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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: 5 UF 146/02
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 850 c
InsO § 38
InsO § 40
1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unterhaltsschuldners wird der anhängige Unterhaltsprozeß hinsichtlich der zum Zeitpunkt der Eröffnung fälligen Ansprüche unterbrochen. Das laufende Einkommen des Schuldners wird nur insoweit erfasst, als dieses den Pfändungsfreibetrag des § 850 c ZPO übersteigt (§§ 35, 36 InsO).

2) Der laufende Unterhalt ist ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens an dem insolvenzfreien Teil des Einkommens zu orientieren. Die Änderung der Einkommensverhältnisse aufgrund der Eröffnung ist bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen, weil sich dieser nach den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien richtet.


5 UF 146/02

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

In der Familiensache

hat der 5. Familiensenat des Oberlandesgerichts Frankfurt durch den Einzelrichter am 25. Februar 2003 beschlossen:

Tenor:

Der Beklagten wird Prozeßkostenhilfe für den 2. Rechtszug zur Durchführung des Berufungsverfahrens für folgenden Berufungsantrag bewilligt:

Das Urteil des Amtsgerichts Offenbach vom 17. Mai 2002 zu Aktenzeichen 314 F 1335/01, wonach in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Offenbach vom 25.02.1994 (Aktenzeichen 314 F 494/94) und der notariellen Urkunde des Notars Y., Offenbach am Main, vom 10.08.1992 zu Urkundenrolle-Nr. 151/92 festgestellt wurde, dass der Kläger ab 20.08.2001 nicht mehr verpflichtet ist, an die Beklagte nachehelichen Ehegattenunterhalt zu zahlen, abzuändern und die Klage abzuweisen insoweit ab 01.01.2003 in Abänderung der oben genannten Titel ein nachehelichen Ehegattenunterhalt von über monatlich 98,-- EUR zu zahlen ist.

Zur Wahrnehmung der Rechte in diesem Rechtszug wird Rechtsanwalt Dr. X., Frankfurt am Main, beigeordnet. Im übrigen wird der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für die 2. Instanz ist gemäß § 114 ZPO teilweise zurückzuweisen, da die beabsichtigte Berufung insoweit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Das Abänderungsbegehren der Beklagten auf Klageabweisung und damit des Bestehenbleibens der notariellen Urkunde vom 10.08.1992, über die Verpflichtung zur Zahlung von insgesamt 1.666,15 DM zzgl. des Urteils vom 25.02.1994 über die Zahlung weiterer 115,08 DM monatlich hat insoweit Erfolg, als dass der Beklagten ab 01.01.2003 nach ihrem eigenen Vortrag maximal noch ein monatlicher Elementarunterhalt von 98,-- EUR zustehen kann. Ein darüber hinausgehender Unterhaltsanspruch ist nicht ersichtlich.

Ausgangspunkt bei der Unterhaltsberechnung ist, dass gemäß § 38 Insolvenzordnung die Insolvenzsumme zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger dient, die eine zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Hierzu zählen auch die im Zeitpunkt der Öffnung rückständigen Unterhaltsansprüche, weshalb diese vom Insolvenzverfahren erfasst werden (vgl. OLG Koblenz, FamRZ 2003, Seite 109 m.w.N.). Rückständig in diesem Sinne ist der gesamte Unterhalt, für den im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Monat, weil § 1612 Abs. 3 BGB zum Monatsbeginn im Voraus fällig geworden ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hindert jedoch nicht die gerichtliche Durchsetzung des künftigen Unterhalts. Unterhaltsansprüche für die Zeit nach Eröffnung des Verfahrens gehören gemäß § 40 Insolvenzgesetz nicht zu den Insolvenzforderungen. Sie können unabhängig vom Insolvenzverfahren eingeklagt und auch während dieses Verfahrens in das nicht zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners vollstreckt werden, weil § 89 Abs. 1 Insolvenzgesetz den Vollstreckungszugriff insoweit nur für Insolvenzgläubiger für unzulässig erklärt und gemäß Abs. 2 Satz 2 dieser Vorschrift die Zwangsvollstreckung wegen eines Unterhaltsanspruchs in den unpfändbaren Teil der Bezüge ausdrücklich für zulässig erklärt ist. Da das auf den künftigen Unterhalt bezogene Verfahren somit nicht die Insolvenzmasse betrifft, wird auch ein zur Zahlung der Insolvenzeröffnung bereits anhängiger Rechtsstreit auf Zahlung künftigen Unterhalts nicht unterbrochen (vgl. OLG Koblenz, FamRZ 2003, Seite 109 m.w.N.).

Dem Grunde nach rechtfertigt sich der geltend gemachte nachehelichen Unterhaltsanspruch der Beklagten bis zum Erreichen des 15. Lebensjahres von K. aus § 1570 BGB (Betreuungsunterhalt) und danach aus § 1573 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt). Da das Insolvenzverfahren am 19.11.2001 eröffnet worden ist, besteht nach diesen Grundsätzen eine Erfolgsaussicht für die gerichtliche Geltendmachung des laufenden Unterhaltsanspruchs beginnend ab 01.12.2001. Der Unterhaltsbedarf orientiert sich an den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien. Soweit die Einkommensverhältnisse des Klägers durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Änderung erfahren haben, ist dies bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen.

Für das Jahr 2002 beläuft sich der nacheheliche Unterhaltsanspruch der Beklagten im Rahmen der summarischen Prüfung des PKH-Verfahrens auf zumindest 98,-- EUR monatlich. Als Basis für die Berechnung des Unterhalts ergibt sich, da nach der für das Jahr 2002 gültigen Tabelle für § 850 ZPO ein Betrag von 79,-- EUR bis zu einem Einkommen von 2.851,-- EUR pfändbar ist und der Mehrbetrag voll pfändbar ist, ein pfändungsfreies Einkommen von maximal 2.772,-- EUR (2.851 - 79). Dieses Einkommen ist zu bereinigen um die Fahrtkosten von 346,-- EUR, welche sich bei einer einfachen Distanz von 40 km zwischen Worms und Mannheim ergeben. Es verbleiben 2.426,-- EUR. Nach der aktuellen Düsseldorfer Tabelle ergibt sich eine Einordnung der minderjährigen Kinder des Klägers in die 7. Einkommensgruppe. Da von dem Bestehen von 5 Unterhaltsverpflichtungen auszugehen ist (4 minderjährige Kinder plus die Beklagte) ergibt sich eine Absenkung um 2 Gruppen auf die 5. Einkommensgruppe. Der Bedarf beläuft sich bezüglich den Kindern L. und K. auf je 345,-- EUR, bezüglich M. auf 292,-- EUR und bezüglich A. auf 241,-- EUR. Die Lebensstellung des Klägers während der Ehe wurde nicht nur durch die ehelichen Kinder geprägt, sondern auch von der unterhaltsrechtlichen Belastung gegenüber M., da dieser schon am 07.06.1992 geboren ist und damit ca. 1 3/4 Jahre vor der Scheidung. Dies ist im übrigen im Rahmen der mündlichen Erörterung im Verhandlungstermin am 05.02.2003 übersehen worden. Das Einkommen des Klägers ist daher zu bereinigen, um den Bedarf für L., K. und M., da diese 3 Kinder die Einkommensverhältnisse des Klägers während der Ehezeit geprägt haben. A. ist hier nicht zu berücksichtigen, da sie erst nach der Scheidung geboren ist. Bereinigt ergibt dies dann einen Betrag von 1.444,-- EUR.

Als Einkommen bei der Beklagten ist von 1.250,-- EUR auszugehen. Dieser Betrag errechnet sich auf den Werten der Dezemberabrechnung für das Jahr 2002. Diese nennt als Bruttoentgelt den Betrag von 21.904,53 EUR. Nach Abzug der Belastungen verbleibt bereinigt ein Betrag von 15.000,86 EUR. Auch hier sind die Fahrtkosten abzusetzen, die mit 10 km einfache Strecke, gleich 50,-- EUR angesetzt werden. Es verbleiben dann 1.200,-- EUR. 2/5 der Differenz zwischen 1.444,-- EUR und 1.200,-- EUR ergeben gerundet 98,-- EUR. Diese Zahlen gelten auch für das Jahr 2003, da hier eine Abweichung nicht ersichtlich ist.

Der Einwand der Verwirkung steht der Bejahung dieses nachehelichen Unterhaltsanspruches im Rahmen des PKH-Verfahrens nicht entgegen. Es handelt sich hier um eine rechtliche Ermessenswertung, deren Prüfung im Hauptverfahren vorzunehmen ist, und die die Erfolgsaussicht im PKH-Verfahren nicht entfallen lässt.

Über den Betrag von 98,-- EUR hinaus sowie für den Monat Dezember 2001 ist eine Erfolgsaussicht jedoch nicht ersichtlich. Im Dezember 2001 galt noch der alte Pfändungsfreibetrag von 3.796,-- DM. Abzüglich pfändbarer 69,90 DM bei 5 Unterhaltsverpflichtungen ergibt sich ein Pfändungsfreibetrag von 3.726,10 DM oder 1.905,12 EUR. Abzüglich der Fahrtkosten von 346,-- EUR ergeben sich gerundet 1.559,-- EUR oder 3.049,-- DM. Abzüglich der Bedarfsbeträge aus der ersten Einkommensgruppe von 525,-- DM für die beiden Kinder L. und K. und 444,-- DM für M. verbleiben 1.555,-- DM. Das Einkommen der Beklagten von 2.381,-- DM war, auch wenn man einen Bonus von 400,-- DM überobligatorischer Erwerbstätigkeit trotz Kindererziehung, Fahrtkosten von 100,-- DM berücksichtigt, nicht höher wie das Einkommen des Klägers, so dass für den Monat Dezember 2001 ein Unterhaltsanspruch wegen fehlender Leistungsfähigkeit des Klägers entfällt.

Eine Erfolgsaussicht für die Widerklage auf Zahlung von 9.075,19 DM besteht schon deswegen nicht, weil dieser Teil des Streitgegenstandes durch das erstinstanzliche Urteil nicht erfasst wurde. Es liegt daher kein Anfall dieses Streitgegenstandes in der 2. Instanz vor. Es kommt hinzu, dass dieser Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon fällig war, daher im laufenden Verfahren nicht verfolgt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 1 Abs. 1 Gerichtskostengesetz 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.



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