Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 08.11.2004
Aktenzeichen: 4 W 53/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 160 IV
ZPO § 164
Zur Abgrenzung zwischen einem Protokollberichtigungsantrag und einem Protokollaufnahmeantrag
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

4 W 53/04

In dem Rechtsstreit ... hat das Oberlandesgericht Frankfurt - 4. Zivilsenat - durch Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter am 8. November 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt vom 8. September 2004 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 13.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat im Rahmen der von ihm angeordneten Beweisaufnahme in der Sitzung am 20.8.2003 unter anderem die Zeugin A vernommen. Die vernehmende Richterin hat die Aussage der Zeugin zusammenfassend auf ein Tonband diktiert. Das davon gefertigte schriftliche Protokoll enthält nach der Wiedergabe der diktierten Zeugenaussage den Vermerk "Laut diktiert und genehmigt, auf nochmaliges Vorspielen wurde allseits verzichtet". Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 3.9.2004 unter Bezugnahme auf eine Anregung im Schriftsatz vom 2.9.2003 - zwischenzeitlich war ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt worden - beantragt, das Protokoll der Sitzung vom 20.8.2003 dahin zu berichtigen, dass zwei weitere Angaben der Zeugin A aufgenommen würden. Diese habe, ohne dass die im Protokoll aufgeführt sei, zum einen geäussert, dass sie ich mit den Bezeichnungen Obergeschoss und Dachgeschoss nicht so genau auskannte, und zum anderen, es könne in der Planungsphase auch einmal im Gespräch gewesen sein, dass die Tochter in das Dachgeschoss einziehe. Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 8.9.2004 zurückgewiesen, weil die beantragte Berichtigung unzulässig sei. Es hat dies damit begründet, dass die Berichtigung nicht in Betracht komme, weil sonst das Protokoll in anderer Hinsicht unrichtig werde. Denn der zu berichtende Text schließe mit der Feststellung "laut diktiert und genehmigt" ab, weshalb eine Berichtigung nur dann möglich sei, wenn das Protokoll von der genehmigten Fassung abweiche.

Hiergegen richtet sichtet die am 15.9.2004 eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im übrigen zulässig. Sie ist in der Sache jedoch nicht begründet, weil das Landgericht den Protokollberichtigungsantrag des Beklagten im Ergebnis zu Recht als unzulässig behandelt hat.

Die sofortige Beschwerde ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft. Eine Beschwerde gegen die Ablehnung einer Protokollberichtigung ist nur dann ausnahmsweise nicht statthaft, wenn die Beschwerde dazu führen würde, dass das Beschwerdegericht, welches an der Sitzung nicht teilgenommen hat, das Protokoll inhaltlich überprüfen müsste (vgl. Begründung des Rechtsausschusses zum Entwurf des § 164 ZPO, in: Bundestagsdrucksache 7/2769 S. 10). Eine Beschwerde ist deshalb statthaft, wenn - wie hier - die beantragte Berichtigung des Protokolls als unzulässig abgelehnt wurde, denn diese Beschwerde zielt nicht auf die inhaltliche Richtigkeit des Protokolls (OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 563; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 164 Rz. 15-18; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 164 Rz. 11).

Das Landgericht hat die beantragte Protokollberichtigung im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgelehnt. Der Grund für die Unzulässigkeit beantragten Berichtigung des Protokolls ergibt sich allerdings nicht daraus, dass die Aufnahme der beiden vom Beklagten vermissten Äußerungen der Zeugin in das Protokoll dieses "in anderer Hinsicht unrichtig" machen würde. Die Einfügung von Erklärungen in das Protokoll, die in der Sitzung nicht vorgelesen und von den Parteien von den Parteien nicht genehmigt worden sind, ist nur dann unzulässig, wenn es sich um den Text eines Prozeßvergleichs handelt (vgl. OLG Hamm MDR 1983, 410; Stein/Jonas/Roth, a.a.O., Rz. 5). Bei einem solchen würde nämlich einerseits durch Änderungen am Vergleichstext der abschließende Vermerk "vorgelesen und genehmigt" unrichtig, und kommt andererseits die Berichtigung oder Einfügung an einer späteren Stelle des Protokolls nicht in Betracht, weil der abschließende Vermerk des § 162 ZPO bei einem Prozeßvergleich Wirksamkeitsbedingung ist (allgemeine Meinung, vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., § 160 Rz. 5 mwN). Demgegenüber besteht bei der Berichtigung einer Zeugenaussage die Möglichkeit, die Berichtigung nach dem Genehmigungsvermerk im Protokoll zu vermerken oder als Anlage dem Protokoll beizufügen (§ 164 Abs. 3 S. 1 ZPO), so dass der Vermerk nicht unrichtig würde. Dem steht nicht entgegen, dass damit die Berichtigung selbst nicht von einem Genehmigungsvermerk im Sinne des § 162 ZPO abgeschlossen wird. Denn dies hat nur zur Folge, dass dem Protokoll insoweit die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde fehlt, hindert aber nicht eine Verwertung der berichtigten Zeugenaussage im Rahmen des § 286 ZPO.

Der Protokollberichtungsantrag des Beklagten vom 3.9.2004 ist jedoch deshalb unzulässig, weil er nicht auf die Berichtigung einer Unrichtigkeit des Protokolls, sondern auf die Aufnahme weiterer Äußerungen im Sinne des § 160 Abs. 4 ZPO in das Protokoll gerichtet ist. Die Zeugenaussage ist nicht unmittelbar aufgezeichnet worden (siehe § 162 Abs. 2 S. 1 ZPO), sondern im Sinne des § 162 Abs. 2 S. 2 ZPO in Gegenwart der Beteiligten von der Richterin diktiert worden. Das Protokoll wäre deshalb nur dann unrichtig, wenn die Richterin die vom Beklagten behaupteten Äußerungen der Zeugin in ihr Diktat aufgenommen hat und sie gleichwohl nicht im schriftlichen Protokoll wiedergegeben sind. Das wird vom Beklagten nicht behauptet. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Beklagte geltend macht, die Richterin hätte die beiden angeblich gefallenen Äußerungen der Zeugin in ihr zusammenfassendes Diktat aufnehmen müssen. Bei diesem Begehren handelt es sich um einen Antrag auf Protokollaufnahme im Sinne von § 160 Abs. 4 ZPO, denn Äußerungen im Sinne des § 160 Abs. 4 ZPO sind auch solche von Zeugen im Rahmen der Beweisaufnahme. Ein solcher Antrag auf Protokollaufnahme kann nur bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung gestellt werden, über die das Protokoll aufgenommen ist. Ein später gestellter Antrag ist unzulässig (OLG Frankfurt NJW-RR 1990, 123; vgl. ebenso BVerwG NJW 1963, 730 zu § 105 Abs. 2 VwGO, dem § 160 Abs. 4 ZPO nachgebildet ist, vgl. Rechtsausschuss, a.a.O., S. 5 f.; Stein/Jonas/Roth, a.a.O., § 160 Rz. 57; Zöller/Stöber, a.a.O., § 160 Rz. 15). Eine Unrichtigkeit des Protokolls im Sinne von § 164 ZPO kann hier auch nicht daraus hergeleitet werden, dass nach verbreiteter Auffassung § 164 ZPO auch "Unvollständigkeiten" des Protokolls umfasst (MünchKomm-ZPO/Peters, 2. Aufl., § 164 Rz. 1; Stein/Jonas/Roth, a.a.O., § 164 Rz. 2; Zöller/Stöber, a.a.O., § 164 Rz. 2 ). In Abgrenzung zum Protokollaufnahmeantrag nach § 160 Abs. 4 ZPO können dies nur sprachliche Unvollständigkeiten bei der Wiedergabe eines Vorgangs oder einer Äußerung sein, nicht auch die vollständig fehlende Wiedergabe eines Vorgangs oder einer Äußerung. Würde nämlich jeder Antrag auf Protokollaufnahme zugleich einen Protokollberichtigungsantrag darstellen, so würde die Beschränkung des Antragsrechts nach § 160 Abs. 4 ZPO bis zum Schluss der Verhandlung und der Ausschluss der Anfechtbarkeit der Entscheidung nach § 160 Abs. 4 S. 3 ZPO leer laufen (ähnlich BayObLG WuM 1989, 49 unter II. 2.). Erstrebt eine Partei die Aufnahme der Äußerung eines Zeugen durch den die Aussage zusammenfassend diktierenden Richter in die vorläufige Protokollaufzeichnung, so kann sie dies nur mittels eines Protokollaufnahmeantrages nach § 160 Abs. 4 ZPO erreichen, der bis zum Schluss dieser Verhandlung zu stellen ist. Dies ist auch sachgerecht, weil die Nichtaufnahme einer Äußerung in die vorläufige Protokollaufzeichnung bereits während der Verhandlung erkennbar ist und darum dies betreffende unterschiedliche Standpunkte zwischen einer Partei und dem Gericht noch in der Sitzung abschließend geklärt werden können.

Ein gesetzlicher Grund, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestand nicht, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Abweichende Entscheidungen anderer Gerichte zu der erörterten Rechtsfrage, deren Lösung sich aus dem Zusammenhang des Gesetzes ergibt, liegen, soweit bekannt, nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf den §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG n.F. Der Wert des Interesses des Beklagten an der Aufnahme der Äußerungen der Zeugin in das Protokoll war im Hinblick auf ihre mögliche Bedeutung für die Beweiswürdigung auf 1/5 des klägerischen Zahlungsantrages zu schätzen.

Ende der Entscheidung

Zurück