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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 24.03.2004
Aktenzeichen: 4 U 54/00
Rechtsgebiete: AMG, BGB


Vorschriften:

AMG § 94
BGB § 823 I
Zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen einer HCV-Infizierung, die durch ein Medikament ausgelöst wurde, das aus menschlichem Spenderblut hergestellt wird.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 54/00

Verkündet am 24.03.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - 4. Zivilsenat - durch ... im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 25. Februar 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilend- und Teilgrundurteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 22. Zivilkammer - vom 10.03.2000 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte mit der am 30.9.1998 eingereichten und am 23.10.1998 zugestellten Klage als Rechtsnachfolgerin der A... AG wegen einer erlittenen Hepatitis C-Infektion auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Die am ... 1969 geborene Klägerin leidet an der seltenen Blutgerinnungsstörung, dem von Willebrand-Jürgens-Syndrom. Dies führt beim Auftreten akuter Verletzungen zu Gerinnungsstörungen, die dann mit Blutgerinnungspräparaten behandelt werden müssen. Nach einer Mandeloperation im Jahre 1973, wobei streitig ist, ob sie damals Fremdblut erhalten hat, und einem Klinikaufenthalt im ... 1976, währenddessen auch bereits Blutsubstitutionen stattgefunden haben, ist die Klägerin seit 1980 durch das ... Zentrum des ...klinikums in O1, Zentrum für ..., betreut worden. Im ... 1984 stürzte die Klägerin im Schwimmbad und zog sich einen Bluterguss zu. Sie wurde deshalb vom bis 1984 in der ...klinik O1 stationär behandelt. In dieser Zeit erhielt sie zum Zweck der Substitution des fehlenden von Willebrand-Faktors insgesamt 17.000 Einheiten XYZ der A... AG. Dieses Medikament wird aus menschlichem Spenderblut, und zwar aus einem Pool von bis zu 10 Spendern, hergestellt. Das Blut bzw. das Medikament wurde bis 1984 nicht hitzesterilisiert. Das der Klägerin verabreichte XYZ stammte aus verschiedenen Produktionschargen. Wenige Tage nach der Klinikentlassung musste die Klägerin sich wieder für einige Wochen in stationäre Behandlung begeben, weil in der am Entlassungstag entnommenen Blutprobe auffällige Leberwerte festgestellt worden waren. Wegen Müdigkeit, Schwäche und Appetitlosigkeit bestand unter anderem der Verdacht einer Non A/Non B-Hepatitis. Die Klägerin verblieb einige Zeit in stationärer Behandlung. In einem für eventuelle Blutungskomplikationen während einer Klassenfahrt der Klägerin in die frühere DDR am ... 1985 verfassten Begleitschreiben hielt die damalige Leiterin der ... Ambulanz, Frau Professor B, fest, bei der Patientin sei es im ... 1984 im Gefolge einer Faktorensubstitution zu einer Non A/Non B-Hepatitis gekommen.

Im Jahr 1986 wurde die Klägerin darüber unterrichtet, dass bei ihr schon 1984 eine HIV-Infektion festgestellt worden war. Die Klägerin beauftragte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung ihrer Ersatzansprüche. Dieser führte am ... 1989 ein Gespräch mit Vertretern der Haftpflichtversicherung der A... AG. Mitschreiben vom ... 1989 dankte die Versicherung für das Gespräch "in dem wir die Sach- und Rechtslage im Zusammenhang mit der HIV-Infektion von Frau C D erörtern durften". Man einigte sich auf eine vorbehaltlose Erledigung im Vergleichswege mit einem Abfindungsbetrag von 75.000,- DM. Dem Schreiben war ein als "Abfindungserklärung in Verbindung mit unserem Schreiben vom ... 1989" überschriebenes Formular beigefügt, das die Klägerin am ... 1989 unterzeichnete. Sie erklärte sich darin für alle Ersatzansprüche gegen die A... gegen Zahlung von 75.000,- DM für abgefunden. Das sollte auch für alle nicht vorhersehbaren Schäden und Spätfolgen gelten. Die Versicherung zahlte die Abfindung an die Klägerin aus.

In der Folgezeit konnte sich die Klägerin entgegen dringenden Ratschlägen ihrer Lehrer und des Schulleiters nicht zu einer akademischen Ausbildung entschließen, obwohl sie im Jahre 19... mit dem besten Notendurchschnitt ihrer Schule das Abitur bestanden hatte. Nach ihrem eigenen Vortrag in der Klageschrift, den der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im zweiten Rechtszug insoweit als missverständlich formuliert bezeichnet hat, hatte sie im Bewusstsein gelebt, in Folge der kombinierten HCV- und HIV-Infektion ohnehin nicht erwachsen werden zu dürfen, so dass die Mühe einer akademischen Ausbildung zwecklos sei. Zugleich entwickelte sich 19... eine Magersucht, in deren Folge eine zwischenzeitliche Gewichtsreduzierung auf 32 Kilogramm eintrat. Sie musste sich, wie sie ebenfalls in der Klageschrift dargelegt hat, regelmäßig auch zur Behandlung der HCV-Infektion (anfangs noch Hepatitis Non A/Non B genannt) in das ...klinikum zur Behandlung begeben. Wichtigster persönlicher Gesprächspartner der Klägerin innerhalb der Zeit seit ihrer HCV-Infizierung war der jetzt in der Schule in O2 tätige Zeuge Dr. med. ... Z1.

Inzwischen ist unstreitig, dass die Klägerin mit dem Hepatitis C-Virus infiziert ist, der bis Ende der 80er Jahre als Hepatitis Non A/Non B-Virus bezeichnet wurde. In einem Schreiben der Frau Prof. B vom ... 1991 an die Klägerin persönlich ist die Diagnose "Zustand nach Hepatitis B und C" aufgeführt, wobei erwähnt wird, dass die Klägerin den Befundbericht erwünscht hat. Ein weiteres Schreiben von Frau Professor B vom ... 1993 an Dr. E, "nachrichtlich an Patientin", enthält u.a. die Diagnose ... "2. Z.n. substitutionsbedingter Hepatitis B und C ...". Im ... 1993 war die Klägerin bei dem Zeugen Dr. Z1 (damals noch Dr. ...) in Behandlung und unterzeichnete unter dem ... 1993 die Einverständniserklärung für die Teilnahme an der europäischen Impfstudie nach HIV-Infektion. Am ... 1993 ergab eine weitere Serumuntersuchung im virologischen Labor der O1 ...klinik einen auffällig hohen Antikörperwert bei "Hepatitis C-Virus-IgG (Elisa)" für die Klägerin. In einer ärztlichen Bescheinigung der Frau Professor B und des Dr. ... zur Vorlage beim Versorgungsamt vom ... 1993 heißt es unter 2.: "Z.n. substitutionsbedingter Hepatitis B und C (Patientin ist potentiell infektiös)" und am Ende weiter: "Außerdem ist der Nachweis von HCV-DNA bei Frau D gelungen. Die Patientin ist damit bezüglich ihrer HCV-Infektion ansteckend."

Im Gutachten des ... F vom ... 1994 zur Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ist ebenfalls der Zustand nach Hepatitis B und C aufgeführt und am Ende der Seite 1 heißt es: "Das Ergebnis wurde der Versicherten mitgeteilt." Zu ihrer damaligen Psyche wird darin festgestellt, sie wirke schwer belastet, andererseits aber auch "ohne Anhalt für formale und inhaltliche Denkstörungen, derzeit keine suizidale Gefährdung" und "hochmotiviert, jedoch voller Zukunftsangst."

Am 1.7.1997 wurde die A... AG auf die G AG verschmolzen.

Mit an die "H GmbH (ehemals A... AG)" adressiertem Schreiben vom ... 1997 teilte die Klägerin mit, sie sei mit dem HCV-Virus infiziert. Die Infektion führe sie auf die von der Anspruchsgegnerin hergestellten Blutprodukte zurück. Sie forderte Schadensersatz und Schmerzensgeld und bat darum, die Haftung dem Grunde nach anzuerkennen. Über die Schadenshöhe könne anschließend verhandelt werden. Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben antwortete die G AG am ... 1997 und verzichtete unter anderem auf die Einrede der Verjährung bis ... 1998, soweit etwaige Ansprüche nicht schon verjährt seien.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug behauptet, weder sie noch ihre Eltern seien 1984 in der ...klinik über das Risiko einer Infizierung mit dem Erreger der Hepatitis C aufgeklärt worden. Die damalige Leiterin der Hämophilieabteilung der O1 er ...klinik, Frau Professor B, habe seinerzeit schon den Verdacht gehegt, dass nicht hitzesterilisierte Blutprodukte mit Viren belastet sein könnten. Sie habe deswegen die Gabe von "HS-Produkten" (hitzesterilisierten Produkten) bevorzugt, sei wegen der damit verbundenen Mehrkosten jedoch Vorwürfen der Krankenkassen ausgesetzt gewesen. Im ... 1984 sei Frau Professor B urlaubsabwesend gewesen und deshalb habe man ihr, der Klägerin, ein nicht hitzesterilisiertes Substitutionsprodukt verabreicht. Weiter hat die Klägerin behauptet, ihre HCV-Infizierung sei durch die Verabreichung der Blutgerinnungspräparate der A... AG in der Zeit vom ... bis ... 1984 verursacht worden. Es gebe keinen Anhaltspunkt für eine andere Infizierungsursache als die Substitutionstherapie vom ... bis ... 1984. Schon vor ... 1984 habe die Möglichkeit bestanden, jegliches Infizierungsrisiko durch Hitzesterilisierung von Blutgerinnungspräparaten auszuschalten. Die Benutzung nicht hitzesterilisierter Präparate sei mit einem aus medizinischer Sicht unvertretbar hohen Risiko der Infizierung der Patienten sowohl mit HIV als auch mit HCV behaftet gewesen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Ersatzansprüche seien nicht verjährt. Sie habe zwar den Verdacht gehegt, dass auch die HCV-Infizierung auf die Substitutionstherapie im ... 1984 zurückzuführen sei. Bestätigt habe sich dieser jedoch erst, als sie weniger als drei Jahre vor Klageerhebung den Brief der Frau Professor B vom 1985 gefunden habe. Diesen Brief habe sie damals nur auf die Klassenfahrt mitgenommen, erinnere sich aber nicht, ihn gelesen zu haben. Sie gehe davon aus, dass sie ihn damals im verschlossenen Umschlag zur Verwendung im Fall einer Verletzung mitgeführt habe. So sie ihn doch gelesen haben sollte, habe sie ihn nach dem Ende der Reise wieder vergessen und sich daran zumindest bis ... 1995 nicht mehr erinnert. Sie habe 1985 ihre gesundheitlichen Angelegenheiten schon weitgehend selbstständig geregelt und deshalb hätten auch ihre Eltern den Brief nicht zur Kenntnis genommen.

Die Klägerin hat ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 200.000,- DM begehrt. Sie hat vorgetragen, durch die HCV-Infektion sei ihre Leber so belastet, dass die üblichen und inzwischen auch durchaus erfolgversprechenden Maßnahmen zur Beherrschung der HIV-Infektion nicht angewandt werden könnten. Die bei HIV-Patienten heute verwendete Gabe eines Medikamentenmixes von bis zu 20 Präparaten am Tag sei bei ihr wegen der damit einhergehenden Leberbelastung ausgesprochen riskant. Sie lebe deshalb in der Annahme einer nur kurzen Lebenserwartung. Das habe ihre psychische Befindlichkeit maßgeblich geprägt und seit 19... zu einer stationär behandlungsbedürftigen Magersucht geführt. Die HCV-Infektion und das Gefühl, nicht erwachsen werden zu dürfen, sei zumindest mitursächlich für die Anorexie gewesen. In der Vorphase der Magersucht hätten sich schon bei dem Anblick des Gebäudes der ...klinik in O1, die sie wegen der HCV-Infektion regelmäßig habe aufsuchen müssen, schmerzhafte Magenkrämpfe und Ängste eingestellt. Schmerzensgelderhöhend müsse sich auswirken, dass die A... AG seinerzeit allein aus Kostengründen auf die Hitzesterilisation verzichtet habe. Die Klägerin, die ihre Ansprüche auf §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 5 AMG sowie auf § 84 AMG stützt, hat die Rechtsauffassung vertreten, durch die Abfindung sei lediglich die Geltendmachung von Ersatzansprüchen für Schäden ausgeschlossen, die ausschließlich mit der HIV-Infizierung im Zusammenhang stünden. Soweit die HCV-Infizierung für Schäden mitursächlich sei, könne sie noch Ersatz verlangen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld in angemessener, vom Gericht festzusetzender Höhe nebst Zinsen ab Klageerhebung in Höhe von 8 %, zumindest jedoch in Höhe von 4 % zu zahlen und

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr Schmerzensgeld zu zahlen und Schadensersatz zu leisten auch für künftige oder sonstige Leiden und Schäden, die verursacht oder mitverursacht sind durch ihre Hepatitis C-Infizierung.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klägerin und ihre Eltern seien 1984 durch die behandelnden Ärzte sehr wohl über das Risiko einer HCV-Infizierung aufgeklärt worden.

Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin könne sich nicht schon zwischen dem ... und 1984 und mithin auch nicht durch die seinerzeitige Gabe von XYZ infiziert haben, weil die Inkubationszeit der Hepatitis C sechs bis zwölf Wochen betrage. Bei der Klägerin seien schon am 1984 Leberwerte festgestellt worden, die auf eine klinische Hepatitis schließen ließen. Es sei eine Vielzahl anderweitiger Infizierungsursachen denkbar, z.B. Bluttransfusionen, infiziertes Krankenhauspersonal, nicht sterile medizinische Instrumente und sogar das Stechen eines Ohrloches. Die Klägerin habe, so hat die Beklagte weiter vorgetragen, selbst angegeben, dass sie mehrfach stationär behandelt worden sei und sich 1981 Ohrlöcher habe stechen lassen. Weiter hat die Beklagte die Auffassung vertreten, das Produkt XYZ sei im Jahre 1984 nicht mit einem unvertretbaren Infizierungsrisiko behaftet gewesen.

Die Beklagte hat die Verjährungseinrede erhoben und behauptet, die Klägerin habe spätestens durch das Begleitschreiben Frau Professor Bs vom 1985 gewusst, dass die HCV-Infizierung durch ein Präparat der A...- AG verursacht worden sein solle. Einem intelligenten Menschen wie der Klägerin könne, wenn sie an Hämophilie leide und mit HIV und HCV infiziert sei, nicht verborgen geblieben sein, dass die Infizierungen mit der Einnahme von Gerinnungspräparaten in Zusammenhang stehen könnten. Es sei nicht denkbar, dass die Klägerin seit 1984 niemals mit den behandelnden Ärzten über die Ursache ihrer HCV-Infizierung gesprochen habe. Dass sie solche Gespräche vielmehr geführt habe, belege der Umstand, dass sie ihr, der Beklagten, die Einsicht in ihre vollständigen Krankenunterlagen verweigert habe.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht Frankfurt festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin Schadensersatz zu leisten und Schmerzensgeld zu zahlen für künftige Nachteile, die durch die Hepatitis C-Infizierung der Klägerin verursacht oder mitverursacht seien. Ferner sei ein Schmerzensgeldanspruch der Klägerin für bisher eingetretene immaterielle Beeinträchtigungen dem Grunde nach gerechtfertigt.

Das Landgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Gemäß § 91 AMG könnten in Arzneimittelhaftungsfällen deliktische Ansprüche neben solchen aus § 84 AMG erhoben werden. Auf die Frage, ob XYZ schon 1984 als Arzneimittel anzusehen gewesen sei, das unvertretbar schädliche Wirkungen gehabt habe, komme es für die Entscheidung des Rechtsstreits deshalb nicht an. Dass die Übertragung des Erregers einer ernsten Erkrankung auch dann als tatbestandliche Gesundheitsverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anzusehen sei, wenn die Krankheit noch nicht zum Ausbruch gekommen ist, sei für das HIV-Virus bereits entschieden worden (BGHZ 114, 284 ff., 289). Nachdem die Beklagte auf die Replik der Klägerin im ersten Rechtszug nicht mehr reagiert habe, sei davon auszugehen, dass das von den A... AG hergestellte und der Klägerin bei dem ersten Klinikaufenthalt im ... 1984 verabreichte XYZ mit Hepatitis C-Viren verseucht gewesen sei und die HCV-Infizierung der Klägerin verursacht habe. Die Klägerin habe in ihrer Replik vor allem auch vorgetragen, dass es in der medizinischen Fachliteratur keine einheitliche Auffassung über die Länge der Inkubationszeit für HCV-Infektionen gebe und dass die Angaben zwischen wenigen Tagen und sechs Monaten schwankten. Da die Beklagte hierzu keine Stellung mehr genommen habe, sei es als unstreitig zu behandeln, dass eine Infizierung durch die Behandlung mit XYZ entgegen der ursprünglichen Darstellung der Beklagten zeitlich durchaus möglich sei. Für die Verursachung der HCV-Infektion durch das XYZ spreche auch ein Anscheinsbeweis. Ausreichende Anhaltspunkte für eine anderweitige Ursache der Infizierung der Klägerin bestünden nicht.

Das Landgericht hat weiter ausgeführt, die Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche der Klägerin seien auch nicht verjährt. Zwar verjährten die deliktischen Ansprüche gemäß § 852 BGB innerhalb von drei Jahren ab dem Zeitpunkt, zu dem die Verletzte von dem Schaden und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt habe. Der Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe bereits 1985 den Begleitbrief Frau Professor B gelesen und seither sei ihr die Infizierungsursache bekannt gewesen, genüge nicht, um die Verjährungseinrede zu begründen. In dem Begleitbrief sei lediglich die Rede davon, es sei bei der Klägerin im Gefolge einer Faktorensubstitution zu einer Non A/Non B-Hepatitis gekommen. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die damals erst 16 Jahre alte Klägerin, so sie den Brief gelesen hätte, damals verstanden habe, dass mit der Faktorensubstitution ihre Behandlung mit XYZ gemeint gewesen sei und dass der Klägerin bekannt gewesen sei, mit welchem Präparat welchen Herstellers sie behandelt worden sei.

Die Beklagte trage an anderer Stelle vor, es sei selbst nach dem heutigen Stand des medizinischen Wissens keineswegs selbstverständlich, dass die Infizierung durch ein Blutprodukt verursacht worden sei. Konsequenterweise verbiete sich dann die Spekulation, Ärzte müssten das, was die Beklagte als nicht dem Stand des Fachwissens entsprechend darstelle, der Klägerin mitgeteilt haben. Aus dem Umstand, dass die Klägerin ihre behandelnden Ärzte nicht von ihrer Schweigepflicht entbunden habe, könne nicht geschlossen werden, dass sie bereits früher als von ihr behauptet die notwendigen Kenntnisse zur Geltendmachung ihrer Ansprüche erlangt habe. Schließlich sei die Klägerin auch nicht wegen des mit der A... AG im Zusammenhang mit ihrer HlV-Infizierung geschlossenen Abfindungsvergleichs gehindert, die Beklagte als deren Rechtsnachfolgerin wegen der HCV-Infizierung in Anspruch zu nehmen. Der damalige Vergleich erfasse keine über die HIV-Infizierung und deren Folgen hinausgehenden Schäden.

Gegen dieses der Beklagten am 10.3.2000 und der Klägerin am 14.3.2000 zugestellte Urteil haben die Beklagte am 10.4.2000 und die Klägerin am 14.4.2000 Berufung eingelegt. Die Klägerin hat die Berufung am 13.6.2000 begründet, und die Beklagte ihre Berufung innerhalb verlängerter Frist am 27.06.2000.

Die Beklagte trägt vor, das eingesetzte Medikament sei im ... 1984 ein sicheres Präparat gewesen und die Inkubationszeit für Hepatitis C liege nicht unter 14 Tagen. Eine therapeutische Alternative habe es damals nicht gegeben. Es stehe im Übrigen fest, dass die Klägerin bereits 1973 anlässlich der Mandeloperation und 1976 nach einem Bluterguss mit Blutprodukten behandelt worden sei. Etwa 40 % aller Hepatitis C-Infektionen träten bei Patienten auf, die nie irgendwelche Blut- oder Blutprodukttransfusionen erhalten hätten und bei denen die Infektion somit auf einer anderen Ursache beruhen müsse. Entgegen der Auffassung des Landgerichts könne sich die Klägerin für die Verursachung ihrer Infizierung nicht auf einen Anscheinsbeweis berufen. Die A... hätten im Jahre 1984 zudem auch offensichtlich nicht rechtswidrig gehandelt, als sie das nichtvirusinaktivierte XYZ trotz der bestehenden und bekannten Infektionsrisiken in den Verkehr gebracht hätten. Zu jener Zeit seien die Erkenntnisse über Hepatitis Non A/Non B und ihre klinischen Folgen noch wesentlich weniger entwickelt gewesen als heute. Das gelte erst recht für die Verabreichung des Produkts im Jahre 1976. Wegen des engen Zusammenhangs zwischen HIV-Infektion und der vermeintlich aus der selben Quelle stammenden Hepatitis-Infektion sei ein etwaiger Schaden im Übrigen im Zusammenhang mit der HIV-Infektion gemäß Schreiben vom 23.03.1989 zu sehen und deswegen mit der "Gesamtabfindung" abgegolten.

Schließlich sei, so trägt die Beklagte weiter vor, entgegen der Auffassung des Landgerichts ein etwaiger Anspruch der Klägerin verjährt. Zu erdrückend sei die Summe der Punkte, aus denen sich ergebe, dass die Klägerin sehr wohl alle zur Klagebegründung aus ihrer Sicht erforderlichen Tatsachen lange vor ... 1995 gekannt habe. Dafür spreche, dass die Klägerin und ihre Eltern vor Beginn der XYZ-gabe im ... 1984 ausdrücklich über die Gefahr einer Non A/Non B-Hepatitis aufgeklärt worden seien (Anlage K 1). Der Verdacht, dass sich das Risiko, über das die Klägerin zu Beginn ihres Krankenhausaufenthalts belehrt worden sei, verwirklicht habe, sei im Verlauf des zweiten Krankenhaus aufenthalts im .../... 1984 von den Ärzten bestätigt worden. Schließlich sei es völlig ausgeschlossen, dass sich nach Bestätigung dieser Diagnose auf der Grundlage des dramatischen Krankheitsverlaufs weder die Klägerin noch ihre Eltern dafür interessiert hätten, was die Ursache dieser diagnostizierten Hepatitis Non A/Non B sei. Deswegen hätten sie auch mit den behandelnden Ärzten darüber gesprochen.

Es sei die Klägerin selbst gewesen, die auf dem zu den Akten gereichten Krankenblatt (Anlage K 3) die handschriftliche Bemerkung von Frau Professor B "Bitte nur HS-Präparate geben" mit einem "zu spät" kommentiert habe. Wenn die Klägerin auf Seite 13 der Klageschrift angebe, der voraussichtliche künftige Leiter des ... Zentrums der schule O2, Herr Dr. ... Z1, sei ihr wichtigster persönlicher Gesprächspartner über die gesamten Erkrankungsjahre seit ihrer HCV-Infizierung gewesen, erscheine es ausgeschlossen, dass sie mit diesem Fachmann nicht über die möglichen Ursachen ihrer vermuteten Hepatitis Non A/Non B-Infektion gesprochen habe. Angesichts der aktiven Begleitung der Klägerin sowohl durch die behandelnden Ärzte als auch durch Dr. Z1 sei nach der Lebenserfahrung ausgeschlossen, dass sie den Brief der Frau Professor B vom ... 1985 entweder gar nicht zur Kenntnis genommen oder gleich wieder vergessen und erst zufällig vor weniger als drei Jahren vor Klageerhebung wiederentdeckt habe. Wenn die Klägerin Ende der 80er Jahre - anwaltlich vertreten - genügend Informationen für eine substantiierte Anspruchsgrundlage gegen die A... AG wegen der HIV-Infektion gehabt habe, so hätte sie unzweifelhaft ebenfalls genügende Informationen über die nach ihrer Auffassung aus dem selben Ereignis entstandene Hepatitis Non A/Non B-Infektion gehabt.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und

2. unter Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Urteils im übrigen Ziffer 1. des Urteilstenors dahingehend abzuändern, dass festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Schadensersatz zu leisten und Schmerzensgeld zu zahlen für künftige oder sonstige Leiden und Schäden der Klägerin, die verursacht oder mitverursacht sind durch ihre Hepatitis C-Infizierung.

Sie rügt mit ihrer Berufung, dass das Landgericht den erstinstanzlich gestellten Antrag insoweit nicht beschieden habe, als Feststellung der Ersatzpflicht für "sonstige" Leiden und Schäden beantragt war. Das Landgericht irre, wenn es im ersten Absatz auf Seite 7 seines Urteils meine, das Weglassen der Formulierung "oder sonstige" aus dem Feststellungstenor stelle nur eine geringfügige redaktionelle Änderung dar. Es übersehe dabei, dass von der weitgefassten Formulierung "oder sonstige" solche Ansprüche eingeschlossen seien, die von der vom Landgericht gewählten Formulierung des Tenors nicht mitumfasst seien. Insbesondere Ansprüche auf Ersatz vergangener, vor der letzten mündlichen Verhandlung eingetretener materieller Schäden seien von der Antragsformulierung der Klägerin erfasst, nicht aber von der vom Landgericht gewählten Formulierung.

Die Klägerin tritt der Berufung der Beklagten entgegen. Sie bestreitet weiterhin, bereits 1973 anlässlich einer Mandeloperation ein Blutprodukt verabreicht erhalten zu haben. Darüber hinaus trägt sie vor, der Einwand der Beklagten, ein virussicheres XYZ sei arzneimittelrechtlich damals noch nicht zugelassen gewesen, sei rechtlich unerheblich. Maßgeblich sei vielmehr, ob der Beklagten der Beweis gelinge, dass es ihr auch bei Anstrengung aller möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht habe gelingen können, anstelle der HCV-verseuchten Medikamente virussichere zu entwickeln und zur Zulassungs- und Vermarktungsreife zu bringen. Hierzu habe die Beklagte nichts Substantiiertes vorgetragen. Mit Nichtwissen bestreitet die Klägerin, dass zum Behandlungszeitpunkt im ... 1984 virussichereXYZe arzneimittelrechtlich nicht zugelassen gewesen seien. Wenn man jedoch mit der Beklagten von der unrichtigen Annahme ausgehe, dass sichere Medikamente damals nicht zur Verfügung gestanden hätten, so würde die Beklagte gleichwohl unter dem Gesichtspunkt des Instruktionsfehlers haften, denn sie hätte dann darauf hinweisen müssen, was jedoch nicht geschehen sei. Hätten die A... darauf hingewiesen, wäre auf die Medikamentenverabreichung 1976 und 1984 verzichtet worden. Die Verjährungseinrede greife schon deshalb nicht, weil die Beklagte nicht denjenigen Kenntnisstand der Klägerin bzw. ihrer Eltern in verjährter Zeit behauptet habe, auf den der Bundesgerichtshof in Fällen der Arzneimittelprodukthaftung und in Fällen der Instruktionshaftung abstelle. Soweit in der Klageschrift auf Seite 13 von der HCV-Infektion der Klägerin gesprochen werde, bedeute dies nicht, dass sie schon 1988 gewusst habe, dass sie eine HCV-Infektion habe und diese Mitursache ihres schlechten Befindens sei. Insoweit erklärt ihr Prozessbevollmächtigter, wie oben dargelegt, er habe missverständlich formuliert.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und inhaltlich vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Unterlagen, Bezug genommen.

Weiterhin wird auf die vom Senat auf Antrag der Beklagten gemäß § 142 ZPO beigezogenen Unterlagen des ...klinikums O1 verwiesen.

Der Senat hat die Klägerin persönlich angehört.

Außerdem hat er gemäß Beweisbeschluss vom 13.11.2002 Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, es sei ausgeschlossen, dass die Klägerin mit ihrem wichtigsten Gesprächspartner über die gesamten Jahre seit ihrer HCV-Infizierung nicht auch über die Ursachen ihrer Hepatitis Non A/Non B (bzw. später Hepatitis C)-Infizierung gesprochen hat und sie bereits mehr als drei Jahre vor Einreichung der Klage über alle wesentlichen Zusammenhänge für eine mögliche Inanspruchnahme der Beklagten informiert gewesen sei, durch Vernehmung des Zeugen Dr. ... Z1. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2003 vor dem Senat Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die geltend gemachten etwaigen Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz wegen ihrer HCV-Infizierung sind ungeachtet der Frage, ob solche Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB hergeleitet werden können, worauf das Landgericht abgestellt hat, oder aus § 94 AMG, verjährt (§ 852 Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 90 AMG). Nach beiden Vorschriften verjähren Ansprüche auf Schadensersatz in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte bzw. der Ersatzberechtigte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt; nach § 90 AMG ist zusätzlich Kenntnis von den Umständen erforderlich, aus denen sich die An-spruchsberechtigung ergibt. Nicht notwendig ist, dass der Geschädigte die Entstehung eines Schadens in seinen einzelnen Elementen und Ausprägungen überschaut. Für Schäden, die auf der Anwendung von Arzneimitteln beruhen, ist weiterhin erforderlich, dass dem Ersatzberechtigten die Umstände bekannt sind, die den Schluss tragen, dass die schädlichen Wirkungen im Verhältnis zu dem Nutzen einer bestimmungsgemäßen Anwendung nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft unvertretbar sind (BGH NJW 1991, 2351 f., 2352).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, dem Inhalt des Parteivortrags und den Krankenunterlagen hat die Klägerin die hiernach erforderlichen Kenntnisse zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches wegen der HCV-Infizierung spätestens im Zeitraum von 1993 bis zum Ende der ersten Jahreshälfte des Jahres 1994 und damit mehr als 3 Jahre vor Verschmelzung der A... AG auf die Beklagte sowie mehr als drei Jahre vor dem Verzicht der Beklagten auf die Einrede der Verjährung erhalten.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sie diese Kenntnisse aus dem Schreiben Frau Professor B vom ... 1985 bereits hätte entnehmen können und ob sie dieses Schreiben mehr als drei Jahre vor dem Verzicht der Beklagten auf die Einrede der Verjährung überhaupt gelesen und seinen Inhalt in Erinnerung behalten hat. Ebenso kann offen bleiben, ob sie das an sie gerichtete Schreiben Frau Professor B vom ... 1991 und das nachrichtlich auch an sie gerichtete Schreiben Frau Professor B vom ... 1993 an Dr. E erhalten und zur Kenntnis genommen hat. Jedenfalls aber steht aufgrund dieser Schreiben sowie der ärztlichen Befundmitteilung des Klinikums der... O1 (Dr. Z2) vom ... 1993 und schließlich auch der von Frau Professor B und dem Zeugen Dr. Z1 (damals noch Dr. ...) erstellten ärztlichen Bescheinigung zur Vorlage beim Versorgungsamt vom ... 1993 fest, dass die Diagnose einer HCV-Infizierung der Klägerin in diesem Zeitraum bereits endgültig abgesichert war. In der zuletzt genannten Bescheinigung Frau Professor B und des Zeugen Dr. Z1 vom ... 1993 heißt es unter anderem, es sei außerdem der Nachweis von HCV-DNA bei der Klägerin gelungen. Die Patientin sei damit potentiell bezüglich ihrer HCV-Infektion ansteckend.

Von diesen objektiv feststehenden Erkenntnissen hat der Zeuge Dr. Z1 nach seiner glaubhaften Aussage die Klägerin auch in Kenntnis gesetzt. Dies ist jedenfalls vor dem ... 1994 erfolgt. Der Zeuge war sich sicher, der Klägerin seinerzeit die Diagnose Hepatitis C gestellt und sie ihr mitgeteilt zu haben sowie ihr auch gesagt zu haben, dass die Erkrankung wahrscheinlich auf die frühere Gabe von Blutprodukten zurückzuführen sei. Zwar habe er sicherlich nicht erklärt, dass es sich bei dem Hochkonzentrat um ein "falsches Medikament" gehandelt habe, denn die Gabe des Konzentrats sei medizinisch indiziert gewesen. Er habe ihr aber auch gesagt, dass es sich nach seiner Überzeugung um verseuchte, d.h. kontaminierte Blutprodukte gehandelt habe. Diese Informationen habe er ihr auch eher in der ersten Hälfte seines nach seiner Aussage in Verbindung mit den beigezogenen Krankenunterlagen von November 1992 bis Ende 1995 dauernden Behandlungszeitraums erteilt. Zwar war sich der Zeuge hinsichtlich des Zeitpunkts des Beginns seiner Behandlung der Klägerin zunächst nicht mehr ganz sicher, wenn er anfänglich meinte, die Klägerin erst seit 1994 zu kennen. Auf Vorhalt hat er dann aber bekundet, sie auch einige Zeit vor dem Jahr 1994 bereits behandelt zu haben. Letzteres hat sich durch die schriftlich beigezogenen Unterlagen des ...klinikums O1, unter anderem die Einverständniserklärung der Klägerin zur Teilnahme an einer Impfstudie vom 1993, nunmehr bestätigt. Der Senat ist schon wegen der festgestellten Ansteckungsgefahr davon überzeugt, dass der Zeuge als der von der Klägerin bezeichnete wichtigste Gesprächspartner ihr diese Informationen vor dem Bericht an das Versorgungsamt im Jahre 1993 erteilt hat.

Über die Behandlung der Klägerin im Sommer 1984 sei er, der Zeuge, durch die Klägerin und Frau Professor B, die seine Chefin war, unterrichtet gewesen. Von Frau Professor B habe er auch gewusst, um welches Präparat es sich gehandelt habe. Frau Prof. B und er, der Zeuge, hätten seinerzeit die Krankenunterlagen der ...ambulanz daraufhin überprüft, welche Patienten nach welchen Gaben von Bluthochkonzentraten erkrankt waren. Aus medizinischer Sicht sei es ihnen klar gewesen, dass die Infektion der Klägerin auf die Gabe von Bluthochkonzentrat im Sommer 1984 zurückzuführen war. Glaubhaft hat er hinzugefügt, das sei mit der Klägerin auch so erörtert worden, und er denke schon, dass die Klägerin seine Hinweise verstanden habe. Auf Wunsch der Klägerin, so hat der Zeuge nämlich weiter glaubhaft ausgeführt, hätten sie gemeinsam in die Krankenunterlagen geschaut. Dies deckt sich mit den eigenen Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 2001, als sie auf die Frage des Gerichts antwortete, sie habe ihre Hepatitis C-Erkrankung aus ihren Krankenunterlagen in Verbindung mit Hinweisen von Mitpatienten entnommen. Dies sei etwa 1993/1994 gewesen.

Auf weiteres Nachfragen hat sie danach zwar zunächst angegeben, bis 1997 habe ihr niemand gesagt, dass sie mit Hepatitis Non A/Non B infiziert sei. "Klarstellend" hat sie jedoch erklärt, dass der Zeuge Dr. Z1 sie auf diese Infektion hingewiesen habe und dies etwa 1994 gewesen sei. Soweit die Klägerin dann aber noch hinzugefügt hat, der Arzt habe allerdings "nicht direkt" gesagt, dass sie an einer Hepatitis Non A/Non B leide, und in der mündlichen Verhandlung am 23.10.2002 im Widerspruch zu ihrer früheren Erklärung angibt, erst im Zusammenhang mit dem vorliegenden Rechtsstreit, also nicht vor 1997, in die Krankenunterlagen Einsicht genommen zu haben, ist dies nach der glaubhaften und detaillierten Aussage des Zeugen Dr. Z1, die mit den ersten Erklärungen der Klägerin übereinstimmt, widerlegt. Sowohl nach den zitierten eigenen Äußerungen der Klägerin und der Bezeichnung des Zeugen als ihr damals wichtigster Gesprächspartner als auch nach der glaub haften Aussage des Zeugen erscheint es ausgeschlossen, dass dieser nicht sofort im Jahre 1993 mit der Klägerin die HCV-Erkrankung und ihre Ursachen sowie besonders die damit verbundene Ansteckungsgefahr erörtert hat. Dass die wesentlichen Gespräche mit der Klägerin 1993 bis spätestens Juni 1994 geführt worden sind, bestätigt letztlich auch das Gutachten des ... F vom ... 1994, dessen Ergebnis der Klägerin mitgeteilt worden und in dem die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin unter anderem auch bereits auf den Zustand nach Hepatitis B und C gestützt ist.

Der nunmehr erhobene Einwand der Klägerin, in den Gesprächen mit dem Zeugen Dr. Z1 habe die HIV- Erkrankung dermaßen im Vordergrund gestanden, dass ihr die Aufklärung über die Hepatitis C nicht bewusst geworden sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar hat der Zeuge bekundet, im Zentrum seiner Gespräche mit der Klägerin habe ihre HIV-Infektion gestanden und im Hinblick darauf habe die HCV-Erkrankung nur am Rande Bedeutung gehabt. Die HCV-Infektion sei praktisch unter die HIV-Infektion subsumiert worden. Dies bedeute jedoch nicht, dass man die HCV-Infektion ärztlich auf die leichte Schulter genommen habe. Auf Nachfrage hat er auch ausdrücklich klargestellt, es sei nicht richtig, dass "nur" im Hinblick auf die HIV-Infektion über die Gabe von Blutpräparaten gesprochen worden sei. Nach seinen Angaben, die sich ebenfalls mit dem ursprünglichen eigenen Vortrag der Klägerin in der Klageschrift - mag er auch von ihrem Prozessbevollmächtigten in zweiter Instanz als missverständlich formuliert bezeichnet worden sein - und ihren Erklärungen vor dem Senat vom 28.2.2001 decken, hat sie die Problematik der HCV-Infektion intellektuell verstanden; lediglich psychisch habe diese keine Rolle gespielt, weil sie von dem HIV-Thema so besetzt gewesen sei, dass der Zeuge die Frage des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, ob er es für möglich halte, dass sie bezüglich des HCV-Themas nichts mitbekommen habe, mit den Worten bejahte: "Das war sicher so." Soweit die Klägerin daraus unter Hinweis auf eine Entscheidung des OLG Naumburg vom 14.8.2001 (OLG-Report Naumburg 2002,16) ableiten will, ihr habe deswegen die notwendige Kenntnis über die Ursache ihrer Erkrankung im Sinne des § 852 Abs. 1 BGB a.F. gefehlt, weil Äußerungen, auch wenn sie gefallen sein sollten, nicht dergestalt in ihr Bewusstsein gelangt seien, dass von einer positiven Kenntnis gesprochen werden könne, trifft dies dennoch bei ihr gerade nicht zu. Zum einen hat die Klägerin ursprünglich selbst unter Berufung auf ihren damals wichtigsten Gesprächspartner Dr. med. ... Z1 als Zeugen vortragen lassen, dass sie die HCV-Infizierung neben der HIV-Infektion schwer seelisch und körperlich belastet habe und nicht zuletzt damit die Höhe des verlangten Schmerzensgeldes begründet, so dass insoweit auch von einer missverständlichen Formulierung ihres Prozessbevollmächtigten keine Rede sein kann. Zum anderen hat sie, wie bereits ausgeführt, in der mündlichen Verhandlung am 28.2.2001 zunächst selbst eingeräumt, im Zeitraum 1993-94 aus den Krankenunterlagen sowie den Hinweisen von Mitpatienten und des Zeugen die Kenntnis über ihre Hepatitis C erlangt zu haben. Der Sachverhalt ist auch insofern nicht mit dem der Entscheidung des OLG Naumburg vergleichbar, als die Klägerin hier über einen längeren Zeitraum von einem Arzt, dem sie nach eigenen Worten vertraut und mit dem sie alles besprochen hat, persönlich beraten worden ist. Danach mag es zwar zutreffen, dass sich die Klägerin, wie sie ihrem Prozessbevollmächtigten nach dessen ergänzenden Angaben im Termin vom 28.2.2001, unmittelbar vor der damaligen Senatsverhandlung erklärt hat, wegen ihrer Beschäftigung mit der HIV-Erkrankung "um andere Dinge" - und sei es auch die Hepatitis Erkrankung - "weniger Gedanken gemacht" hat. Die Kenntnis von der daneben bestehenden Hepatitis-Erkrankung und ihren Ursachen hat ihr damit aber nach ihrem eigenen Vortrag gerade nicht gefehlt. Entgegen den heutigen Angaben der Klägerin ist der Senat nach dem von ihr und dem Zeugen gewonnenen persönlichen Eindruck sowie nach dem Inhalt der Krankenunterlagen auch der Überzeugung, dass die ausweislich ihres glänzenden Abiturs hochintelligente Klägerin an allen Erkenntnissen über ihre Erkrankung sehr interessiert war. Dies folgt sowohl aus ihrem bereits am ... 1993 erklärten Einverständnis zur Teilnahme an einer HIV-Impfstudie, bei der Dr. Z1 bereits als ihr jederzeit für die Beantwortung aller Fragen zur Verfügung stehender Ansprechpartner genannt wird, als auch aus dem bereits zitierten ...-Gutachten vom ... 1994, in dem es zu ihrer psychischen Befindlichkeit heißt, dass sie zwar schwer belastet wirke, jedoch ohne Anhalt für formale und inhaltliche Denkstörungen, und in dem sie weiter als hochmotiviert, jedoch voller Zukunftsangst bezeichnet wird.

Dass sie sich für den Nachweis der HCV-DNA und ihre potentiell ansteckende HCV-Infektion und deren Ursache trotz der Erklärungen des Zeugen nicht interessiert haben könnte, ist deshalb bei zusammenfassender Würdigung ihrer eigenen Angaben und der gesamten Beweisaufnahme ausgeschlossen. Soweit ihr Prozessbevollmächtigter darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin entgegen dem Wortlaut der Belehrung zu der Impfstudie auch deren Inhalt nicht verstanden habe, ist dies nach dem von der hochintelligenten Klägerin gewonnenen Eindruck und durch die Angaben des Zeugen ebenfalls widerlegt. Der Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.3.2003 (BGH NJW 2003, 2012 ff.) vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern, denn der Sachverhalt, der der zitierten Entscheidung zu Grunde gelegen hat, betraf eine formularmäßige Belehrung eines unmittelbar vor einer Operation stehenden Patienten über einen komplizierten Eingriff und ist somit ebenfalls nicht vergleichbar mit der hier vorliegenden Situation, in der die Klägerin, wie bereits ausgeführt, über einen längeren Zeitraum von einem Arzt, dem sie vertraut und mit dem sie alles besprochen hat, persönlich beraten worden ist.

Anders als in dem der sogenannten ...-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.03.1991 (BGH NJW 1991, 2351, 2352) zugrunde liegenden Sachverhalt kommt es hier auch nicht auf eine Kenntnis der Klägerin an, ob im Jahre 1984 die schädlichen Wirkungen des Bluthochkonzentrats als Medikament im Verhältnis zu dem Nutzen einer bestimmungsgemäßen Anwendung nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft generell unvertretbar waren. Der Zeuge hat insoweit bekundet, dass er mit der Klägerin über die Vertretbarkeit der Gabe von Bluthochkonzentraten gesprochen habe sowie darüber, dass dazu im Jahre 1994 bessere Erkenntnisse vorlagen. Er hat aber auch angegeben, dass man bereits 1984 in der ...klinik bemüht gewesen sei, nur noch Hepatitis C-sichere Präparate zu verabreichen und die nicht sicheren entfernt worden seien.

Die Klägerin habe jedoch noch ein in der Notaufnahme vorhandenes nicht sicheres Präparat erhalten. Hiernach ist es, ohne dass es insoweit auf eine Schaden-/Nutzenanalyse ankäme, im Jahre 1984 nicht mehr vertretbar gewesen, ein tatsächlich verseuchtes Blutprodukt zur Anwendung zu bringen, wie auch die Anmerkung Frau Professor B "bitte nur HS-Präparate geben !" in den Krankenunterlagen der Klägerin aus dem ... 1984 (Anlage K3) bestätigt. Diese Unterlagen sind der Klägerin, wie oben ausgeführt, spätestens durch Dr. Z1 bekannt geworden.

Damit ist die Klägerin auch darüber unterrichtet gewesen, dass die angenommene Verursachung durch ein Blutprodukt der Rechtsvorgängerin der Beklagten sowie die Anwendung eines verseuchten Produkts im Jahre 1984 bereits nicht mehr dem damaligen Wissensstand entsprochen hat. Wer ihr Anspruchsgegner war, wusste die Klägerin bereits selbst, weil sie ja schon die Entschädigung wegen ihrer HIV-Infektion von der Versicherung der A... AG erhalten hatte.

Nach allem hat die Klägerin jedenfalls mehr als drei Jahre vor der Verschmelzung der A... AG auf die Beklagte und deren Verzicht auf die Einrede der Verjährung bereits alle wesentlichen Umstände gekannt, die sowohl nach § 823 Abs. 1 BGB als auch nach § 84 AMG eine erfolgversprechende Klage gegen die Beklagte ermöglicht hätte. Die Klägerin hätte deswegen bereits mehr als drei Jahre vor der Verschmelzung der A... AG auf die Beklagte gegen diese die Klage erheben können. Zum Zeitpunkt der Verschmelzung der A... AG auf die Beklagte am ... 1997 und deren Verzicht auf die Einrede der Verjährung für die weitere Zeit bis 30.9.1998 waren die nunmehr geltend gemachten Ansprüche der Klägerin deswegen bereits verjährt. Da sich die Beklagte darauf beruft und auch keine Umstände ersichtlich sind, dass ihr dies nach Treu und Glauben verwehrt wäre, ist die Klage als unbegründet abzuweisen. Das angefochtene Urteil ist auf die Berufung der Beklagten entsprechend abzuändern und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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