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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 25.11.2004
Aktenzeichen: 3 Ws 1221/04
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 302 | |
StPO § 305 | |
StPO § 322 II |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS
In der Strafsache
...
wegen Verdacht des Betruges,
hier: Streit um die Zulässigkeit der Berufung,
hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die einfache Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 7. Strafkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 29.9.2004 am 25. November 2004 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird als unzulässig auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe:
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 20.8.2004 wegen "Betruges in 84 Fällen, in einem Falle versucht habend" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft mit Telefax vom 20.8.2004, beim Amtsgericht am gleichen Tage eingegangen, "Rechtsmittel" ein. Mit am 31.8.2004 verfasstem und am 3.9.2004 bei Gericht eingegangenem Fax erklärte die Staatsanwaltschaft, sie "nehme die am 20.8.2004 gegen das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom gleichen Tage eingelegte Berufung zurück". Mit Schriftsatz seines Wahlverteidigers vom 6.9.2004, eingegangen am 7.9.2004 legte der Angeklagte seinerseits Berufung ein und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist. Mit am 10.9.2004 beim Amtsgericht eingegangenen Telefax erklärte daraufhin die Staatsanwaltschaft, sie "fechte im Hinblick auf den Wiedereinsetzungsantrag die hiesige Erklärung vom 31.8.2004, womit die Berufung zurückgenommen wurde, an." Es "liege eine arglistige Täuschung der Staatsanwaltschaft durch die Verteidigung nahe".
Mit Beschluss der Kammer, der die Sache zwischenzeitlich auf Grund der Berufungseinlegungen und des Wiedereinsetzungsbegehrens vorgelegt worden war, vom 29.9.2004 wurde dem Angeklagten die nachgesuchte Wiedereinsetzung gewährt. Ferner heißt es in dem genannten Beschluss: "Im Hinblick auf die wirksame Anfechtung der am 6.9.2004 (gemeint ist 3.9.2004 = Eingang des Faxes) erklärten Berufungsrücknahme seitens der Staatsanwaltschaft ist auch von einer wirksamen Berufung der Staatsanwaltschaft gemäß Schriftsatz vom 20.8.2004 auszugehen". Gegen letztgenannte Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Angeklagten, mit der - wie bereits zuvor - geltend gemacht wird, die Rücknahme der Berufung der Staatsanwaltschaft sei wirksam und als Prozesserklärung nicht anfechtbar. Der Beschwerde hat die Kammer nicht abgeholfen.
Das Rechtsmittel ist nicht zulässig (§ 305 S. 1 StPO).
Bei der angefochtenen Entscheidung handelt es sich um eine solche des erkennenden Berufungsgerichts. Nicht beschwerdefähig i.S. des § 305 S. 1 StPO sind solche Entscheidungen, die in innerem Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen und nur der Urteilsvorbereitung dienen, bei der Urteilsfällung der nochmaligen Überprüfung unterliegen (Senat, NStZ-RR 2003, 177; 2001, 374; Beschl. v. 3. 2. 1993 - 3 Ws 42/93; Gollwitzer, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 305 Rn 1), vom Revisionsgericht unter bestimmten Voraussetzungen überprüft werden können (vgl. BGH, NStZ 1985, 87; Senat, NStZ- RR 2001, 374 Beschl. v. 3. 2. 1993 - 3 Ws 42/93) und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußern (Senat, GA 1973, 51). All dies ist für die vorliegende Entscheidung zu bejahen.
Eine feststellende Klärung der bestrittenen Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts war zwar im vorliegenden Fall, in dem die Kammer nicht von der Wirksamkeit der Rücknahme ausgeht, nicht unbedingt angezeigt. Die Kammer hätte vielmehr ihrer Rechtsansicht auch in einer Terminierung zur Verhandlung über beide Berufungen Ausdruck verleihen können (vgl. LG Schweinfurt, NJW 1965, 1872). Eine förmliche Entscheidung ist hingegen nur geboten, wenn die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung nach Ansicht des Rechtsmittelgerichts zu Unrecht von einem Beteiligten bestritten wurde. Denn nur in diesem Falle bildet diese eine das Rechtsmittelverfahren abschließende Entscheidung (vgl. BGH, NStZ 2001, 104; BGHR StPO § 302 I 1 Rechtsmittelverzicht 8; Senat, NStZ 1988, 328; OLG Schleswig, SchlHA 1997, 171; OLG Karlsruhe, JR 1992, 302; Hanack, in: Löwe/Rosenberg, § 302 Rn 76 mwN). Dennoch war der Kammer eine Klarstellung ihrer Rechtsansicht durch förmliche Entscheidung nicht verwehrt. Als solche steht sie aber im inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung und bereitet diese lediglich vor, da sie zur Berufungshauptverhandlung auch über die Berufung der Staatsanwaltschaft führen soll (vgl. Dahs, NJW 1965, 1872).
Da die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Berufung der Staatsanwaltschaft eine Verfahrensvoraussetzung darstellt, unterliegt die Frage, ob das Rechtsmittel wirksam zurückgenommen wurde, vor einer Urteilsfällung auf Grund dieses Rechtsmittels der nachmaligen Überprüfung durch das (gesamte) Berufungsgericht (vgl. nur Meyer- Goßner, StPO, 47. Aufl., § 327 Rn 1) und ist vom Revisionsgericht auf eine zulässige Revision gegen eine auf die Berufung des Staatsanwaltschaft ergangene Entscheidung der Kammer hin von Amts wegen zu überprüfen (vgl. nur Meyer-Goßner, § 327 Rn 1).
Als lediglich den Umfang der beabsichtigten Berufungshauptverhandlung klarstellende Entscheidung hatte sie auch keine selbstständige prozessuale Bedeutung (vgl. hierzu Meyer-Goßner, § 305 Rn 5; Frisch, in: SK-StPO § 305 Rn 13 f mzwN) und führte nicht zu mit einer Revision nicht mehr zu beseitigenden Wirkungen oder Nachteilen, so dass auch kein Fall des § 305 S. 2 StPO in der Auslegung, welche die Vorschrift durch die ganz herrschende Meinung erfahren hat (vgl. Meyer-Goßner, § 305 Rn 7), vorliegt.
Zu einer abweichenden Beurteilung gibt schließlich der Umstand, dass eine Entscheidung, mit welcher ein Berufungsgericht eine im Streit befindliche Rechtsmittelrücknahme für wirksam hält und demzufolge die Berufung für erledigt erklärt, mit der (sofortigen) Beschwerde anfechtbar ist (Senat, NStZ 1988, 328; OLG Schleswig, SchlHA 1997, 171; OLG Karlsruhe, JR 1992, 302) keinen Anlass. Denn anders als im vorliegenden Fall handelt es sich dabei um eine Entscheidung, durch die das Verfahren gerade beendet werden bzw. eine solche Verfahrensbeendung festgestellt werden soll (vgl. Frisch, § 305 Rn 21 mwN). Hier trägt schon der Gesetzeszweck des § 305 S. 1 StPO, der Verzögerungen vermeiden und verhindern soll, dass das Beschwerdegericht unzulässig in die Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts eingreift (vgl. Senat, StV 2004, 362 = NStZ RR 2004, 177 L; OLG Brandenburg, NStZ 1996, 67; OLG Stuttgart, NJW 1996, 1908) den Ausschluss der Beschwerde nicht (Frisch ebenda). Vorliegend wird hingegen dem Angeklagten lediglich die selbstständige Anfechtung einer bloßen, keine weiteren mit der Revision nicht zu beseitigenden Rechtsnachteile bewirkenden Zwischenentscheidung versagt. Das ist aber gerade Sinn und Zweck des § 305 StPO (vgl. Dahs, NJW 1965, 1872). Wenn danach der Gesetzgeber die Prüfung der Frage, ob die Berufung zulässig ist, bei positiver Entscheidung ausschließlich dem Tatgericht und gegebenenfalls dem Revisionsgericht, nicht aber - anders als bei negativer Entscheidung (§ 322 II StPO) - dem Beschwerdegericht zugewiesen hat, käme die Zulassung einer Beschwerde im vorliegenden Fall zudem mit der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 I 2 GG) in Konflikt, was nicht gebilligt werden kann (vgl. BGH, NJW 2002, 765, 766, Senat , Beschl. v. 18.12.2002 - 3 Ws 1171/02).
Dass die Zulässigkeit eines Rechtsmittels davon abhängt, wie das erkennende Gericht eine bestimmte Frage entscheidet, namentlich, ob es eine verfahrensbeendende oder eine bloße Zwischenentscheidung trifft, ist schließlich kein singuläres Ergebnis, sondern der Strafprozessordnung, namentlich ihrer Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Revisions- und Beschwerdegericht systemimmanent. So ist beispielsweise die Entscheidung, das Verfahren nach § 206a I StPO einzustellen, nach § 206a II StPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Der die beantragte Einstellung ablehnende Beschluss ist hingegen nach allgemeiner Meinung gem. § 305 S. 1 StPO der Anfechtung entzogen (vgl. nur OLG Schleswig, SchlHA 2003, 192; Meyer- Goßner, § 206a Rn 10). Ferner ist der die Aussetzung des Verfahrens nach § 262 StPO anordnende Beschluss unter bestimmten Voraussetzungen - unnötiges Hemmen oder Verzögern des Verfahrens - anfechtbar (vgl. Senat, NJW 1966, 992; GA 1973, 51; Beschl. v. 27.2.2002 - 3 Ws 255/02), während die Ablehnung einer Aussetzung nicht selbstständig angefochten werden kann (Senat aaO; Engelhardt, in: KK-StPO, 5. Aufl., § 262 Rn 9).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 I StPO.
Ende der Entscheidung
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