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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 17.08.2007
Aktenzeichen: 4 W 41/07
Rechtsgebiete: StPO, ZPO


Vorschriften:

StPO § 403
ZPO § 114
1. Keine Mutwilligkeit der Schadensersatzklage vor dem Zivilgericht, wenn die Antragstellerin als Nebenklägerin die Möglichkeit des Adhäsionsverfahrens im Rahmen des gegen den einzigen Antragsgegner geführten Strafverfahren nicht genutzt hat.

2. Zur Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung wegen zweifelhafter Vollstreckungsaussichten


Gründe:

Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für die gegen die Antragsgegnerin zu 2. beabsichtigte Klage auf Schadensersatz wegen Unterschlagung. Das Landgericht Limburg hat mit Beschluss vom 22.05.2007 die Prozesskostenhilfe verweigert, weil wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung die beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Außerdem sei - so das Landgericht weiter - die Klage im Hinblick auf die fehlende Vollstreckungsmöglichkeit bei der Beklagten zu 2. mutwillig.

Die Antragstellerin hat gegen die ihr am 29.05.2007 zugestellte Entscheidung am 06.06.2007 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Landgericht mit Beschluss vom 29.06.2007 nicht abgeholfen hat.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere binnen der in § 127 Abs. 3 ZPO bestimmten Monatsfrist eingelegt worden. In der Sache führt die sofortige Beschwerde in Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Limburg vom 22.05.2007 zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2. auf Schadensersatz wegen Unterschlagung in Höhe von 4.397,11 €.

Die beabsichtigte Klage bietet eine hinreichende Aussicht auf Erfolg, die sich aus der rechtskräftigen Verurteilung der Antragsgegnerin zu 2. wegen Unterschlagung durch die 1. Große Jugendkammer des Landgerichts Limburg (4 Js 5099.5/00 - 1 KLs) ergibt. Der strafrechtlichen Verurteilung liegen unter anderem die hier streitgegenständlichen Vorgänge zugrunde.

Die Erfolgsaussicht der angestrengten Klage scheitert nicht an der von der Antragsgegnerin zu 2. erhobenen Verjährungseinrede. Zwar ist der Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung zwischenzeitlich verjährt. Die gemäß § 852 Abs. 1 BGB a. F. maßgebliche und gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB am 31.05.2000 beginnende dreijährige Verjährungsfrist war zum 31.05.2003 abgelaufen. Jedoch bleibt die Antragsgegnerin zu 2. auch nach Vollendung der Verjährung gemäß § 852 Abs. 3 BGB a. F. zur Herausgabe des erlangten Geldes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet.

Da wie schon § 852 Abs. 3 BGB a. F. jetzt § 852 BGB n. F. dem Deliktsopfer damit einen Bereicherungsanspruch gewährt, dessen nach dem neu eingefügten Satz 2 eine vom Deliktsrecht unabhängige eigene zehnjährige Verjährungsfrist im vorliegenden Fall noch nicht abgelaufen ist, kann hier dahingestellt bleiben, ob der maßgebliche Erstattungsanspruch nach altem oder neuem Recht zu beurteilen ist.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin ist entgegen der vom Landgericht im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung nicht mutwillig im Sinne des § 114 ZPO. Die Mutwilligkeit kann weder mit der der Antragstellerin eröffneten Möglichkeit der Verfolgung ihrer Schadensersatzansprüche im Wege eines Adhäsionsverfahrens im Rahmen des gegen die Antragsgegnerin zu 2) geführten Strafverfahrens noch mit der Vermögenslosigkeit der Antragsgegnerin zu 2. und den darin begründeten zweifelhaften Vollstreckungsaussichten begründet werden.

Mutwilligkeit liegt dann vor, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 114 Rn. 30). Mutwillig handelt danach, wer den kostspieligeren von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen beschreitet (Zöller/Philippi, a. a. O., Rn. 34).

Vorliegend hat die Antragstellerin neben der Möglichkeit, ihre Schadensersatzansprüche im Rahmen eines Zivilverfahrens geltend zu machen, auch die Möglichkeit gehabt, dies im Wege eines Adhäsionsverfahrens im Rahmen des Strafverfahrens zu tun. Wenn die Antragstellerin von diesen beiden Möglichkeiten nun aber den Weg des Zivilverfahrens wählt, so erscheint dies nicht mutwillig. Denn eine verständige Partei ohne Prozesskostenhilfe würde ihre Rechte nicht zwingend und ohne weiteres im Wege des Adhäsionsverfahrens verfolgen.

Zwar wäre das Adhäsionsverfahren zunächst kostengünstiger gewesen. Das Adhäsionsverfahren trägt aber das - in der Praxis große (Meyer/Goßner, Strafprozessordnung, vor § 403 Rn. 1, 2) - Risiko in sich, dass das mit der Sache befasste Strafgericht nach § 405 S. 2 StPO von einer Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch absieht, weil sich der Antrag zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft vorliegend keinen Hinweis gemäß § 403 Abs. 2 StPO erteilt hatte, deutet darauf hin, dass die Strafkammer des Landgerichts Limburg hier ebenfalls von einer Entscheidung abgesehen hätte.

Außerdem erhöht sich das Kostenrisiko der Antragstellerin, wenn das Strafurteil mit samt der Entscheidung über den Entschädigungsanspruch vom Angeklagten und/oder der Staatsanwaltschaft angefochten und aufgehoben werden würde. Würde die Antragstellerin danach gleichwohl noch das Zivilverfahren durchlaufen, hätte sie letztendlich das Kostenrisiko für vier Instanzen zu tragen.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass in den beiden Verfahrensalternativen unterschiedliche Prozeßmaximen gelten, die in prozessualer Hinsicht für die Antragstellerin durchaus von Bedeutung sein können. Während im Zivilverfahren die Dispositionsmaxime gilt, ist das Adhäsionsverfahren nach den Grundsätzen der Strafprozessordnung durchzuführen und damit der Amtsermittlungsgrundsatz des § 244 Abs. 2 StPO zu beachten. Damit ist im Adhäsionsverfahren ein Anerkenntnisurteil ebenso ausgeschlossen wie ein Versäumnisurteil; die Möglichkeit eines Vergleichs ist zumindest zweifelhaft (vgl. BGH NJW 1991, 1244). Auch gilt die Geständniswirkung des § 288 ZPO nicht (Meyer/Goßner, a. a. O., § 404 Rn. 10).

Nach alledem kann es im Ergebnis nicht als mutwillig angesehen werden, wenn ein Antragsteller, dem sowohl das Adhäsionsverfahren als auch das Zivilverfahren offen stehen, sich zur Verfolgung seiner Rechte für das Zivilverfahren entscheidet.

Die Antragstellerin kann entgegen der vom Landgericht im Nichtabhilfebeschluss vom 28.06.2007 vertretenen Auffassung auch nicht darauf verwiesen werden, dass sie sich im Rahmen der zu verhängenden Bewährungsauflagen um die Gewährleistung und Durchsetzung ihrer zivilrechtlichen Entschädigung hätte kümmern müssen. Der Antragstellerin kann insoweit nicht vorgehalten werden, sich im Strafverfahren nicht hinreichend um die Durchsetzung ihrer zivilrechtlichen Ansprüche bemüht zu haben, weil sie als Nebenklägerin im Strafverfahren die Bewährungsauflagen nicht zu bestimmen hat.

Die Rechtsverfolgung ist auch nicht wegen zweifelhafter Vollstreckungsaussichten mutwillig. Zwar ist allgemein anerkannt, dass Prozesskostenhilfe zu versagen ist, wenn feststeht, dass die Vollstreckung aus dem angestrebten Titel endgültig oder jedenfalls auf absehbare Zeit aussichtslos ist (Zöller/Philippi, a. a. O., Rn. 29, Musielak - Fischer, ZPO, 4. Aufl., § 114 Rn. 41, OLG Hamm NJW-RR 2005, 723 m. w. N.). Dabei kann dahinstehen, ob diese Frage bereits im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten (so Zöller/Philippi, a. a. O., § 114 Rn. 29) oder erst bei der Frage, ob die Rechtsverfolgung mutwillig erscheint, zu erörtern ist (so Wax in Münchner Kommentar, ZPO, 2. Aufl., § 114 Rn. 102). Am Prüfungsmaßstab ändert sich dadurch nichts. An die insoweit zu treffende Prognose sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Prozesskostenhilfe ist wegen fehlender Vollstreckungsaussichten nur dann zu versagen, wenn die Aussichtslosigkeit der Vollstreckung endgültig bzw. dauernd oder zumindest auf unabsehbare Zeit feststeht und dem Gläubiger kein Rechtsnachteil zum Beispiel durch Verjährung oder durch Zeitablauf bedingte Beweisschwierigkeiten droht (OLG Düsseldorf, Juristisches Büro 2004, 147).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar verfügt die zurzeit 66-jährige Antragsgegnerin zu 2. lediglich über eine monatliche Rente in Höhe von 393,- € und bezieht darüber hinaus Leistungen nach SGB XII in Höhe von monatlich 354,07 €. Auch ist auf Grund des Alters der Antragsgegnerin in absehbarer Zeit nicht mit einer veränderten Einkommenssituation, insbesondere zusätzlichen Einkünften aus Erwerbstätigkeit, zu rechnen. Gleichwohl kann eine sichere Vorhersage, dass die Vollstreckung eines Titels auch künftig aussichtslos sein wird, nicht getroffen werden, weil ein Vermögenserwerb in sonstiger Weise (z. B. infolge Erbschaft, Schenkung etc.) nicht ausgeschlossen werden kann.

Außerdem droht im nächsten Jahr der Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist aus § 852 S. 2 BGB n. F.

Die Antragstellerin ist auf Grund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, die Kosten des beabsichtigten Verfahrens aus eigenen Mitteln aufzubringen. Ihr ist daher für die beabsichtigte Klage Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... zu bewilligen gewesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO; gerichtliche Gebühren sind nicht entstanden.

Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 574 Abs. 2, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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