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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: 4 W 6/06
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 45
ZPO § 5
ZPO § 260
Zur Streitwertfestsetzung, wenn nur ein Klageantrag gestellt wird, der aber mit zwei selbständigen Klagegründen (Tatsachenkomplexen) begründet wird, die jeder für sich geeignet sind, den Anspruch voll zu rechtfertigen.
Gründe:

I.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten wendet sich aus eigenem Recht gegen die vom Landgericht nach Abschluss des Verfahrens in erster Instanz erfolgte Streitwertfestsetzung.

Im zugrunde liegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin von der Beklagten die Bezahlung eines zwischen den Parteien in einem Beratungsvertrag vereinbarten Erfolgshonorars von 580.000,- EUR. Die Parteien streiten darüber, ob die Voraussetzungen für die Entstehung dieses Erfolgshonorars eingetreten sind, welche die Klägerin aus mehreren Umständen herleitet.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 12.12.2005 den Streitwert auf 580.000,- EUR festgesetzt, weil maßgebend der begehrte Anspruch auf die Leistung sei. Es lägen nicht mehrere Ansprüche, sondern nur mehrere Anspruchsbegründungen für denselben Anspruch.

Hiergegen richtet sich die vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten eingelegte sofortige Beschwerde, mit der er beantragt, den Streitwert auf 1.160.000,- EUR festzusetzen, weil die beiden von der Klägerin vorgetragenen Klagegründe nicht wirtschaftlich identisch seien. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Rechtsmittelschrift vom 30.12.2005 (Bl. 598 ff. d.A.) verwiesen.

Die Klägerin vertritt demgegenüber die Ansicht es sei ein Streitwert von nur einmal 580.000,- EUR anzunehmen, weil der Klageantrag auf diesen Betrag laute. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Erwiderung vom 9.2.2006 (Bl. 620 ff. d.A.) verwiesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 10.2.2006 der Beschwerde nicht abgeholfen, weil die Klägerin den bezifferten Klageantrag lediglich auf unterschiedliche rechtliche Begründungen gestellt habe.

II.

Die nach § 68 GKG i. V. m. § 32 Abs. 2 RVG zulässige Beschwerde ist in der Sache auch begründet.

Der Streitwert des Rechtsstreits für die erste Instanz ist nach § 45 Abs. 1 S. 2 GKG auf 1.160.000,- EUR festzusetzen, weil die Klägerin im Wege einer eventuellen Klagenhäufung zwei selbständige prozessuale Ansprüche, wenn auch mit demselben Zahlungsbetrag, zur Entscheidung gestellt hat.

Die Klage ist dahin auszulegen, dass die Klägerin trotz der Stellung nur eines Antrages über 580.000,- EUR mit ihr zwei verschiedene Ansprüche und damit "mehrere Ansprüche" im Sinne von § 5 I 1 ZPO, § 260 ZPO und § 45 I GKG geltend macht. Stellt ein Kläger nur einen Klageantrag, den er aber mit zwei selbständigen Klagegründen (Tatsachenkomplexen) begründet, die jeder für sich geeignet sind, den Anspruch voll zu rechtfertigen, so ist zu unterscheiden (vgl. Zöller/Vollkommer, 25. Aufl., Einl. Rz. 74): Ist der zweite Klagegrund nur eine andere tatsächliche Begründung für das wirtschaftlich identische Begehren, so liegt nur ein einziger prozessualer Anspruch mit mehrfacher tatsächlicher Begründung vor (Beispiel: Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises wird auf Sachmangel A hilfsweise auf Sachmangel B gestützt.). Sind dagegen die beiden Klagebegründungen auch Grundlage von selbständigen wirtschaftlichen Werten, die der Kläger auch nebeneinander geltend machen könnte, so liegen zwei verschiedene prozessuale Ansprüche in Klagenhäufung vor. Verschiedene wirtschaftliche Werte sind daran zu erkennen, dass die Erfüllung des sich aus dem einen Grund ergebenden materiellen Anspruch nicht auch zur Erfüllung des auf dem anderen Umstand beruhenden Anspruches führen würde.

Letzteres ist hier der Fall: Die Klägerin, von deren Begehren und Darstellung für die Bestimmung des Streitgegenstandes auszugehen ist, hat in der Klageschrift die Auffassung vertreten, dass schon der Erwerb der ... das Erfolgshonorar von 580.000,- € zur Entstehung gebracht habe und die Gründung der Wertpapierabwicklungsgesellschaft "einen weiteren Honoraranspruch" in Höhe von 500.000,- € zzgl. MwSt auslöse. Sie hat ferner die Auffassung vertreten, das Honorar werde "in beiden Fällen verdient". Sie hat ihren Antrag auf Zahlung von 580.000,- € damit auf beide selbständige Tatsachenkomplexe gestützt und später klargestellt, dass der zweite Klagegrund nur im Fall des Versagens des ersten Klagegrundes gelten solle (Schriftsatz vom 14.4.2005). Sie hat ferner geäußert, eine Klageerweiterung zu erwägen. Daraus ergibt sich unzweifelhaft, dass die Klägerin von der Vorstellung ausgegangen ist und zur Grundlage ihrer Klage gemacht hat, dass ihr an sich zwei Erfolgsprovisionen von jeweils 580.000,- EUR zustünden.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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