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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.07.2008
Aktenzeichen: 5 U 151/05
Rechtsgebiete: ZPO, AktG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 264
ZPO § 269 Abs. 6
ZPO § 539 Abs. 1
ZPO § 539 Abs. 3
AktG § 264 Abs. 3
AktG § 265 Abs. 5 Satz 1
AktG § 269 Abs. 3
AktG § 269 Abs. 4 Satz 1
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 630 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin hat den Beklagten mit einer im Berufungsverfahren nicht gegenständlichen Vollstreckungsabwehrklage in Anspruch genommen, worauf der Beklagte widerklagend Zahlung seines Gehalts als Vorstand der Klägerin für die Zeit von November 1999 bis November 2003, eine Karenzentschädigung bis Mai 2004, Entschädigung für den vorenthaltenen Dienstwagen sowie die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses verlangt hat und dies - nebst Zwischenfeststellung zu verschiedenen Kündigungen - mit seiner Berufung verfolgt.

Die Klägerin erklärte durch den Aufsichtsratsvorsitzenden A am 25.10.1999, den Anstellungsvertrag des Beklagten vom 13.11.1998 (Bezugnahme Anl. K 1 Beiakte) außerordentlich zu kündigen. Der Beklagte hatte ca. 10% des Grundkapitals der Klägerin übernommen, wobei der fremdfinanzierte Kaufpreis der Aktien durch eine Bürgschaft des Aufsichtsratsvorsitzenden A gesichert worden war. In dem Verfahren 2/18 O 394/99 LG Frankfurt (= 10 U 247/00) wurde die Kündigung wegen Fehlens eines Aufsichtsratsbeschlusses für unwirksam erklärt. Das am 18.11.2002 verkündete Urteil ist rechtskräftig. In der Zwischenzeit bediente der Beklagte die Annuitäten aus der Finanzierung des Aktienankaufs nicht mehr, sodass die Bank den Aufsichtsratsvorsitzenden A als Bürgen in Anspruch nahm, der seinerseits einen Regressprozess gegen den Beklagten gewann. Auf der Grundlage des Titels pfändete er die Aktien des Beklagten, die schließlich versteigert wurden. Als der Beklagte nach Beendigung des Rechtsstreits über die Kündigung vom 25.10.1999 seine Tätigkeit bei der inzwischen aufgelösten Klägerin als einer von drei Abwicklern aufnehmen wollte, kam es zu erheblichen Zerwürfnissen und im Dezember 2002 und Januar 2003 zu zahlreichen weiteren Kündigungserklärungen ihm gegenüber. Unter dem 4.12.2002 (Bezugnahme auf Anl. B 3 a, Bl. 59 d.A.) erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende auf Grund eines Aufsichtsratsbeschlusses vom 2.12.2002 die außerordentliche Kündigung an den Beklagten. Dieser hatte unter dem 20.11.2002 an die übrigen Abwickler und an die Aufsichtsratsmitglieder geschrieben und ihnen bewusst wahrheitswidrigen Vortrag in dem abgeschlossenen Rechtsstreit vorgeworfen, strafrechtliche Schritte angedroht, aber zugleich konstruktive Vorschläge für die Zusammenarbeit erbeten (Bezugnahme auf Anl. K 14-K 17; Sonderheft) . Mit Schreiben vom 11.12.2002 (Bezugnahme auf Anl. B 3 b, Bl. 60 d.A.) erklärte der Aufsichtsratvorsitzende gegenüber dem Beklagten, diesen von seiner Tätigkeit bis zur außerordentlichen Hauptversammlung vom 16.1.2003 zu suspendieren. Am 19.12.2002 schrieb der Beklagte an für die Klägerin tätige Anwälte und Steuerberater, dass er die Mandate der Klägerin in deren Vertretung beende (Bezugnahme K 18, K 19). Mit Schreiben vom 20.12.2002 (Bezugnahme Anl. B 3 c, Bl. 61 d.A.) erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende erneut die außerordentliche Kündigung gegenüber dem Beklagten, wozu am gleichen Tag (Bezugnahme Bl. 700 d.A.) ein Aufsichtsratsbeschluss gefasst worden war. In der Hauptversammlung vom 16.1.2003 wurde der Beklagte als Abwickler abberufen.

In dem Rechtsstreit 3/14 O 44/03 (= 5 U 190/03) erhob der Beklagte, eingereicht am 28.3.2003, Urkundsklage auf Zahlung eines zunächst nicht näher bestimmten Teils seines Gehalts aus der Zeit von November 1999 bis Oktober 2002, später konkretisiert auf das Gehalt einschließlich Mitte April 2001 und Zinsen auch aus dem Gehalt bis einschließlich Oktober 2002. Die Klage nahm er schließlich in zwei Schritten zurück.

Die Klägerin hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.6.2003 (3/13O 20/03) für unzulässig zu erklären,

den Beklagten zu verurteilen, die ihm erteilte vollstreckbare Ausfertigung des genannten Kostenfestsetzungsbeschlusses an ... A, ..., O1, herauszugeben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und widerklagend,

1. die Klägerin zu verurteilen, an ihn 940.777,08 ? nebst 8% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz - gemäß einer näher angegebenen Zinsstaffel (S.5 und 6, Bl. 182, 183 d.A.) - zu zahlen,

2. die Klägerin zu verurteilen, dem Beklagten für die Tätigkeit als Vorstand der Klägerin ein qualifiziertes, wohlwollendes Zeugnis zu erteilen.

Gegen die Widerklage hat die Klägerin die Einrede mangelnder Kostenerstattung des Vorprozesses wegen offener Festsetzungen über 4.596,00 ? und 10.568,80 ? nebst Zinsen erhoben und die Einlassung verweigert. Hilfsweise hat sie sich in der Sache gegen die Widerklageforderungen gewandt und auch Verjährung eingewandt.

Der Beklagte hat Erfüllung der aus dem Vorprozess festgesetzten Kosten durch Aufrechnung geltend gemacht. Wegen der Nichtzahlung des Gehalts sei es schließlich zu dem Bürgenregress gegen ihn gekommen, aus dem er mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen in übersteigender Höhe belastet sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil der Klage stattgegeben und die Widerklage als unzulässig abgewiesen. Es hat die Einrede gegenüber der Widerklage insgesamt durchgreifen lassen, weil die Widerklage mit der früheren Klage streitgegenstandsidentisch sei. Die zusätzlichen Ansprüche seien nach § 264 ZPO unbeachtliche Erweiterungen. Zu den weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil verwiesen (Bl. 178-189 d.A.).

Die Berufung des Beklagten verfolgt die Widerklage - ergänzt um einen Zwischenfeststellungsantrag - weiter: Das Landgericht habe die Streitgegenstände verkannt, den Erfüllungseinwand übergangen und keine Zahlungsfrist gesetzt. Die Ausnutzung der Einrede sei auch missbräuchlich.

Der Beklagte hat zunächst beantragt, das angefochtene Urteil zur Widerklage abzuändern und

1. die Klägerin zu verurteilen, an ihn 608.692,99 ? nebst 8% Zinsen über dem jeweiligen Basiszins aus näher bezeichneten Beträgen (Bezugnahme Bl.233, 234 d.A.) zu zahlen,

2. die Klägerin zu verurteilen, an ihn 332.084,09 ? nebst 8% Zinsen über dem jeweiligen Basiszins aus näher bezeichneten Beträgen (Bezugnahme Bl. 234 d.A.) zu zahlen,

3. festzustellen, dass das Dienstverhältnis zwischen den Parteien aus dem Vorstandsanstellungsvertrag vom 13.11.1998 nicht durch die fristlosen Kündigungen vom 4.12.2002, 11.12.2002, 20.12.2002, 10.1.2003, 23.1.2003, 4.4.2003, 10.4.2003 und 20.5.2003 beendet wurde,

4. die Klägerin zu verurteilen, dem Beklagten für die Tätigkeit als Vorstand der Klägerin ein qualifiziertes, wohlwollendes Zeugnis zu erteilen,

hilfsweise für den Fall der Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung,

den Rechtsstreit an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen,

hat dann aber in der Schlussverhandlung nur die Berufungsanträge zu 3.) und 4.) gestellt.

Die Klägerin beantragt,

den Rechtsstreit an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen,

hilfsweise,

die Berufung zurückzuweisen, zu den Berufungsanträgen zu 1.) und 2.) durch Versäumnisurteil.

Die Klägerin verteidigt das Urteil zur Widerklage.

Die Akte 3/14 O 44/03 LG Frankfurt ist beigezogen und Gegenstand der Verhandlung gewesen. Durch rechtskräftiges Zwischenurteil vom 26.2.2008 ist die Klage zu den Berufungsanträgen zu 2.) bis 4.) für zulässig erklärt worden. Mit Beschluss vom gleichen Tag ist dem Beklagten bis zum 31.3.2008 Gelegenheit gegeben worden, die Kosten des Vorprozesses auszugleichen und dieses vorzutragen. Auf das Zwischenurteil und den Beschluss wird verwiesen (Bl. 752- 760 d.A.).

II.

Die Zwischenfeststellungsklage, deren Zulässigkeit durch das Zwischenurteil feststeht, ist auf die zulässige Berufung des Beklagten hinsichtlich der Erklärungen der Beklagten vom 4. und 11.12.2002 begründet, im Übrigen unbegründet, weil das Anstellungsverhältnis des Beklagten durch die Klägerin am 20.12.2002 beendet wurde.

Der Vorstandsanstellungsvertrag vom 13.11.1998, dessen Fortbestand über den 25.10.1999 hinaus durch das rechtskräftige Urteil des 10. Zivilsenats (10 U 247/00 = 2/18 O 394/99 LG Frankfurt am Main) feststeht, endete nicht nach § 3 Abs.2 des Dienstvertrags ab 30.6. 2002 oder 30.9.2002. Nach § 3 Abs.2 des Dienstvertrags endet der Anstellungsvertrag mit Ablauf des Quartals, in dem die dauernde Arbeitsunfähigkeit des Klägers festgestellt ist, die dort definiert ist als Arbeitsunfähigkeit für sechs vergangene Monate nebst ungünstiger Prognose für weitere sechs Monate. Eine solche Feststellung ist nicht getroffen worden, sodass es hier auf die Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Beklagten nach der im Dezember 2001 vorgenommenen Rektumresektion nicht ankommt. Der Anstellungsvertrag ist zwanglos dahin auszulegen, dass es dazu einer förmlichen Feststellung bedurfte, wie sich aus § 4 Abs.2 Satz 3 des Vertrags ergibt. Es ist auch interessengerecht, die weitgehenden Wirkungen von einer ärztlichen Feststellung abhängig zu machen.

Das Anstellungsverhältnis wurde nicht durch die Kündigung vom 4.12.2002 beendet. Ein wichtiger Grund stand der Klägerin damals noch nicht zur Seite. Die Kündigung war gestützt worden auf verschiedene Schreiben des Beklagten vom November, u.a. Schreiben des Beklagten vom 20.11.2002 an die Aufsichtsräte und Abwickler der Klägerin, mit denen er diese unter Drohungen zu Verhandlungen aufforderte. Die inhaltlich gleichlautenden Schreiben sind zwar mit äußerstem Nachdruck verfasst, aber noch mit entschuldbarer Verärgerung nach dem streitig geführten und vom Beklagten gewonnenen Kündigungsschutzprozess erklärlich.

Auch zur Erklärung vom 11.12.2002 ist die Feststellungswiderklage begründet, weil es sich bei diesem Schreiben (Bl. 60 d.A.) nicht um eine Kündigungserklärung handelte. Die Erklärung sollte den Beklagten nur vorübergehend von seinen Dienstpflichten freistellen, ihn "suspendieren".

Das Dienstverhältnis wurde jedoch durch die Kündigung vom 20.12.2002 beendet (Bl. 61 d.A.), sodass die negative Feststellungswiderklage dazu als unbegründet abzuweisen ist. Die Erklärung ist formell ordnungsgemäß erfolgt, denn sie beruhte auf dem Aufsichtsratsbeschluss vom gleichen Tag, zu dem die Klägerin das Protokoll vorgelegt hat (Bl. 700 d.A.). Dem ist der Beklagte nicht bestreitend entgegengetreten. Die Kündigungskompetenz lag bei dem Aufsichtsrat, auch wenn die Abberufung des Beklagten als Abwickler nach § 265 Abs.5 Satz 1 AktG durch die Hauptversammlung zu erfolgen hatte, wie dies später geschah. Denn zu dem Anstellungsverhältnis gilt gemäß § 265 Abs.5 Satz 2 AktG iVm. § 264 Abs.3 AktG die Regelung in § 112 AktG, also die Vertretung der Klägerin durch den Aufsichtsrat (vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 265 Rz.11; KK/Kraft, AktG, 2. Aufl. Stand 1996, § 265 Rz.35; Heidel/Wermeckes, AktG, 2. Aufl. 2007, § 265 Rz.16). Dies ist Ausdruck der nach nahezu einhelliger Auffassung gebotenen Trennung der Bestellung als Organ und der Anstellung. Die Kündigung war auch nicht unwirksam, weil die Organstellung des Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet war, namentlich führte sie nicht zu einem Eingriff in die korporationsrechtlichen Befugnisse der Hauptversammlung. Dem ohne Anstellungsvertrag seiner Organstellung entsprechenden Vorstand/Abwickler kann ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zustehen.

Die Kündigung war berechtigt, § 626 Abs.1 BGB. Ein wichtiger Grund bestand nun, denn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und bei Abwägung der beiderseitigen Interessen war der Klägerin eine Fortsetzung der Vertragsbeziehung bis zu deren ordentlichem Ende, also bis 30.11.2003, nicht mehr zumutbar. Der Beklagte hatte am 19.12.2002 einen Kündigungsgrund gegeben, in dem er pflichtwidrig schriftlich Anwalts- und Steuerberatungsaufträge der Klägerin zu kündigen erklärte (Anlagen K 18 und K 19), obwohl er als Abwickler nur gesamtvertretungsbefugt war. Er hatte sich pflichtwidrig Befugnisse angemaßt, die ihm nicht zustanden. Über eine Ermächtigung nach § 269 Abs.4 Satz 1 AktG verfügte der Beklagte nicht. Der vor Auflösung gefasste Aufsichtsratsbeschluss, wonach der Beklagte generell alleinvertretungsberechtigt sei, ist keine Ermächtigung iSd. § 269 Abs.3 oder 4 AktG.

Eine Pflichtverletzung ist generell als ein Kündigungsgrund geeignet und sie war dies auch nach den konkreten Einzelumständen. Denn es handelte sich nicht nur um eine bedeutungslose Fehlhandlung. Die betroffenen Mandatsverhältnisse bestanden mit der Rechtsanwaltskanzlei, die die Klägerin in dem Kündigungsrechtsstreit vertreten hatte, und mit dem Steuerbüro des Aufsichtsratsvorsitzenden A.

Die Klägerin musste dieses Fehlverhalten unter Abwägung der gegenseitigen Interessen nicht mehr hinnehmen. Durch den lange und erbittert geführten Kündigungsrechtsstreit war die Beziehung der Aufsichtsratsmitglieder zu dem Beklagten schwer gestört, wobei hier zu Gunsten des Beklagten durchaus unterstellt werden kann, dass zu der in dem Kündigungsrechtsstreit für formell unwirksam angesehenen außerordentlichen Kündigung keine ausreichenden materiellen Gründe bestanden. Bei dieser Situation war die gebotene vertrauensvolle Zusammenarbeit nur möglich, wenn sich nach rechtskräftigem Abschluss des Kündigungsrechtsstreits beide Seiten äußerste Zurückhaltung auferlegt hätten und die Auseinandersetzungen der Vergangenheit - abgesehen von Gehaltsnachzahlungen und vom Ausgleich entstandener Schäden - hätten auf sich beruhen lassen. Durch die Schreiben vom 20.11.2002 und 19.12.2002 wurde deutlich, dass der Beklagte dies nicht wollte. Denn diese Schreiben gingen über eine Aufforderung zur Wiedergutmachung nach unberechtigter Kündigung hinaus. Sie waren damit zur Wahrung der Interessen des Beklagten entweder nicht geboten oder - das Schreiben vom 20.11.2002 betreffend - inhaltlich unangebracht. Gerade die Beendigung der Mandatsverhältnisse der Klägerin zu Gunsten seiner Kontrahenten lässt erkennen, dass es dem Kläger nicht nur um Ausgleich erlittener Einbußen ging, wie auch die späteren zahlreichen Verfahren gegen die Klägerin nahe legen, dass der Beklagte sich gegenüber der Klägerin nicht nur durch wirtschaftliche Motive leiten lässt.

Zu den weiteren Kündigungserklärungen vom 10.1., 23.1., 4.4., 10.4. und 25.5.2003, die wegen der Beendigung des Anstellungsverhältnisses am 20.12.2002 ins Leere gingen, bedurfte es keiner Entscheidung. Der die verschiedenen Kündigungserklärungen der Beklagten zeitlich wiedergebende (sog. punktuelle) Feststellungsantrag ist nämlich dahin auszulegen, dass Feststellung zu zeitlich späteren Kündigungen durch den Erfolg der Feststellung zur Unwirksamkeit zeitlich früherer aufschiebend bedingt ist.

Der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses beruht auf § 630 S.2 BGB. Er bezieht sich, wie der Widerklageschrift zu entnehmen ist (S.11, Bl. 54 d.A.), nicht nur auf die Tätigkeit der Beklagten als Vorstand, also auf die Zeit bis zur Auflösung der Klägerin, sondern auf die gesamte Dauer bis zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses, hier durch die Kündigung vom 20.12.2002. Erfüllung ist nicht eingetreten: Die Übersendung eines Entwurfs (K 87, Bl. 651 d.A.) ist noch keine Zeugniserteilung.

Zu dem Berufungsantrag zu 1.) ist die Berufung unbegründet, weil das Landgericht im Ergebnis zu Recht insoweit die Klage als unzulässig abgewiesen hat. Das ist - trotz fehlenden Antrags des Beklagten - auf den Abweisungsantrag der Klägerin durch unechtes Versäumnisurteil festzustellen (vgl. BGH NJW-RR 1986, 1041; Musielak/Ball, ZPO, 6. Aufl. 2008, § 539 Rz.4; HK/Wöstmann, ZPO, 2. Aufl. 2007, § 539 Rz.2; Baumbach/Hartmann, ZPO, 66. Aufl. 2008, § 539 Rz.4). Die Widerklage des Beklagten zum Berufungsantrag zu 1.) ist unzulässig, weil ihr die erhobene Einrede mangelnder Kostenerstattung entgegensteht (§ 269 Abs.6 ZPO). Denn der Beklagte hat die mit 10.568,80 ? und 4.596,00 ? in zwei Instanzen zugunsten der Klägerin festgesetzten Kosten des Rechtsstreits 3/14 O 44/03 des Landgerichts Frankfurt am Main nicht erstattet. Auch nachdem ihm im Berufungsverfahren eine Frist hierzu gesetzt worden ist, sind die Kostenerstattungsansprüche nicht erfüllt worden. Der Berufungsantrag zu 1.) betrifft, soweit er auf Gehalt gerichtet ist, den gleichen Zeitraum - November 1999 bis Oktober 2002 - wie der anfängliche Klageantrag des Vorprozesses als nicht näher bestimmter Teilklage. Die jetzt zusätzlich verlangte Dienstwagenentschädigung für diesen Zeitraum steht in so engem Zusammenhang mit dem Gehaltsanspruch, dass sich die Einrede auch auf ihn erstreckt. Denn zu seiner Klärung wären weitgehend die gleichen Streitpunkte zu beantworten wie zu den Gehaltsansprüchen, mit denen sich aber die Beklagte vor Kostenerstattung nicht mehr auseinandersetzen muss. Insoweit wird auf die Ausführungen des Zwischenurteils vom 26.2.2008 zu den sonstigen Berufungsanträgen verwiesen (UA S. 6, 3. Abs., Bl. 757 d.A.).

Dass früher die Klage den Liquidatoren zugestellt worden war und jetzt der Aufsichtsrat für die Klägerin auftritt, ist unerheblich. Der Belästigungsgedanke betrifft nicht nur den Vertreter der Partei, sondern die Partei selbst. Die Einrede scheitert auch nicht an der Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin an ihren Aufsichtsratsvorsitzenden A. Für den Belästigungsschutz kommt es nicht darauf an, an wen die Kostenerstattung zu leisten ist. Allein der Umstand, dass die Partei vor einer neuen Klage für die alte Klage zahlen muss, bewirkt den Schutz. Auf eine Belästigungsabsicht des Beklagten kommt es ebenfalls nicht an. Solches hatte das Reichsgericht (RG JW 1915, 249 mwN.) zwar noch verlangt und der BGH zunächst offen gelassen (BGH NJW-RR 1987, 61). Inzwischen entspricht es aber der allgemeinen Auffassung, dass eine Belästigungsabsicht nicht vorliegen muss (BGH NJW 1992, 2034; OLG München DR 1984, 501; OLG Bremen EWiR § 269 ZPO 1/91, 1031 mit zustimmender Anm. Oellers). Die Einrede ist von der Klägerin auch nicht missbräuchlich ausgeübt, wie der Beklagte aber meint. Zwar hätte die Klägerin im Vorprozess die Prozessführung der Liquidatoren genehmigen können, wodurch eine Klagerücknahme vermieden worden wäre. Eine Verpflichtung hierzu bestand aber nicht.

Die Kostenerstattungsansprüche sind nicht durch Aufrechnung erfüllt. Eine Aufrechnung ist zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 269 Abs.6 ZPO nicht grundsätzlich ausgeschlossen, auch wenn Aufrechnungsforderungen streitig und beweisbedürftig sein sollten (BGH NJW 1992, 2034 sub 1b,aa, BGH NJW-RR 1987, 61). Die Aufrechnung ist hier aber nach dem Schutzzweck der Norm nicht zu berücksichtigen. Nach dem Schutzzweck der Vorschrift darf die sachliche Berechtigung des Anspruchs vor Erstattung der Vorprozesskosten nicht gegen den Willen der früher verklagten Partei in einen neuen Prozess eingeführt werden (BGH NJW 1992, 2034). Dies führt dazu, dass eine einredeschädliche Aufrechnung gegen den Kostenerstattungsanspruch ausgeschlossen ist, wenn sie den Einredeführer zu einer erneuten sachlichen Auseinandersetzung mit der früheren Forderung zwänge.

Der widerklagende Beklagte rechnet freilich gegen den Kostenerstattungsanspruch nicht mit seinen früher eingeklagten Gehaltsansprüchen auf. Er stützt die Aufrechnung vielmehr auf einen sich aus deren Nichtzahlung ergebenden Verzugsschaden, nämlich auf eine Belastung mit Kostenfestsetzungen aus einem Rechtsstreit des Aufsichtsratsvorsitzenden A gegen ihn, der geführt wurde, weil der Beklagte wegen Zahlungsschwäche einen Kredit nicht mehr bedienen konnte, für den der Vorsitzende sich verbürgt hatte und zu dem er als Bürge in Anspruch genommen worden war. Präjudiziell für den Anspruch aus Verzug (§ 286 Abs.1 BGB) ist jedoch das Bestehen der Hauptforderung, hier also der früher eingeklagten Gehaltsansprüche. Dass der Schaden dem Beklagten ausschließlich aus einem Verzug mit Gehaltszahlungen ab November 2002 entstand, wie sie Gegenstand des Berufungsantrags zu 2.) sind, hatte als Ausnahmefall der Beklagte vorzutragen, was nicht erfolgt ist und auch fernliegt.

Soweit der Beklagte persönlich nach Fristsetzung durch das Berufungsgericht weitere Aufrechnungserklärungen mitgeteilt hat, war dies nicht zu berücksichtigen, weil es sich nicht um einen anwaltlichen Vortrag handelte (§ 78 Abs.1 ZPO). Die Prozessbevollmächtigte hat sich dieses Vorbringen auch nicht in zulässiger Weise zu eigen gemacht, sondern zu dem Berufungsantrag zu 1.) keinen Antrag gestellt.

Zu dem Berufungsantrag zu 2.) war durch echtes Versäumnisurteil zu entscheiden (§ 539 Abs.1 ZPO iVm. § 333 ZPO), das nicht zu begründen ist (§ 539 Abs.3 ZPO iVm. § 313b Abs.1 ZPO).

Dem Antrag der Klägerin und dem Hilfsantrag des Beklagten auf Zurückverweisung des Rechtsstreits an die erste Instanz war nicht zu entsprechen (§ 538 Abs.2 Nr.3 ZPO), weil der Senat ohne weitere Aufklärung in der Sache entscheiden konnte.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahren zu tragen, weil sein Rechtsmittel im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben ist. Der geringe Teilerfolg zum Zeugnis und zu zwei der verschiedenen Kündigungen bleibt nach § 92 Abs.2 Nr.1 ZPO unberücksichtigt. Die Vollstreckbarkeitsentscheidungen folgen aus § 708 Nr.10 und § 711 ZPO. Zum Zeugnis waren unterschiedliche Sicherheitsleistungen festzusetzen, weil die Nachteile aus einer Abwendung der vorläufigen Vollstreckung unterschiedlich sind. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO fehlen.

Eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung durch den Beklagten erklärte Entziehung der seiner Vertreterin erteilten Prozessvollmacht steht nach § 87 Abs.1 ZPO der Entscheidung nicht entgegen, zumal eine Unterbrechung durch Anwaltsverlust die Verkündung ohnehin nicht hindert (§ 249 Abs.3 ZPO).

Ende der Entscheidung

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