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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.01.2007
Aktenzeichen: 5 UF 200/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1315 Abs. 2
BGB § 1316 Abs. 3
Auch wenn bei einer bigamischen Ehe der Fall des Ausschlusses der Aufhebung nach § 1315 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht vorliegt und eine analoge Anwendung der Vorschrift mangels Regelungsslücke ausscheidet, schließt das nicht aus, dass es im Rahmen der Abwägung, ob sich eine Antragstellung seitens des Regierungspräsidiums gemäß § 1316 Abs. 3 BGB als unzulässige Rechtsausübung darstellt, dennoch besondere Berücksichtigung findet, wenn eine dem Schutzzweck des § 1315 BGB vergleichbare Fallkonstellation vorliegt.
Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet, weil der Rechtsverteidigung der Antragsgegner nicht die Erfolgsaussicht fehlt und sie auch nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe erfüllen.

Die Antragsgegner haben am ...2002 in Jordanien die Ehe miteinander geschlossen, deren Aufhebung seitens des Regierungspräsidiums beantragt wird, weil zum damaligen Zeitpunkt eine vom Antragsgegner zu 1. am ...1987 geschlossene Ehe mit einer jordanischen Staatsangehörigen jedenfalls nach deutschem Recht noch bestanden hat. Zwar wurde bereits am ...2002 in Jordanien eine Scheidung dieser vorangegangenen Ehe ausgesprochen; dieser Scheidung wurde jedoch später in Deutschland die Anerkennung versagt, so dass die frühere Ehe des sowohl deutschen als auch jordanischen Staatsangehörigen erst seit 16.02.2006 (auch) nach deutschem Recht geschieden ist.

Das Amtsgericht hat den Antragsgegnern die Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen den Eheaufhebungsantrag des Regierungspräsidiums Darmstadt versagt, weil zum einen der Fall des Ausschlusses der Aufhebung nach § 1315 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht vorliege und eine analoge Anwendung der Vorschrift mangels Regelungsslücke ausscheide. Insoweit folgt ihm der Senat grundsätzlich.

Das schließt allerdings nicht aus, dass es im Rahmen der Abwägung, ob sich eine Antragstellung seitens des Regierungspräsidiums gemäß § 1316 Abs. 3 BGB als unzulässige Rechtsausübung darstellt, dennoch besondere Berücksichtigung findet, wenn eine dem Schutzzweck des § 1315 BGB vergleichbare Fallkonstellation vorliegt. Anders als in den vom Regierungspräsidium zitierten Entscheidungen (Amtsgericht Darmstadt, StAZ 9/2001, 273 f., OLG Frankfurt am Main, 4 WF 70/05, StAZ 5/2006, 142) können sich die Antragsgegner nämlich vorliegend darauf berufen, dass sie bei ihrer Eheschließung davon ausgingen, die bereits am 08.10.2002 im Heimatstaat Jordanien ausgesprochene Privatscheidung der vorgehenden Ehe des Antragsgegners zu 1. werde wirksam.

Im ablehnenden Bescheid vom 21.06.2004 (OLG Frankfurt am Main, 346/3 - I/4 - 902/03) über die Anerkennung dieser ausländischen Entscheidung heißt es nämlich, die zur Anerkennung vorgelegte Privatscheidung entspreche grundsätzlich den Erfordernissen des jordanischen Rechts, jedoch liege ein Verstoß gegen den deutschen ordre public im Hinblick auf die verfahrensmäßige Durchführung der jordanischen Scheidung vor. Ob im Fall einer solchen sog. "hinkenden Ehe", die hier inzwischen auch geschieden ist, die Abwägung im Rahmen des § 1316 Abs. 3 BGB nicht doch dazu führt, dass der der Einführung des Aufhebungsverbots nach § 1315 Abs. 2 Nr. 1 BGB zugrunde liegende Rechtsgedanke Berücksichtigung findet, kann zumindest nicht im Rahmen der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe zum Nachteil der ihre jetzige Ehe verteidigenden Antragsgegner entschieden werden. Das gilt um so mehr vor dem Hintergrund, dass der Bundesgerichtshof in einer jüngeren Entscheidung (Urteil vom 9.1.2002, XII ZR 58/00, FamRZ 2002, 604-606) bei der Prüfung, ob der frühere Ehegatte noch die Aufhebung der neuen (bigamischen) Ehe verlangen kann, auf das mit der Einführung des neuen Eheschließungsrechtsgesetzes gewandelte Rechtsverständnis hinweist und wesentlich darauf abstellt, mit der nur noch ex nunc wirkenden Aufhebung der bigamischen Ehe werde das Spannungsverhältnis zwischen der bigamischen Ehe und der vorrangig den Schutz des Art. 6 GG genießenden Erstehe aufgehoben und dem Grundsatz der Einehe Geltung verschafft. Dies gelte uneingeschränkt aber nur noch dann, wenn die erste Ehe im Zeitpunkt der Aufhebung der bigamischen Ehe noch bestehe.

Ein Aufhebungsantrag des Ehegatten der Erstehe könne sich in solchem Falle aber nicht allein auf das - in erster Linie von der zuständigen Verwaltungsbehörde unter Abwägung der in § 1316 Abs. 3 BGB genannten Belange zu wahrende - öffentliche Interesse an der Sanktionierung von Verstößen gegen das Verbot der Mehrehe stützen.

Dieses gewandelte Rechtsverständnis kann dann allerdings nach Auffassung des Senats auch für die Beurteilung des öffentlichen Interesses an einer Sanktionierung im Rahmen von § 1316 Abs. 3 BGB gerade bei dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht ohne Auswirkung bleiben, denn der Umstand, dass ein Ausspruch der Scheidung der vorhergehenden Ehe nach dem Heimatrecht der Antragsgegner und der früheren Ehefrau des Antragsgegners zu 1. bereits am ... 2002 erfolgt ist, lässt den nach deutschem Recht vorliegenden Verstoß der Antragsgegner jedenfalls in subjektiver Hinsicht in milderem Licht erscheinen und spricht damit eher für eine nur noch geringe Bedeutung eines öffentlichen Sanktionierungsinteresses. Jedenfalls ist den Antragsgegnern hiernach Prozesskostenhilfe für ihre Rechtsverteidigung zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 1, 3 GKG, KV Nr. 1811, § 127 Abs. 4 ZPO.

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