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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 10.07.2007
Aktenzeichen: 5 U 62/06
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 89 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin, die seit mehr als 20 Jahren für die Beklagte tätig war, verlangt aus einem zum 28.2.1997 ordentlich gekündigten Vertragshändlervertrag für A-Personenwagen Ausgleichszahlung für den Kundenstamm. Nach ca. zwei Jahren und sechs Monaten übernahm sie eine B-Vertretung. Die Mehrfachkundenumsätze des letzten Vertragsjahr waren untypisch.

Die Klägerin hat behauptet, Mehrfachkundenumsätze gemäß ihren Aufstellungen in der Klageschrift (S.38-39, Bl. 38-39 d.A.) getätigt zu haben. Der Verwaltungskostenabschlag zu den Mehrfachkundenumsätze belaufe sich nur auf 2,5% der unverbindlichen Preisempfehlung der Beklagten (im Folgenden nur: UPE). Die Sogwirkung der Marke rechtfertige allenfalls einen Abschlag um 10%.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 136.037,77 € nebst 5% Zinsen seit dem 1.3.1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat einzelne Mehrfachkundengeschäfte bestritten und einen Verwaltungskostenabschlag von 3,16% der UPE eingewandt.

Die Beklagte hat behauptet, die Sogwirkung der Marke A sei im Hinblick auf deren besonderen Prestigewert so hoch, dass der Handelsvertreterausgleichsanspruch der Klägerin um mindestens 60% zu reduzieren sei.

Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Frage der gebotenen Reduzierung des Anspruchs infolge eines Markensogs durch Sachverständigengutachten. Auf das Gutachten wird verwiesen.

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Stammkundenmargen der letzten fünf Vertragsjahre um die für die Stammkunden gezahlten Zuschüsse erhöht und den verbleibenden Betrag an Zuschüssen im Verhältnis der Stammkunden zur Gesamtkundenzahl ebenfalls der Klägerin zugerechnet. Es hat dann zu diesen Umsätzen 5% der UPE als Abzugsposten für handelsvertreteruntypische Vergütungsanteile herausgerechnet und den Restbetrag einer Billigkeitskorrektur um 10% unterzogen. Eine höhere Sogwirkung ergäbe sich aus dem Gutachten des bestellten Sachverständigen nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil Bezug genommen (Bl. 691-713 d.A.).

Die Berufung der Beklagten greift den Ausgleichsanspruch dem Grunde nach an, weil die Beklagte keine Vorteile erlangt habe. Einzelne Stammkunden seien nicht zu berücksichtigen, wie auch der Ansatz jeglicher Zuschüsse unberechtigt sei, weil für den Prognosezeitraum insoweit kein Anspruch begründet gewesen sei. Ein Abzug für verwaltende Tätigkeit sei vergessen worden, der sich auf 3,16% der UPE belaufen müsse. Auch sei der vereinbarte Werbeaufwand von 1% der UPE abzuziehen. Der Billigkeitsabschlag müsse wegen des Markensogs 60% betragen. Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht ein Marktforschungsgutachten nicht eingeholt.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil jedenfalls im Ergebnis.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und gerechtfertigt worden.

Der Klägerin steht analog § 89b Abs.1 HGB ein Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte in der zuerkannten Höhe zu. Die Voraussetzungen der entsprechenden Anwendung dieser Bestimmung auf die Klägerin als Vertragshändlerin sind im Berufungsverfahren nicht in Frage gestellt worden, wie auch die ordentliche Beendigung des Händlervertrags zum 28.2.1997 und die rechtzeitige Anmeldung des Anspruchs außer Frage stehen. Soweit mit der Berufungsreplik eingewandt wird, den Provisionsverlusten der Klägerin entsprächen keine Vorteile für die Beklagte, ist die dahingehende, in der BGH-Rechtsprechung anerkannte Vermutung (vgl. BGH NJW 1990, 2889, 2890; Baumbach/Hopt, 32. Aufl., § 89b Rz.47; Küstner Rz.1755 mwN.in Fn.23; Senat 5 U 173/99 S. 24) nicht entkräftet. Die eingewandte Tatsache, dass die Beklagte sich gegenüber den anderen Vertragshändlern zur Weitergabe der Vorteile an einen neuen Vertraghändler verpflichtet habe, führt nicht dazu, dass der Beklagten solche Vorteile nicht dem Grunde nach zufallen würden.

1. Mehrfachkunden

Nachdem zwischen den Parteien unstreitig geblieben ist, dass die Mehrfachkundenumsätze des letzten Vertragsjahres untypisch sind, kommt es als Ausgangsgröße für die Bemessung des Ausgleichsanspruchs auf die den Provisionsverlusten der Klägerin entsprechenden Rabatte für einen Prognosezeitraum von fünf Jahren an. Hierfür sind die Erlöse aus Geschäften mit Mehrfachkunden maßgeblich, die in den letzten fünf Jahren vor Beendigung des Händlervertrags erzielt wurden. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (5 U 172/99; 5 U 173/99; 5 U 152/00; 5 U 227/02), die der Entscheidung des BGH vom 26.2.1997 (Renault II, BB 1997, 852) folgt. Auch die Parteien sehen die Berechnungsstruktur der Provisionsverluste nicht abweichend.

Der vom Landgericht errechnete Rohgewinn aus Stammkundengeschäften der letzten fünf Vertragsjahre von 196.778,11 DM (LGU S.13, Bl. 703 d.A.) ist um 43.470,52 DM auf 153.307,59 DM herabzusetzen, wobei die Parteien übereinstimmend von einem Nachkaufintervall von fünf Jahren auszugehen, wie dieses in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Billigung gefunden hat (vgl. BGH - Mitsubishi - WM 2006, 1328 zu einem Schadensersatzanspruch, ebenso BGH - Volvo - ZIP 1996, 1299).

Die Berufung hat zu den Geschäften Nr. 1 des letzten Vertragsjahrs (C), Nr.28 (D) und Nr.55 (E) des drittletzten Vertragsjahrs, Nr.10 (F) und 16 (G-Autovermietung) des viertletzten Vertragsjahrs sowie Nr.7 (H-Autoleasing) und Nr.24 (I) des fünftletzten Vertragsjahrs Erfolg, weil es sich bei diesen sieben Geschäften um Erstkäufe handelt, die auf Grund eines später im gleichen Vertragsjahr getätigten Ankaufs von der Klägerin zu Unrecht als Stammkundengeschäfte eingeordnet wurden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Doppelkauf (BGH - Renault II - BB 1997, 852, 854 am Ende) kann für sie nicht nutzbar gemacht werden, weil diese Kunden mit dem Erstgeschäft der Beklagten gerade noch kein gesteigertes Vertrauen entgegenbrachten. Das Geschäft Nr.7 (H-Autoleasing) des fünftletzten Vertragsjahrs ist zwar im Berufungsverfahren neu angegriffen, jedoch auf unstreitiger Tatsachengrundlage. Die Geschäfte Nr.1 (C - letzte Vj.) und Nr.16 (G-Autovermietung - viertl. Vj.) können auch nicht mit Rücksicht auf frühere Neuwagenkäufe berücksichtigt werden, weil die früheren Geschäfte nicht durch die Kunden der späteren getätigt wurden und eine ausreichende Nähebeziehung zu den Vorkäufern nicht vorgetragen worden ist.

Der Kunde Nr.21 (J) des letzten Vertragsjahr scheidet als Stammkunde im Neuwagengeschäft aus, weil er zuvor bei der Klägerin zu dem geltend gemachten Vorkaufsdatum - 9.9.1994 - nur einen Gebrauchtwagen erworben hatte (Anlage K 42, Bl. 323). Zu dem Kunden K Consulting GmbH des viertletzten Vertragsjahrs (Nr.50), zu dem die Klägerin die Rechnung an die L Leasing GmbH vorgelegt hat (Anl. K 16), hat die Beklagte die Personenidentität bestritten, denn das Vorgeschäft betraf einen Käufer Prof. Dr. K. Aus dem erstinstanzlichen Klägervortrag (Bl. 281 d.A.), es liege "bei der Fa. N und Prof. Dr. K Personenidentität vor", es handele sich um dieselbe Person, ist für den Verkauf an die L Leasing GmbH nichts zu schließen, namentlich fehlt Vortrag, dass Prof. Dr. K dort Entscheidungsträger wäre. Diesen Vortrag hat auch Berufungserwiderung nicht ergänzt (Bl. 814 d.A.). Zum Geschäft Nr.39 des fünftletzten Vertragsjahres (M Immobilien) ist die Berufung ebenfalls erfolgreich, weil die Klägerin als Vorgeschäft nur einen Vorführwagenverkauf angeben hat. Aus der im Anlagenkonvolut liegenden Rechnung vom 8.7.1992 ergibt sich nur, dass das als Vorführwagen bezeichnete Fahrzeug am gleichen Tag zugelassen werden sollte. Für die bestrittene Tageszulassung auf den Verkäufer ergibt sich keine ausreichende Indiziengrundlage.

Die damit vom Landgericht zu Unrecht zuerkannten, zehn Mehrfachkundengeschäfte betreffen - ausgehend von der inhaltlich nicht bestrittenen Aufstellung der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung - einen Mehrertrag 43.470,52 DM, sodass ein Mehrfachkundenertrag für die fünf letzten Vertragsjahre von 153.307,59 DM verbleibt.

Die weiteren Berufungsangriffe der Beklagten zur Berücksichtigung von Mehrfachkundengeschäften sind ohne Erfolg:

Das Geschäft Nr.9 des letzten Vertragsjahrs (Dr. O) war ein Stammkundengeschäft, weil Dr. O zuvor im Februar 1995 Kunde im Rahmen eines Leasingerwerbs war. Dies wird zur Überzeugung des Senats durch die Hilfstatsache bestätigt, dass Dr. O in der Rechnung an das Leasingunternehmen als die Person bezeichnet ist, auf die das Fahrzeug zugelassen werden sollte. In Leasingverhältnissen ist regelmäßig der Leasingnehmer auch der Halter des Fahrzeugs. Einen Gegenbeweis hat die Beklagte nicht angetreten.

Der Abschluss durch die P GmbH (Nr. 33 des letzten Vertragsjahrs) ist ebenfalls als Stammkundengeschäft anzusehen. Der Senat ist aus der Rechnungsangabe "P GmbH, Q" überzeugt, dass Q, der Käufer des Erstgeschäfts des Jahres 1993, maßgeblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung des Zweitgeschäfts hatte, ohne dass es auf seine auch erstinstanzlich umstritten gebliebene (vgl. Bl.358) Stellung bei der P GmbH ankommt. Für die Erweiterung des Stammkundenkreises über die Käuferperson hinaus auf nahestehende Personen ist bedeutsam, ob der zum Erstgeschäft bewirkte werbende Einfluss sich typischerweise auch für die Kaufentscheidung des Folgegeschäfts auswirkte.

Zu dem Kunden Nr.78 (R GmbH) ist das Bestreiten des Vertragsschlusses im letzten Vertragsjahr im Berufungsverfahren neu und damit nach § 531 Abs.2 ZPO unbeachtlich. Dass die Rechnung vom 3.3.1997 datiert, also kurz nach Vertragsende, ist unerheblich, weil es auf den Abschluss des Kaufvertrags ankommt und dieser ganz regelmäßig zeitlich vor der Auslieferung liegt.

Zu dem Geschäft Nr.9 des fünftletzten Vertragsjahrs (H-Leasing) ist das im Berufungsverfahren neue Bestreiten des Vertragsschlusses im Fünfjahreszeitraum nach § 531 Abs.2 ZPO unzulässig, wie auch das Bestreiten, dass es sich insoweit um ein Eigengeschäft der Käuferin gehandelt habe. Das Eigengeschäft war mit der Bezugnahme auf die Rechnung bereits vorgetragen, in der ein Leasingkunde nicht genannt war.

2. Zusatzleistungen

Der Senat hält an seiner früher geäußerten Auffassung nicht mehr fest, dass Zusatzleistungen des Herstellers an den Vertragshändler (Großabnehmerzuschüsse, Zulassungsboni, Boni, Rabatte, etc.) einem berücksichtigungsfähigen Provisionsverlust des Handelsvertreters nur gleichstehen, wenn bei Vertragsbeendigung bereits ein Anspruch dem Grunde nach entstanden war. Der Wortlaut des § 89b Abs.1 Ziff.2 HGB ("Ansprüche auf Provisionen verliert") trägt eine solche Beschränkung nicht. Er lässt nämlich offen, ob der Verlust auch künftige entstehende Ansprüche erfassen kann, also solche aus künftigen Zahlungsversprechen der Beklagten zur jeweils marktangepassten Verkaufsförderung. Der Vergleich zu § 89b Abs.2 HGB ("Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung") ist nicht hilfreich, weil die Zusatzvergütungen regelmäßig ebenfalls eine Provision im Rechtssinn darstellen, also eine nach dem Umfang der getätigten Geschäfte bemessene Zahlung als Gegenleistung für die erbrachten Dienste (Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl. 2006, § 87 Rz.2). Für die Erfassung von Zusatzvergütungen spricht wesentlich der Regelungszweck des § 89b Abs.1 HGB unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben. Der Ausgleich dient einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und der sozialen Absicherung der Handelsvertreter (Baumbach/Hopt, wie oben, § 89b Rz.3 mwN.). Er stellt einen Ausgleich für den geschaffenen Vermögenswert dar, der mit der vereinbarten Provision nicht abgegolten ist. Hierfür ist es ohne Belang, durch welche Umstände der Wert gebildet wird, den der Kundenstamm für den Handelsvertreter darstellt.

Die Richtlinie des Rats der europäischen Gemeinschaften (Handelsvertreterrichtlinie vom 18.12.1986, 86/653/EWG, abgedruckt bei Hopt, HVR, 3. Aufl. 2003, Anhand Materialien I), auf deren Grundlage § 89b HGB novelliert wurde, sieht den Provisionsverlust nur als Element einer Billigkeitsbetrachtung (richtlinienkonforme Auslegung, vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, Einl. 43 mwN.). Unter Billigkeitsaspekten kann es nicht darauf ankommen, ob der Hersteller Sonderzahlungen zur Absatzförderung zeitlich einseitig begrenzt, solange der Vertragshändler erwarten kann, dass auch in Zukunft vergleichbare Verkaufsförderungen stattfinden. Dem jedenfalls im Ergebnis entsprechend, bezieht der BGH in der Entscheidung vom 22.3.2006 (Mitsubishi, wie oben, Rz.25 bei juris) die Boni ohne nähere Ausführung in den Rohausgleich ein, wie es auch der Auffassung des OLG München (OLGR 2002, 216) und des OLG Köln (VersR 2002, 437) entspricht.

Das Landgericht hat in seine Berechnungen konkrete Verkaufszuschüsse für Stammkunden von 72.839,59 DM eingestellt (LGU S.14, Bl. 704 d.A.) Die zu Verkaufszuschüssen führenden Stammkundengeschäfte, die entgegen der landgerichtlichen Bewertung nicht anzuerkennen sind (Nr.1 C, Nr.16 G-Autovermietung, Nr.39 M-Immoblien und Nr.7 H-Leasing), sind hier abzusetzen. Unter Abzug von 11.806,07 DM (Liste der Beklagten, Bl. 776) hierfür kommt man zu berücksichtigungsfähigen konkreten Stammkundenzuschüssen von 61.033,52 DM.

Weitere Kürzungen an den konkret zuzurechnenden Verkaufszuschüssen sind nicht vorzunehmen:

Die Leasingzuschüsse sind Zahlungen der Leasingunternehmen an die Klägerin, die einer Provisionszahlung der Beklagten gleichgestellt werden können, weil es Leistungen mit Rücksicht auf ein Stammkundengeschäft sind. Die Leasingzuschüsse durch die Leasinggesellschaften stellen sich als zusätzliche Kaufpreiszahlung der erwerbenden Leasingunternehmen dar. Dass es insoweit Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Kundin zur Erbringung dieser Zusatzzahlungen gab, ist von der Klägerin vorgetragen worden (Schriftsatz vom 10.6.2002, S.20, 265 d.A., 826) und von der Beklagten zugestanden worden (Schriftsatz vom 8.7.2002, S. 7, Bl. 361 d.A.). Dem entspricht auch die Tatsache, dass die Klägerin dazu umsatzsteuerausweisende Rechnungen an die Leasingunternehmen gestellt hat (Konvolut K 6). Die Zahlungen erhöhen die der Provision entsprechende Marge des Vertragshändlers.

Auch die außerordentlichen Verkaufshilfen an die Stammkunden D (zu Nr. 56 drittletztes Vertragsjahr) und Nr.9 des letzten Vertragsjahrs O (1.750,00 DM und 3.478,00 DM) sind nicht abzusetzen, weil es sich um zusätzliche Nachlässe der Beklagten auf die UPE handelte. Dass solche in der Zukunft ausgeschlossen wären und sie deshalb nicht in die Prognose einzubeziehen wären, ist nicht ausreichend deutlich geworden.

Die übrigen, nicht konkret zuzurechnenden Zuschüsse sind mit 368.711,92 DM vom Landgericht als unstreitig festgestellt (LGU S.14, Bl. 704: "weiter Gutschriften und Boni"). Hiervon sind die für das Teilegeschäft gezahlten Boni abzusetzen, die die Beklagte in der Berufungsreplik (S.21, Bl. 945 d.A.) - den zugehörigen Gutschriftbelegen entsprechend -rechnerisch richtig mit 59.467,32 DM bezeichnet. Der Vortrag ist nicht nach § 531 Abs.2 ZPO zurückzuweisen, weil die Gutschriften selbst (K 23, K 25, K 27, K 29) und ihr inhaltlicher Bezug auf das Teile- und Zubehörgeschäft unstreitig sind. Damit stellen sich die Boni und Prämien auf 309.244,60 DM. Der Stammkundenanteil beträgt für die fünf Vertragsjahre durchschnittlich 14,6% (Gesamtumsatz 11.847.417,76 DM minus 10.794.718,33 DM), sodass der Stammkundenanteil an den nicht konkret zuzurechnenden Zuschüssen sich auf 45.149,71 DM beläuft.

3. Abzüge

Der Rohertrag des Vertragshändlers ist für den Ausgleich in zwei Schritten zu reduzieren (vgl. etwa BGH -Mitsubishi - NJW-RR 2006, 1328), nämlich zunächst um händlertypische Vergütungsbestandteile auf das Niveau eines Handelsvertreters und sodann um die Vergütung für verwaltende Tätigkeiten.

a) Die Grundprovision ist um die sich aus dem A-Vertrag ergebenden händlertypischen Vergütungsanteile zu reduzieren (vgl. BGH - Volvo - ZIP 1996, 1299), die sich auf 29% der gesamten Grundprovision belaufen (5% der UPE zu 17,5% der UPE) und mit dieser Quote von der tatsächlich erzielten Marge abzusetzen sind. Denn eine Weitergabe eines Teil der eingeräumten Grundprovision von 17,5% der UPE an den Kunden beschränkt sich naheliegend nicht auf die handelsvertretertypischen Bestandteile (ständige Rechtsprechung des Senats: 5 U 172/99; 5 U 173/99; 5 U 152/00; 5 U 227/02).

Die Herausrechnung händlertypischer Vergütungsanteile hat unter Einbeziehung der Zusatzleistungen zu erfolgen. Die Reduzierung soll nämlich solche Vergütungsanteile betreffen, die der Hersteller für das vom Vertragshändler zu tragende Absatz-, Lager-, Preisschwankungs- und Kreditrisiko (vgl. BGH NJW 1996, 2300 - Volvo) und den Aufwand für die Auslieferung der Ware (Küstner, Hdb. des gesamten Außendienstrechts, 7. Aul. 2005, Rz.781) gewährt. Die hierfür entstandenen Kosten bezahlt der Händler aber aus dem Gesamtgewinn, auf dessen rechnerische Zusammensetzung - Grundrabatte und/oder Zusatzleistungen - es nicht ankommt. Auch wenn ein Händler ein Fahrzeug zum Einkaufspreis verkauft und sich nur die Zusatzleistung als Gewinn errechnet, muss er aus ihr seine händlertypischen Kosten abdecken.

b) Den Verwaltungskostenabschlag, also die Herausrechnung der Vergütungsanteile für die verwaltende, d.h vermittlungsfremde Tätigkeit des Handelsvertreters (Buchführung, eigene Provisionsabrechnungen, Bestandsverwaltung, etc.), nimmt der Senat auf der Grundlage des Klägervortrags (Klageschrift S.57, Bl. 57 d.A.) mit 2,5% der unverbindlichen Preisempfehlung zu den Mehrfachkunden-Geschäften ("MFK-UPE") an. Soweit die Beklagte einen höheren Abzug von 3,16% erstrebt, ist der ihr obliegende (BGH VersR 2003, 1530) Vortrag nicht ausreichend schätzungsgeeignet. Denn die in der von ihr vorgelegten Aufstellung enthaltenen Kosten (Bl. 780 d.A.) sind nicht nur auf verwaltende, sondern auch auf werbende Tätigkeiten bezogen. Die Einkaufspreise zu den Stammkundengeschäften belaufen sich auf 82,5% der MFK-UPE, weil die Stammprovision 17,5% des UPE beträgt. Die Mehrfachkunden-Einkaufspreise im maßgeblichen Zeitraum hat das Landgericht mit 2.024.561,49 DM angenommen (LGU S. 12, Bl. 702 d.A.), wovon die Einkaufspreise zu den hier nicht anerkannten Stammkundengeschäften abzuziehen sind (360.089,51 DM), sodass 1.664.471,98 DM verbleiben. Das führt zu einer MFK-UPE von 2.017.541,79 DM und damit zu einem Verwaltungskostenabschlag von 50.438,54 DM.

c) Die Verpflichtung nach Ziffer 8.2 des Händlervertrags, 1% des Verkaufsumsatzes zur Werbung einzusetzen, führt nicht zu einem weiteren Abzug, worauf der Senat bereits wiederholt hingewiesen hat. Es handelt sich um den Einwand ersparter Betriebsunkosten, der grundsätzlich unbeachtlich für die Berechnung der entgangenen Provision ist (vgl. Baumbach/Hopt, wie oben, § 89b Rz. 41).

4. Billigkeitsabschlag

Gemäß § 89b Abs.1 Nr.3 ist der Anspruch um 25% aus Billigkeitsgründen herabzusetzen. Dabei schätzt der Senat gemäß § 287 Abs.2 ZPO iVm. § 287 Abs.1 Satz 1 ZPO den Einfluss der Marke auf den Kaufentschluss der Mehrfachkunden auf Grund eigener Beobachtungen als Teilnehmer des Kraftfahrzeugsmarkts gegenüber der Tätigkeit des Vertragshändlers als weniger bedeutsam, wofür auch die, wenn auch auf ungesicherter Grundlage getätigten, gutachterlichen Äußerungen des bestellten Sachverständigen sprechen. Die Berücksichtigung mit 25% ist bereits früher höchstrichterlich gebilligt worden (BGH - Renault I - ZIP 1987, 183) und entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats in zahlreichen Ausgleichsverfahren gegen die Beklagte. Aus Gründen der Rechtssicherheit soll nur bei Vorliegen neuer Aspekte von deutlicher Bedeutung hiervon abgewichen werden.

Die Einholung eines Marktforschungsgutachtens auf den Antrag der Beklagten hatte zu unterbleiben (§ 287 Abs.2 ZPO iVm. § 287 Abs.1 Satz 2 ZPO), weil die wissenschaftliche Aufklärung des Käuferverhaltens mit Kosten verbunden ist, die zu dem zusätzlich beanspruchten Billigkeitsabschlag in keinem sinnvollen Verhältnis stehen. Damit kann dahinstehen, ob die Einflüsse auf die Kaufentscheidung überhaupt mit verschiedenen Zählwerten von einander abgrenzbar sind oder es sich vielmehr um überlagernde und wechselseitig verstärkende Faktoren handelt, wie auch unterbewusste Motive für einen Kaufentschluss mit einem Marktforschungsgutachten schwerlich erfasst werden können.

Eine Erhöhung des Abschlags wegen der Übernahme einer Nachfolgemarke, auf die der Kundenstamm teilweise übergeleitet werden könnte, ist angesichts der längeren Karenz bis zur Aufnahme einer B-Vertretung von mehr als zwei Jahren nur gering und wird aufgewogen durch die sehr lange Tätigkeit der Klägerin für die Beklagte (21 Jahre), sodass es bei 25% Korrektur bleibt. Die ersparten Werbekosten sind nicht als außergewöhnlich hoch behauptet.

5. Berechnung

 Provisionsverluste 153.307,59 DM
konkrete Verkaufszuschüsse 61.033.52 DM
sonstige Boni und Rabatte 45.149,71 DM
Rohausgleich 259.490,82 DM
./. händlertypische Anteile 75.252,34 DM
./. verwaltende Anteile 50.438,54 DM
Zwischensumme 133.799,94 DM
./. Billigkeitskorrektur 33.449,99 DM
Zwischensumme 100.349,95 DM
abgezinst (52,9907:60) 88.626,90 DM
zzgl. 15% USt 101.920,94 DM
entspricht 52.111,35 €

Der Endbetrag ist verzinslich mit Fälligkeitszins mit 5% ab Vertragsendefolgetag (1.3.1997), wie vom Landgericht zuerkannt.

Die Höchstbetragsgrenze des § 89b Abs.2 HGB wird nicht überschritten. Der Jahresdurchschnitt aller Einnahmen netto der letzen fünf Vertragsjahre aller Kunden liegt bei über 300.000,00 DM, wobei zu beachten ist, dass es zum Vergleich auf alle einer Handelsvertretervergütung entsprechenden Einnahmen ankommt. Damit ist für die händlertypischen Anteile zwar ein Abzug (29%) vorzunehmen, dessen Endbetrag aber noch immer deutlich höher als der errechnete Ausgleich ist.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs.1, 708 Nr.10 und 711 ZPO. Von der Anwendung der Vorschrift des § 96 ZPO im Hinblick auf die Gutachterkosten hat der Senat abgesehen. Die problematische Formulierung des Beweisbeschlusses, die dem Sachverständigen die Klärung des Begriffs des Markensogs überlässt und ihm die Beantwortung einer Rechtsfrage überträgt, ist der Beklagten nicht anzulasten. Es besteht aber auch kein Anlass zu einer Niederschlagung dieser gerichtlichen Auslagen, weil die Voraussetzungen des § 8 GKG a.F. iVm. § 72 Ziff.1 GKG n.F. nicht gegeben sind. Eine offensichtlich überflüssige Beweiserhebung lag nicht vor. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO angesichts des Charakters der Ausgleichsnorm als Billigkeitsregelung nicht gegeben sind. Der nachgereichte Schriftsatz der Beklagten vom 28.6.2007 rechtfertigt keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Ende der Entscheidung

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