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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 04.02.2003
Aktenzeichen: 5 U 63/01
Rechtsgebiete: AktG, ZPO
Vorschriften:
AktG § 147 I 1 | |
AktG §§ 241 ff. | |
ZPO § 256 I |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 4. Februar 2003
In dem Rechtsstreit
...
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter .....
aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 15. Oktober 2002
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 5. Februar 2001 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Mit Ausnahme der durch die Nebenintervention verursachten Kosten, die der Nebenintervenient zu tragen hat, werden die Kosten des Berufungsverfahrens der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 ? abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beide Parteien dürfen die Sicherheitsleistung durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts erbringen.
Tatbestand:
Die Klägerin und der Nebenintervenient sind Aktionäre der Beklagten. Sie wenden sich gegen Kapitalerhöhungen aus dem Jahr 2000, die unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre durchgeführt wurden.
In den Hauptversammlungen der Beklagten vom 30.5.1997 und 21.5.1999 wurde durch satzungsändernde Beschlüsse genehmigtes Kapital beschlossen (§§ 202 ff. AktG). Der Vorstand der Beklagten wurde ermächtigt, das Bezugsrecht der Aktionäre bei Ausnutzung des genehmigten Kapitals auszuschließen. Auf dieser Grundlage fasste der Vorstand am 1.9.2000 mit Zustimmung des Präsidialausschusses des Aufsichtsrats Beschlüsse, durch die das Grundkapital der Beklagten unter Ausschluss des Bezugsrechts erhöht wurde. Zum einen handelte es sich um eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen, bei der zur Zeichnung der neuen Aktien die V. AG zugelassen wurde. Der Ausgabepreis betrug 36,82 ? pro Aktie. Das entsprach dem Durchschnittskurs der fünf vorausgegangenen Börsentage. Am Tag der Beschlussfassung betrug der Börsenkurs 35,05 ?. Die weitere Kapitalerhöhung vom 1.9.2000 erfolgte gegen Sacheinlagen. Zur Zeichnung dieser Aktien wurde die G. S.p.A., Triest/Italien, zugelassen, die als Sacheinlage 30 Mio. Aktien des Banco ..... (im Folgenden: B.-Bank) einzubringen hatte.
Die Kapitalerhöhungen wurden am 28.9. und 11.10.2000 in das Handelsregister eingetragen.
Die Klägerin und der Nebenintervenient haben die Beschlüsse des Vorstandes und des Aufsichtsrats mit der Begründung angegriffen, die Maßnahmen hätten nicht im Interesse der Gesellschaft gelegen und hätten nur dazu gedient, befreundeten Aktionären Vorteile zu verschaffen und gleichzeitig den Einfluss einer unter dem Namen "C.B." bekannt gewordenen Aktionärsgruppe zurückzudrängen. Den alten Aktionären sei dadurch schwerer Schaden zugefügt worden. Der Ausgabebetrag für die neuen Aktien sei unangemessen niedrig, weil die Kapitalerhöhung nicht beschlossen worden sei, als der Kurs der C.-Aktien den höchsten Stand hatte und weil der eigentliche "innere Wert" der Aktien damals bei 45,00 ? gelegen habe. Auch die Gegenleistung von 30 Mio. Aktien der B.-Bank bei der Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen sei nicht angemessen. Ferner habe es der Vorstand gesetzwidrig unterlassen, vor Ausnutzung der Ermächtigung zur Kapitalerhöhung den Aktionären einen Bericht mit Begründung des Bezugsrechts-Ausschlusses und des Ausgabebetrages zu erstatten.
Dazu sei er gemäß § 203 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG verpflichtet gewesen.
Die Klägerin hat beantragt,
drei näher bezeichnete Beschlüsse des Vorstandes der Beklagten vom 1.9.2000 sowie die entsprechenden Zustimmungsbeschlüsse des Präsidialausschusses des Aufsichtsrats vom gleichen Tag für nichtig zu erklären,
hilfsweise
die Nichtigkeit,
höchst hilfsweise
die Unwirksamkeit der Beschlüsse festzustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Klageerhebung für rechtsmissbräuchlich gehalten und hat gemeint, dass weder die Anfechtungs- noch die Nichtigkeitsklage zulässig seien, weil Beschlüsse des Vorstandes und des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft nicht mit den Klagen gemäß §§ 241 ff. AktG angegriffen werden könnten. Soweit es sich um eine allgemeine Feststellungsklage handele, fehle das Rechtsschutzinteresse. Darüber hinaus seien die Klagen auch nicht begründet, weil sich Vorstand und Aufsichtsrat an die Vorgaben der Hauptversammlungs-Beschlüsse gehalten hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und wegen der genauen Formulierung der Klageanträge wird auf die vor dem Landgericht gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen sowie auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klage weder mit dem Hauptantrag noch mit den Hilfsanträgen zulässig sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 8.2.2001 zugestellte Urteil am 8.3.2001 Berufung eingelegt und hat diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 25.6.2001 am 1.6.2001 begründet.
Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Anfechtungsklage zulässig sei, weil der Rechtsschutz gegen fehlerhafte Beschlüsse des Vorstandes und des Aufsichtsrats nicht hinter dem Rechtsschutz gegen fehlerhafte Hauptversammlungs-Beschlüsse zurückbleiben könne. Vorsorglich begehrt sie die Feststellung, dass das Verhalten der Organe der Beklagten pflichtwidrig gewesen sei. Sie und der Nebenintervenient meinen, dass diese Feststellungsklage schon deshalb zulässig sein müsse, weil der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 23.6.1997 (in der Fachliteratur unter der Bezeichnung "Siemens/Nold" behandelt) darauf hingewiesen habe, dass pflichtwidriges Verhalten des Vorstandes bei Ausnutzung der von der Hauptversammlung erteilten Ermächtigung zur Kapitalerhöhung zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden könne, die gegen die Gesellschaft zu richten sei. Außerdem solle mit dieser Feststellungsklage ein Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats gemäß § 147 AktG vorbereitet werden. Ferner halten die Klägerin und der Nebenintervenient - wie im Parallelverfahren 5 U 54/01- die Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die von ihnen vertretene Berichtspflicht des Vorstandes vor Ausnutzung eines genehmigten Kapitals für erforderlich, falls der Senat ihre Auffassung zur Berichtspflicht nicht teile. Sie meinen, die Berichtspflicht ergebe sich aus Art. 29 der 2. Kapitalrichtlinie (2. Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 13.12.1978).
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 5. Februar 2001 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az.: 3/1 0 139/00,
1. die folgenden Beschlüsse des Vorstandes und des Präsidialausschusses des Aufsichtsrates der Beklagten für nichtig zu erklären:
a) Beschluss des Vorstandes der Beklagten vom 1. September 2000 gemäß § 4 Abs. 4 der Satzung über Erhöhung des Grundkapitals der Beklagten durch Ausgabe von 11.774.324 auf den Inhaber lautenden Stückaktien unter Ausschluss des Bezugsrechtes der Aktionäre und Zulassung der Zeichnung der neuen Aktien durch die V. AG sowie zustimmender Beschluss des Präsidialausschusses des Aufsichtsrates vom selben Tag;
b) Beschluss des Vorstandes vom 1. September 2000 gemäß § 4 Abs. 8 der Satzung über die Kapitalerhöhung um ? 12.330.315,40 durch Ausgabe von 4.742.429 auf den Inhaber lautenden Stückaktien unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechtes der Aktionäre und Zulassung der Zeichnung der neuen Aktien durch die V. AG sowie zustimmender Beschluss des Präsidialausschusses des Aufsichtsrates der Beklagten vom gleichen Tage;
c) Beschluss des Vorstandes der Beklagten vom 1. September 2000 sowie entsprechender Zustimmungsbeschluss des Präsidialausschusses des Aufsichtsrates vom selben Tage gemäß § 4 Abs. 7 der Satzung, das Grundkapital der Beklagten um ? 5.436.429,20 durch Ausgabe von 9.783.242 Stückaktien gegen Sacheinlage zu erhöhen unter Ausschluss des Bezugsrechtes der übrigen Aktionäre und Zulassung zur Zeichnung der neuen Aktien durch G. S.p.A., Triest/Italien, gegen Erbringung einer Sacheinlage von 30 Mio. Stückaktien an der B.-Bank S.A. Madrid, Spanien;
hilfsweise,
die Nichtigkeit,
höchst hilfsweise
die Unwirksamkeit der vorstehenden Beschlüsse des Vorstandes und des Präsidialausschusses des Aufsichtsrates der Beklagten festzustellen;
äußerst hilfsweise,
festzustellen, dass das Verhalten von Vorstand und Präsidialausschuss des Aufsichtsrates der Beklagten bei den vorstehend unter lit. a) - c) erwähnten Beschlüssen pflichtwidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und hält auch den neuen Feststellungsantrag aus mehreren Gründen für unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 30.3.2001 mit Anlage (Bl. 560 - 587 d.A.), auf den Schriftsatz des Nebenintervenienten vom 10.10.2002 mit Anlagen (Bl. 751 - 779 d.A.) sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 14.2.2002 mit Anlagen (Bl. 593 720 d.A.) und vom 29.10.2002 (Bl. 782, 783 d.A.) Bezug genommen.
Nach der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin noch einen Schriftsatz vom 12.12.2002 mit Anlage eingereicht, der zwar das hiesige Aktenzeichen trägt, aber das Parallelverfahren 5 U 54/01 betrifft.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass der Antrag, die in den Absätzen a) - c) näher bezeichneten Beschlüsse für nichtig zu erklären, unzulässig ist.
Es handelt sich sowohl nach der Formulierung des Antrags als auch nach dem erklärten Willen der Klägerin (S. 4 - 7 der Berufungsbegründung = Bl. 563 - 566 d.A.) um eine aktienrechtliche Anfechtungsklage. Diese ist jedoch nur gegen Hauptversammlungs-Beschlüsse zulässig. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung eine analoge Anwendung auf Beschlüsse des Vorstandes und des Aufsichtsrats abgelehnt. Das entspricht auch der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und der juristischen Fachliteratur.
Der Bundesgerichtshof hat schon mehrfach entschieden, dass die §§ 241 ff. AktG auf fehlerhafte Aufsichtsrats-Beschlüsse nicht entsprechend angewendet werden können (u.a. BGH NJW 1993/2307; BGH NJW 1994/520, 521; BGH NJW 1997/1296; ebenso Hüffer, Münchner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 241 Rdnr. 102). Das Gleiche gilt für Vorstandsbeschlüsse (vgl. Hüffer wie vor, Rdnr. 103; Lutter in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 204 Rdnr. 23).
Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass in Fällen, in denen die Hauptversammlung Kompetenzen auf den Vorstand übertrage, die Vorstandsbeschlüsse in gleicher Weise anfechtbar sein müssten wie entsprechende Hauptversammlungs-Beschlüsse, weil der Rechtsschutz gegenüber fehlerhaften Beschlüssen der Gesellschaftsorgane nicht hinter dem Rechtsschutz gegenüber Hauptversammlungsbeschlüssen zurückbleiben dürfe. Diese Auffassung verkennt die Spezialität der Anfechtungsklage und die unterschiedliche Wirkung von Hauptversammlungsbeschlüssen einerseits und Organbeschlüssen andererseits. Eine Anfechtungsklage scheidet unter anderem deshalb aus, weil ein Vorstandsbeschluss eine gesellschaftsinterne Maßnahme der Geschäftsführung ist, die auch durch die Eintragung in das Handelsregister keinen öffentlichen Charakter erhält (vgl. Lutter wie vor; ähnlich BGH NJW 1993/2307, 2308 für Aufsichtsrats-Beschlüsse).
Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof in den oben zitierten Urteilen betont, dass fehlerhafte Aufsichtsrats-Beschlüsse in der Regel nichtig sind, was die Möglichkeit der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO eröffnet und für den jeweiligen Kläger den Vorteil hat, dass er weder unmittelbar noch analog die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG einhalten muss. In dieser Hinsicht bedeutet die Ablehnung der Anfechtungsklage keine Schwächung, sondern eine Stärkung des Rechtsschutzes.
2. Mit dem ersten Hilfsantrag, die Nichtigkeit der Beschlüsse festzustellen, meint die Klägerin ersichtlich - in erster Linie - die aktienrechtliche Nichtigkeitsklage gemäss § 249 AktG. Das ergibt sich sowohl aus der Art der Formulierung dieses Antrags im Verhältnis zu dem Hauptantrag, die Beschlüsse für nichtig zu erklären, als auch aus der Argumentation in den Schriftsätzen der Klägerin und des Nebenintervenienten (zuletzt insbesondere S. 4 und 6 des Schriftsatzes des Nebenintervenienten vom 10.10.2002 = Bl. 754 und 756 d.A.).
Als aktienrechtliche Nichtigkeitsklage ist die Klage aus den gleichen Gründen unzulässig wie die Anfechtungsklage. Auch hierfür kann auf die oben zitierten Urteile des Bundesgerichtshofs verwiesen werden. Im Übrigen haben weder die Klägerin noch der Nebenintervenient Nichtigkeitsgründe im Sinne des § 241 AktG vorgetragen.
3. Als allgemeine Feststellungsklage gemäss § 256 Abs. 1 ZPO ist die Klage ihrer Art nach statthaft. Sie ist jedoch deshalb unzulässig, weil seit der Eintragung der Kapitalerhöhungen in das Handelsregister kein Feststellungsinteresse mehr besteht.
a) Im Gegensatz zu dem Antrag, die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens von Vorstand und Aufsichtsrat festzustellen, zielt der Antrag, die Nichtigkeit der Beschlüsse festzustellen, auf die Rückgängigmachung der eingetragenen Kapitalerhöhungen (S. 10 der Berufungsbegründung = Bl. 569 d.A.). Ein Feststellungsinteresse besteht jedoch nur solange, bis die Maßnahme, deren Nichtigkeit festgestellt werden soll, endgültig wirksam geworden ist. Die beiden Kapitalerhöhungen, um die es in diesem Rechtsstreit geht, sind mit der Eintragung in das Handelsregister am 28.9. und 11.10.2000 wirksam geworden. Demgemäss vertritt Cahn die Auffassung, dass die vom Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 23.6.1997 erwähnte Möglichkeit einer Feststellungsklage (BGH NJW 1997/2815, 2816) unter den dort genannten Voraussetzungen (pflichtwidrige Ausübung der von der Hauptversammlung erteilten Ermächtigung) nur die Verhinderung der Durchführung der Kapitalerhöhung bezwecken könne und dass die Klage deshalb - ebenso wie eine Unterlassungsklage - häufig zu spät kommen werde, so dass den Aktionären nur Schadensersatzansprüche verbleiben (Cahn, ZHR Nr. 164, Jahrgang 2000, S. 113 ff., 118).
In die gleiche Richtung geht die Ansicht von Hüffer, wonach eine Feststellungsklage anstelle einer an sich möglichen Unterlassungsklage zulässig sein könne, weil zu erwarten sei, dass sich der Vorstand aufgrund eines feststellenden Urteils rechtmäßig verhalte (Hüffer, AktG, 5. Aufl., § 203 Rdnr. 39). Das ergibt nur einen Sinn, solange der Vorstand die beabsichtigte Maßnahme noch abbrechen kann. Bei einer Kapitalerhöhung ist das nur bis zur Eintragung in das Handelsregister möglich.
b) Demgegenüber vertritt die Klägerin die Auffassung, die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse sei nach wie vor zulässig, weil die Kapitalerhöhungen rückgängig zu machen seien. Das will die Klägerin aus einem "erst recht-Argument" herleiten, weil bei erfolgreicher Anfechtung eines entsprechenden Hauptversammlungs-Beschlusses die Kapitalmaßnahme rückabgewickelt werden müsse.
Der Vergleich mit einem Beschluss der Hauptversammlung ist jedoch unpassend, denn die Beschlussfassung durch den Vorstand und die hierauf beruhenden Folgemaßnahmen sind Akte der Geschäftsführung, deren Fehlerhaftigkeit nicht auf das Außenverhältnis durchschlägt (vgl. Hüffer wie vor, § 204 Rdnr. 8 und 9; Lutter a.a.O. Rdnr. 24). Das gilt jedenfalls für die relativ unbedeutenden Mängel der Vorstandsbeschlüsse, die übrig bleiben, wenn man das Vorbringen der Klägerin und des Nebenintervenienten auf seinen sachlichen Gehalt reduziert und klarstellt, dass die Darstellung, die Aktien seien bei der Sachkapital-Erhöhung zu einem Gegenwert von 2,60 ? ausgegeben worden, unzutreffend ist.
Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man der Auffassung folgt, dass solche Mängel durch Eintragung in das Handelsregister geheilt werden (vgl. Hirte im Großkommentar zum AktG, 4. Aufl., § 204 Rdnr. 21; Krieger im Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4 Aktiengesellschaft, § 58 Rdnr. 55). Etwas anderes wird vertreten, wenn die Ermächtigungsgrundlage ganz fehlt oder der Zeitraum, für den sie galt, abgelaufen ist oder der Vorstand sich nicht an die betragsmäßige Höchstgrenze des genehmigten Kapitals hält oder bei vergleichbaren Verstößen. Um solche Mängel geht es hier jedoch nicht.
4. Für den weiteren Hilfsantrag, die Unwirksamkeit der Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlüsse festzustellen, fehlt jegliche Begründung. Wenn der Antrag nur dazu dienen sollte, das aktienrechtliche Klagespektrum zu vervollständigen, dessen man sich üblicherweise bei Angriffen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse bedient, ist der Antrag aus den gleichen Gründen unzulässig wie die Anfechtungsklage und die aktienrechtliche Nichtigkeitsklage (zum Unterschied zwischen Nichtigkeit und Unwirksamkeit vgl. Hüffer wie vor, § 241 Rdnr. 6). Falls es sich um eine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO handeln soll, ist sie ebenfalls unzulässig, weil mangels Begründung dieses Antrags nicht erkennbar ist, welches Rechtsverhältnis festgestellt werden soll.
5. Der weitere Hilfsantrag, die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Vorstandes und des Präsidialausschusses des Aufsichtsrats festzustellen, ist aus mehreren Gründen unzulässig.
a) Als prozessuale Grundlage kommt für diesen Antrag allein § 256 Abs. 1 ZPO in Betracht. Die Klägerin begehrt jedoch nicht die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, sondern die Klärung einer Rechtsfrage (pflichtwidriges Verhalten).
Daran ändert auch der von der Klägerin und dem Nebenintervenienten immer wieder zitierte Satz aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.06.1997 nichts, wonach ein pflichtwidriges Verhalten des Vorstandes bei Ausnutzung des genehmigten Kapitals zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden könne. Es ist schon zweifelhaft, ob der Bundesgerichtshof damit auch Feststellungsklagen nach Eintragung der Kapitalerhöhung gemeint hat (vgl. oben Ziffer. 3a). Aber selbst wenn man hiervon aus geht, bedeutet der zitierte Satz nicht, dass sich ein Kläger darauf beschränken könne, die Feststellung pflichtwidrigen Verhaltens bei der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung zu beantragen. Zum Gegenstand einer Feststellungsklage kann pflichtwidriges Verhalten im Sinne der betreffenden Urteilspassage auch gemacht werden, wenn der Kläger beantragt, ein bestimmtes Rechtsverhältnis festzustellen.
b) Auf eine Umformulierung des Antrags - etwa im Sinne einer Schadensersatzverpflichtung der Mitglieder des Vorstandes und des Präsidialausschusses des Aufsichtsrats der Beklagten - brauchte der Senat nicht hinzuwirken; denn an der Unzulässigkeit hätte sich damit im Ergebnis nichts geändert. Die Klägerin hätte nämlich auch im Rahmen eines festzustellenden Rechtsverhältnisses präzise angeben müssen, welches pflichtwidrige Verhalten der Organmitglieder zum Gegenstand der Klage gemacht werden soll. Auf die mangelnde Konkretisierung im Antrag haben die Beklagte und der Senat hingewiesen.
c) Darüber hinaus wäre aber auch ein Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung eines oder mehrerer Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft wegen eines bestimmten pflichtwidrigen Verhaltens nicht zulässig gewesen; denn einzelne Aktionäre können einen vermeintlichen Anspruch der Gesellschaft gegen Organmitglieder nicht geltend machen (vgl. Hüffer wie vor, § 93 Rdnr. 19).
Hinzu kommt, dass schon nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen für eine solche Klage kein Feststellungsinteresse bestanden hätte, weil die an diesem Rechtsstreit nicht beteiligten Organmitglieder an ein entsprechendes Feststellungsurteil nicht gebunden wären.
d) Die Klägerin und der Nebenintervenient können ein Feststellungsinteresse auch nicht daraus herleiten, dass sie sich von einem stattgebenden Urteil versprechen, genügend andere Aktionäre auf ihre Seite ziehen zu können, um die Quote von 10% des Grundkapitals gemäß § 147 Abs. 1 S. 1 AktG für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen die Organmitglieder zu erreichen (S. 11 der Berufungsbegründung, Bl. 570 d.A. u. S. 8/9 des Schriftsatzes vom 10.10.2002, Bl. 758/759 d.A.). Für ein solches Vorgehen besteht kein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Die nach § 147 AktG notwendige Überzeugungsarbeit in einer Hauptversammlung können die Klägerin und der Nebenintervenient nicht dadurch ersetzen, dass sie im vorliegenden Rechtsstreit versuchen, ein für sie günstiges Urteil zu erwirken. Der Nebenintervenient bezieht sich in seinem Schriftsatz vom 10.10.2002 auch in diesem Zusammenhang auf die mehrfach angesprochene Passage in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.06.1997 über die Möglichkeit einer Feststellungsklage und tritt vorsorglich Beweis dafür an, dass den Mitgliedern des 2. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs § 147 AktG bekannt sei. Aus der betreffenden Äußerung des Bundesgerichtshofs ergibt sich jedoch nicht, dass die Richter des 2. Zivilsenats der Auffassung waren, die erwähnte Feststellungsklage solle einzelnen Aktionären dazu dienen, die 10%-Quote des § 147 Abs. 1 S. 1 AktG leichter zu erreichen.
6. Dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens und Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs brauchte schon deshalb nicht nachgegangen zu werden, weil die Auslegung des Art. 29 der 2. Kapitalrichtlinie im vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ist. Auf die Frage der Berichtspflicht des Vorstandes vor Ausnutzung des genehmigten Kapitals kommt es in diesem Verfahren ebenso wenig an wie auf die übrigen von der Klägerin und dem Nebenintervenienten behaupteten Verstöße bei der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhungen. Denn das sind Fragen der Begründetheit, die bei keinem der gestellten Anträge zu prüfen war.
7. Ebenso wenig kommt es auf die Einwendung der Beklagten an, die Klage sei rechtsmissbräuchlich erhoben worden; denn auch dabei handelt es sich um eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH AG 1992/448, 449; Beschlüsse des Senats, AG 1996/135, 136 u. AG 1992/271; Hüffer wie vor, § 245 Rdnr. 26).
8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, und die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO n.F. nicht vorliegen.
Ende der Entscheidung
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