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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 28.08.2009
Aktenzeichen: 4 U 264/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 906 Abs. 2
ZPO § 286
Treten in engem zeitlichem Zusammenhang mit Abbrucharbeiten auf einem Grundstück (Hausabbruch einschließlich Beseitigung der Bodenplatte) bei einem Nachbarhaus, das 28,5 m entfernt ist, Risse an der zugewandten Außenwand auf, die ihren Ausgang von einer Absenkung im Bereich des Kellers nehmen, kann der Beweis des ersten Anscheins für eine Verursachung der Risse durch die Abbrucharbeiten sprechen.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten und der Streithelferin zu 1) wird das am 17.10.2008 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt - 31. Zivilkammer - teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.541,40 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.6.2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz hat die Beklagte 68 % und hat die Klägerin 32 % zu tragen mit Ausnahme der im selbständigen Beweisverfahren und in erster Instanz für die Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. SV1 entstandenen Kosten, die die Beklagte allein zu tragen hat. Die außergerichtlichen Kosten der Streithelfer hat die Klägerin zu 32 % und haben im Übrigen diese selbst zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahren hat die Beklagte 82 % und hat die Klägerin 18 % der Kosten zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Streithelfer hat die Klägerin zu 18 % und haben im Übrigen diese selbst zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I. Die Klägerin, die ihren ursprünglich mit ihr klagenden und während des Berufungsverfahrens verstorbenen Ehemann allein beerbt hat, verlangt von der Beklagten als Eigentümerin eines Nachbargrundstückes ihres Hausgrundstückes Schadensersatz für Risseschäden an ihrem Haus in Höhe von 20.715,- Euro, die durch Abbrucharbeiten entstandenen sein sollen, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 17.000,- Euro aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB stattgegeben. Es hat dies damit begründet, dass aufgrund der Beweisaufnahme zu seiner Überzeugung feststehe, dass die Risse durch Erschütterungen bei den Abbrucharbeiten auf dem Grundstück der Beklagten verursacht worden seien. Der Sachverständige SV1 habe in seinen Gutachten im selbständigen Beweisverfahren und bei seiner Anhörung vor dem Prozessgericht nachvollziehbar ausgeführt, dass zeitnah zu den Bauarbeiten neue Risse entstanden seien. Er habe als Ursache eine "Schrumpfung" im Tonuntergrund im Zusammenwirken mit den Erschütterungen dargestellt, welche zum einen "Nachsacken" des Gebäudes geführt hätten. Eine Übertragung der Erschütterung des Bodens über 28,4 m bis zum Haus der Kläger hin sei möglich, wenn eine Zertrümmerung der Bodenplatte erfolgt sei, weil dies eine besonders erschütterungsintensive Form des Abrisses sei. Eine solche Abrissform sei hier von der Streitverkündeten zu 2) unbestritten vorgetragen worden, denn die Zerkleinerung der Bodenplatte mit einem Hydraulikhammer stelle eine solche Zertrümmerung dar. Hinsichtlich der Höhe der Kosten für die Beseitigung der Risse ist das Landgericht den Ausführungen des Sachverständigen SV2 gefolgt. Es hat insbesondere einen Abzug Neu für Alt im Hinblick auf den Neuanstrich der Wände für nicht gerechtfertigt erachtet, weil schon nicht sicher sei, dass den Klägern eine Wertverbesserung an den vermieteten Wohnungen zugute komme.

Der Feststellungsantrag sei gerechtfertigt, weil die Arbeiten noch nicht ausgeführt und die Entstehung "weiterer Schäden" damit denkbar bleibe.

Hiergegen haben sowohl die Beklagte als auch die Streithelferin zu 1) Berufung eingelegt und beantragen die Abweisung der Klage. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass das Landgericht zu Unrecht auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens die Ursächlichkeit der Abbrucharbeiten für die Risse im Haus der Kläger als festgestellt ansehe. Diese Einschätzung des Sachverständigen stelle eine reine Mutmaßung dar. Aus der allgemeinen Aussage, dass Erschütterungen durch Baugeräte bis in etwa 30 m Entfernung Schäden verursachen könnten, schließe der Sachverständige unzulässig, dass dies hier auch tatsächlich erfolgt sei. Der Sachverständige habe aber weder Feststellungen zur vor dem Abriss tatsächlich vorhandenen Bebauung (z.B. Größe der Bodenplatte) noch zur Art der Abbrucharbeiten getroffen. Für den Fall eines schonenden Abbruchs habe der Sachverständige nämlich sein "nebulöses Ergebnis" zurückgenommen. Das Landgericht nehme aber zu Unrecht an, dass die Streithelferin zu 2) vorgetragen habe, die Bodenplatte sei mittels Hydraulikhammer zertrümmert worden. Genau das Gegenteil sei der Fall, denn die Streithelferin zu 2) habe einen erschütterungsfreien Abbruch mittels Abbruchzange und Abbruchgreifer vorgetragen und gerade keine Zertrümmerung des Abbruchgutes. Gegen eine Verursachung durch Abbrucharbeiten sprächen zudem weitere Umstände wie das Vorhandensein von alten Rissen, weshalb die neuen Risse durch dieselben Umstände (Tonschrumpfungen, Verdunstungen im Untergrund usw.) verursacht sein könnten. Weitere Erschütterungsursachen wie LKW-Verkehr oder kleinere Erdbeben seien auch denkbar. Nicht überzeugend sei auch die vom Sachverständigen vorgenommene Abgrenzung zwischen alten und neuen Rissen, weshalb schon nicht festgestellt sei, ob die Risse, für die Schadenersatz geltend gemacht ist, nicht bereits vor den Abbrucharbeiten vorhanden waren.

Die Beklagte rügt schließlich auch die Anspruchshöhe, insbesondere die Positionen "Unvorhergesehenes und Rundung" sowie die Ablehnung eines Abzuges Neu-für-Alt wegen der mit der Reparatur verbundenen Renovierung.

Die Streithelferin zu 1) rügt gleichfalls, dass gegen die Feststellung des Landgerichts zur Ursächlichkeit der Abbrucharbeiten für die Risse durchgreifende Zweifel bestünden. Die Erwägungen des Sachverständigen Dr. SV1 seien nämlich unzureichend, unvollständig und zweifelhaft, weshalb ein neues und umfassendes, die möglichen Alternativursachen berücksichtigendes Gutachten erforderlich sei. Erschütterungen durch Baumaßnahmen auf dem Beklagtengrundstück habe der Sachverständige lediglich unterstellt. Er stelle lediglich fest, dass Schäden durch Erschütterungen in bis zu 30 m Entfernung möglich seien, nicht aber, ob dies tatsächlich der Fall war. Die Feststellung, die Bodenplatte sei mit einem Hydraulikhammer zerstört worden, beruhe nicht auf den Angaben der Streithelferin zu 2). Denn diese habe vorgetragen, dass die Bodenplatte mit einer Baggerschaufel gelöst worden sei. Mangels Feststellung der konkreten Abbruchhandlungen und deren Eignung für etwaige Schäden fehle es zu dem einem Adäquanzzusammenhang. Allein die Tatsache, dass die Abrissarbeiten mit einem Hydraulikhammer durchgeführt wurden, reiche für einen Kausalzusammenhang nicht aus. Die Feststellung des Alters der Risse anhand der Rissufer sei vom Sachverständigen (im Gutachten vom 12.8.2004) nicht nachvollziehbar dargestellt. Den Ausschluss schweren LKW-Verkehrs als Alternativursache habe der Sachverständige nicht näher begründet, auch nicht worauf seine Angabe, es habe kein Erdbeben gegeben, beruht. Er habe auch nicht untersucht, ob die Risse auf großer Trockenheit des Bodens im Jahrhundertsommer 2003 beruht haben könne. Für die Beurteilung, dass die Absenkung des Hauses nach unten nicht auf anderen Ursachen beruht habe, habe der Sachverständige Untersuchungen am Haus selbst und am Untergrund vornehmen müssen.Die Streithelferin zu 1) vertritt die Auffassung, es fehle auch schon an der Voraussetzung eine "wesentlichen Einwirkung" im Sinne von § 906 Abs. 2 BGB, weil schon nicht festgestellt sei, dass die (angeblichen) Erschütterungen des Bodens über das übliche Maß hinaus gegangen sei. Sie wendet sich in gleicher Weise wie die Beklagte auch gegen die Schadenshöhe. Etwaige zusätzliche Mehraufwendungen könnten nicht mit dem Zahlungsantrag, sondern allenfalls mit dem Feststellungsantrag unter 2. zugesprochen werden.

Die Streithelferin zu 2) schließt sich den Ausführungen der Beklagten und der Streithelferin zu 1) an.

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil.

Sie vertreten die Auffassung, dass der Sachverständige die konkrete Ausführung des Abbruchs und den Umfang der Arbeiten nicht zu prüfen brauchte, weil generell nach der Alltagserfahrung bei Abbrucharbeiten Erschütterungen entstehen und Risse an Gebäuden in der näheren Umgebung verursachen können. Die von der Beklagten zu 2) verwendete Abbruchzange breche Stahlbetonteile durch großen, hydraulisch erzeugten Druck; Sie habe nur zusätzlich zu den Zähnen eine Schneide zur Durchtrennung der Stahlarmierung. Ein vollkommen erschütterungsfreier Abbruch sei mit diesem Gerät nicht möglich (Beweis Sachverständigengutachten).

Der Kläger und Ehemann der Klägerin ist am 14.2009 verstorben. Er ist von der Klägerin aufgrund eines gemeinschaftlichen notariellen Testaments vom 31.10.1983 allein beerbt worden. Nachdem durch Beschluss vom 15.5.2009 das Verfahren auf Antrag der Beklagten ausgesetzt worden war, hat die Klägerin den Rechtsstreit für ihren Ehemann aufgenommen.

Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird nach § 540 Abs. 2 in Verbindung mit § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist lediglich teilweise erfolgreich. Das Landgericht hat zu Recht die Beklagte als dem Grunde nach für die im Hause der Klägerin aufgetretenen Risse ersatzpflichtig angesehen; lediglich die Höhe der verlangten Entschädigung ist teilweise unberechtigt sowie der Feststellungsantrag.

1. Zum Klageantrag zu 1. Der Klägerin steht aus eigenem Rechts sowie als Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Ehemannes gegen die Beklagte aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ein Anspruch auf eine Geldentschädigung in Höhe von 15.541,40 Euro zu.

a) Das Landgericht hat zu Recht die Beklagte zum Ersatz der Kosten für die Beseitigung der im Urteil auf S. 3 nach Ziffern näher bezeichneten Risseschäden aus dem Gesichtspunkt des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB als verpflichtet angesehen. aa) Dieser Ersatzanspruch kommt auch in Fällen sogenannter faktischer Duldung zur Anwendung, wenn der Eigentümer eines Grundstückes wesentliche Beeinträchtigungen beispielsweise durch Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück deshalb hinnehmen muss, weil ihm eine rechtzeitige Abwehr dieser Beeinträchtigung unverschuldet nicht möglich ist (vgl. Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, 2. Aufl., § 906 Rz. 84). Beschädigungen durch Risse im Mauerwerk stellen eine wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks der Kläger dar. Die Arbeiten zum Abbruch des Gebäudes auf dem Grundstück der Beklagten stellen mögliche, auch vom anderen Grundstück stammende Einwirkungen dar. bb) Das Landgericht hat im Ergebnis auch mit Recht festgestellt, dass die Beeinträchtigungen auf dem klägerischen Grundstück durch Risse von Einwirkungen des Beklagtengrundstücks herrühren, also ihre Ursache in den genannten Abbrucharbeiten hatten. Die Beklagten und die Streithelferin zu 1) rügen allerdings zu Recht, dass die vom Landgericht aufgrund der Beweisaufnahme durch die Gutachten und Stellungnahmen des Sachverständigen Dr. SV1 gewonnene Überzeugung und Feststellung, von der Verursachung der Risse durch die Abbrucharbeiten, für einen Vollbeweis auf nicht ausreichender Grundlage beruhen. Denn das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, die Streithelferin zu 2) habe die Zerkleinerung der Bodenplatte mit einem Hydraulikhammer vorgenommen. Nur für diesen Fall hatte der Sachverständige eine Verursachung der Risse durch die Arbeiten als sicher angenommen. Das Urteil des Landgerichts ist jedoch hinsichtlich der Haftung dem Grunde nach im Ergebnis gleichwohl zutreffend, weil zugunsten der Klägerin die Beweiserleichterung des Beweises des ersten Anscheines für eine Verursachung eingreift und die Beklagte wie auch die Streithelfer die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehenablaufs nicht dargelegt oder bewiesen haben. Der gewohnheitsrechtlich anerkannte Beweis des ersten Anscheins erlaubt bei typischen Geschehensabläufen den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs ohne exakte Tatsachengrundlage auf der Grundlage von Erfahrungssätzen. Er setzt einen Sachverhalt voraus, bei dem nach der Lebenserfahrung aus bestimmten Handlungen auf das Hervorrufen bestimmter Folgen oder für ein Ereignis auf die Verursachung durch ein bestimmtes Verhalten geschlossen werden kann. Dabei muss es sich um einen Vorgang handeln, bei dem es durch Regelmäßigkeit, Üblichkeit und Häufigkeit bekannt ist, dass ein Geschehen nach einem bestimmten Muster abzulaufen pflegt (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., Vor § 284 Rz. 29 m.w.N.). Die Basis für das Eingreifen eines solchen Anscheinsbeweises ist hier aufgrund der Gesamtumstände in Verbindung mit der Beweiserhebung in erster Instanz gegeben. Dieser beruht darauf, dass (1) die Risse im Haus der Klägerin und ihres Mannes, für die Beseitigungskosten beansprucht werden, auf einer Setzung des Hauses infolge Erschütterungen des Bodens beruhen können, (2) der Abriss eines Hauses der Beklagten einschließlich der Fundamente und der Bodenplatte generell geeignet ist, Erschütterungen des Bodens auszulösen, die auch einen Umkreis von bis zu 30 m erreichen und es (3) einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen des Bauarbeiten und den Rissen gibt.

Zu (1): Aus den Feststellungen des Sachverständigen Dr. SV1 ergibt sich nachvollziehbar, dass die Risse, für welche der Sachverständige SV2 die Beseitigungskosten bemessen hat, auf einer Absenkung der Hauswand, die durch eine Erschütterung des Bodens ausgelöst wurde, beruhen können. Eine solche Möglichkeit wäre zwar zu verneinen, wenn die Risse bereits vor der Ausführung der Abrissarbeiten durch die Beklagte bestanden haben. Der Sachverständige hat jedoch schon in seinem ersten Gutachten vom 12.8.2004 und seinem in 1. Folgebericht vom 26.10.2006 nachvollziehbar anhand der Rissufer bestimmt, bei welchen es sich um junge Risse handelt, die er von älteren Rissen abgrenzen konnte. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige für diese Methode der Einschätzung des Alters keine konkreten wissenschaftlichen Forschungen oder Ergebnisse herangezogen hat. Dass Risse an Wänden sich aufgrund Oxidation und ähnlicher Vorgänge im Lauf der Zeit verfärben, entspricht nachvollziehbarer Lebenserfahrung. Zwar hat der Sachverständige die Risse erstmals etwa neun Monate nach der angeblichen Entstehung (Ortstermin am 30.7.2004) prüfen können. Die Zuordnung der jungen Risse zur maßgeblichen Entstehungszeit Ende August/Anfang September 2003 (Gutachten vom 26.10.2006, S. 8 oben) mag mit dieser Methode nicht mit Exaktheit möglich sein. Dass die jungen Risse aber zu dieser Zeit entstanden sind, ergibt sich hinreichend sicher aus den unstreitigen weiteren Umständen. Die Beklagten und die Streithelfer haben nämlich nicht bestritten, dass die Tochter der Klägerin erstmals nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub am 10.9.2003 diese Risse bemerkte und die Beklagten mit Schreiben vom 15.9.2003 über die Schäden informierte. Dass die genannten frischen Risse auf Erschütterungen des Bodens des Grundstückes beruhen können, hat der Sachverständige bereits auf den Seiten 8 - 11 des Gutachtens vom 26.10.2004 nachvollziehbar dargelegt. Danach zeigte nämlich ein Riss im Kellerfußboden, dass sich die Brandmauer an der rechten hinteren Seite des Gebäudes - also der dem Grundstück der Beklagten zugewandten Seite - um etwa 2 cm gesenkt haben musste. Nach seiner Beurteilung spiegelten die hier gelegenen Risse bis zum 3. Obergeschoss das im Keller zu sehende Bewegungssystem wieder. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass die Risse auf einer einheitlichen Ursache beruhen, die von einer Absenkung der Brandwand im Keller ihren Ausgang genommen hat. Dass diese Absenkung wiederum - neben einer Vordisposition durch Vorhandensein einer Fuge im Tonboden - durch eine Erschütterung des Bodens ausgelöst worden sein kann, hat der Sachverständige sodann nachvollziehbar erklärt hat (S. 9 f.: Nachsacken des Gemäuers in die Fuge, wenn dessen innere Festigkeit überschritten wird). Die Mitwirkung dieser Vordisposition des Grundstücks nimmt den Einwirkungen vom Grundstück der Beklagten nicht die Ursächlichkeit für die Beeinträchtigung, denn es ist dafür eine Mitursächlichkeit ausreichend.

Zu (2): Dass Abbruchmaßnahmen, bei denen durch Baugeräte Wände niedergerissen sowie Fundamente und Bodenplatten beseitigt werden, geeignet sind Erschütterungen auszulösen, die in benachbarten Gebäuden zu Rissen führen können, ergibt sich aus der Beurteilung des Sachverständigen Dr. SV1 auf S. 11 seines Gutachtens vom 26.10.2004, welches auf Fachliteratur Bezug nimmt. Dass der Gutachter später bei seiner Anhörung am 13.4.2007 dies dahin eingeschränkt hat, dass es schonende Methoden des Abbruchs gebe, bei denen "beispielsweise" die Bodenplatten zersägt und einzeln aufgehoben werden, beseitigt nicht die generelle Eignung solcher Abbrucharbeiten. So können Wände oder Betonteile auf den Boden stürzen und so Erschütterungen auslösen. Der Sachverständige ist dementsprechend dabei geblieben, dass solche Erschütterungen beim Abriss eines solchen Gebäudes "typischerweise" auftreten. Es entspricht auch allgemeiner Lebenserfahrung des Gerichts aus anderen Prozessen und Zeitungsberichten, dass es immer wieder bei solchen Abbrucharbeiten zu Erschütterungen insbesondere an älteren benachbarten Häusern kommt. Viele Baubehörden schreiben aus diesem Grund insbesondere in Bereichen, in denen Häuser nicht unterkellert sind, besondere Sicherheitsvorkehrungen bei Abbrucharbeiten vor.

Zu (3): Wie bereits unter (1) ausgeführt ist davon auszugehen, dass die "jungen Risse" im August/September 2003 entstanden sind. Dieser enge zeitliche Zusammenhang zwischen den Abbrucharbeiten und den aufgetretenen Schäden begründet wesentlich die sich aus mehreren Indizien zusammensetzende Vermutungswirkung des Anscheinsbeweises (anders bei größerer räumlicher und zeitlicher Entfernung, vgl. OLG München BauR 2007, 766: zwei Jahre später entdeckte Risse und Entfernung 70 m). Dass auch die Möglichkeit einer anderen Ursache für die Absenkung des Bodens bestand, steht wegen des zeitlichen Zusammenhangs und der Anzahl der neuen Risse dem Eingreifen eines Anscheinsbeweises nicht entgegen.

cc) Die Beklagte und auch die Streithelfer haben keine Tatsachen vorgetragen oder unter Beweis gestellt, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, dass die im Aug./September 2003 aufgetretenen jungen Risse im Haus der Kläger auf einer anderen Ursache beruhen. Natürliche Setzungen im Untergrund können zwar generell eine Ursache sein. Die ernsthafte Möglichkeit aber, dass sie sich bei diesem etwa 100 Jahre alten Haus gerade zu der fraglichen Zeit und gerade an dieser dem Beklagtengrundstück zugewandten Seite ereignet haben, ist nicht durch Tatsachen belegt. Allein die Tatsache, dass im Jahr 2003 ein besonders trockener Sommer war, rechtfertigt dies bei einem Haus dieses Alters nicht. Nach der Beurteilung des Sachverständigen Dr. SV1 ist dies zudem sehr unwahrscheinlich, was er anhand dreier hier nicht gegebener Möglichkeiten für eine Setzung (Salzauslaugung, Grundwasserabsenkung und Eigengewicht) nachvollziehbar dargelegt hat. Ein Erdbeben zu dieser Zeit in diesem Stadtgebiet ... hat die Beklagte weder behauptet noch unter Beweis gestellt. Es ist auch als unwahrscheinlich anzusehen, wenn nicht auch andere Häuser des Gebietes - mit Ausnahme des Nachbarhauses - ähnliche Risseschäden erlitten haben. Das Vorhandensein anderer Risseschäden aus älterer Zeit legt nach den konkreten Umständen nicht nahe, dass die neuen Risse auf derselben Ursache beruhen, wie die hier geltend gemachten Risseschäden. Denn die neuen Risse stellten sich nach den Ausführungen des Sachverständigen als auf einem einheitlichen Bewegungsbild des Hauses beruhend dar. Sie müssen deshalb zur gleichen Zeit durch eine einheitliche Ursache entstanden sein. Dass die älteren Risse gleichfalls im Zusammenhang mit der Fuge im Tonboden allmählich entstanden sein können, steht dem nicht entgegen, denn dadurch würde nicht die Mitursächlichkeit der Erschütterungen durch Bauarbeiten als Auslöser beseitigt. LKW-Verkehr und Luftverkehr stellt für dieses Schadensbild an der der Straße abgewandten Seite des Hauses und bei der ruhigen Lage des Hauses keine ernsthafte Möglichkeit einer Ursache.

Da mithin der Beweis des ersten Anscheins für die Verursachung und damit die Einwirkung auf das Klägergrundstück schon aufgrund der vorgenannten Umstände eingreift, braucht die Klägerin nicht darzulegen und zu beweisen, dass die Beklagten bzw. die von ihr beauftragten Streithelfer beim Abriss des Hauses tatsächlich Erschütterungen ausgelöst und diese sich bis zum Haus der Kläger fortgepflanzt haben. Es kommt deshalb auch nicht auf die Behauptung der Beklagten an, der Abbruch sei in erschütterungsfreier Weise erfolgt. Die Beklagte kann den Anscheinsbeweis nur dadurch entkräftet, dass sie die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablauf, das heißt einer anderen Ursache für die frischen Risse darlegt und beweist. Im Übrigen hat die Streithelferin zu 2) einen erschütterungsfreien Abbruch nicht nachvollziehbar vorgetragen haben. Sie hat lediglich behauptet, dass die Bodenplatte und die Fundamente "mittels Baggerschaufel gelöst, geladen und abgefahren" worden sei (Schriftsatz vom 3.5.2007). Damit bleibt unklar, auf welche Weise die Bodenplatte denn, wenn sie nicht zersägt wurde, auseinandergenommen und transportfähig gemacht wurde.

b) Der Ersatzanspruch ist in der Höhe nicht in vollem Umfang begründet. Die Klägerin kann statt der begehrten 20.715,- € lediglich 15.541,40 Euro beanspruchen. Ein angemessener Ausgleich in Geld im Sinne von § 906 Abs. 2 BGB geht bei Eingriffen in die Sachsubstanz auf vollen Schadensersatz, also auf Folgenbeseitigung durch Herstellung des früheren Zustandes (vgl. Bamberger/Roth/Fritzsche, o.a.O., § 906 Rz. 79). Der Anspruchsberechtigte kann dementsprechend, wie nach § 249 Abs. 2 BGB, die Kosten für die Beseitigung des Schadens beanspruchen. Die vom Sachverständigen SV2 für die Beseitigung ermittelten Kosten sind jedoch nicht in vollem Umfang rechtlich ersatzfähig.

aa) Ein Vorteilsausgleich durch einen sogenannten Abzug "Neu für Alt" für den Neuanstrich der Wände nach der Sanierung ist allerdings nicht gerechtfertigt. Der Neuanstrich einzelner Wände stellt für die Klägerin keine Wertverbesserung dar, weil sich sonst ein uneinheitliches Bild ergäbe. Die Kosten, die der Sachverständige SV2 ermittelt hat, umfassen nicht einen Neuanstrich sämtlicher Wände. Vielmehr ergibt sich aus der Bezeichnung der Wände (W 1 usw.) in der Anlage zu den Gutachten, dass jeweils nur die Wand neu anzustreichen ist, an der ein Riss vorhanden ist. Die Klägerin muss deshalb sogar noch weitere Kosten aufwenden. Eine Vorteilsausgleichung wegen Wertbesserung infolge der durchzuführenden Sanierung ist auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin bzw. ihre Tochter und ihre Mieter infolge der objektiv rechtswidrigen Verweigerung eines Schadensausgleichs über einen Zeitraum von fast fünf Jahren hinweg, keine Mittel für die Schadensbeseitigung erhalten haben und eine mindere Wohnqualität hinnehmen mussten. Für den werkvertraglichen Bereich ist anerkannt, dass der Besteller eine Anrechnung des Vorteils, den er dadurch erlangt, dass durch die Nachbesserung die Werkleistung eine Sache eine längere Lebensdauer erlangt als sie ab Vollendung des Werkes an sich hätte, dann nicht in Betracht kommt, wenn dieser Vorteil auf einer Verzögerung der Mängelbeseitigung durch den Unternehmer beruht (BGHZ 91, 206, 214 f.).

bb) Nicht ersatzfähig sind jedoch die von dem Sachverständigen als "Unvorhergesehenes und Rundung" bezeichneten und geschätzten Beträge, welche teilweise auch den Zusatz "Techn. Bearbeitung" enthalten. Bei einem Anspruch auf Schadensausgleich, der auf der Grundlage eines Gutachtens nach den Kosten der Herstellung im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB zu bemessen ist, können nur die Kosten berücksichtigt werden, die mit hinreichender Sicherheit auch tatsächlich entstehen werden. Ein Geschädigter, der in dieser Weise auf fiktiver Basis abrechnet, trägt das Risiko unerwarteter höherer Kosten, wenn er den Schaden später beseitigen lässt. Will er dieses Risiko nicht übernehmen, kann er zuerst den Schaden beseitigen lassen und die tatsächlich entstandenen Kosten ersetzt verlangen. Diese nicht ersatzfähigen Positionen "Unvorhergesehenes und Rundung" belaufen sich in der berichtigten Rechnung in der Anlage zum Gutachten Nr. 2 auf 1.195,- Euro (netto), so dass lediglich ein Betrag von 13.060,- Euro (netto) ersatzfähig ist. cc) Das Landgericht hat den damaligen Klägern zu Recht die auf diesen Betrag zu entrichtende Mehrwertsteuer zuerkannt. Dem steht § 249 Abs. 2 S. 2 BGB nicht entgegen, denn die Klägerin und ihr Mann haben einen Großteil der Arbeiten bereits ausführen lassen und hinsichtlich der ausstehenden Arbeiten im 2. Stock den Reparaturauftrag bereits erteilt, was nach zutreffender und überwiegend vertretener Ansicht ausreichend ist. Die Klägerin kann deshalb weitere 2.481,40 Euro für die zu zahlende Mehrwertsteuer und mithin insgesamt 15.541,40 Euro beanspruchen.

c) Eine Kürzung dieses Anspruches unter dem Gesichtspunkt einer Mitverursachung der Beeinträchtigung durch den Zustand des Hauses der Klägerin nach § 254 Abs. 1 BGB ist im Ergebnis nicht berechtigt. Allerdings kann eine Vordisposition des beeinträchtigten Grundstückes, welche mitursächlich für die schädigende Beeinträchtigung war, bei einem Anspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB eine Kürzung des Anspruchs nach § 254 BGB auch bei schuldloser Mitverursachung rechtfertigen (BGH NJW 1992, 2884). Ein solcher Umstand könnte hier in dem vom Sachverständigen Dr. SV1 festgestellten teilweisen löcherigen Tonboden unter der Außenwand und der dort vorhandenen Fuge zu sehen sein, die erst ein Absacken dieser Wand ermöglichten. Nach Abwägung mit den hier allein geltend gemachten Kosten für die Beseitigung der Risse - und nicht auch aller Ursachen für etwaige künftige - ist eine Anrechnung dieses Umstandes auf den Anspruch gleichwohl nicht gerechtfertigt. Es ist nämlich nicht feststellbar, um welchen Zeitraum durch die Erschütterung die etwaige spätere Entstehung weiterer Risse durch natürliche Setzung des Tonbodens zeitlich vorverlagert worden ist. Insbesondere ist nicht vorgetragen oder festgestellt worden,, welches Alter die bereits vorhandenen älteren Risse hatten. Einer Feststellung dazu bedürfte es aber angesichts dessen, dass ein Haus ohnehin über gewisse Zeiträume hinweg einen gewissen Renovierungsbedarf an den Wänden hat. Damit kann ein nennenswerter Mitverursachungsanteil durch den Zustand des Grundstücks der Klägerin nicht festgestellt werden.

2. Feststellungsantrag

Der Feststellungsantrag ist mangels Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig. Ein Feststellungsantrag ist lediglich dann zulässig, wenn weitere Schäden möglich sind.. Dafür ist aber nichts ersichtlich, zumal weitere Erschütterungen von dem Grundstück der Beklagten her nicht drohen, weil darauf inzwischen ein Haus errichtet ist. Dass hier die Kosten für die Beseitigung der bereits vorhandenen Schäden höher ausfallen können als sie von den Gutachtern und in den Kostenvoranschlägen bemessen wurden, rechtfertigt keinen Feststellungsantrag, weil, wie oben ausgeführt, der fiktiv abrechende Schadensersatzgläubiger dieses Risiko generell zu tragen hat.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 96 und 101 Abs. 1 ZPO. Entsprechend dem zugleich mit diesem Urteil verkündeten Streitwertbeschluss liegt der Bemessung der Quoten des gegenseitigen Obsiegens und Unterliegens für die erste Instanz ein Streitwert von 22.715,- € und für das Berufungsverfahren von 19.000,- € zugrunde, in denen für die Feststellungsklage ein Wert von 2.000,- € enthalten ist. Die durch die Begutachtung des Sachverständigen Dr. SV1 veranlassten Kosten hat nach § 96 ZPO die Beklagten allein zu tragen, weil diese im Ergebnis allein die Haftung der Beklagte dem Grunde nach betreffen und die Beklagte diesbezüglich voll unterlegen ist. Eine Zulassung der Revision war nicht geboten, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Frage, ob für ein konkretes Ereignis die Voraussetzungen für einen Beweises des ersten Anscheines gegeben sind, ist keine Frage von einer über den Fall hinaus reichenden Bedeutung und deshalb nicht als "grundsätzlich" anzusehen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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