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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 04.09.2007
Aktenzeichen: 3 Ws 773/07 (StVollz)
Rechtsgebiete: StVollzG
Vorschriften:
StVollzG § 70 |
Gründe:
Der Antragsteller verbüßt mehrjährige Haftstrafen mit anschließender Sicherungsverwahrung wegen der Begehung von Sexualdelikten. Unter dem 14.05.2007 begehrte er von der JVA sinngemäß, ihm den Empfang von Videotext mit Ausnahme desjenigen, der aus so genannten Chatrooms stammt, zu gestatten. Zumindest aber möge ihm der Zugang zu denjenigen Videotextseiten, die bestimmte, vom Antragsteller näher bezeichnete öffentlich-rechtliche Sender ausstrahlen, ermöglicht werden. Dieses Begehren lehnte die Anstalt mit Verfügung vom 24.05.2007 ab. Den dagegen form- und fristgerecht gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung verwarf die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss als unbegründet.
Die hiergegen form- und fristgerecht erhobene und in gleicher Weise - zumindest was die Sachrüge anbelangt - begründete Rechtsbeschwerde des Gefangenen ist auch im Sinne von § 116 StVollzG zulässig, weil eine Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht insoweit zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten erscheint. Das Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg, so dass es auf die formellen Rügen nicht mehr ankommt.
Die Verfügung der Anstalt leidet an einem Begründungsdefizit, das zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und auch der angefochtenen Verfügung zwingt.
Der rechtliche Ausgangspunkt von Anstalt und Strafvollstreckungskammer ist allerdings zutreffend. Obergerichtlich ist geklärt, dass das Recht des Gefangenen, in angemessenem Umfang Bücher und andere Gegenstände zur Fortbildung oder Freizeitgestaltung zu besitzen (§ 70 I StVollzG), worunter auch Empfangseinrichtungen für Videotext fallen (OLG Celle, NStZ 2002, 111; Senat, Beschl. v. 24.03.2003 - 3 Ws 236/03 [StVollz]), gesetzlichen Einschränkungen unterliegt. Nach § 70 II Nr. 2 StVollzG besteht dieses Recht u.a. dann nicht, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstandes die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würde. Ein Versagungsgrund i.S. des § 70 II StVollzG liegt dabei bereits dann vor, wenn die Gefährlichkeit dem Gegenstand allgemein innewohnt und die gefährlichen Verwendungen nur mit einem von der Anstalt nicht zu erwartenden zusätzlichem Kontrollaufwand ausgeschlossen werden können (BVerfG, NStZ 2003, 621; 1994, 453; 1994, 605; Senat, NStZ 2000, 466; ZfStrVo 2048; OLG Karlsruhe, NStZ 2003, 622; KG, Beschl. v. 19.04.2007 - 2/5 Ws 342/06 Vollz - Juris; Arloth/Lückemann, StVollzG, § 70 Rn 5 - jew. mwN). Die Vollzugsbehörde muss das Vorliegen dieser abstrakt-generellen, durch zumutbaren Kontrollaufwand nicht vermeidbaren Gefahr in einer für das Gericht nachvollziehbaren Weise dartun (Senat, Beschl. v. 26.1.2005 - 3 Ws 1322-1323 [StVollz]; OLG Hamm, ZfStrVo 2001, 185; KG, StV 1987, 542). Diesen Begründungsanforderungen hat die JVA auch mit ihrem Vorbringen im Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer nicht genügt.
Eine abstrakt-generelle Gefährdung der Sicherheit sieht die Vollzugsbehörde - auch insoweit noch im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Celle und Senat jew. aaO) - beim Empfang von Videotext darin, dass die von einigen Sendeanstalten betriebenen Chatrooms es ermöglichen, von außerhalb der Anstalt SMS - Nachrichten direkt auf den Bildschirm eines Fernsehgeräts zu versenden, welche dadurch Gefangenen zugänglich werden. Indes lässt die Argumentation der Vollzugsbehörde eine ausreichende Darstellung vermissen, dass ein solcher zeitnaher und unkontrollierbarer Informationsfluss z. B. auch über Fluchtmöglichkeiten und bestehende Sicherheitsvorkehrungen mittels Videotext nicht durch einen zumutbaren Kontrollaufwand verhindert werden kann.
Der Antragsteller hat primär - so jedenfalls ist sein Vorbringen in dem von der Kammer in Bezug genommenen, bzw. wörtlich wiedergegebenen Anträgen vom 14.05.2007 und 29.05.2007 zu verstehen - geltend gemacht, nach der unlängst erfolgten Digitalisierung des in der Anstalt betriebenen Kabelfernsehens sei es nach Auskunft der Betreiberfirma möglich, Videotextnachrichten, die aus so genannten Chatrooms stammen, bei sämtlichen Sendern durch eine entsprechende Software, die vom Betreiber des Kabelfernsehens eingespeist werden könne, quasi "herauszufiltern".
Zu diesem Vorbringen verhält sich die ablehnende Entscheidung der Anstalt nicht, sondern nur dazu, dass nunmehr einzelne Sender, die Chatrooms anbieten, gesperrt werden könnten, während Videotexte von Sendern, die keine Chatrooms anbieten, freigeschaltet blieben. Dies hat der Gefangene indes lediglich in zweiter Linie, nämlich zur Begründung seines hilfsweise gestellten Begehrens, zumindest den Videotext bestimmter öffentlich-rechtlicher Anstalten empfangen zu dürfen, geltend gemacht. Besteht hingegen erstgenannte Filterungsmöglichkeit, so ist - jedefalls ohne nähere Darlegungen seitens der Vollzugsbehörde - nicht erkennbar, wieso ein unzumutbarer Kontrollaufwand für die Anstalt bei Ermöglichung des Videotextempfangs entstehen soll. Solcher Videotext, der aus Chatrooms stammt, würde ja automatisch - durch die Software - vom Empfang durch die Gefangenen ausgeschlossen. Eine Unzumutbarkeit, eine derartige Sicherung vorzunehmen, könnte sich nur aus anderen Gründen, z.B. eine Weigerung der Betreiberfirma, die Software einzuspeisen, ergeben. Derartige Gründe hat die Anstalt aber bisher nicht geltend gemacht.
Aber auch die Begründung der JVA für ihre Auffassung, selbst die Videotextsendungen der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, die keine Chatrooms anbieten, könnten aus Gründen der Sicherheit nicht freigeschaltet werden, trägt die Ablehnung (des Hilfsbegehrens) nicht.
Die Vollzugsbehörde hat geltend gemacht, diejenigen Sender, die bisher keine Chatrooms hätten, könnten jederzeit solche einrichten. Der hierdurch entstehenden Gefahr für die Sicherheit der JVA könne nur dadurch begegnet werden, dass Bedienstete ständig die freigeschalteten Videotexte auf ihren Inhalt kontrollieren, um sofort nach Einrichtung des Chatrooms den Videotext des entsprechenden Senders "abzuschalten". Dies führe zu einem unzumutbaren zeitlichen Aufwand.
Diese Argumentation ist jedoch nur für den Fall nachvollziehbar und tragfähig, dass zu erwarten steht, die jeweiligen Sender würden quasi ad hoc, also unvorhersehbar, namentlich ohne jede Ankündigung generell oder jedenfalls für bestimmte Sendungen Chatrooms einrichten. Dies hat die JVA aber nicht behauptet. Hat eine solche Einrichtung hingegen einen gewissen zeitlichen Vorlauf, so ist die JVA gehalten darzulegen, wieso nicht durch geeignete Maßnahmen, etwa entsprechende Vereinbarungen der Vollzugsbehörden mit den Sendeanstalten, ausreichend sichergestellt werden kann, dass die JVA so frühzeitig vorher informiert wird, dass sie die Abschaltung rechtzeitig veranlassen kann, bzw. aus welchen Gründen sonst ihr ein solches Procedere nicht zumutbar sein soll. Hieran fehlt es.
Nach alledem rechtfertigen die bisher getroffenen Feststellungen der Vollzugsbehörde die Versagung des Videotextempfanges nicht. Da nicht ausgeschlossen erscheint, dass die JVA die Unzumutbarkeit des Kontrollaufwandes zur Vermeidung von Gefährdungen der Sicherheit der Anstalt noch zureichend darlegt, mangelt es an der Spruchreife des gestellten Verpflichtungsantrags (vgl. Senat, Beschl. v. 26.1.2005 - 3 Ws 1322-1323 [StVollz] OLG Hamm, ZfStVo 2001, 185 [186]).
Mithin waren der angefochtene Beschluss und die Verfügung der Anstalt aufzuheben und die JVA zur Neubescheidung des Begehrens zu verpflichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 I, IV StVollzG i.V. mit § 467 I StPO.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes basiert auf §§ 52 I, 60, 62, 63 III, 65 GKG.
Ende der Entscheidung
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