Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.02.2001
Aktenzeichen: 5 U 152/98
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 261
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 Satz 1
ZPO § 108 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
BGB § 242
Einwand im Ausland bestehender anderweitiger Rechtshängigkeit; Garantie auf erstes Anfordern
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 152/98 3/12 O 117/97 Landgericht Frankfurt

Verkündet am 8. 2. 2000

In dem Rechtsstreit ...

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. November 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Streithelferin der Beklagten gegen das am 22. Juli 1998 verkündete Urkunden-Vorbehaltsurteil der 12. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Zur Verhandlung und Entscheidung im Nachverfahren wird die Sache an das Landgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Streithelferin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 440.000,- abwenden, wenn nicht die Klägerin in gleicher Höhe vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Streithelferin kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin wegen der Kosten der zweiten Instanz durch Sicherheitsleistung von DM 10.000,- abwenden, wenn nicht die Klägerin in gleicher Höhe vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Sicherheiten können jeweils durch eine unbedingte, unwiderrufliche und unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

Der Wert der Beschwer beträgt DM 400.000,-.

Tatbestand:

Die Klägerin, eine österreichische Gesellschaft, nimmt die Beklagte, eine in Frankfurt am Main ansässige Bank, aus einer Bankgarantie auf erstes Anfordern im Urkundenprozess auf Zahlung von DM 400.000,- nebst Zinsen in Anspruch.

Die Klägerin errichtete in B. in den Jahren 1995/1996 eine Ferienwohnungsanlage, die aus fünf Bauobjekten und insgesamt 205 Appartements bestand. Gemäß einem Verhandlungsprotokoll vom 19. Juni 1996, auf das verwiesen wird (Bl. 146 - 153 d. A.), beauftragte sie die Streithelferin der Beklagten, das türkische Unternehmen I.M., die Einbauküchen und Mobiliar für die Appartements zu liefern und zu montieren. Vereinbart wurde eine Gesamtauftragssumme (Pauschalpreis) von DM 3.592.840,-, die in drei Raten zu zahlen war: DM 2,5 Mio als Vorauszahlung bei Vertragsschluss, DM 592.840,- bei Anlieferung der Möbel und Montagebeginn (weitere Vorauszahlung) und DM 500.000,- nach Fertigstellung und Übergabe der Gesamtleistung am 20. November 1996 und der geprüften Schlussrechnung. Die Vorauszahlungen über DM 2,5 Mio und DM 592.840,- waren von der Klägerin erst nach Eingang von Bankbürgschaften in jeweiliger Höhe an die Streithelferin auszuzahlen. Ferner war noch die Gestellung einer Gewährleistungsbürgschaft vorgesehen.

Die Streithelferin veranlasste über die türkische Bank K. T. (Ankara), dass der Klägerin Sicherungen gestellt wurden, die in Form von Bankgarantien hingegeben wurden. Über den Vorauszahlungsbetrag von DM 2,5 Mio erhielt die Klägerin zunächst eine bis zum 30. November 1996 befristete Garantie der U. Bank (Deutschland), die alsdann durch eine solche der Beklagten vom 29. November 1996 ersetzt wurde. Dieses mit Advance Payment Guarantee" überschriebene, in englischer Sprache verfasste Schriftstück lautete auszugsweise wie folgt (Ablichtung Bl. 5/6 d. A., Übersetzung Bl. 7/8 d. A.):

"We, A. Bank, Frankfurt, hereby irrevocably and unconditionally undertake to pay you any amount up to maximum of DEM 2.500.000,- upon receipt of your first written demand stating that the amount claimed is due to you as above mentioned pplicant has failed to fullfill his obligations towards you as per above mentioned contract. All claims under this guarantee must be submitted to us on or before expiry date i.e. 7th December 1996, after which this guarantee becomes automatically null and void."

Für das Garantieverhältnis wurde in der Urkunde die Geltung deutschen Rechts vereinbart.

Auf Veranlassung der Streithelferin wurden der Klägerin noch zwei weitere Garantien der Bank A.U. über DM 592.840,- und DM 500.000,- überlassen, sodass der gesamte Festpreis, der an die Streithelferin auch ausgezahlt wurde, garantiemäßig abgedeckt war.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 1996 (Bl. 9 d. A.) verlängerte die Beklagte die Garantie über DM 2,5 Mio im reduzierten Umfang von nur noch DM 400.000,- bis zum 27. Juni 1997.

Dem lag zu Grunde, dass ein termingerechter Abschluss der Arbeiten und eine Abnahme noch nicht erfolgt war. Die Klägerin hatte gegenüber der Streithelferin Mängel ihrer Leistungen gerügt und ihr den Auftrag mit Schreiben vom 23. Dezember 1996 (Bl. 194/195 d. A.) entzogen. In diesem Schreiben hatte sie angekündigt, die ihr übergebenen Garantien in Anspruch nehmen zu wollen.

Mit Schriftsatz vom 10. März 1997 beantragte die Streithelferin beim Handelsgericht in Ankara gegen die Bank K., die Beklagte und die Klägerin als Antragsgegnerinnen, die Garantie über noch DM 400.000,- für ungültig zu erklären sowie eine einstweilige Verfügung zu erlassen, um sicherzustellen, dass die Vorschussgarantie bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung in diesem Rechtsstreit nicht eingelöst wird" (Bl. 57 ff. d. A.). Das Handelsgericht Ankara erließ am 19. März 1997 eine einstweilige Verfügung, auf die verwiesen wird (Ablichtung des Originals Bl. 17/18 d. A., Übersetzung Bl. 19 - 21 d. A.).

Mit Schreiben vom 4. Juni 1997 in deutscher Sprache nahm die Klägerin die Garantie bei der Beklagten in Anspruch (Bl. 12/13 d. A.). Diese bestätigte den Erhalt der Garantieinanspruchnahme, verweigerte jedoch am 18. Juni 1997 die Auszahlung, da ihr tags zuvor eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Ankara zugestellt worden sei, wonach ihr eine Auszahlung der Garantie untersagt sei (Bl. 14 d. A.).

Die Klägerin hat auch die beiden Garantien in Anspruch genommen, die von der Bank A.U. übernommen worden waren. Dagegen hat sich die Streithelferin durch Einleitung rechtlicher Schritte in Österreich zur Wehr gesetzt. Das Landgericht Salzburg hat den Antrag der Streithelferin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Klägerin, dieser zu untersagen, die Garantien einzuziehen, abgewiesen (Bl. 113 - 123 d. A.).

Das Verfahren in der Türkei vor dem Handelsgericht Ankara, in dem auch die Klägerin anwaltlich vertreten ist, ist fortgesetzt worden. Nachdem das Handelsgericht Ankara den Einwand seiner Unzuständigkeit am 11. Juni 1998 zurückgewiesen hatte, wurde die Sache an den Untersuchungsrichter verwiesen (Bl. 453/454 d. A.). Dass eine abschließende Entscheidung ergangen sei, haben die Parteien nicht vorgetragen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 400.000,- nebst 5% Zinsen seit dem 18. Juni 1997 zu zahlen.

Die Beklagte und ihre Streithelferin haben beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts Ankara/Türkei zum Aktenzeichen 1997/133 zwischen der I.M. und 1. Bank K. T., 2. der Beklagten, 3. M. F. S. auszusetzen,

äußerst hilfsweise, der Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.

Die Beklagte und die Streithelferin haben geltend gemacht, dass die Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig sei, da ein Prozess mit demselben Streitgegenstand, wenn auch mit abweichenden Parteirollen vor dem Landgericht Ankara anhängig sei. Mit der Anerkennung des türkischen Urteils in Deutschland sei zu rechnen, weil die Anerkennungsvoraussetzungen vorlägen. Ein ausschließlicher Gerichtsstand in Deutschland sei zwischen der Klägerin und der Streithelferin nicht vereinbart worden. Die Inanspruchnahme der Beklagten stelle sich als unzulässige Rechtsausübung dar, weil sie durch eine Gerichtsentscheidung (einstweilige Verfügung des Landgerichts Ankara) an der Auszahlung gehindert sei. Die Inanspruchnahme der Garantie sei auch nicht formwirksam gewesen, denn sie sei in deutscher Sprache und nicht, wie es geboten gewesen sei, in der englischen Garantiesprache" erfolgt. Außerdem habe die Klägerin es unterlassen zu erklären, dass der gesicherte Anspruch fällig gewesen sei. Die Klägerin habe den Garantiefall auch nicht, wie erforderlich, substantiiert. Sie verfolge zudem einen Anspruch, der durch das übernommene Risiko nicht mehr gedeckt sei, denn sie mache lediglich Gewährleistungs- bzw. Nachbesserungsrechte geltend, während nur eine Anzahlungsgarantie vorliege, mit der lediglich das darin liegende Risiko habe abgedeckt werden sollen, dass die Klägerin die Möbel bereits vor Lieferung und nicht erst danach bezahlt habe. Dieses Risiko sei erledigt, weil Möbel und Einrichtungsgegenstände im Rechnungswert von über DM 2,5 Mio angeliefert worden seien. Die Inanspruchnahme aus der Garantie sei schließlich auch rechtsmissbräuchlich, weil die Klägerin für die von ihr behaupteten Ansprüche bereits mehr als ausreichend durch die beiden anderen Garantien abgesichert sei. Ansprüche in dem behaupteten Umfang stünden der Klägerin nicht zu. Das Landgericht hat der Klage unter dem Vorbehalt der Ausführung der Rechte im Nachverfahren stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen (Bl. 457 ff. d. A.).

Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 29. Juli 1998 zugestellt worden ist, hat die Streithelferin am 7. August 1998 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 7. Oktober 1998 an diesem Tag begründet.

Die Streithelferin der Beklagten und die Klägerin wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen.

Die Streithelferin beantragt,

die Klage unter Aufhebung des am 22. Juli 1998 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Aktenzeichen 3/12 O 117/97, abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Streithelferin zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Streithelferin vom 7. Oktober 1998 (Bl. 490 - 499 d. A.) und 11. November 1999 (529 - 531 d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Klägerin vom 5. Februar 1999 (Bl. 513 - 520 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die von der Streithelferin der Beklagten eingelegte Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Die Klage ist im Urkundenprozess zulässig, da sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können (§ 592 Satz 1 ZPO).

Der Klage stehen auch sonst keine durchgreifenden Zulässigkeitsbedenken entgegen.

Insbesondere ist der von der Streithelferin erhobene Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit nicht begründet.

Allerdings ist auch eine ausländische Rechtshängigkeit entsprechend § 261 ZPO von Amts wegen zu beachten. Voraussetzung ist, dass ein identischer Streitgegenstand vorliegt, dieselben Parteien - wenn auch nicht unbedingt in derselben Parteirolle - beteiligt sind und der Rechtsstreit im Ausland zu einem früheren Zeitpunkt rechtshängig geworden ist; außerdem muss das zu erwartende ausländische Urteil im Inland anerkennungsfähig sein (Stein/Jonas/Schumann, 21. Aufl. 1997, § 261 ZPO Rn. 11; Zöller-Geimer, 21. Aufl. 1999, IZPR Rn. 96).

Diese Voraussetzungen sind nicht sämtlich erfüllt. Es fehlt jedenfalls die erforderliche Identität der Parteien. Die strittige Frage, ob ein zu erwartendes türkisches Urteil in Deutschland anerkennungsfähig wäre, kann daher auf sich beruhen.

Ob der Streitgegenstand identisch ist, beurteilt sich nach der lex fori desjenigen Gerichts, das die Frage der Rechtshängigkeit des bei ihm schwebenden Anspruchs zu beantworten hat (Stein/Jonas/Schumann, § 261 ZPO Rn. 12), somit nach deutschem Recht. Eine Identität des Streitgegenstands liegt nach deutschem Recht allerdings nicht nur dann vor, wenn dasselbe Begehren wiederholt wird, was hier zweifellos nicht in Betracht kommt, sondern auch dann, wenn der frühere Beklagte nunmehr den Streit in seiner Umkehrung erneut anhängig macht und das kontradiktorische Gegenteil" der im ersten Prozess angestrebten Rechtsfolge begehrt (vgl. BGH NJW 1993, 2684, 2685; Zöller-Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 21).

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin von der beklagten Garantiebank Auszahlung der Garantiesumme, in der Türkei begehrt die Streithelferin nach dem Vorbringen der Beklagten von ihr Unterlassung der Auszahlung. Darin liegen zwar sich widersprechende Verhaltensgebote. Jedoch scheitert die erforderliche Identität der Streitgegenstände bereits daran, dass die Parteien verschiedene sind. Die Streithelferin als Klägerin in der Türkei ist im vorliegenden Verfahren nicht als Partei, sondern nur als Streithelferin beteiligt. Darin liegt ein entscheidender Unterschied, denn die Identität der Parteien kann nur insoweit bejaht werden, als die subjektive Rechtskraft reichen kann (OLG Koblenz NJW-RR 1990, 1023; Zöller-Greger, § 261 ZPO Rn. 8a). Das ist hier nicht der Fall, da die subjektive Rechtskraft grundsätzlich nur inter partes besteht und einer der Fälle der Rechtskrafterstreckung auf Dritte (§§ 325 ff. ZPO) nicht vorliegt.

Die Wirkungen, die mit der Streithilfe verbunden sind, errichten kein Sachurteilshindernis.

Der Nebenintervenient (Streithelfer) wird im Verhältnis zur Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört, dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei (§ 68 ZPO). Die Interventionswirkung entfaltet sich nur zwischen dem Nebenintervenienten und der von ihm unterstützten Hauptpartei und nur zuungunsten des Nebenintervenienten. Die Bindung beschränkt sich - anders als bei der Rechtskraft - allerdings nicht nur auf den Entscheidungssatz, sondern auch auf die tragenden tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Ersturteils. Daraus, dass diese Interventionswirkung zuweilen als rechtskraftähnlich" bezeichnet wird (Zöller- Vollkommer, § 68 ZPO Rn. 1), dürfen indessen keine voreiligen Schlüsse gezogen werden, da beide Rechtsinstitute gravierende Unterschiede aufweisen. Allerdings können sich Widersprüchlichkeiten zwischen der Interventionswirkung und dem Ergebnis eines anderweit geführten Prozesses zwischen Hauptpartei und Nebenintervenient einstellen. In Bezug auf den vorliegenden Fall könnte eine solche entstehen, wenn die Garantieauftraggeberin die Garantiebank auf Unterlassung der Auszahlung aus der Garantie in Anspruch nähme und insoweit ein obsiegendes rechtskräftige Urteil erreichte, im Zahlungsprozess der Garantiebegünstigten gegen die Bank aber auf eine Verpflichtung der Bank erkannt würde, die Garantie zu bedienen, und der Garantieauftraggeber in diesem Rechtsstreit als Nebenintervenient zugunsten der Bank beigetreten ist. Der Garantieauftraggeber könnte dann auf Grund der Interventionswirkung der Bank gegenüber nicht mehr geltend machen, dass die Auszahlung im Verhältnis zum Garantiebegünstigten unrichtig gewesen sei, obwohl rechtskräftig feststünde, dass die Bank gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet war, die Auszahlung zu unterlassen. Derart widersprüchliche Ergebnisse sind jedoch nicht dadurch zu vermeiden, dass die Zulässigkeit der Klage des Garantiebegünstigten gegen die Bank auf Auszahlung der Garantiesumme verneint wird. Die Problematik kann vielmehr - da eine Möglichkeit, die Streithilfe von Amts wegen zurückzuweisen, nur bei fehlenden Prozesshandlungsvoraussetzungen bejaht wird (Zöller-Vollkommer, § 66 ZPO Rn. 14) - nur dadurch gelöst werden, dass die Wirksamkeit der Interventionswirkung in einem Folgeprozess überprüft werden kann.

Es kann nach alledem dahinstehen, welche besonderen Folgerungen sich daraus ergeben, dass unmittelbare vertragliche Beziehungen zwischen der Streithelferin und der Beklagten nicht begründet worden sind, sondern die Beklagte als Zweitbank von der türkischen Bank Kapital T.A.S. unter Absicherung durch eine Rückgarantie beauftragt worden ist.

Die vom Handelsgericht Ankara erlassene einstweilige Verfügung vermag die Sachentscheidung schon deshalb nicht zu hindern, weil sie als eine bloß vorläufige Maßnahme nicht anerkennungsfähig ist (Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 823). Der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch aus der von der Beklagten übernommenen Garantie erweist sich auch als in der Sache begründet.

Nach übereinstimmender Auffassung der Parteien handelt es sich um eine Garantie auf erstes Anfordern, nicht um eine Bürgschaft auf erstes Anfordern, wie sie in dem zu Grunde liegenden Auftrag vorgesehen war. Dieses Verständnis ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Entgegen der Aufassung der Streithelferin ist die wirksam übernommene Garantie formgerecht in Anspruch genommen worden.

Die ordnungsgemäße Inanspruchnahme erfordert, dass der Begünstigte die Erklärung abgibt, die im Tenor der Garantie aufgeführt ist. Wenn dargelegt wird, diese Erklärung sei streng formalisiert" abzugeben, dann ist damit gemeint, dass sich die Erklärung auf das beschränken kann, was in der Verpflichtungserklärung als Voraussetzung der Zahlung auf erstes Anfordern genannt und für jeden ersichtlich ist. Der Anspruchsteller hat im Rahmen der formellen Dokumentenstrenge grundsätzlich dasjenige eindeutig erkennbar zu erklären, was als Voraussetzung der Zahlungspflicht in der Urkunde niedergelegt ist. Eine wörtliche Übereinstimmung ist aber nur dann erforderlich, wenn dies ausdrücklich vereinbart worden ist (BGH NJW 1997, 1435, 1437).

Die Klägerin hat die Voraussetzungen der Zahlungspflicht aus der Urkunde in ihrer Erklärung ausreichend zum Ausdruck gebracht. In der schriftlichen Aufforderung war anzugeben, dass der geforderte Betrag fällig ist, weil es die Streithelferin versäumt habe, ihren Verpflichtungen der Klägerin gegenüber aus dem Vertrag vom 19. Juni 1996 nachzukommen. Das ist geschehen, denn die Klägerin hat erklärt, dass die Streithelferin ihren Verpflichtungen aus dem genannten Vertrag, nämlich zur Lieferung von fertigen Küchen und Möbelstücken, nicht nachgekommen ist. Die Streithelferin vermisst zu Unrecht eine ausdrückliche Erklärung zur Fälligkeit. Sie übersieht dabei, dass die Fälligkeit nicht auf Zahlungsverpflichtungen der Streithelferin bezogen ist, sondern nur zu erklären ist, dass der geforderte Betrag aus der Garantie fällig ist. Diese Erklärung liegt bereits in der Inanspruchnahme aus der Garantie. In Bezug auf die gesicherte Forderung musste die Klägerin nur deutlich machen, dass die Streithelferin ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht nachgekommen ist. Diese Erklärung ist abgegeben.

Die Streithelferin beanstandet ferner zu Unrecht, dass die Inanspruchnahme nicht in der Garantiesprache", d.h. in Englisch, erfolgt ist. In der Garantie ist nicht vereinbart, dass die Inanspruchnahme nur in englischer Sprache erfolgen dürfe. Weder ist dazu eine ausdrückliche Regelung getroffen noch lässt sich dies schlüssig aus dem Zusammenhang entnehmen. Sowohl die Garantiebegünstigte mit Sitz in Österreich als auch die Garantiebank mit Sitz in Deutschland sind der deutschen Sprache mächtig, sodass jedenfalls die Inanspruchnahme in Deutsch als gleichermaßen vertragsgemäß anzusehen ist. Die Inanspruchnahme in anderen Sprache als der Garantiesprache" birgt zwar das Risiko, dass sprachliche Abweichungen die Ordnungsmäßigkeit der Inanspruchnahme gefährden können, was zu Lasten des Anspruchstellers ginge. Diese Gefahr hat sich im vorliegenden Fall indessen nicht verwirklicht.

Nach ständiger Rechtsprechung ist es auch nicht erforderlich, den zu Grunde liegenden Anspruch in irgendeiner Form zu substantiieren oder schlüssig darzutun, weil dies der Funktion einer Garantie auf erstes Anfordern widersprechen würde. Sie soll nämlich dazu dienen, an Stelle eines Bardepots dem Gläubiger sofort flüssige Mittel zuzuführen, was sich nur erreichen lässt, wenn alle Streitfragen rechtlicher oder tatsächlicher Art, welche die Begründetheit der zu Grunde liegenden Forderung betreffen, in einen Rückforderungsprozess verwiesen werden, es sei denn, dass es klar auf der Hand liegt, dass der Gläubiger seine formale Rechtsstellung missbraucht (BGH NJW 1997, 255 f.).

Auch der von der Streithelferin erhobene Einwand des nicht gesicherten Risikos greift nicht durch.

Der Bundesgerichtshof gibt einem Bürgen die Einwendung, die Bürgschaft sichere nicht die dem konkreten Zahlungsbegehren des Gläubigers zu Grunde liegende Hauptforderung (BGH NJW 1996, 717; NJW 1997, 255; NJW 1999, 2361, 2362). Die Feststellung, welche Forderungen die Bürgschaft auf erstes Anfordern sichert, muss sich allerdings aus Umständen ergeben, die aus der Bürgschaft selbst und den Urkunden zu entnehmen sind, auf die sie sich bezieht. Unstreitige oder dem Gericht durch vorliegende Urkunden belegte Tatsachen dürfen dabei ergänzend berücksichtigt werden. Im Grundsatz muss sich der behauptete Haftungsumfang des Bürgen daher schon aus der Urkunde selbst ergeben (BGH NJW 1999, 2361, 2362).

Auch wenn man unterstellt, dass die genannten Grundsätze auf eine Garantie auf erstes Anfordern zu übertragen sind, hat die Streithelferin den Einwand fehlender Deckung nicht ausreichend dargetan.

Die Streithelferin möchte aus der Vertragslage, unter anderem aus der Überschrift der Garantieurkunde ( Advance Payment Guarantee" = Vorauszahlungsgarantie), herleiten, dass die Garantie ausschließlich die Vorauszahlung von ursprünglich DM 2,5 Mio für die Lieferung von Mobiliar abgedeckt habe, das indessen vollständig angeliefert worden sei, wie sich daran erweise, dass alle Appartements eingerichtet worden seien und die Klägerin auch die weiteren Raten gezahlt habe. Damit habe diese Vorauszahlung ihre Erledigung gefunden, weil die entsprechenden Leistungen (Anlieferung des Mobiliars) erbracht worden seien.

Diese Überlegung ist nicht schlüssig. Die von der Streithelferin vertretene Beschränkung der Garantie auf die Absicherung der Teilleistung lässt sich der Urkunde auch unter Heranziehung ergänzender urkundlich belegter oder unstreitiger Umstände nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen.

Dass eine Vorauszahlungsgarantie gegeben wurde, bedeutet lediglich, dass der Anspruch der Klägerin gesichert wurde, ihre Vorauszahlung zurückzuerhalten, was dann der Fall ist, wenn der vereinbarte Werklohn - aus welchen Gründen auch immer - nicht geschuldet wird. Ob der Gläubiger wenigstens geltend machen muss, die Anzahlung auch geleistet zu haben (von Westphalen, Die Bankgarantie im Internationalen Handelsverkehr, 2. Aufl. 1990, S. 152 ff.), kann auf sich beruhen, weil dies unstreitig ist. Das sich die Vorauszahlungsgarantie auf den gesamten Werklohn bezog, der erst nach Abschluss aller Arbeiten fällig wurde, wird insbesondere aus der zeitlichen Befristung deutlich, die sich an dem vorgesehenen Fertigstellungszeitpunkt orientierte. Wenn die Parteien gewollt hätten, dass die Sicherung mit der Anlieferung des Mobiliars entfallen sollte, dann hätte es nahegelegen, einen entsprechend kürzeren Zeitraum zu vereinbaren.

Eine für jedermann klar erkennbare rechtsmissbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung (§ 242 BGB) lässt sich ebenfalls nicht bejahen. Dieser von der Beklagten liquide zu beweisende Einwand müsste mit den Mitteln des Urkundenprozesses nachgewiesen werden, wozu allerdings auch unstreitige Tatsachen herangezogen werden können. Die Klägerin ist indessen nicht gezwungen, ihre hohen, die Summe aus allen drei Garantien übersteigenden Gegenforderungen, die im wesentlichen aus mangelhaften Leistungen hergeleitet werden, im einzelnen schlüssig zu begründen, weil dies im Ergebnis auf die Verpflichtung hinausliefe, auf das zu Grunde liegende Rechtsverhältnis einzugehen, was der Funktion einer Garantie auf erstes Anfordern zuwiderliefe. Es ist vielmehr Sache der Beklagten, liquide nachzuweisen, dass der Klägerin keine derartigen Ansprüche zustehen. Dazu reicht ihr Vorbringen nicht aus. Insbesondere können erheblich niedrigere Gewährleistungsansprüche nicht mit dem vorgelegten Beweissicherungsgutachten nachgewiesen werden, das sich nur mit einem Teil des Bauvorhabens befasst. Der Streithelferin ist es verwehrt, den sachlichen Streit durch das Tor des Rechtsmissbrauchs in den Urkunden-Erstprozess hineinzutragen. Derartige Fragen müssen vielmehr einem etwaigen Rückforderungsprozess vorbehalten bleiben.

Schließlich kann die Beklagte sich auch nicht deshalb auf § 242 BGB berufen, weil ihre Inanspruchnahme wegen des in der Türkei bestehenden Auszahlungsverbots unverhältnismäßig sei. Die Klägerin hat ein erhebliches Interesse daran, dass ihr liquide Mittel aus der Garantie auf erstes Anfordern alsbald zufließen. Dieses Interesse muss nicht hinter demjenigen der Beklagten zurückstehen, nicht leisten zu müssen, zumal die Beklagte nicht einmal darlegt, welche Folgen es für sie hätte, wenn sie die Auszahlung in Befolgung des Urteils eines deutschen Gerichts in Deutschland vornimmt. Der Zinsanspruch ist mit der Berufung nicht gesondert angegriffen und auch sachlich nicht zu beanstanden.

Da die Beklagte dem geltend gemachten Anspruch widersprochen hat, war ihr die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten (§ 599 Abs. 1 ZPO).

Die Sache war demgemäß wegen des Nachverfahrens an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten der Berufung gründet sich auf eine entsprechende Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO. Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels treffen hier die Streithelferin, weil nur sie das Rechtsmittel eingelegt und sich die unterstützte Partei im Rechtsmittelverfahren nicht mehr beteiligt hat (BGH NJW 1956, 1154; BGH NJW 1963, 1178, 1179).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Der Wert der Beschwer ist gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück