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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 15.05.2006
Aktenzeichen: 3 Ws 466/06
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 403
StPO § 406 e
1. Im Strafverfahren tritt der Insolvenzverwalter nicht an die Stelle des Schuldners, er ist auch nicht im Sinne des § 406 e StPO Verletzter und damit auch nicht etwa als solcher zur Akteneinsicht berechtigt (Senat in NStZ 1996, 565 m.w.N.).

2. Es muss daher dabei bleiben, dass der Insolvenzverwalter ebenso wenig wie Rechtsnachfolger - mit Ausnahme von Erben - (Zessionare, Pfandgläubiger, private Haftpflichtversicherer, Sozialversicherungsträger) den Weg der Adhäsionsklage wählen darf.


3 Ws 466/06 3 Ws 507/06

Gründe:

Den Angeklagten werden Vermögensdelikte zur Last gelegt, die sie in der Zeit vom 22.5.2002 bis 9.3.2005 begangen haben sollen. Durch diese Delikte soll auch die A GmbH geschädigt worden sein. Der Beschwerdeführer ist am 14.3.2005 zum vorläufigen Insolvenzverwalter dieser Gesellschaft, am 1.7.2005 zu ihrem Insolvenzverwalter bestellt worden.

Am 10.4.2006, eingegangen am 13.4.2006, hat der Beschwerdeführer bei der für das Hauptverfahren zuständigen Strafkammer beantragt, den Angeklagten 1 zur Zahlung von 852.295,58 €, die Angeklagte 2 zur Zahlung von 844.356,45 €, jeweils nebst Zinsen seit dem 11.3.2005 zu verurteilen.

Die Hauptverhandlung hat am 26.4.2006 begonnen. Die Kammer hat mit dem angefochtenen Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag abgesehen und dem Beschwerdeführer die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Beteiligten und die gerichtlichen Auslagen auferlegt.

Hiergegen richten sich die unmittelbar nach Verkündung eingelegte sofortige Beschwerde und der damit verbundene Antrag, die Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Beschlusses gemäß § 307 II StPO anzuordnen.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Beschwerdeführer fehlt schon die Berechtigung zur Stellung des Adhäsionsbegehrens.

Nach § 403 StPO kann nur der Verletzte oder sein Erbe einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch im Strafverfahren geltend machen. Dass der Beschwerdeführer weder durch die Straftat selbst verletzt wurde noch Erbe des Verletzten ist, steht außer Frage. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Vorschrift auf den Insolvenzverwalter kommt vorliegend nach deren Sinn und Zweck nicht in Betracht.

Dabei kommt es für die Frage der Adhäsionsberechtigung auf die rechtliche Einordnung des Verwalteramtes, auf die der Beschwerdeführer bei seiner Argumentation maßgeblich abhebt, nicht entscheidend an.

Zwar ist die Einordnung nicht unumstritten. Die Schuldnertheorie behandelt den Verwalter als gesetzlichen Vertreter des Schuldners mit einer auf die Masse beschränkten Vertretungsmacht, nach der Organtheorie ist die Masse rechtlich verselbständigt, der Verwalter ihr Organ, nach der Amtstheorie übt der Verwalter kraft des ihm übertragenen privaten Amtes die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im eigenen Namen aus; er ist "Partei kraft Amtes" (zu Vorstehendem siehe Eickmann in HK-InsO, 4. Auflage, Rdnr. 36 ff. zu § 56).

Unbeschadet dieses Meinungsstreites wird der gesetzliche Aufgabenkreis des Verwalters in § 1 InsO jedoch wie folgt umschrieben: "Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird".

Hauptzweck des Insolvenzverfahrens ist demnach die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger ( Kirchhof in HK-InsO, a.a.O. Rdnr. 3 zu § 1; Braun, InsO, 2. Auflage, Rdnr. 32 zu § 80 ). Das muss jedenfalls in den Fällen gelten, in denen die Erhaltung des in Insolvenz geratenen Unternehmens nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ausscheidet. So liegt die Sache hier nach Aktenlage, denn erkennbar haben die Angeklagten die A GmbH zu ihrem betrügerischen Zweck eingesetzt und benutzt. In dieser Konstellation dient die Tätigkeit des Insolvenzverwalters vorrangig, wenn nicht gar allein, Gläubigerinteressen, darunter auch Interessen von Gläubigern, die nicht Geschädigte der den Angeklagten zur Last gelegten Straftaten sind. Deren Durchsetzung ist aber nicht Ziel der Privilegierung des Verletzten in § 403 StPO ( und auch nicht in § 111 g StPO ). Vielmehr findet die Bevorzugung des Verletzten gegenüber anderen Gläubigern des Täters ihren Grund im persönlichen Opferschutz und in der Durchsetzung von Genugtuungsinteressen des persönlich Geschädigten (vgl. KMR-Mayer, StPO, Rdnr. 2 zu § 111 g; SK-Velten, StPO, Rdnr. 2 zu § 403 ).

Dementsprechend tritt im Strafverfahren der Insolvenzverwalter nicht an die Stelle des Schuldners, er ist auch nicht im Sinne des § 406 e StPO Verletzter und damit auch nicht etwa als solcher zur Akteneinsicht berechtigt (Senat in NStZ 1996, 565 m. w. N.).

Die - strafprozessuale - Verletzteneigenschaft gehört, wie das OLG Koblenz zutreffend ausführt, "nicht zum Vermögen des Gemeinschuldners. Sie ist an die (natürliche oder juristische) Person des Verletzten gebunden und geht daher weder auf die Konkursmasse noch auf den Konkursverwalter über" (OLG Koblenz, NJW 1988, 3275 ff.; OLG Hamm, NStZ 1996, 11 ).

Das gilt nicht nur für das Akteneinsichtsrecht des Verletzten nach § 406 e StPO, sondern auch für die Antragsberechtigung nach §§ 403 ff. StPO (so auch LG Stuttgart, NJW 1998, 322 für Schädigung der Konkursmasse - wie hier - vor Konkurseröffnung).

Die teleologische Auslegung des § 403 StPO wird durch die historische Interpretation gestützt. Die aufgezeigte, in der Literatur umstrittene (Meyer-Goßner, StPO, 48. Auflage, Rdnr. 5 zu § 403; KK-Engelhardt, StPO, 5. Auflage Rdnr. 7 zu § 403 StPO) Rechtsprechung war zur Zeit des Gesetzgebungsverfahrens über das Opferrechtsreformgesetz (BT-Drs 15/1976, BR-Drs 197/04) bekannt. Der Gesetzgeber hat den Kreis der Antragsberechtigten in den §§ 403 ff. StPO nicht erweitert. Dies gilt um so mehr als durchaus - wie sich in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses (BT-Drs 15/2609) entnehmen lässt - klar war, dass "es sich bei dem geplanten Adhäsionsverfahren um einen Paradigmenwechsel" handelt.

Es muss daher dabei bleiben, dass der Insolvenzverwalter ebenso wenig wie Rechtsnachfolger - mit Ausnahme von Erben - (Zessionare, Pfandgläubiger, private Haftpflichtversicherer, Sozialversicherungsträger; vgl. Meyer-Goßner, a.a.O. , Rdnr. 4 zu § 403 StPO) den Weg der Adhäsionsklage wählen darf. Zur Rechtlosigkeit führt das nicht, auch nicht dazu, dass es "überhaupt keinen handlungsfähigen Verletzten gibt", wie der Beschwerdeführer meint. Denn der Insolvenzverwalter ist vor den Zivilgerichten voll handlungsfähig. Er genießt nur nicht die Bevorzugung des § 403 StPO.

Die Argumente der Gegenmeinung verfangen demgegenüber nicht. Der Verweis auf § 77 StGB übersieht, dass der Gesetzgeber in dieser Vorschrift nicht etwa den gesetzlichen Vertreter oder den Insolvenzverwalter als Verletzten angesehen hat. Vielmehr unterscheidet die Vorschrift gerade zwischen Verletztem (§ 77 I StGB) und demjenigen, der in Vertretung des Verletzten (oder in Auslegung der Vorschrift als Partei Kraft Amtes ) das Antragsrecht wahrnimmt ( § 77 III StGB ). Hingegen hat der Gesetzgeber in § 403 StPO (und auch in § 111 g StPO) auf eine solche Differenzierung gerade verzichtet.

Soweit das OLG Schleswig in seiner Entscheidung vom 21.9.1993 ( NStZ 1994, 99 ff. ) zur Begründung der Verletzteneigenschaft sogar von Zessionaren auf §§ 401, 412 BGB verweist, wird die Verkennung des spezifisch opferschutzrechtlichen Grundes der Privilegierung des Verletzten überdeutlich. Die spezifisch strafprozessuale Verletzteneigenschaft ist nicht vermögensrechtlicher Natur und kann deshalb einem Neben- und Vorzugsrecht nicht gleichgestellt werden. So nimmt auch nicht Wunder, dass die ganz überwiegende Meinung - auch Autoren die sich für eine ausdehnende Auslegung der Vorschrift aussprechen (vgl. Hilger-LR, StPO, 25. Auflage, Rdnr. 3 zu § 403 m.w.N. ) - jedenfalls für § 403 StPO den Zessionaren und Pfändungspfandgläubigern die Verletzteneigenschaft abspricht.

Da die Beschwerde erfolglos geblieben ist, hat sich der Antrag auf einstweilige Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels erledigt.

Die Kostenentscheidung der Kammer ist nicht zu beanstanden, denn es wäre unbillig, die durch den unbegründeten Antrag entstandenen Kosten den Angeklagten bzw. der Staatskasse und damit der Allgemeinheit aufzuerlegen. Da die Beschwerde erfolglos eingelegt worden ist, treffen auch deren Kosten den Beschwerdeführer (§ 473 I 1 StPO).

Ende der Entscheidung

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