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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 25.07.2006
Aktenzeichen: 4 W 54/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a
ZPO § 93
1. War der Beklagte dem Kläger gegenüber auskunftspflichtig und ergibt sich erst aufgrund von im Verlauf des Verfahrens vom Beklagten erteilten Auskünften, dass der Klageanspruch nicht besteht, so sind, wenn der Kläger darauf hin sofort den Rechtsstreit für erledigt erklärt und der Beklagte sich dieser Erklärung anschließt, nach § 91 a Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen.

2. Dies ist nicht der Fall, wenn der Kläger nach Darlegung des Beklagten, wann er die Klageforderung erfüllt habe, und Vorlage von Belegen, die Erfüllung weiterhin bestreitet und einen Vollbeweis für die Erfüllung verlangt.


Gründe:

I.

Der Kläger hat als Insolvenzverwalter den Beklagten auf Zahlung der Stammeinlage als Gesellschafter der insolventen GmbH in Höhe von 255.645,95 Euro in Anspruch genommen. Die Parteien haben den Rechtsstreit nach Vorlage von Kontounterlagen durch den Beklagten und Durchführung einer Beweisaufnahme übereinstimmend für erledigt erklärt. Wegen des näheren Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 21.4.2006 gemäß § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme von Säumniskosten dem Kläger auferlegt. Es hat dies damit begründet, nunmehr stehe fest, dass der Beklagte die Zahlungen per Scheck erbracht habe und diese Zahlungen auch der Schuldnerin zugeflossen seien. Deshalb sei davon auszugehen, dass der Kläger ohne die Erledigungserklärung in der Hauptsache unterlegen wäre.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.

Er vertritt die Auffassung, das Landgericht habe außer Acht gelassen, dass der Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben habe. Er habe es trotz vorgerichtlicher Aufforderung im Schreiben vom 11.3.2003 unterlassen, Unterlagen vorzulegen. Der Kläger habe keine Möglichkeit gehabt, die Geschäftsunterlagen der Schuldnerin aus den Jahren 1995 und 1996 einzusehen. Der Beklagte sei als Gesellschafter zum Nachweis der Erfüllung der Stammeinlage verpflichtet und sei hier zudem als Steuerberater der Gesellschaft verpflichtet gewesen, die Buchhaltungsunterlagen herauszugeben. Erst aus eigenen Kontoauszügen und Verrechnungsschecks, die sich in seinem Besitz befanden und die im Prozess vorgelegt wurden, sei erkennbar gewesen, dass die Schuldnerin kurz nach ihrer Gründung ein Konto bei der ... Bank unterhalten habe.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 91a Abs. 2, 567, 569 ZPO zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet, weil das Landgericht in dem angegriffenen Beschluss im Ergebnis zu Recht die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt hat.

Für die Frage, wem nach übereinstimmender Erledigungserklärung die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sind, kommt allerdings nicht allein darauf an, wie ohne die Erledigungserklärungen nach dem bisherigen Streitstand in der Hauptsache voraussichtlich zu entscheiden gewesen wäre. Im Rahmen des nach § 91a Abs. 1 ZPO auszuübenden billigen Ermessens ist, selbst wenn die Klage keinen Erfolg gehabt hätte, auch zu berücksichtigen, ob der Beklagte Veranlassung zu der Klage gegeben hat.

Hat der Beklagte den Klageanspruch nachträglich erfüllt und haben die Parteien aus diesem Grund den Rechtsstreit für erledigt erklärt, so ist der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu beachten, wonach der Kläger dann nicht die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, wenn der Beklagte Veranlassung zu der Klageerhebung gegeben hat. Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Denn die Klage war nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Abgabe der Erledigungserklärungen unbegründet.

In einem solchen Fall ist jedoch nach der überwiegend in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht eine sogenannte reziproke Anwendung von § 93 ZPO im Rahmen der Entscheidung nach § 91a ZPO gerechtfertigt. War der Beklagte dem Kläger gegenüber auskunftspflichtig und ergibt sich erst aufgrund von im Verlauf des Verfahrens vom Beklagten erteilten Auskünften, dass der Klageanspruch nicht besteht, so sind dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen, wenn der Kläger darauf hin sofort den Rechtsstreit für erledigt erklärt (vgl. etwa OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1454; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 91a Rz. 25 mwN). Darüber hinaus kann die Tragung der Kosten durch den Beklagten dann gerechtfertigt sein, wenn dem Kläger ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten zusteht, weil der Beklagte aus einem Schuldverhältnis zur Auskunft verpflichtet war, wegen deren Unterlassung aus Verzug Schadensersatz zu leisten hat und diese Umstände ohne Schwierigkeiten, insbesondere ohne Beweisaufnahme festzustellen sind (BGH NJW 2002, 680). Letzteres käme hier in Betracht, wenn der Beklagte als Steuerberater der Schuldnerin die rechtzeitige Herausgabe von Unterlagen über die Zahlung der Stammeinlage unterlassen hat.

Die Voraussetzungen beider Gesichtspunkte für eine Auferlegung der Kosten auf den Beklagten sind aber deshalb nicht gegeben, weil der Kläger nach Vorlage der maßgeblichen Unterlagen im Prozess den Rechtsstreit nicht alsbald für erledigt erklärt, sondern den Rechtsstandpunkt vertreten hat, sie seien nicht ausreichend. Aus diesem Grund wäre auch die Verletzung einer materiell-rechtlichen Auskunftspflicht nicht kausal für die Klageerhebung. Es kann deshalb dahin gestellt bleiben, ob der Beklagte als Gesellschafter oder Steuerberater zur Erteilung der entsprechenden Auskünfte verpflichtet war.

Der Beklagte hat bereits mit Schriftsatz vom 10.11.2003 Kopien der Schecks und der Kontoauszüge eines Kontos der Schuldnerin bei der ... Bank vorgelegt, mit denen er seine Zahlungen auf die Stammeinlageforderung belegt hat. Der Kläger hat darauf hin im Schriftsatz vom 21.11.2003 diese Belege jedoch als nicht ausreichend angesehen und weiter bestritten, dass es sich um Einzahlungen des Beklagten auf seine Stammeinlageforderung handelt. Aufgrund dessen ist es im weiteren Verlauf des Rechtsstreits zur Vernehmung des Zeugen Z1 gekommen. Der Beklagte hat aber, eine solche Pflicht unterstellt, mit der Vorlage der datierten Schecks und Kontoauszüge seiner Auskunftspflicht in ausreichender Weise genügt. Wenn der Kläger trotz-dem weiter Zweifel hat und auch einen Vollbeweis der Erfüllung verlangte, erfolgte dies auf sein prozessuales Kostenrisiko. Mit der Benennung des Kontos der Schuldnerin bei der ... Bank hatte der Kläger Gelegenheit zu prüfen, ob diese Zahlungen bei der Schuldnerin eingegangen waren.

Der Beklagte hat des weiteren mit der Einspruchsschrift vom 30.10.2003 die Jahresabschlüsse der Schuldnerin für die Jahre 1995 bis 1997 vorgelegt. Der Kläger hat demgegenüber im Schriftsatz vom 12.11.2003 die Ansicht vertreten, der Nachweis der Leistung auf die Stammeinlage könne nicht durch Vorlage von Bilanzen der Schuldnerin geführt werden. Ob diese Auffassung des Klägers zutrifft, kann dahin gestellt bleiben. Sollte es richtig sein, dass die Bilanzen als Nachweis oder jedenfalls als Auskunft nicht ausreichten, so war eine Pflichtverletzung des Beklagten, die darin bestand, als Steuerberater nicht rechtzeitig diese Unterlagen vorgelegt zu haben, nicht kausal für die Entstehung der Prozesskosten. Denn der Kläger hätte auch dann, wenn ihm die unzureichenden Jahresabschlüsse vor dem Prozess übergeben worden wären, mangels weiterer Informationen die vorliegende Klage erheben müsse. Aber auch dann, wenn schon die Vorlage der Bilanzen objektiv hinreichend die Erfüllung der Stammeinlageforderung belegen würde, ergäbe sich nichts anderes. Wie nämlich das Verhalten des Klägers im Prozess zeigt hätte er auch im Fall rechtzeitiger Vorlage der Bilanzen sie als nicht ausreichend angesehen und sodann Klage erhoben. Wegen des in beiden Fällen fehlenden Kausalzusammenhangs kann mithin offen bleiben, ob der Beklagte sich bei Klageerhebung im Verzug mit der Verpflichtung als Steuerberater zur Herausgabe dieser Unterlagen befunden hat, was zweifelhaft ist, weil er mit Schreiben vom 11.3.2003 lediglich als Gesellschafter zum Nachweis der Erfüllung der Stammeinlageverpflichtung aufgefordert worden war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der festgesetzte Beschwerdewert entspricht den im Rechtsstreit bis zur Erledigungserklärung entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten (rd. 19.500,- €). Der Streitwert reduziert sich nach zutreffender Ansicht bei übereinstimmender Erledigungserklärung auf die bis dahin entstandenen Kosten.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 3 ZPO war nicht geboten, weil Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Kostenverteilung nach § 91a ZPO für die Entscheidung im Ergebnis nicht von Bedeutung sind. Aus diesem Grund erfordern auch nicht die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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