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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 27.09.2007
Aktenzeichen: 4 U 106/07
Rechtsgebiete: PflVG, StVG


Vorschriften:

PflVG § 3 Nr. 1
StVG § 7
StVG § 17
StVG § 18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz an dem Pkw A mit dem amtlichen Kennzeichen ... aufgrund des behaupteten Unfallereignisses vom ....2006 in Anspruch.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage nach Zurücknahme gegen den als Fahrer des gegnerischen Pkws in Anspruch genommenen Zeugen Z1 abgewiesen. Es habe sich um ein verabredetes Unfallereignis gehandelt. Zu dieser Überzeugung ist es ohne Ausführung des Beweisbeschlusses vom 19.12.2006 gelangt. Der geladene Zeuge Z1 war zum Termin am 27.03.2007 nicht erschienen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt. Mit der Entscheidung ohne Zeugenvernehmung habe das Landgericht das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt.

Es habe sich um einen echten Unfall gehandelt. Aufgrund ihrer Risikoschwangerschaft im 8. Monate wäre ein verabredetes Unfallereignis ein unkalkulierbares Risiko gewesen und schon deshalb nicht anzunehmen.

Alle Schäden, auch die Vorschäden, seien ordnungsgemäß in Stand gesetzt. Geltend gemacht würden nach der Kalkulation im Gutachten SV1 vom 12.06.2006 nur die Schäden, die auf das Unfallereignis vom ....2006 zurückzuführen seien.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie bestreitet den Unfallhergang mit Nichtwissen; jedenfalls habe es sich um ein verabredetes Unfallereignis gehandelt. Dies sei der bezeichneten Indizienkette zu entnehmen.

In jedem Fall sei die Forderung der Höhe nach unbegründet, da die Klägerin keine Differenzierung hinsichtlich des während ihrer Besitzzeit eingetretenen, aber nicht fachgerecht reparierten Sachschadens vornehme.

Die Einzelrichterin hat die Klägerin informatorisch angehört und hat die Vernehmung des Zeugen Z1 nachgeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30.08.2007 Bezug genommen (Bl. 149 - 156 d. A.).

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO); in der Sache führt sie aber nicht zum Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Schadensersatzansprüche aus dem behaupteten Unfallereignis vom ....2006 nach § 3 Nr. 1PflVG in Verbindung mit §§ 7, 17,18 StVG.

Zur Überzeugung des Berufungsgerichts steht (schon) nicht fest, dass am ....2006 ein Verkehrsunfall stattgefunden und die Schäden an dem Pkw A verursacht hat.

Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung nicht widerspruchsfrei und plausibel bestätigt, dass der von dem Zeugen Z1 gesteuerte B am ....2006 gegen 9.00 Uhr nach Überqueren bei gelb der LZA auf der ...-Straße vor dem ...kreisel in O1 auf ihr haltendes Fahrzeug aufgefahren sei. Sie schilderte jetzt - entgegen ihren zunächst gemachten Angaben - das Überfahren von zwei gelben Lichtzeichenanlagen, bevor es bei der Dritten im Kreisel zum Auffahren gekommen sei. Auch sei sie nach dem Unfall - entgegen ihren zunächst gemachten Angaben - nicht sofort zu dem vereinbarten Untersuchungstermin in das ...-Krankenhaus gefahren, sondern habe entsprechend ihrer ursprünglichen Absicht zunächst ihre Großmutter im ...viertel aufgesucht. Wenngleich es noch nachvollziehbar erscheint, dass die Klägerin sich zuerst hilfesuchend an ihre Großmutter wandte, ist es aber nicht mehr nachvollziehbar, dass sie gerade dieses für sie persönlich wichtige Detail zunächst anders schilderte. Unverständlich wird ihr Verhalten aber im Hinblick auf die geschilderten massiven Ängste um ihr ungeborenes Kind, dass sie jede ordnungsgemäße Unfallaufnahme habe vergessen lassen. War dies so, so war der sofortige Krankenhausbesuch zu erwarten. Aber nicht nur dieser, sondern es war zu erwarten, dass die Klägerin gerade wegen ihrer "großen Aufregung" einen Krankenwagen anforderte. Dies gilt umso mehr, als sie bisher zwei Fehlgeburten erlitten habe.

Aber nicht nur die Schilderung des unmittelbaren Geschehens, sondern auch die der weiteren Umstände, wie Reparaturwerkstatt, Ankauf des Fahrzeugs und weitere Unfälle mit dem Fahrzeug ist nicht widerspruchsfrei und plausibel. Unvorbereitet konnte die Klägerin den Namen der Reparaturwerkstatt nicht nennen, in der sie ihren Pkw habe reparieren lassen. Obgleich der Unfall im Juni 2006 stattgefunden habe, "müsste" sie den Pkw im Oktober 2006 gekauft haben. Die Klägerin nannte diesen Zeitpunkt, obgleich ihr ein besonderes Ereignis, nämlich der Flug nach Australien als Anhalt diente. Auch war sich die Klägerin hinsichtlich des Unfallzeitpunktes des vorangegangenen Unfalles im Februar 2006 nicht mehr sicher. Dies obgleich dieser Unfall zeitlich nicht weit entfernt liegt und ein Unfall ein außergewöhnliches Ereignis ist, welches in der Erinnerung haftet. Schließlich konnte die Klägerin den Namen des Käufers nicht nennen, an den sie den Unfallwagen im Januar 2007 verkauft habe. Insoweit hilft es auch nicht weiter, dass sie die notwendigen Angaben anhand der schriftlichen Unterlagen wie Reparaturrechnung und Kaufvertrag nachholen könne. Entscheidend ist gerade ihre Erinnerung an diese begleitenden Umstände.

Der behauptete Unfallhergang zur fraglichen Zeit am fraglichen Ort wird auch nicht durch die Angaben des Zeugen Z1 bestätigt. Dessen Kernaussage, mit der Klägerin einen Unfall gehabt zu haben, in dem er sich verschätzend auf das vor der Lichtzeichenanlage anhaltende Fahrzeug aufgefahren sei, ist nicht glaubhaft. Der Zeuge konnte weder das Geschehen zeitlich einordnen, noch seine Fahrtstrecke eindeutig erklären. Seine Aussage war insgesamt vielmehr vage und geprägt von der Angabe, dass das "wohl" so sein müsse. Entscheidend gegen die Glaubhaftigkeit spricht aber der Umstand, dass ihm bei der Klägerin keinerlei Besonderheiten aufgefallen seien, obgleich diese hochschwanger und in äußerster Sorge um ihr ungeborenes Kind war. Gleichwohl sah der Zeuge keine Veranlassung, einen Krankenwagen zu rufen oder sie ins Krankenhaus zu begleiten. Nach seiner Schilderung war der Unfall auch für die Klägerin - entgegen deren Angaben - ohne jegliche persönliche Dramatik. Seine Aussage ist zudem nicht mit der der Klägerin in Einklang zu bringen, sie habe ihn nach dem Unfall zwecks Regulierungsbesprechung zweimal auf dem Handy angerufen. Soweit er sich erinnern könne, habe die Klägerin nicht mit ihm telefoniert.

Schließlich war der Zeuge nicht glaubwürdig. Seine Angaben waren ihm gleichgültig, was er durch wiederholtes Achselzucken und Kopfwiegen betonte. Er machte keine zusammenhängende Angaben, sondern jeder Umstand musste konkret erfragt werden.

Schließlich liegt hier eine ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen vor, die gegen einen Unfall am ...2006 im ...kreisel sprechen. Ein Streit über die Verschuldensfrage war nicht zu erwarten.Es hat keine Unfallaufnahme stattgefunden, obgleich diese im Hinblick auf die Höherwertigkeit und die Beschädigung des Klägerfahrzeugs nahegelegen hätte. Bei dem beteiligten B handelte es sich um ein 17 Jahre altes Fahrzeug, eine nach der Bezeichnung des Zeugen Z1 "alte Schrottkiste", die er kurz zuvor - am 09.06.2006 - gekauft habe, um sie in ein osteuropäisches Land weiter zu veräußern. Er betätige sich nämlich als privater Autohändler mit älteren im Inland nicht mehr veräußerlichen Pkws. Auch stand der Pkw B zur Überprüfung der Kompatibilität der Schäden nicht mehr zur Verfügung. Der Zeuge Z1 hat das Fahrzeug, wie er einräumte, spätestens am 16.06.2006 verschrottet. Schließlich rechnet die Klägerin auf Gutachtenbasis ab, was ihr einen Gewinn bringt, da das Fahrzeug nicht sach- und fachgerecht repariert worden ist, sondern Restunfallspuren aufweist. Insofern behauptet die Klägerin zwar, dass ihr Pkw nach dem Unfall vom ....2006 ordnungsgemäß in Stand gesetzt worden sei, greift aber die detaillierte und nachvollziehbare privat-gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen SV2 vom 04.08.2006 nicht im Einzeln an, sondern führt vielmehr aus, dass die Frage der ordnungsgemäßen Instandsetzung dahingestellt bleiben könne. Folglich werden die festgestellten Restunfallspuren nicht ernsthaft in Frage gestellt.

Diese Indizienkette kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass es sich bei dem Pkw der Klägerin nicht um ein werthaltiges, aber auf dem freien Markt nicht oder nur schwer veräußerliches Fahrzeug handelt und dass sich der Zeuge Z1 nach dem Unfall nicht koopertativ verhielt.

Ist aber der Verkehrsunfall am ....2006 als solcher nicht bewiesen, geht der Einwand der Klägerin, aufgrund ihrer Risikoschwangerschaft im 8. Monat sei ein verabredetes Unfallereignis ein unkalkulierbares Risiko gewesen, fehl. Dies gilt auch für den Einwand, mit dem Erscheinen Dritter sei zu rechnen gewesen, da sich der Unfall an einer belebten Stelle zu einer gewöhnlichen Uhrzeit ereignet habe.

Da ein Unfallereignis nicht bewiesen ist, erübrigen sich Ausführungen zur Höhe des Sachschadens und dabei insbesondere der Einbeziehung von Vorschäden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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