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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: 3 Ws 841/07 (StVollz)
Rechtsgebiete: StVollzG
Vorschriften:
StVollzG § 182 Abs. 1 |
Gründe:
Der Antragsteller verbüßt eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt O1.
Der Antragsteller hatte Ende August/Anfang September 2006, am 19.09.2006, 28.09.2006, 02.10.2006, 05.12.2006 und Anfang Januar 2007 Termine beim Anstaltsarzt. Zu diesem musste er sich zuvor unter Verwendung des anstaltsinternen Formblattes anmelden, d.h. einen Antrag für den Arztbesuch stellen. Der Vordruck enthält die auszufüllenden Rubriken Name, Vorname, Geburtsdatum, Station, Haftraum und Arbeitsplatz sowie die Angabe des "Grundes für die Voranmeldung", das heißt die Angabe der gesundheitlichen Beschwerden, an denen der jeweilige Antragsteller leidet. In dem Formular ist gesondert aufgeführt: "Der Grund der Voranmeldung ist genau anzugeben, andernfalls bleibt die Voranmeldung unberücksichtigt". Als anstaltsinterner Aussteller des Vordrucks ist der Anstaltsarzt - Pflegedienstleiter - aufgeführt. Die ausgefüllten Antragsformulare gab der Gefangene beim Stationsbeamten ab, von wo aus sie mit der übrigen Hauspost über die Verteilerstationen an das Krankenrevier weitergeleitet wurden.
Mit seinem am 2.2. 2007 bei Gericht eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Antragsteller zuletzt die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Procedere bei den Voranmeldungen begehrt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer festgestellt," dass die Weiterleitung der Voranmeldung des Antragstellers zum Anstaltsarzt zu den Terminen Ende August/Anfang Dezember 2006, am 19.09.2006, 28.09.2006, 02.10.2006, 05.12.2006 und Anfang Januar 2007 an das Krankenrevier rechtswidrig gewesen ist, soweit dies ohne Vorkehrungen gegen die Kenntnisnahme des Inhalts der Voranmeldung durch andere Personen als die Adressaten erfolgte".
Hiergegen wendet sich der Anstaltsleiter mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und in gleicher Weise begründeten Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Das Rechtsmittel ist zulässig. Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtsbeschwerde ohne Zustimmung des Anstaltsleiters und damit ohne die erforderliche Vertretungsmacht (§ 156 II 1 StVollzG; vgl. Feest, in: AK-StVollzG, 5. Aufl. § 156 Rn 4) des unterzeichnenden Vollzugsbediensteten eingelegt und begründet worden ist, sind nicht ersichtlich. Die vom Gefangenen in der Rechtsbeschwerdeerwiderung aufgeführten Fälle angeblich fehlender Zuständigkeit betreffen - hier nicht einschlägige - Delegationen gemäß § 156 II 2, III StVollzG. Auch die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 StVollzG sind erfüllt, da obergerichtliche Entscheidungen zur Reichweite des § 182 I 1 StVollzG fehlen, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung mithin zur Fortbildung des Rechts geboten erscheint.
Das Rechtsmittel hat in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg. Die Feststellungen der Kammer sind lückenhaft, so dass das Rechtsbeschwerdegericht nicht überprüfen kann, ob die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Weiterleitung der Voranmeldung zu Recht ausgesprochen wurde.
Allerdings ist die Kammer - entgegen der Auffassung des Rechtsbeschwerdeführers -zu Recht von der Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung ausgegangen. Die Einforderung einer Voranmeldung für den Arztbesuch mit Angabe der Beschwerden stellt eine Regelungsverfügung und deren offene Weiterleitung ein - das Recht des Gefangenen aus § 182 I 1 StVollzG möglicherweise tangierenden und damit gleichermaßen Regelungscharakter besitzenden - Realakt (vgl. hierzu allgemein Arloth/Lückemann, StVollzG, § 109 Rn 8) dar. Beides sind damit anfechtbare Maßnahmen im Sinne des § 109 I StVollzG. Der gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag war auch im Übrigen gem. § 115 III StVollzG zulässig. Die Frist des § 112 I 1 StVollzG findet keine Anwendung, weil auch die Regelungsverfügung dem Antragsteller nicht schriftlich zugestellt oder bekannt gemacht wurde. Die Jahresfrist in entsprechender Anwendung des § 113 III StVollzG (vgl. Senatsbeschluss vom 18.07.2003 - 3 Ws 606/03 mwN) wurde gewahrt. Der Antrag war auch nicht deshalb unzulässig, weil die Erledigung bereits vor Antragstellung eingetreten ist (vgl. Senat, NJW 2003,2843). Das besondere Feststellungsinteresse ist hier wegen Vorliegens von Wiederholungsgefahr gegeben.
Zu Recht ist die Kammer davon ausgegangen, dass Maßstab für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen § 182 I 2 StVollzG ist. Die Angabe des "Grundes" für die Arztvoranmeldung, d.h. das Aufführen der physischen oder psychischen Beschwerden des jeweiligen Gefangenen nebst der anderen persönlichen Angaben sind personenbezogene Daten, die einen - lediglich zeitlich vorgezogenen -Teil der ärztlichen Anamnese darstellen und damit "anlässlich einer ärztlichen Untersuchung" i.S. der Vorschrift erhoben wurden. Ihre Erhebung durch den Arzt bzw. seine Hilfspersonen, die nach dem Inhalt des Formulars für die Voranmeldung dessen Aussteller und damit auch Adressaten des ausgefüllten Formulars sind, begegnet entgegen der Ansicht des Gefangenen keinen Bedenken. Sie wird in § 182 StVollzG vorausgesetzt, wie die Regelung des Schutzes der erhobenen Daten -Verbot ihrer allgemeinen Kenntlichmachung und Schutz durch das grundsätzliche Offenbarungsverbot - in dieser Bestimmung zeigen. Hiervon geht auch die von der Kammer irrtümlich für die Gegenauffassung zitierte Literatur (vgl. Weichert, in: AK-StVollzG, § 182 Rn 18) aus.
Die offene Weiterleitung der Daten verstößt hingegen grundsätzlich gegen § 182 I 2 StVollzG. Sie stellt - ähnlich wie ein anstaltsinterner Aushang - eine allgemeine Kenntlichmachung der Daten dar. Sie ist nämlich auf Grund des für den Senat bindend festgestellten Übermittlungsweges verbunden mit der Möglichkeit einer Kenntnisnahme durch unbefugte Personen, nämlich durch andere Vollzugsbedienstete, ohne dass dies zur Erfüllung einer Vollzugsaufgabe unerlässlich wäre (vgl. 182 II 2 StVollzG), bzw. sogar durch Mitgefangene. Die Justizvollzugsanstalt wäre deshalb grundsätzlich verpflichtet gewesen, die technisch-organisatorischen Maßnahmen zu treffen, welche ein solches Zugänglichmachen verhindern (vgl. BlnDSB JB 1992, 104; Weichert aaO). Eine naheliegende, geeignete und ausreichende Maßnahme hierfür stellt die Übermittlung des Formulars im geschlossenen Umschlag dar (BlnDSB und Weichert jew. aaO).
Entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer ist aber die Vollzugsbehörde nicht verpflichtet, ausschließlich diese oder eine andere gleichermaßen gegen unbefugte Kenntnisnahme schützende Übermittlungsmaßnahme zu praktizieren. Die JVA und das ... Ministerium der Justiz weisen zu Recht darauf hin, dass die Gefangenen auf ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung, als dessen Ausprägung sich § 182 I 2 StVollzG darstellt, auch verzichten können. Dieser Verzicht muss aber erkennbar freiwillig erfolgen und eindeutig sein (vgl. Senat, NJW 2003, 2843 ff; Mangold/Klein/Starck-Starck, GG. 4. Aufl. Art. 1 Rn 32). Ihn in der Benutzung des offenen Transports zu sehen, setzt also voraus, dass die - von der Anstalt behauptete - Möglichkeit eines Transportes der Voranmeldung im verschlossenen Umschlag in der JVA O1 tatsächlich besteht und sich der Gefangene dieser Möglichkeit bewusst, namentlich durch die Anstalt entsprechend belehrt worden war (vgl. BlnDSB aaO). Hierzu hat die Kammer indes - in Konsequenz des von ihr vertretenen Rechtsstandpunktes - keine Feststellungen getroffen.
Der angefochtene Beschluss war mithin aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Kammer zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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