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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: 4 U 222/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 328
Ein Vertrag, durch den die Verpflichtung zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen übernommen wird, ist kein Vertrag zugunsten Dritter, sondern als Angebot zum Abschluss eines auf die Übertragung des Gesellschaftsanteils gerichteten schuldrechtlichen Vertrages auszulegen.
Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von jedem der Beklagten, die mit Anteilen von zusammen 90 % Mehrheitsgesellschafter einer GmbH sind, die Bildung und Übertragung eines Gesellschaftsanteils von nominal jeweils 650,- Euro, deren Gesamtwert sie auf 7.500,- Euro beziffert.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat die notarielle Vereinbarung vom 21.12.2001 als echten Vertrag zu Gunsten Dritter ausgelegt. Aus dem Wortlaut der Bestimmung ergebe sich eindeutig der Wille zur Begründung eines eigenen Forderungsrechtes der Klägerin. Die Beklagten hätten auch keine Umstände dargelegt, aus denen sich nachvollziehbar etwas anderes ergebe. Ein Recht zur nachträglichen Aufhebung des Anspruchs der Klägerin bestehe nicht. Denn ausdrücklich sei dies in dem schriftlichen Vertrag nicht niedergelegt worden, obwohl dies hätte erfolgen können. Für eine stillschweigende abweichende Vereinbarung seien keine konkreten Umstände und Motive vorgetragen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage erstreben.

Die Beklagten bestreiten, dass die Urkunde vom 21.12.2001 von den Vertragspartnern oder dem Notar der Klägerin übermittelt wurde. Die Klägerin müsse zufällig von Dritten von ihr erfahren haben. Sie sind der Auffassung, hieraus ergebe sich die Vereinbarung eines Aufhebungsrecht. Dafür spreche auch das personenbezogene Verhältnis der Gesellschafter und die Aufnahme der Zuwendung als "Bedingung" in den Vertrag.

Die Beklagten rügen, das Landgericht habe es unterlassen, die Zeugin Z1 zu dem Vortrag zu vernehmen, dass ein unentziehbares Recht der Klägerin nicht gewollt gewesen sei. Der Beklagte zu 1) habe die Klägerin an der Gesellschaft beteiligen wollen, weil er damals überzeugt gewesen sei, dass die Klägerin Leistungen für das Unternehmen erbringen werde, was sich später als irrig herausgestellt habe. Der Beklagte zu 1) habe damals davon die Verkäuferin Z1 und den Beklagten zu 2) überzeugt.

Sie vertreten die Auffassung, die Klägerin könne jedenfalls nicht mehr die Übertragung der Anteile verlangen, weil sie mittlerweile die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und deshalb nach § 18 2. c) des Gesellschaftsvertrages aus der Gesellschaft ausscheiden müsse. Hierzu ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig geworden, dass die Klägerin am 16.6.2002 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat.

Die Klägerin wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach sie die Urkunde von den Beklagten erhalten habe und weist darauf hin, dass dies in erster Instanz unstreitig gewesen sei.

Sie vertritt die Auffassung, dass auch nach dem Beklagtenvortrag die Aufnahme der Klägerin in die Gesellschaft gewollt gewesen sei, insbesondere weil sie ihnen persönlich bekannt war. Dass die Beklagten nun auf den Hinweis des Gerichts vortrügen, sich über die wirtschaftlichen Vorteile durch Aufnahme der Klägerin geirrt zu haben, stelle einen unbeachtlichen Motivirrtum dar.

Wegen des im Berufungsverfahren vorgelegten Gesellschaftsvertrages der X GmbH wird auf Bl. 127 ff. der Akte verwiesen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin aus dem notariellen Vertrag vom 21.12.2001 gegen die Beklagten ein Anspruch auf Übertragung zweier Geschäftsanteile der X GmbH von je 650,- € zusteht und sie deshalb von den Beklagten die Vornahme der mit den Anträgen zu 1. bis 4. ausreichend genau bezeichneten Handlungen von ihnen verlangen kann.

1. Die vertragliche Bestimmung in dem notariellen Vertrag, durch die die Beklagten die Verpflichtung zur Übertragung der Geschäftsanteile übernahmen, ist allerdings nicht als ein Vertrag zugunsten Dritter, sondern als ein Angebot zum Abschluss eines auf die Übertragung des Gesellschaftsanteils gerichteten schuldrechtlichen Vertrages mit der Klägerin auszulegen. Zwar deutet der Wortlaut der Regelung, wonach sich die Beklagten gegenüber der Verkäuferin, also der Zeugin Z1, zur Anteilsübertragung an die Klägerin verpflichten, auf einen Vertrag zu Gunsten Dritter hin. Gesamtumstände und Interessenlage ergeben jedoch, dass die Beklagten eine eigene unmittelbare Verpflichtung gegenüber der Klägerin übernehmen wollten. Einem Vertrag zu Gunsten Dritter liegt typischerweise die Gestaltung zugrunde, dass der Versprechensempfänger und Vertragspartner des die Leistung an den Dritten übernehmenden Schuldners dem Dritten etwas zukommen lassen will. Zwischen ihm und dem Dritten besteht ein Rechtsverhältnis (Valutaverhältnis), welches den Rechtsgrund für die Entgegennahme der Leistung durch den Dritten bildet (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 64. Aufl., Vor § 328 Rz. 4). Hier liegt es jedoch anders. Ein Rechtsgrund für die Anteilsübertragung im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Verkäuferin Z1 ist nicht ersichtlich. Die Beklagten haben vielmehr unbestritten vorgetragen, dass zwischen der Verkäuferin Z1 und der Klägerin keinerlei Rechtsbeziehungen bestanden. Hintergrund für die Zuwendung waren stattdessen bereits erfolgte oder künftig zu erwartende finanzielle Leistungen der Klägerin für die GmbH oder den Beklagten zu 1). Dementsprechend übernahmen die Beklagten die Verpflichtung zur Anteilsübertragung aus eigenem Interesse gegenüber der Klägerin. Zu dieser Leistung waren die Beklagten bei Abgabe der Erklärung auch in der Lage, weil sie im selben Vertrag von der Verkäuferin ihrerseits nach § 398 BGB, § 15 Abs. 3 GmbHG die Anteile erworben hatten.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Anteilsveräußerung an die Klägerin im Vertrag als "weitere Bedingung" bezeichnet ist. Damit ist erkennbar nicht gemeint, dass die Anteilsübertragung an die Klägerin aufschiebende Bedingung für den Verkauf der Anteile durch die Zeugin Z1 an die Beklagten sein sollte. Aus dem Vertragszusammenhang ergibt sich, dass dieser Begriff lediglich im Sinne einer weiteren Vertragsbestimmung gemeint ist. Denn dieser Passage geht im Vertrag keine andere echte Bedingung voraus, sondern nur andere schlichte Vertragsbestimmungen.

Dieses Angebot der Beklagten zur vertraglichen Übernahme der Pflicht zur Anteilsübertragung ist der Klägerin auch zugegangen. Die Beklagten haben den Vortrag der Klägerin, sie habe den notariellen Vertrag vom Faxgerät der X GmbH zugesandt erhalten, nicht konkret bestritten. Dass die Urkunde der Klägerin nicht selbst vom Notar oder den Vertragspartnern übermittelt worden sei, steht dem nicht entgegen. Ohne näheres Bestreiten durch die Beklagten ist für die Übermittlung durch die X GmbH, deren Gesellschafter die Beklagten sind, davon auszugehen, dass die Übermittlung mit dem Willen der Beklagten erfolgte.

Eines Zugangs der Annahme der Klägerin an die Beklagten bedurfte es nach § 151 S. 1 BGB nicht. Da der Inhalt des Rechtsgeschäfts allein in einer Leistung zugunsten der Empfängerin bestand und bei der Übermittlung keine Rückantwort erbeten wurde, ist nach den Umständen anzunehmen, dass der Zugang einer Annahmeerklärung von den Beklagten nicht erwartet wurde. Die Klägerin hat spätestens mit Erhebung der vorliegenden Klage im Juni 2005 ihren Willen zur Annahme nach außen bekundet. Es kann nach § 151 S. 2 BGB auch nicht davon ausgegangen werden, dass zu diesem Zeitpunkt der Antrag der Beklagten bereits wegen Zeitablaufs erloschen war. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die von den Beklagten der Klägerin eröffnete Möglichkeit, Anteile an der GmbH zu erwerben, zeitlich befristet sein sollte.

Damit ist zwischen den Parteien ausgehend von dem notariellen Vertrag ein schuldrechtlicher Vertrag, aufgrund dessen díe Beklagten zur Anteilsübertragung verpflichtet sind, zustande gekommen.

2. Nach dem Wortlaut der Vertragsbestimmung steht der Klägerin damit gegen beide Beklagte ein Anspruch auf Übertragung eines Teilgeschäftsanteils von jeweils 650,- Euro zu. Mit dieser Übertragung verbunden ist, dass die Klägerin mit allen im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Rechten und Pflichten Mitgesellschafterin wird. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich kein davon abweichender Inhalt der Übertragungsverpflichtung dahin, dass die Klägerin nur stiller Teilhaber oder Gesellschafterin mit eingeschränkten Rechten werden solle.

Da der Vertragstext die tatsächliche Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat, müssen die Beklagten darlegen und beweisen, dass tatsächlich eine andere gegenteilige Regelung gewollt war (vgl. BGH NJW-RR 2000, 273 unter II. 2.). Eine dahin gehende Behauptung des Gegners darf zwar nicht allein deshalb als nicht ausreichend angesehen, werden, weil sie nicht wahrscheinlich ist oder einen unüblichen Sachverhalt darstellt (BGH o.a.O. unter 3. c)). Der Darlegungsbelastete muss aber eine schlüssige und in sich nachvollziehbare Erklärung dafür geben, warum die Parteien bei Vertragsschluss das Gegenteil des schriftlich niedergelegten Vertragstextes gewollt haben und wer dies erklärt hat. Die schlichte Behauptung, es sei etwas anderes vereinbart worden, wäre, weil durch das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gekennzeichnet, als "ins Blaue" hinein aufgestellt als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen (BGH o.a.O. unter 3. a) ).

Die Beklagten haben vorgetragen, die Klägerin habe nicht in die Gesellschaft aufgenommen werden sollen, sondern eine "unentgeltliche Zuwendung" nur den Fall erhalten sollen, dass die Gesellschaft "verkauft" werden würde; sie habe nur "wertmäßig" bei einem Verkauf partizipieren sollen. Dieser Wille der Beklagten könnte zwar rechtlich dahin auszulegen sein, dass die Klägerin Gesellschafterin mit nur eingeschränktem Stimmrecht werden solle. Ein partieller Stimmrechtsausschluss für einen Minderheitsgesellschafter ist nämlich grundsätzlich möglich, weil die Stimmrechtsregelungen der §§ 47, 48 GmbHG nach § 45 Abs. 2 GmbHG dispositiv sind. Abweichende Regelungen können jedoch nur im Gesellschaftsvertrag getroffen werden (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG 13. Aufl., § 45 Rz. 5-7).

Ein dahin gehender Wille der Beklagten bei Unterzeichnung des notariellen Angebotes vom 21.12.2001, der Klägerin nur eine stimmrechtsbeschränkte Gesellschafterrolle zukommen zu lassen, ist jedoch nicht Vertragsinhalt geworden. Die Beklagten haben nicht dargelegt, ob und bei welcher Gelegenheit, sie der Klägerin diesen vom Wortlaut des schriftlichen Angebots abweichenden Inhalt der Übertragungsverpflichtung, mitgeteilt haben. Vom schriftlichen Text des Angebots abweichende Vorstellungen einer Vertragspartei können aber nur dann Vertragsinhalt werden, wenn sie der anderen Partei zur Kenntnis gebracht werden. Darüber wäre eine solche Zusatzabrede auch nicht hinreichend bestimmt, weil sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht mit hinreichender Sicherheit ableiten lässt, welche Stimmrechte aus dem Katalog des § 46 GmbHG dem Geschäftsanteil der Klägerin nicht zustehen sollen.

3. Dem Anspruch der Klägerin auf Übertragung der Geschäftsanteile steht nicht die Einrede des fehlenden Rechtsgrundes (§ 821 BGB) entgegen. Für das Fehlen eines Rechtsgrundes des in der notariellen Urkunde vom 21.12.2001 unentgeltlich zugewendeten Gesellschaftsanteils haben die dafür darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten keine konkreten Tatsachen vorgetragen. Zwischen den Parteien ist zwar unstreitig, dass die Zuwendung der Geschäftsanteile eine Gegenleistung für "finanzielle Leistungen" an den Beklagten zu 1) oder "Leistungen für das Unternehmen", also die X GmbH, sein sollte. Im Termin ist von der Klägerin hierzu näher vorgetragen und von den Beklagten nicht bestritten worden, dass die Klägerin dem Beklagten zu 1) wenige Tage vor der Beurkundung ein Grundstück übereignet habe, damit dieser es für Zwecke der X GmbH belasten könne, sowie, dass später möglicherweise noch weitere Grundstück übertragen wurden. Die Beklagten haben aber trotz Nachfrage seitens des Gerichts im Termin nicht vorgetragen, dass und aus welchem Grund dieser Rechtsgrund für die unentgeltliche Zuwendung des Gesellschaftsanteils weggefallen sein soll.

4. Die Beklagten können nicht die Einrede erheben, das Verlangen auf Übertragung des Gesellschaftsanteils sei treuwidrig, weil die Klägerin die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat und deshalb nach § 18 Nr. 2 c) des Gesellschaftsvertrages die Voraussetzungen für die Einziehung des Geschäftsanteils der Klägerin gegeben sind. Dem steht entgegen, dass die eidesstattliche Versicherung bereits am 16.6.2002 abgegeben wurde, damit nach § 915a ZPO die Voraussetzungen für eine Löschung der Eintragung im Schuldnerverzeichnis gegeben sind und Anhaltspunkte für eine bis heute fortdauernde Zahlungsunfähigkeit der Klägerin nicht ersichtlich sind. Die Vereinbarung eines solchen Zwangseinziehungsrechtes im Gesellschaftsvertrag dient dem berechtigten Interesse der Gesellschaft, Insolvenzverwalter und Zwangsvollstreckungsgläubiger aus dem Gesellschafterkreis fernzuhalten (Scholz/Westermann, GmbHG, 9. Aufl., § 34 Rz. 14). Sie setzt deshalb voraus, dass die durch die Insolvenz oder eidesstattliche Versicherung begründete Gefahr im Zeitpunkt der Einziehung fortdauert. Aus diesem Grund müssen etwa Pfändungsmaßnahmen gegen den Gesellschafter im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Einziehung noch fortbestehen (Scholz/Westermann o.a.O., Altmeppen/Roth, GmbHG, 5. Aufl., § 34 Rz. 37). In gleicher Weise kann für eine bereits zu löschende eidesstattliche Versicherung eines Gesellschafters ohne weitere Umstände nicht angenommen werden, dass die Gefahr für die Gesellschaft, unter Fremdeinfluss zu geraten, noch fortbesteht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.

Eine Zulassung der Revision war nicht geboten, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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