ist. Für die Zeit seiner vorläufigen Festnahme (§ 127 II StPO) vom 18.6.1999 bis zur Entlassung durch den Haftrichter am 19.6.1999 wurde die Entschädigung ebenso versagt wie für die Zeit seiner Inverwahrnahme (§ 231 StPO) in der Zeit vom 21.1. bis 23.1.2003. Die gegen die Versagungsentscheidung gerichtete sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten hat teilweise - wie aus dem Tenor ersichtlich - Erfolg.
Für die Zeit seiner Inverwahrnahme stand dem Angeklagten die Entschädigung zu. Es handelt sich entgegen der Ansicht der Kammer und der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht um eine Maßnahme nach § 2 I StrEG. Der Begriff der Untersuchungshaft umfasst auch die Haft zum Zwecke der Sicherstellung der notwendigen Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung nach § 230 II, 236, 329 IV StPO (vgl. KG Beschl. v. 3.7.2000 - 4 Ws 123/00 -JURIS; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., vor § 112 Rn 6; § 2 StrEG; Gollwitzer, in: Löwe/Rosenberg § 230 Rn 35; Meyer, StrEG, 5. Aufl. § 2 Rn 38). Auch die Maßnahme des § 231 StPO dient ausschließlich der Sicherung der Hauptverhandlung (vgl. Gollwitzer § 231 Rn 8). Sie kommt - unbeschadet ihrer rechtlichen Einordnung ("äußere Verfahrensleitung", "sitzungspolizeiliche Maßnahme") dann, wenn - wie hier - die Frist des § 128 I 1 StPO überschritten wird, der Verhaftung nach § 230 II StPO gleich (vgl. Senat, Beschl. v. 12.5.2003 - 3 Ws 498/03) und ist wie diese als Unterfall der entschädigungspflichtigen Untersuchungshaft anzusehen. Der Senat hat mit Beschluss vom 12.5.2003 - 3 Ws 498/03 festgestellt, das die Maßnahme offensichtlich rechtswidrig war. Dieser Auffassung hat sich der Bundesgerichthof im Beschluss vom 14.1.2004 - 2 StR 315/03 angeschlossen. Für Ausschluss- und Versagungsgründe der §§ 5 und 6 StrEG ist somit kein Raum mehr (vgl. KG Beschl. v. 3.7.2000 - 4 Ws 123/00 -JURIS).
Die Entschädigung der vorläufigen Festnahme ist hingegen nach § 5 II StrEG ausgeschlossen, weil der frühere Angeklagte seine vorläufige Festnahme grob fahrlässig herbeigeführt hat.
Der Versagungsgrund setzt - im Unterschied zu § 6 I Nr. 1 StrEG - entgegen der Ansicht der Verteidigung nicht unrichtige Angaben gerade gegenüber den Ermittlungsbehörden voraus. Vielmehr reicht jedes Verhalten aus, das nicht den Mindestanforderungen entspricht , welche die Rechtgemeinschaft auch von dem zu Unrecht einer Straftat Verdächtigten verlangen kann und das - bei objektiver Betrachtungsweise und unter Zugrundelegung des Sachverhaltes, wie er sich den Strafverfolgungsbehörden zu damaligen Zeitpunkt darstellte (vgl. Senat, Beschl. v. 23.8.2000 mwN -st. Rspr. und h.M. vgl. Meyer-Goßner, § 5 StrEG Rn 10) - die Festnahme als zulässig erscheinen lässt (vgl. Meyer, § 5 Rn 35). Von daher kann auch an das verdachtsbegründende Verhalten selbst angeknüpft werden (vgl. Senat, Beschl. v. 14.12.2001 - 3 Ws 605/01) und ist die prozessuale Rolle des Beschuldigten zur Zeit des ursächlichen Verhaltens unmaßgeblich und zwar auch dann, wenn er sich als nach der Mitteilung, dass gegen ihn ermittelt wird, korrekt verhält, namentlich -wie hier - von seinem Schweigerecht Gebrauch macht (vgl. Meyer, § 5 Rn 35 mwN).
Vorliegend hat der frühere Angeklagte sich nicht nur am Tattage bis 14 Uhr ohne jeden dienstlichen Grund acht Mal in das X...- System eingeloggt, sondern dieses Verhalten um 21.30 Uhr wiederholt und am 11.6.1999 - als in den zuständigen Abteilungen allgemein und auch dem früheren Angeklagten bekannt war, dass nach dem Täter der betrügerischen Auslandsüberweisungen gesucht wurde - gegenüber den mit den internen Ermittlungen betrauten Mitarbeitern seiner Firma auf Vorhalt dieses - auch für den früheren Angeklagten ohne weiteres erkennbar eindeutig auf eine Überprüfung, ob die betrügerischen Überweisungen erfolgt waren, hindeutende - Verhalten nicht plausibel erklärt. Diese Verhaltensweise stand so außerhalb der Anforderung, die an das korrekte Verhalten eines Angestellten, dem an einer Mitarbeit an der Aufklärung des betrügerischen Geschehens gelegen war, dass sich auch dem früheren Angeklagten aufdrängen musste, dass er gegenüber der Geschäftsleitung und damit auch gegenüber der von diesen informierten Ermittlungsbehörden hiermit den - vom Festnehmenden sodann vertretbar als dringend gewerteten - Verdacht auf sich lenkte. Mithin war schon deswegen seine vorläufige Festnahme durch den Angeklagten grob fahrlässig mitverursacht. Dass sich die Beweislage zum Zeitpunkt der zum Freispruch führenden Hauptverhandlung dem erkennenden Gericht anders darstellte, ist demgegenüber ohne Relevanz.
Die Kosten und Auslagenentschädigung erfolgt aus § 473 IV StPO.
Ende der Entscheidung
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