Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 06.02.2009
Aktenzeichen: 4 W 72/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 917 Abs. 1
ZPO § 253
1. Ein Klageantrag, mit dem ein zeitlich befristetes Notwegerecht geltend gemacht wird, braucht nicht auch den genauen Umfang und den kalendarischen Zeitraum der Inanspruchnahme des fremden Grundstückes anzugeben.

2. Zum Umfang der richterlichen Gestaltungsbefugnis nach § 917 Abs. 1 S. 2 BGB.


Gründe:

I.

Der Verfügungskläger hat mit der Klage vom Verfügungsbeklagten die Duldung des Befahrens von dessen Grundstück für eine Baumaßnahme wegen eines Notwegerechtes begehrt. Die Parteien haben den Rechtsstreit im zweiten Verhandlungstermin für erledigt erklärt nachdem der Verfügungskläger einen Zeitplan über den Ablauf der Arbeiten nebst Auftragsbestätigungen der beteiligten Handwerker (Bl. 66 ff.). vorgelegt hat. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf S. 3 - 6 der Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 22.8.2008 gemäß § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits dem Verfügungskläger auferlegt, weil der Verfügungsantrag bis zum zweiten Termin nicht hinreichend bestimmt gewesen sei, da der Zeitraum der vorgesehenen Arbeiten nicht festgestanden habe und nähere Einzelheiten der Arbeiten unklar gewesen seien.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers. Wegen der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 1.9.2008 (Bl. 90 d.A.) verwiesen.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, nun mit der Begründung, es habe schon an einem Verfügungsgrund gefehlt, wenn erst im Rahmen der Vollstreckung geprüft werden solle, was zu geschehen habe.

Wegen der Erwiderung des Verfügungsbeklagten wird auf den Schriftsatz vom 14.1.2009 (Bl. 104 d.A.) verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 91a Abs. 2, 567, 569 ZPO zulässig. Sie ist in der Sache auch teilweise begründet.

Für die nach § 91a ZPO zu treffende Entscheidung kommt es darauf an, wie ohne die Erledigungserklärungen nach dem Streitstand bei Abgabe der Erledigungserklärungen in der Hauptsache voraussichtlich zu entscheiden gewesen wäre. Dabei kann hinsichtlich streitiger Tatsachen auch ein vermutliches Beweisergebnis gewürdigt werden, wenn Anhaltspunkte dies ermöglichen. Im Rahmen des billigen Ermessens ist, selbst wenn die Klage Erfolg gehabt hätte, auch zu berücksichtigen, ob der Beklagte bei sofortiger Anerkennung im Sinne des § 93 ZPO Veranlassung zu der Klage gegeben hat.

Nach diesen Maßstäben hat der Verfügungsbeklagte die Kosten zu tragen, weil der Verfügungsantrag nach dem Sachstand bei Eingang der Erwiderung des Verfügungsbeklagten, also noch vor dem zweiten Verhandlungstermin, zulässig und begründet war.

1. Der Antrag war entgegen der Auffassung des Landgerichts hinreichend bestimmt. Es genügte, dass sich aus dem Antrag ergab, dass der Verfügungskläger ein zu einem bestimmten Zweck zeitlich befristetes Recht zur Benutzung des Zufahrtweges beantragt. Ein Klageantrag, mit dem ein Notwegerecht geltend gemacht wird, braucht nicht auch den genauen Umfang und den kalendarischen Zeitraum der Inanspruchnahme des fremden Grundstückes anzugeben. Dies folgt aus der Regelung des § 917 Abs. 1 S. 2 BGB. Danach werden die "Richtung des Notweges und der Umfang des Benutzungsrechts erforderlichen Falls durch Urteil bestimmt". Dem Richter ist durch diese Bestimmung die Befugnis eingeräumt, auch ohne Antrag den angemessenen Umfang des Notwegerechtes durch gestaltendes Urteil (Wieser, Prozessrechtskommentar zum BGB, 2. Aufl., § 917 Rz. 12 ff.) festzulegen. Dies hat zur Folge, dass der Klageantrag den näheren Umfang des Notwegerechts nicht zu bezeichnen braucht und insofern eine gesetzliche Ausnahme zu § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gegeben ist (Staudinger/Roth, BGB (2001), § 917 Rz. 43; Palandt/Bassenge, BGB, 68. Aufl., § 917 Rz. 13). Zwar muss der Kläger die tatsächlichen Grundlagen für die nähere Bestimmung des notwendigen Umfanges der Benutzung darlegen.

Fehlt es daran und kann der Richter deshalb, den Umfang nicht sachgerecht bestimmen, so führt dies jedoch allein zur Unbegründetheit der Klage, weil die sachliche Berechtigung des Begehrens nicht festgestellt werden kann.

2. Nach dem Sachstand nach Eingang der Antragserwiderung waren sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund gegeben. Ein Verfügungsanspruch für den Zweck des Transports von Baumaterialien über das Grundstück des Verfügungsbeklagten bestand aus § 917 Abs. 1 BGB, weil von dem Verfügungsbeklagten nicht bestritten worden war, dass zwischen dem Grundstück des Verfügungsklägers und der Straße die notwendige Verbindung für einen solchen Transport fehlt. Auch die Eilbedürftigkeit war gegeben. Der Kläger hatte näher dargelegt, dass die Erneuerung der defekten Heizungsanlage nur zwischen zwei Heizperioden erfolgen kann und deshalb bis zum Herbst abgeschlossen worden sein muss. Der Verfügungsbeklagte hat diese Tatsachen nicht bestritten. Einer Glaubhaftmachung dieses Tatsachenvortrages bedurfte es deshalb nicht. Der Verfügungskläger konnte bei Einreichung einer entsprechenden Klage im ordentlichen Prozessverfahren im Frühjahr nach der Geschäftslage der Gerichte nicht sicher erwarten, dass bis zum Beginn der Heizperiode im Herbst bereits ein vollstreckbares erstinstanzliches Urteil vorliegen würde.

3. Aus dem unbestrittenen Tatsachenvortrag des Klägers ergab sich auch eine hinreichende Grundlage dafür, dass das Gericht ein den Umfang der Duldungspflicht nach § 817 Abs. 1 S. 2 BGB konkretisierendes Gestaltungsurteil erlassen konnte.

a) Der Vorlage eines genauen Zeitplanes mit einem kalendarischen Beginn der Arbeiten bedurfte ist nicht. Einem Eigentümer ist es weder möglich noch zumutbar, bereits vor der gerichtlichen Feststellung des Duldungsrechtes Handwerker zu beauftragen und mit diesen einen Zeitplan für die Ausführung der Arbeiten zu vereinbaren. Abgesehen davon, dass Handwerker zu einer verbindlichen zeitlichen Festlegung oft nicht oder nur gegen Mehrvergütung bereit sind, kann es bei Handwerksarbeiten immer zu Verzögerungen kommen. Es besteht deshalb die Gefahr, dass der Berechtigte bei nachträglichen Änderungen des zeitlichen Ablaufs jeweils seinen Antrag anpassen oder gar einen neuen Antrag auf Duldung stellen müsste. Zudem kann die Dauer des Gerichtsverfahrens und damit der früheste Beginn der Arbeiten nicht sicher bestimmt werden.

Dem Interesse des Duldungspflichtigen, über den Beginn und die Dauer der Arbeiten eine Gewissheit zu haben, ist deshalb in anderer Weise Rechnung zu tragen.

In dem Urteil hat das Gericht zum einen in aller Regel eine Höchstdauer des befristeten Benutzungsrechts festzustellen. Dadurch wird der Verpflichtete davor geschützt, dass die Maßnahme und die Nutzung über Gebühr verzögert werden. Eine solche Höchstdauer hat der Verfügungskläger in der Begründung seines Antrages und seiner eidesstattlichen Versicherung mit acht Wochen angegeben. Der Verfügungsbeklagte hatte die Notwendigkeit einer solchen Dauer zwar bestritten und gemeint, die Arbeiten könnten in wenigen Tagen erledigt werden. Demgegenüber stand jedoch die eidesstattliche Versicherung des Verfügungsklägers als zulässiges Beweismittel im Verfahren der einstweiligen Verfügung, wonach ihm Handwerker diesen Zeitraum genannt hätten. Die zeitliche Angabe hat sich letztlich in der Größenordnung auch als zutreffend erwiesen, weil die im Sommer durchgeführten Arbeiten mit Gerüststellung nach dem später vorgelegten Zeitplan etwa fünf Wochen dauern sollten.

Das Gericht hat in dem Gestaltungsurteil ferner nach üblicher Praxis auch ohne dahin gehenden Antrag auszusprechen, dass der Kläger dem Eigentümer des zu benutzenden Grundstückes den Beginn der Arbeiten eine bestimmte Zeit vorher anzukündigen hat (in der Regel fünf Werktage). Mit diesem Instrument wird dem Interesse des Duldungspflichtigen Rechnung getragen, dass er sich auf die bevorstehende Benutzung seines Grundstückes einrichten können muss. Hält der Berechtigte diese Ankündigungsfrist nicht ein, so liegt keine unberechtigte Weigerung vor, wenn der Verpflichtete später aus diesem Grund die Benutzung verbietet. Dies wäre im Verfahren nach § 890 ZPO zu prüfen, wenn der Berechtigte ein Zwangsgeld deswegen beantragt.

b) Auch hinsichtlich des sachlichen Umfanges der Inanspruchnahme des Grundstückes enthielt der Sachvortrag des Klägers ausreichend Tatsachen um im Duldungsurteil die Art der Benutzung hinreichend konkret zu umschreiben. Gegenstand und Zweck war danach der Einbau einer neuen Heizungsanlage einschließlich eines neuen Abgasrohres zum Dach, die Anbringung von Sonnenkollektoren auf dem Dach und der Auf- und Abbau eines Gerüstes. Daraus ergibt sich, dass die entsprechenden Materialien über das Grundstück des Verfügungsbeklagten zu transportieren sind. Konkrete Transportmittel und Häufigkeit der Überfahrung des Grundstückes können naturgemäß nicht im Einzelnen festgelegt werden.

c) Eine Teilabweisung des Verfügungsantrages war entgegen der Meinung des Verfügungsbeklagten nicht deshalb vorzunehmen, weil das Befahren des Weges nach dem Wortlaut des Antrages "dem Kläger" gestattet werden sollte. Diese Formulierung war dahin auszulegen, dass die Benutzung auch vom Kläger beauftragten Handwerkern gestattet sein muss. Die Formulierung "der Kläger" soll lediglich klarstellen, dass Inhaber des Benutzungsrechts (Notwegberechtigter) der Kläger als Eigentümer des Nachbargrundstücks ist. Welchen beauftragten Dritten er die Ausübung seines Rechts überträgt und inwieweit er auch selbst Baumaterialen transportiert, muss ihm überlassen bleiben. Der Tenor hätte deshalb bei sachgerechter Auslegung dahin lauten können:

"...dass der Verfügungsbeklagte das Betreten und die Überfahrung seines Grundstückes... durch den Verfügungskläger oder von ihm beauftragte Handwerker zum Zweck des Transports von Materialien für folgende Bauarbeiten.... nach Ankündigung des Beginns fünf Werktage vorher längsten acht Wochen zu dulden hat."

4. Der Kostentragungspflicht kann der Verfügungsbeklagte nicht entgegen halten, dass er keine Veranlassung zu dem Verfügungsantrag gegeben habe. Zwar ist ihm darin zuzustimmen, dass der Verfügungskläger im vorgerichtlichen Schriftsatz vom 13.4.2008 sein Begehren nur ganz allgemein angegeben und die geplante Baumaßnahme in keiner Weise konkretisiert hat. Die vorgerichtliche Ablehnung durch den Verfügungsbeklagten im Schriftsatz vom 21.4.2008 war deshalb berechtigt. Den Verfügungskläger würde nach dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO aus diesem Grund die Kostenlast aber nur dann treffen, wenn der Verfügungsbeklagte den Verfügungsantrag "sofort" anerkannt hätte. Er hat in der Antragserwiderung jedoch die Abweisung des Antrages angekündigt und die Berechtigung des Antrages teilweise in Abrede gestellt. Soweit er dies damit begründet hat, dass die vom Antragssteller angegebene Höchstzeit von acht Wochen für die Benutzung zu lang erscheine, hätte er den Verfügungsantrag, also die Duldungspflicht, mit der Maßgabe anerkennen können, dass er das Benutzungsrecht nicht länger als eine bestimmte Anzahl von Tagen oder Wochen anerkenne. Hätte sodann der Verfügungskläger eine längere Notwendigkeit der Benutzung nicht beweisen oder glaubhaft machen können, so hätte den Verfügungskläger nach den §§ 93, 92 Abs. 1 ZPO die volle Kostenlast getroffen.

III.

Die Entscheidung über die Tragung der Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der festgesetzte Beschwerdewert entspricht den im Verfahren bis zur Erledigungserklärung aus einem Streitwert von 2.000,- Euro entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten (937,96 € aufgerundet). Der Streitwert einer Entscheidung nach § 91a ZPO bestimmt sich nach zutreffender Ansicht nach den bis dahin entstandenen Kosten des Rechtsstreits.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 3 ZPO war nicht geboten, weil Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Kostenverteilung nach § 91a ZPO für die Entscheidung im Ergebnis nicht von Bedeutung sind. Aus diesem Grund erfordern auch nicht die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Aus materiellrechtlichen Gründen jedoch kann bei einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen werden (zuletzt BGH WM 2008, 2201).

Ende der Entscheidung

Zurück