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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.06.2002
Aktenzeichen: 5 U 216/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 21
1. Hat der Beklagte das Bestehen einer inländischen Niederlassung arglistig vorgespiegelt, dann kann er sich im Prozess nicht auf das Nichtbestehen der Niederlassung und das Fehlen der Voraussetzungen des § 21 ZPO berufen.

2. Derjenige, der sich nach außen hin als Gewerbetreibender ausgibt und den Rechtsschein hervorruft, er unterhalte als solcher ein besonderes Geschäftslokal muss dorthin gerichtete Zustellungen jedenfalls dann gegen sich gelten lassen wenn Empfangseinrichtungen für den Betreffenden unter der egebenen Anschrift tatsächlich vorhanden sind.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES ZWISCHENURTEIL

5 U 216/98

Verkündet am 29. Juni 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter... auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage ist zulässig.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz für angeblich auf dem Transport von Seoul (Korea) nach Almaty (Kasachstan) totalbeschädigte Farbfernsehgeräte in Anspruch. Der Forderung liegen zwei Containerladungen mit jeweils 144 TV-Geräten zu Grunde, die am 31. Mai 1995 im koreanischen Hafen Busan nach Vostochny (Russland) eingeschifft und von dort per Bahn nach Almaty befördert wurden, wo sie im Juli/August 1995 eintrafen.

In Bezug auf die beiden Container existieren zwei mit "Combined Transport Operator BILL OF LADING" überschriebene Transportdokumente, die von einer W.Co. Ltd. in Seoul am 31. Mai 1995 unterzeichnet sind und die in dem für den CTO (= Combined Transport Operator) vorgesehenen Feld einen Stempelaufdruck der Firmenbezeichnung "M.Line Co. Ltd." und der Anschrift in Frankfurt am Main nebst dortigen Telekommunikationsanschlüssen tragen. Wegen der Einzelheiten wird auf die beiden Urkunden Bezug genommen (Bl. 6 und 7 d. A.).

Auf der Vorderseite der Dokumente befindet sich ein Hinweis auf umseitig abgedruckte Bedingungen, die von den Parteien teilweise vorgetragen worden, jedoch nicht zur Akte gereicht worden sind.

Eine Firma Cl. Limited in Ipswich (GB) befasste sich mit dem an den Fernsehern entstandenen Schaden. Die russische Organisation C. (Moscow) Ltd veranlasste im Lager in Almaty eine Überprüfung, die durch einen Herrn B. nach Auftragserteilung am 19. Dezember 1995 vorgenommen wurde. In dem daraufhin erstellten "Survey Report", auf den verwiesen wird (Bl. 149 - 154 d. A.), wird festgehalten, dass die Fernsehgeräte der Einwirkung von Salzwasser ausgesetzt gewesen seien.

Die machte Ansprüche gegen die Firma M. Line unter der Frankfurter Anschrift geltend, wo sich die Geschäftsräume der M.E. GmbH (Streithelferin zu 3) befinden. Die M. E. GmbH befasste sich mit dem Schadensfall und lehnte mit Schreiben vom 30. Mai 1996 eine Ersatzpflicht aus sachlichen Gründen ab (Bl. 75, 76 d. A.).

Die Klägerin reichte daraufhin am 29. Juli 1996 eine Klage gegen die durch ihren Geschäftsführer R. vertretene M. Line Co. Ltd. unter der Anschrift ... in Frankfurt/Main ein. Über die Zustellung der Klageschrift wurde am 10. Oktober 1996 eine Zustellungsurkunde errichtet, in der angekreuzt ist, dass der Empfänger/Inhaber der Einzelfirma im Geschäftslokal nicht anzutreffen gewesen und die Sendung einer Bediensteten übergeben worden sei (Bl. 16 d. A.). Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 1996 meldete sich Rechtsanwalt K. mit der Anzeige, dass er die Beklagte vertrete (Bl. 21 d. A.). Am 30. Oktober 1996 reichte er die Klage wieder zurück, weil die M. Line Co. Ltd. ihren Sitz nicht in der .... habe und die Zustellung nicht wirksam gewesen sei.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte ihren Sitz oder jedenfalls eine Niederlassung in Frankfurt am Main habe. Dafür spreche, dass die M. Transport GmbH für die Beklagte aus Frankfurt tätig geworden sei und sie sich sachlich mit der Forderung der Klägerin auseinandergesetzt habe, ohne auf eine fehlende Zuständigkeit hinzuweisen. Sie müsse sich jedenfalls an dem durch das Konossement und das vorgerichtliche Verhalten hervorgerufenen Schein eines Sitzes oder einer Niederlassung in Frankfurt festhalten lassen. Dass die Beklagte ihren Sitz oder eine Niederlassung in Frankfurt am Main habe, ergebe sich in rechtlich zwingender Weise aus der Angabe im Konossement. Die Beklagte hafte als Verfrachter für den an den Farbfernsehgeräten entstandenen Schaden gemäß den Haager Regeln. Der Stückpreis der Fernseher betrage USD 276,-. Bei insgesamt 288 Stück, die total beschädigt worden seien, errechne sich ein Gesamtbetrag von USD 79.488,-, dem noch ein 10%-tiger Zuschlag "für den örtlichen Marktwert" hinzuzufügen sei. Entsprechend dem bei Ablieferung maßgebenden Umechnungskurs von DM 1,4645 für 1 US-Dollar beziffere sich die Klageforderung auf DM 143.833,53. Verjährung sei nicht eingetreten, weil die zwingende Ausschlussfrist von einem Jahr gemäß § 612 HGB gelte, die eingehalten sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 143.833,53 nebst 9,5% Zinsen seit dem 15. November 1995 zu zahlen.

Für die Beklagte ist niemand aufgetreten. Die Streithelfer der Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben geltend gemacht, dass die Klage nicht wirksam zugestellt worden sei. Die Beklagte habe ihren Sitz in Seoul/Korea und verfüge in Frankfurt über keine Niederlassung. Die Anschrift der Streithelferin zu 3 sei nur in diesem Einzelfall ohne deren Wissen auf das Transportdokument gesetzt worden. In der Sache haben sie die Einrede der Verjährung erhoben. Nach den Konossementsbedingungen seien Ansprüche neun Monate nach Ablieferung des Gutes verjährt. Es werde bestritten, dass die 288 Fernseher durch Salzwasser beschädigt worden seien und die gesamte Partie dadurch unverkäuflich geworden sei. Die Klägerin habe den Schaden auch nicht binnen der vereinbarten Frist von sechs Tagen nach Auslieferung in schriflicher Form bei der Beklagten angemeldet. Der Schadensreport der Firma CRS sei zum Nachweis nicht geeignet, schon weil er nur in englischer Sprache vorgelegt worden sei. Der Stückpreis von USD 276,- je Gerät werde mit Nichtwissen bestritten, ebenso der 10%-tige Aufschlag.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar sei die Klage wirksam zugestellt worden, da die Beklagte den Rechtsschein gesetzt habe, am Zustellungsort einen Gewerbebetrieb zu unterhalten. Es werde jedoch vermutet, dass die Güter ordnungsgemäß abgeliefert worden seien. Diese Vermutung habe die Klägerin mit dem Schadensbericht nicht widerlegt, weil dieser inhaltlich unergiebig sei.

Gegen dieses Urteil, das ihr am 30. Oktober 1998 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 30. November 1998 Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 1. April 1999 an diesem Tag begründet hat.

Die Klägerin verfolgt ihren bisherigen Antrag mit Ausnahme des zuletzt auf 5% reduzierten Zinsantrags weiter. Sie hält die Begründung des Landgerichts nicht für tragfähig, weil der Schadensbericht aussagekräftig sei. Insoweit legt sie den Bericht nunmehr nebst einer Anlage in Ablichtung vor und gibt seinen Inhalt auszugsweise in deutscher Sprache wieder. Ergänzend tritt sie Zeugenbeweis in Bezug auf den Schaden an.

Die Streithelfer der Beklagten halten daran fest, dass die Klage unzulässig sei und treten ihr weiterhin sachlich entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 1. April 1999 (Bl. 141 - 147 d. A.), 4. April 2000 (Bl. 175 - 177 d. A.), 6. Dezember 2000 (Bl. 196 - 198 d. A.) und 22. März 2001 (Bl. 224 - 225 d. A.) sowie auf diejenigen der Streithelfer vom 29. Dezember 1999 (Bl. 171 - 174 d. A.) und 5. Februar 2002 (Bl. 215 - 216 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Auf die zulässige Berufung der Klägerin hat der Senat die abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet. Sie führt zur Feststellung ihrer Zulässigkeit durch Zwischenurteil (§ 280 ZPO a. F.).

1. Die deutschen Gericht sind international zuständig. Diese Frage ist vorrangig und von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen.

Die internationale Zuständigkeit ist mittelbar in den §§ 12 ff. ZPO mitgeregelt. Soweit danach ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, wird dadurch regelmäßig die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte indiziert (BGH NJW 1991, 3092, 3093).

Verklagt ist eine M. Line Co. Ltd. mit Sitz in Seoul/Südkorea. Soweit die Klägerin früher den Standpunkt eingenommen hatte, diese Gesellschaft koreanischen Rechts habe ihren Sitz in Frankfurt am Main gehabt, ist dies nach dem Ergebnis der von ihr zwischenzeitlich angestellten weiteren Ermittlungen in Korea nicht mehr aufrechterhalten worden.

Die deutsche internationale Zuständigkeit lässt sich daher nicht auf § 17 Abs. 1 ZPO a. F. gründen, weil sich der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten an ihrem Sitz in Korea befindet.

Auch der besondere Gerichtsstand der Niederlassung (§ 21 ZPO a. F.) greift nicht unmittelbar ein. Erforderlich dafür ist, dass eine selbständige Niederlassung der Beklagten in Frankfurt am Main bestand, von der aus Geschäfte geschlossen wurden. Dazu ist von der Klägerin nichts Konkretes vorgetragen worden. Wenn in Frankfurt am Main Tätigkeiten bei der Schadensbearbeitung für die Beklagte entfaltet wurden, dann handelte es sich gerade nicht um Geschäftsabschlüsse. Entgegen der Auffassung der Klägerin tragen auch Indizien nicht die Feststellung, die Beklagte habe eine selbständige Niederlassung in Frankfurt am Main unterhalten.

Es ist jedoch ganz herrschende Meinung, der sich der Senat anschließt, dass das arglistige Vorspiegeln des Bestehens einer Niederlassung zur Folge hat, dass sich der Beklagte im Prozess nicht auf das Nichtbestehen der Niederlassung und damit nicht auf das Fehlen der Voraussetzungen des § 21 ZPO berufen kann (Stein/Jonas-Schumann, 21. Aufl. 1993, § 1 ZPO Rn. 13, Fn. 15; § 21 ZPO Rn. 13 m. w. N. in Fn. 29).

Ein derartiger Fall ist nach Auffassung des Senats vorliegend zu bejahen. Dadurch dass die Beklagte ihrer Firmenbezeichnung eine Anschrift in Frankfurt am Main hinzugefügt hat, hat sie den Eindruck hervorgerufen, dass sie dort jedenfalls eine Niederlassung unterhalte. Einschränkungen dahin, dass sich dort nur eine Repräsentanz oder eine Schadensbearbeitungsstelle befinde, gingen aus dem Stempelaufdruck nicht hervor.

Die kraft Rechtsscheins einer Niederlassung begründete internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte wird nicht durch die Bedingungen auf der Rückseite des Bill of Lading in Frage gestellt. Diese Bedingungen sind nicht vorgelegt worden und können daher nicht beurteilt werden. Soweit die Klägerin in der Klageschrift vorgetragen hat, Klausel 19 der Konossementsbedingungen sehe vor, dass Auseinandersetzungen dort zu regeln seien, wo der Verfrachter seinen Geschäftssitz habe, lässt dies nicht erkennen, ob eine ausschließliche Gerichtswahl anzunehmen wäre.

Auch wenn man unterstellen wollte, dass die rückseitig abgedruckten Bedingungen denen des FBL (FIATA Multimodal Transport Bill of Lading) entsprechen, würde sich nichts Abweichendes ergeben. Ziffer 19 dieser Bedingungen (abgedruckt bei MünchKommHGB/Bydlinski, 1997, S. 390 ff.) lautet: "Actions against the Freight Forwarder may be instituted only in the place where the Freight Forwarder has his place of business as stated on the reverse of this FBL and shall be decided according to the law of the country in which that place of business is situated." Nach dieser Klausel wäre die Klägerin sogar verpflichtet gewesen, die Klage in Frankfurt am Main zu erheben, weil dieser Gerichtsort als vereinbart anzusehen wäre.

Es erschiene jedenfalls als arglistig, wenn die Beklagte die Klägerin auf eine Inanspruchnahme an ihrem Sitz in Korea verweisen wollte, nachdem sie ihr zuvor ausdrücklich nur eine Anschrift in Frankfurt angegeben hatte, weil die Klägerin dies zu Recht als Aufforderung verstehen durfte, sich an diese Anschrift zu halten.

2. Auch die von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung der Parteifähigkeit der Beklagten (§ 56 Abs. 1 ZPO a. F.) ist nunmehr zu bejahen.

Nachdem die Klägerin in erster Instanz die Parteifähigkeit der Beklagten selbst dadurch in Frage gestellt hatte, dass sie vorgetragen hatte, eine "Limited" existiere weder in Korea noch anderswo, und sie eine Auskunft eines koreanischen Anwalts eingeholt hatte, der eine Eintragung im Seoul Commerce Registry nicht hatte feststellen können, sieht sich der Senat nach dem Ergebnis der ergänzenden Ermittlungen in der Lage, die Parteifähigkeit der Beklagten festzustellen.

In der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme des Rechtsanwaltsbüros S. Law Office vom 30. November 2000 ist ausgeführt, dass die Beklagte in Übereinstimmung mit dem Handelsregister (Commercial Registry) eine ordnungsgemäß errichtete Gesellschaft nach koreanischem Recht sei und dass sie eine Rechtsperson darstelle, die die Befugnis habe, Rechte und Verpflichtungen innezuhaben und auszuüben, und dass sie vor einem Gericht verklagt werden könne. Der Senat sieht keinen Anlass, dieser freibeweislich zu verwertenden Urkunde eines Rechtskundigen zu misstrauen, zumal ihr eine Ablichtung des Handelsregisters angefügt ist (Bl. 199 - 201 d. A.). Soweit vorgebracht worden ist, aus den Unterlagen, die die Streithelfer vorgelegt hätten, ergebe sich keineswegs, dass die Beklagte rechts- und parteifähig nach koreanischem Recht sei, ist dies schon deswegen unbehelflich, weil Unterlagen zur Beurteilung stehen, die die Klägerin beigebracht hat. Die Auskünfte, die die Streithelfer der Beklagten vorgelegt hatten, stehen zu der Beurteilung des Sechang Law Office nicht in Widerspruch.

3. Die Klage ist der Beklagten auch wirksam zugestellt worden.

Allerdings ist eine Zustellung an einen der gesetzlichen Vertreter der Beklagten nicht erfolgt, sodass nur eine Ersatzzustellung gemäß § 184 ZPO a. F. in Betracht kommt. Eine solche erfordert zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich, dass ein besonderes Geschäftslokal der Beklagten in Frankfurt am Main vorhanden war. Davon kann jedoch nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Der Prozessbevollmächtigte der Streithelfer hat versichert, dass ein Geschäftslokal der Beklagten unter der angegebenen Anschrift nicht vorhanden sei. Zwar hat der Postzusteller beurkundet, er habe "den Empfänger" "im Geschäftslokal" nicht angetroffen, was voraussetzt, dass er geprüft haben müsste, ob ein Geschäftslokal der Beklagten vorhanden war. Es ist allerdings möglich und liegt nicht fern, dass er sich damit begnügt hat, ein Geschäftslokal der "M." vorzufinden, zumal die Zustellungsurkunde auch in anderer Hinsicht nicht exakt ausgefüllt ist, ohne dass dies aber die Wirksamkeit der Zustellung berührt (Ankreuzen der Rubrik Einzelperson statt juristische Person).

Einer Aufklärung insoweit durch Einholung einer dienstlichen Erklärung des Zustellers zum Vorhandensein eines Geschäftslokals der Beklagten bedurfte es indessen nicht, weil die Wirksamkeit der Zustellung bereits aus einem anderen Gesichtspunkt folgt.

In Rechtsprechung und Schrifttum wird die Ansicht vertreten, dass derjenige, der sich nach außen hin als Gewerbetreibender ausgibt und den Rechtsschein hervorruft, er unterhalte als solcher ein besonderes Geschäftslokal, dorthin gerichtete Zustellungen gegen sich gelten lassen muss (BVerwG MDR 1974, 337, 338; OLG Köln ZIP 1988, 1337; Stein/Jonas-Schumann, § 183 ZPO Rn. 1, 2; Zöller/Stöber § 183 ZPO Rn. 4 a). Dem tritt der Senat mit der Maßgabe bei, dass in Ansehung des Gewichts des Prozessgrundrechts des rechtlichen Gehörs rein fiktive Zustellungen, die keine ausreichende Gewähr dafür bieten, dass der Adressat von der Einleitung eines gegen ihn gerichteten Verfahrens überhaupt Kenntnis erhält, vermieden werden müssen. Es würde daher erheblichen Bedenken begegnen, eine Zustellung als wirksam anzusehen, wenn der Empfänger zwar den Rechtsschein erzeugt hat, an einem bestimmten Ort ein Geschäftslokal zu unterhalten, dort aber keinerlei Empfangseinrichtung für ihn vorhanden ist.

Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte den Rechtsschein gegenüber der Klägerin gesetzt, in Frankfurt am Main ein Geschäftslokal zu unterhalten. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs reicht es bei einer von Amts wegen vorzunehmenden Zustellung zwar nicht aus, wenn der Anschein nur gegenüber der Prozesspartei erweckt worden ist, vielmehr setzt eine Zurechnung kraft Rechtsscheins voraus, dass sich die Partei allgemein im Rechtsverkehr mit einem Geschäftslokal ausgegeben habe (BGH NJW-RR 1993, 1083). Dazu, ob diese Einschränkung überzeugt, muss der Senat keine Stellung nehmen, weil die Transportdokumente zur Weitergabe bestimmt waren und sie daher nicht nur gegenüber der Klägerin, sondern auch gegenüber nicht näher bestimmten anderen und damit "allgemein in der Öffentlichkeit" verwendet wurden.

Auch die Gefahr einer rein "fiktiven" Zustellung bestand vorliegend nicht, weil Empfangseinrichtungen für die Beklagte am Ort des von ihr angebenen Geschäftslokals tatsächlich vorhanden waren, denn die M. GmbH unterhielt an der angegebenen Stelle ein Geschäftslokal, und sie hatte es auch tatsächlich übernommen, den Verkehr mit der Beklagten zu vermitteln. Das entnimmt der Senat dem Umstand, dass die M. GmbH die Schadensbearbeitung für die Beklagte durchgeführt hat und sie auch auf die Zustellung der Klage reagiert hat. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (NJW-RR 1993,1083) bestand der Rechtsschein auch noch im Zeitpunkt der Zustellung fort, denn noch kurz vor Einreichung der Klage wurden für die Beklagte die Ersatzansprüche aus den Räumen des angegebenen Geschäftslokals zurückgewiesen. Unter diesen Voraussetzungen reichte die Zustellung im Geschäftslokal der beauftragten M. GmbH an einen dort anwesenden Bediensteten gemäß § 184 Abs. 1 ZPO für eine wirksame Zustellung aus.

Die Wirksamkeit der Zustellung kann nicht im Hinblick auf die Vorschrift des § 187 ZPO a. F. dahinstehen, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Klageschrift der Beklagten zugegangen ist. Zwar hatte sich Rechtsanwalt K., dem die Klageschrift überlassen worden war, als Prozessbevollmächtigter der Beklagten bestellt. Jedoch ist unstreitig, dass ihm von der Beklagten keine Prozessvollmacht erteilt worden war. Er hat zudem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat glaubhaft versichert, sich lediglich auf eine Bitte der Multimodal im Verfahren gemeldet zu haben. Dass Rechtsanwalt K. die Klage erhalten hatte, kann daher nicht mit einem Zugang bei der Beklagten gleichgesetzt werden.

Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Senat sieht sich, wie oben ausgeführt, nicht in Widerspruch zu dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Juni 1993 - VIII ZB 39/92, NJW-RR 1993, 1083.

Das Verfahren in der Hauptsache wird von Amts wegen fortgesetzt, sobald das die Zulässigkeit der Klage bejahende Zwischenurteil in formelle Rechtskraft erwachsen ist.



Ende der Entscheidung

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