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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 11.03.2008
Aktenzeichen: 5 U 29/06
Rechtsgebiete: AktG, ZPO


Vorschriften:

AktG § 221
ZPO § 66
ZPO § 71
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin ist ein Kreditinstitut, die Beklagten, für die bei ihrer Nebenintervenientin eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter (sog. A-...) abgeschlossen ist, sind ihre ehemaligen Vorstandsmitglieder, denen die Klägerin erhebliche Pflichtverstöße durch Vornahme unzulässiger derivativer Zinsgeschäfte zwischen dem 1.1.2001 und 30.6.2002 vorwirft, die ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet hätten.

Mit der Klage hat die Klägerin die Beklagten gesamtschuldnerisch auf Zahlung in Höhe von 250.403.491,70 € in Anspruch genommen und die Feststellung begehrt, dass die Beklagten verpflichtet seien, der Klägerin den aus bestimmten im Zeitraum von Januar 2001 bis Juni 2002 geschlossenen und am 1. September 2004 noch nicht beendeten Derivategeschäften entstandenen Schaden zu ersetzen.

Die Beklagten und ihre Nebenintervenientin haben Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Klägerin sei nicht geschädigt.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter und begehrt die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet seien, ihr den aus bestimmten, im Zeitraum von Januar 2001 bis Juni 2002 geschlossenen und am 1. September 2004 noch nicht beendeten Derivategeschäften gemäß der Auflistung im Schriftsatz vom 26. Januar 2007 (Bl. 2126 bis 2128 d. A.) entstandenen Schaden zu ersetzen, hilfsweise zu dem Feststellungsantrag, die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von ca. 2,383 Mrd. € nebst Zinsen zu verurteilen und die Ersatzpflicht der Beklagten bezüglich des Schadens aus bestimmten Derivategeschäften im Zeitraum von Januar 2001 bis Juni 2002 nach Maßgabe der Auflistung im Schriftsatz vom 26. Januar 2007 (Bl. 2129 d. A.) festzustellen.

Die Beklagten und ihre Nebenintervenientin treten der Berufung entgegen und verteidigen das angefochtene Urteil.

Nachfolgend haben die Beteiligten zu 1. bis 3. unter Vorlage von u. a. beglaubigten Übersetzungen von Bestätigungen der B & Co., aus denen sich für Konten der Beteiligten zu 1. bis 3. ergibt, dass sie im vorgetragenen Umfang Wertpapiere mit der Kennnummer ... halten, den Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin erklärt, den sie damit begründen, als Inhaber von von der Klägerin ausgegebenen Genussscheinen im Nennwert zwischen DEM 1,966 Mio. und 2,404 Mio. am im Geschäftsjahr 2005 mit EUR 441,574 Mio. und im Geschäftsjahr 2006 mit EUR 838,104 Mio. festgestellten Bilanzverlust in voller Höhe durch Verminderung ihrer Rückzahlungsansprüche teilgenommen zu haben, während nach § 9 der Genussscheinbedingungen in den Folgejahren während der am 31.12.2008 endenden Laufzeit der Genussscheine vorrangig vor Ausschüttungen oder der Dotierung von Rücklagen zunächst das durch die Bilanzverluste der Vorjahre geminderte Genussscheinkapital wieder auf den Nennbetrag aufzufüllen sei.

Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, die Nebenintervenientinnen seien Inhaber von Genussscheinen, macht geltend, es sei das rechtliche Interesse nicht substanziiert dargelegt und ungewiss, ob die Klägerin während der Laufzeit der Genussscheine wieder Gewinn erwirtschaften werde.

Die Klägerin beantragt,

die Nebenintervention zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1. bis 3. beantragen,

den Antrag zurückzuweisen und die Nebenintervention zuzulassen.

Sie sind der Ansicht, es bestehe ein rechtliches Interesse an der Nebenintervention, weil eine positive Entscheidung in diesem Rechtsstreit auf die Rechtsstellung der Streithelfer als Genussscheininhaber unmittelbar günstig einwirke.

II.

Der Antrag der Klägerin, die Nebenintervention der Beteiligten zu 1. bis 3. zurückzuweisen, ist zulässig. Er hat auch in der Sache Erfolg.

Die Nebenintervention ist nicht zuzulassen, weil die Nebenintervenientinnen ein rechtlich geschütztes Interesse daran, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, nicht ausreichend dargetan haben (§§ 71 Abs. 1, 66 Abs. 1 ZPO). Der Begriff des rechtlichen Interesses - im Gegensatz zu einem bloß wirtschaftlichen oder sonstigen tatsächlichen Interesse - verlangt, dass der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt (h. M., vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. April 2006 - II ZB 16/05, ZIP 2006, 1218, Juris-Rz. 8; vom 17. Januar 2006 - X ZR 236/01, BGHZ 166, 18, Juris-Rz. 7; Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl. § 66 Rz. 8; Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl. § 66 Rz. 16; Musielak/Weth, ZPO 5. Aufl. § 66 Rz. 5; Schilken in: MünchKomm.z.ZPO 2. Aufl. § 66 Rz. 7).

Die Richtigkeit der vorgelegten Bestätigungen der B & Co. hat die Klägerin nach Vorlage beglaubigter Übersetzungen nicht weiter in Abrede gestellt, weshalb der Entscheidung zu Grunde zu legen ist, dass die Streithelferinnen Genussrechtsinhaber im dargelegten Umfang sind. Gleichwohl haben die Nebenintervenientinnen kein rechtliches, sondern lediglich ein wirtschaftliches Interesse am Obsiegen der Klägerin.

Die rechtlichen Beziehungen zwischen Genussrechtsberechtigtem und Gesellschaft (vg. § 221 Abs. 1, 3 AktG) sind rein schuldrechtliche (vgl. MünchKommAktG/Habersack, 2. Aufl., § 221, Rz. 204) und nicht korporationsrechtlicher Natur (vgl. Hüffer, AktG 7. Aufl., § 221 m. w. N.). Diese Rechtsbeziehung zwischen den Streithelferinnen und der Klägerin als solche wird weder durch das Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits noch durch die Vollstreckung einer künftigen Entscheidung beeinflusst. Soweit die Nebenintervenientinnen darauf abheben, dass sie von einer Entscheidung zugunsten der Klägerin - angesichts der Komplexität der zwischen den Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht streitigen Fragen ist der Erlass eines streitigen Urteil während der Laufzeit der Genussrechte ohnehin eher nicht zu erwarten - profitieren würden, weil sich dann möglicherweise ein Bilanzgewinn ergäbe und vorrangig das Genussscheinkapital wieder aufzufüllen wäre, ist das ein rein wirtschaftliches oder tatsächliches Interesse, vergleichbar dem Interesse des Aktionärs am Obsiegen seiner Aktiengesellschaft im Hinblick auf seine Dividende, das anerkanntermaßen für eine Nebenintervention nicht ausreicht (vgl. RGZ 83, 182, 184; Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl., § 66 Rz. 9; Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl., § 66 Rz. 14; OLG Schleswig, NJW-RR 1999, 575,m Juris-Rz. 6). Ebensowenig ist der Gläubiger der Hauptpartei in deren Prozess mit anderen Gläubigern allein deshalb zum Beitritt berechtigt, weil der Schuldner durch die Vollstreckung der Erstentscheidung zahlungsunfähig zu werden droht (vgl. Wieczorek/Mansel, ZPO 3. Aufl. § 66 Rz. 73).

Die Streithelferinnen machen zu Unrecht geltend, im Unterschied zum Aktionär bedürfe es vorliegend keines Zwischenschritts wie eines Gewinnverwendungsbeschlusses, um ihnen die Vorteile aus einer Entscheidung zugunsten der Klägerin in der Hauptsache zu sichern. Das Interesse des Aktionärs reicht nicht aus, obwohl ein - im Obsiegensfall der Gesellschaft - realisierter Gewinn der Gesellschaft ebenfalls einen unmittelbar positiven Effekt auf seine Rechtsposition im Hinblick auf den Kursanstieg der Aktie bereits ohne Ausschüttung des Gewinns an die Aktionäre hat.

Der Hinweis auf die Zulassung der Nebenintervention des Pflichtteilsberechtigten im Prozess des Erben, der die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung in ein nachlassgehöriges Grundstück geltend gemacht hatte, weil im Fall des Erfolgs der Klage das Grundstück unbelastet und der Pflichtteilsanspruch entsprechend höher zu bewerten war (vgl. OLG Hamm, ZEV 1995, 109), rechtfertigt eine entsprechende Entscheidung zugunsten der Nebenintervenientinnen nicht, weil hier völlig ungewiss ist, ob eine der Klägerin günstige Entscheidung während der Laufzeit der Genussrechte einen Bilanzgewinn zur Folge haben wird. Vielmehr haben die Streithelferinnen nur entfernte und mittelbare tatsächliche Vorteile zu erwarten; hierin liegt kein anerkennenswertes rechtliches Interesse (ebenso OLG Celle, OLG-Report 2002, 308 für den Fall des Beitritts des Gläubigers im Rechtsstreit seines Schuldners gegen dessen Freistellungsschuldner).

Die Kosten des Zwischenstreits haben im Falle der Zurückweisung der Nebenintervention in entsprechender Anwendung des § 91 ZPO die Nebeintervenientinnen zu tragen (vgl. Senat, Zwischenurteile vom 27. September 2005 - 5 U 205/04; vom 13. September 2005 - 5 U 136/04; vom 16. März 1999 - 5 U 191/98, insoweit in OLGReport 1999, 205 und NZI 1999, 366 nicht abgedruckt, BAG NJW 1968, 73; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 71 ZPO Rn. 7).

Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist entbehrlich (§ 794 Nr. 3 ZPO).

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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