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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 07.08.2007
Aktenzeichen: 4 U 61/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 148 | |
ZPO § 240 | |
ZPO § 301 |
Gründe:
Die Kläger nehmen die Beklagten zu 1) - 5) wegen Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage in Anspruch. In Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 22.11.2006 über das Vermögen des Beklagten zu 1) ist das gegen diesen geführte Klageverfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden. Das Landgericht hat daraufhin das Verfahren gegen die übrigen Beklagten weitergeführt und mit Teilurteil vom 23.02.2007 unter Abweisung der gegen den Beklagten zu 5) geführten Klage die Beklagten zu 2) - 4) als Gesamtschuldner antragsgemäß verurteilt. Während des von diesen gegen die entgangene Entscheidung geführten Berufungsverfahrens hat das Landgericht Frankfurt am 26.06.2007 dem Senat mitgeteilt, dass das gegen den Beklagten zu 1) geführte Verfahren gemäß § 184 S. 2 InsO wieder aufgenommen worden ist. Der daraufhin vom Senat angeregten Aussetzung des Rechtsmittelverfahrens haben die Kläger und der Beklagte zu 4) zugestimmt, die Beklagten zu 2) und 3) jedoch widersprochen.
Das Berufungsverfahren ist gemäß § 148 ZPO analog auszusetzen. Zwar ist den Beklagten zu 2) und 3) darin zuzustimmen, dass der noch in erster Instanz rechtshängige Teil des Verfahrens (die gegen den Beklagten zu 1. geführte Schadensersatzklage) für den Ausgang des hiesigen Berufungsverfahrens keineswegs vorgreiflich in dem Sinne ist, dass in dem noch in erster Instanz anhängigen Teil über ein Rechtsverhältnis entschieden wird, dessen Bestehen für das vorliegende Berufungsverfahren präjudizielle Bedeutung hat. Daher verbietet sich eine unmittelbare Anwendung des § 148 ZPO.
Jedoch ist in der hier gegebenen besonderen Verfahrenssituation ein Lückenschluss durch eine analoge Anwendung des § 148 ZPO im Hinblick auf die von dieser Vorschrift bezweckte Entscheidungsharmonie (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 148 Rn. 1) geboten.
Es besteht betreffend die Verfahrensaussetzung eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Lücke, wenn im Rahmen einer von den Klägern auf einen gemeinschaftlich begangenen Anlagebetrug gestützten Schadensersatzklage gegen mehrere Beklagte das erstinstanzliche Verfahren gegen einen Beklagten wegen Insolvenz unterbrochen, das gegen die übrigen Beklagten erlassene Teilurteil in die Rechtsmittelinstanz getragen und währenddessen der noch in der ersten Instanz anhängige Teil wieder aufgenommen worden ist.
Wird die Klage über einen Anspruch gegen mehrere Personen erhoben, darf sich ein Gericht grundsätzlich nicht auf ein Prozessrechtsverhältnis beschränken und gleichzeitig über das andere vorab durch Teilurteil entscheiden (BGH MDR 2003, 467). Ein Teilurteil darf grundsätzlich nur dann ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so dass die Gefahr widerstreitender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn - wie hier bezüglich des Beklagten zu 1) - über das Vermögen eines einfachen Streitgenossen das Insolvenzverfahren eröffnet und deshalb gemäß § 240 ZPO das Verfahren insoweit unterbrochen worden ist (BGH a. a. O.). In diesen Fällen lässt der Bundesgerichtshof die abstrakte Gefahr von widersprüchlichen Entscheidungen gegenüber dem Anspruch der übrigen Prozessbeteiligten auf effektiven Rechtsschutz angesichts der nicht absehbaren Dauer der Verfahrensunterbrechung zurücktreten. Anders, so allerdings der BGH einschränkend, sei es zu beurteilen, wenn Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass das unterbrochene Verfahren alsbald fortgesetzt werde (BGH, a. a. O., Seite 468).
Ist danach eine abgetrennte Entscheidung gegen einen Beklagten bei einem gegen mehrere Beklagten geführten Verfahren nur ausnahmsweise zulässig, folgt daraus die Pflicht des verfahrensleitenden Gerichts zur Vermeidung widerstreitender Entscheidungen durch geeignete prozessleitende Maßnahmen die Entscheidungsharmonie zu gewährleisten. Ein zur Herstellung der Entscheidungsharmonie maßgebliches Instrumentarium stellen die Vorschriften über die Verfahrensaussetzung ( §§ 148 ff ZPO ) dar.
Ist das erstinstanzliche Verfahren nach einer nur einen Beklagten betreffenden Verfahrensunterbrechung tatsächlich wieder aufgenommen und fortgesetzt worden, so kann die gebotene Einheitlichkeit der Entscheidung mit dem bereits in der Berufungsinstanz befindlichen Verfahrensteil nur durch die Aussetzung des Rechtsmittelverfahrens gemäß § 148 ZPO analog gewährleistet werden.
Es ist dem Senat verwehrt, über den noch in der ersten Instanz anhängigen Streitteil mit zu entscheiden, weil die Voraussetzungen für ein ausnahmsweise zulässiges sogenanntes "Heraufziehen des Restes" (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 301 Rn. 12 a. E.) nicht vorliegen. Weder war der Erlass des Teilurteils durch das Landgericht unzulässig, noch liegt ein Einverständnis der Parteien mit der Entscheidung durch das Berufungsgericht vor, weil der Beklagte zu 1) nicht Partei des Rechtsmittelsverfahrens ist. Eine Ausdehnung der Möglichkeiten des "Heraufziehens" auf die hier vorliegende Situation kommt nicht in Betracht, weil dem Beklagte zu 1) im Hinblick auf seinen grundgesetzlich geschützten Anspruch auf effektiven Rechtschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) ohne sein Einverständnis nicht eine Tatsacheninstanz genommen werden darf.
Die sich dadurch ergebende Lücke kann somit allein durch eine analoge Anwendung des § 148 ZPO geschlossen werden. Zwar bleibt die Gefahr widerstreitender Interessen durchaus bestehen, weil die an dem in erster Instanz noch anhängigen Verfahrensteil beteiligten Parteien nicht gezwungen werden können, den Rechtsstreit in die zweite Instanz zu tragen. Die Aussetzung des von den Beklagten zu 2) bis 4) geführten Berufungsverfahrens eröffnet diesen aber die Möglichkeit, durch Einlegung eines Rechtsmittels gegen die zu erwartende erstinstanzliche Entscheidung eine einheitliche Entscheidung des Rechtsstreits herbeizuführen.
Es war daher nach alledem wie geschehen das Berufungsverfahren auszusetzen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Ende der Entscheidung
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