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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 01.03.2007
Aktenzeichen: 3 Ws 1051/06 (StVollz)
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 7
StVollzG § 11
StVollzG § 13
StVollzG § 159
1. Ein Verstoß gegen § 159 StVollzG (hier: Nichtteilnahme eines "an der Behandlung maßgeblich Beteiligten" an der Konferenz) bei der Aufstellung des Vollzugsplans führt grundsätzlich auch zur Rechtswidrigkeit der in ihm enthaltenen Einzelmaßnahmen (hier: Verneinung der Eignung für Lockerungen) führt und zwingt zu deren Aufhebung.

2. "Maßgeblich an der Behandlung beteiligt" i. S. des § 159 StVollzG sind alle im Vollzug tätigen Bediensteten, die genaue persönliche Kenntnisse, welche für die und namentliche für die Lockerungsplanung von Relevanz sind, über den Gefangenen haben. Hierzu gehört auch dessen Einzeltherapeut.

3. Eine nur schriftliche Unterrichtung der übrigen Konferenzteilnehmer durch den Einzeltherapeuten über das Ergebnis der Behandlung erfüllt die Anforderungen des § 159 StVollzG nicht.

4. Die Vertretung eines "an der Behandlung maßgeblichen Beteiligten" setzt voraus, dass der Vertreter über eine vergleichbare Qualifikation und den Kenntnisstand des Vertretenen, soweit dieser für die Vollzugsplanung von Relevanz ist, verfügt.


Gründe:

Der Gefangene verbüßt mehrere Freiheitsstrafen im Wege der Anschlussvollstreckung, darunter eine Restfreiheitsstrafe aus ursprünglich 5 Jahren und eine Freiheitsstrafe von 11 Jahren. Der gemeinsame Zwei-Drittel-Zeitpunkt ist auf den 15.4.2008, das Strafende ist auf den 4.12.2013 notiert.

Am 7.6.2006 führte die Vollzugsbehörde eine Vollzugsplankonferenz durch, an der u.a. die Psychologin A, ein Mitglied des psychologischen Dienstes der Anstalt, nicht aber der Psychotherapeut B teilnahm, in dessen einzeltherapeutischer Behandlung sich der Gefangene seit einem Jahr befand. In Nrn. 11 und 12 der Vollzugsplanfortschreibung vom selben Tage wurde die Eignung des Gefangenen für Lockerungen, namentlich für Urlaub aus der Haft verneint, was unter Nr. 14 Nr. begründet wurde. Hiergegen wendete sich der Gefangene mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Nr. 11, 12 und 14 der Vollzugsplanfortschreibung aufgehoben und die Antragsgegnerin zur Neubescheidung (ergänze: über die Eignung des Gefangenen für Vollzuglockerungen) unter Beachtung ihrer Rechtsauffassung verpflichtet. Der Einzeltherapeut B habe an der Vollzugsplankonferenz teilnehmen müssen. Ferner sei das Bestehen von Missbrauchsgefahr (worauf die Versagung von Lockerungen unter Nr. 14 des Plans gestützt worden war) nicht zureichend begründet worden.

Dagegen wendet sich der Leiter der Vollzugsanstalt mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und in gleicher Weise begründeten Rechtsbeschwerde. Das Rechtsmittel erfüllt auch die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 StVollzG, weil die Nachprüfung der Entscheidung zur Rechtsfortbildung geboten erscheint.

Die Kammer hat zu Recht ausgeführt, dass die Begründung der Anstalt für die Versagung von Vollzugslockerungen nicht trägt.

Zwar muss der Vollzugsplan eine Begründung nur in Grundzügen liefern (Vgl. OLG Hamm, ZfStrVo 1979, 63; OLG Nürnberg, ZfStrVo 1982, 308, Senat, Beschl. v. 26.11.2004 - 3 Ws 116/04 (StVollz)). Im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer muss die Vollzugsbehörde dann aber eine ihre Begründungspflicht genügende und gerichtlich nachprüfbare Begründung nachliefern (Senat aaO und Beschl. v. 18.3.1997 - 3 Ws 133/97 (StVollz)). Hieran fehlt es, weil die Vollzugsbehörde in Nr. 14 des Vollzugsplans und im Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer (hier wird lediglich Nr. 7 des Vollzugsplans - die Begründung für die Fortdauer der Therapie - wiederholt) nur auf die fortbestehende Behandlungsbedürftigkeit des Gefangenen in der begonnenen Einzeltherapie abgestellt hat. Diese weitere Behandlungsbedürftigkeit lässt - worauf die Kammer zutreffend hingewiesen hat - allein nicht den Schluss zu, dass der Verurteilte gerade die Gewährung von Lockerungen zur Begehung neuer Straftaten missbrauchen werde. Denn andererseits ist im Vollzugsplan ein Teilerfolg im therapeutischen Prozess niedergelegt. Wieso dieser nicht ausreichen soll, die gegenüber den Anforderungen an eine günstige Sozialprognose i.S. des § 57 StGB deutlich geringeren Voraussetzungen für die Lockerungsgewährung zu erfüllen, erschließt sich nicht. Dies gilt um so mehr als nur zusammenfassende Wertungen des Einzeltherapeuten zum Stand der Behandlung, nicht aber die diesen zu Grunde liegenden Tatsachen angeführt werden. Von daher fehlt es auch an einer tragfähigen Begründung dafür, dass die Vollzugsbehörde zwar die Einholung eine Sachverständigengutachtens zur Abklärung des Vorliegens des Hinderungsgrundes des § 11 II StVollzG für erforderlich erachtet, deren Erstattung aber auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt (vgl. hierzu Senat, NStZ-RR 1998, 91, 92; Beschl. v. 7.12.2004 - 3 Ws 1065/04 (StVollz) mwN). In der Rechtsbeschwerdeinstanz kann das Begründungsdefizit nicht mehr behoben werden. Der diesbezügliche Vortrag des Anstaltsleiters ist unbeachtlich.

Hingegen reichen die Feststellungen der Kammer nicht aus, dem Senat die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die Kammer zu Recht die Anstalt verpflichtet hat, die Neubescheidung unter Beachtung ihrer Rechtsauffassung vorzunehmen, der Einzeltherapeut B habe an der Vollzugsplankonferenz beteiligt werden müssen.

Nicht zu beanstanden ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt der Kammer, dass ein Verstoß gegen § 159 StVollzG bei der Aufstellung des Vollzugsplans grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit der in ihm enthaltenen Einzelmaßnahme der Versagung der Gewährung von Vollzugslockerungen führt und zu deren Aufhebung zwingt (vgl. KG, ZfStrVo 1990, 119, 120). Da eine Konferenz im Sinne einer gemeinsamen Beratung der im Protokoll aufgeführten Konferenzteilnehmer nach den Feststellungen stattgefunden hat, liegt ein Verstoß gegen § 159 StVollzG aber nur vor, wenn der Einzeltherapeut B ein "maßgeblich an der Behandlung Beteiligter" i.S. des § 159 StVollzG war. Wer zu diesem Personenkreis gehört, wird mit dieser Formulierung lediglich abstrakt bestimmt; gemeint sind alle im Vollzug Tätigen (vgl. Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Aufl.,§ 159 Rn), die die genaue persönliche Kenntnisse über den betroffenen Gefangenen haben, die für die Vollzugs- namentlich die Lockerungsplanung von Relevanz sind (Feest, in: AK-StVollzG, 5. Aufl., § 159 Rn 2; Schwind/Böhm, StVollzG, 10. Aufl., § 159 Rn 5). Dass hierzu grundsätzlich auch der Einzeltherapeut des Gefangenen zu rechnen ist und dessen Nichtbeteiligung aus therapeutischen Gründen (hier: Gefahr eines Vertrauensverlustes) nur in Betracht kommen kann, wenn diese im konkreten Fall auch zu Tragen kommen, was gerichtlich nachprüfbar zu begründen ist, woran es vorliegend mangelt, hat die Kammer ebenfalls zutreffend erkannt.

Hingegen schließt § 159 StVollzG nach Auffassung des Senats die Vertretung eines "maßgeblich Beteiligten" durch einen anderen nicht notwendig aus. Ob vorliegend die Konferenzteilnehmerin A den Part des Einzeltherapeuten B quasi mit übernehmen durfte, lässt sich mangels ausreichender Feststellungen der Kammer jedoch nicht beurteilen.

Die Durchführung der in § 159 StVollzG vorgeschriebenen Konferenz dient nicht nur der sicheren Information, sondern auch dem Gedankenaustausch und der gemeinsamen Beratung der an der Vollzugsplanung zu Beteiligenden (vgl. RE-StVollzG, BT-Dr 7/918, S.97). Danach ist nicht nur ein mehrstufiger Entscheidungsprozess, an dem die maßgeblichen Dienstkräfte nacheinander beteiligt werden (vgl. KG, NStZ 1995, 360) unzureichend. Vielmehr genügt auch eine nur schriftliche Information der übrigen Konferenzteilnehmer durch einen "maßgeblich an der Behandlung Beteiligten" nicht. Die sich aus den Feststellungen ergebende Erörterung der Stellungnahme des Einzeltherapeuten durch die übrigen Teilnehmer in der Konferenz allein erfüllt deshalb die Anforderungen des § 159 StVollzG nicht.

Der umfassender Gedankenaustausch und die gebotene gemeinsame Beratung der Konferenzteilnehmer kann im Falle der Vertretung eines "maßgeblichen Beteiligten" vielmehr nur gewährleistet werden, wenn der/die Vertreterin diesen quasi ersetzen kann, also auch über dessen Qualifikation und Kenntnisstand über den Gefangenen, soweit dieser für die Vollzugsplanung von Relevanz ist, verfügt. Die Psychologin A besitzt zwar eine ähnliche fachliche Qualifikation wie der Einzeltherapeut. Zu ihrem Kenntnisstand fehlen hingegen die erforderlichen Feststellungen. Ob der Gefangene ihr bekannt war und zwar gerade aus ihrer Tätigkeit im psychologischen Dienst, und ob sie sich über die im Vollzugsplan und der Stellungnahme der Anstalt im Verfahren wiedergegebenen zusammenfassenden und rein wertenden Stellungnahme von Herrn B hinaus auch über die diesen Wertungen zu Grunde liegenden (therapeutischen) Fakten durch Rücksprache mit diesem vergewissert, also so umfassend informiert hat, dass sie diesbezügliche eventuelle Rückfragen der Konferenzteilnehmer hätte beantworten können, ist den nur auf den Vollzugsplan und den Vortrag der Anstalt im Verfahren, die sich hierzu nicht verhalten, Bezug nehmenden Feststellungen der Strafvollstreckungskammer nicht zu entnehmen.

Im Rechtsbeschwerdeverfahren, das keine Tatsacheninstanz ist, können die fehlenden Feststellungen nicht nachgeholt werden. Der angefochtene Beschluss war mithin aufzuheben und die Sache zur Nachholung der Feststellungen und zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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