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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 30.07.2008
Aktenzeichen: 5 UF 46/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1610
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Mutter des Klägers und der Beklagte sind geschiedene Eheleute. Aus der Ehe sind der ... 1989 geborene Kläger und ein weiterer 16- jähriger Sohn, der im Haushalt der Kindesmutter lebt, hervorgegangen.

Der Kläger lebte nach der Trennung seiner Eltern zunächst ebenfalls bei der Kindesmutter, zog jedoch mit deren Zustimmung im Jahr 2003 zum Beklagten, der gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau und deren Tochter in einem Haushalt lebt. Im Frühjahr 2007 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien, die ihren Ursprung unter anderem darin hatten, dass sich die schulischen Leistungen des Klägers erheblich verschlechtert hatten. Er besuchte zu diesem Zeitpunkt die 12. Jahrgangsstufe der ... Schule ... und sein Halbjahreszeugnis wies für das erste Schulhalbjahr ... unentschuldigte Fehltage auf.

Der Kläger verließ in der Folgezeit den Haushalt des Beklagten und war auch durch gemeinsame Gespräche mit den Kindeseltern unter Mitwirkung des Jugendamtes nicht zu bewegen, zum Beklagten zurückzukehren. Er bezog vielmehr eine eigene Wohnung und nahm den Beklagten ab Mai 2007 auf Barunterhalt in Anspruch.

Der Beklagte ist ungelernter Arbeiter und war bis 1995 als Produktionsarbeiter tätig. In der Folgezeit war er im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bis zu einer betriebsbedingten Kündigung wegen erheblicher Umsatzeinbußen zum 31.8.2007 im Betrieb seiner jetzigen Ehefrau tätig. Diese betreibt einen Frühstücksservice und erzielte dort im Jahr 2007 einen Gewinn von 15.358 €. Von Oktober bis Dezember 2007 übte der Beklagte verschiedene Tätigkeiten im Rahmen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse mit einem Durchschnittseinkommen von 930 € aus.

Seit 1.1.2008 ist er krankgeschrieben und musste sich im Jahr 2008 bereits zweimal operieren lassen.

Die Kindesmutter ist kaufmännische Angestellte, war jedoch von März 2007 bis April 2008 arbeitslos. Sie bezog in dieser Zeit monatlich Arbeitslosengeld in Höhe von 900 €. Ihre Einkünfte vor ihrer Arbeitslosigkeit und seit der Wiederbeschäftigung im Mai 2008 sind nicht bekannt.

Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, für die Zeit von Mai bis Dezember 2007 an den Kläger einen Unterhaltsrückstand von 1572 € und ab 1.1.2008 Ausbildungsunterhalt in Höhe von 486 € monatlich zu zahlen.

Der Beklagte müsse sich ein fiktives Einkommen aus mehreren geringfügigen Beschäftigungen für den gesamten von der Klage umfassten Zeitraum in Höhe von mindestens 600 € anrechnen lassen. Dieses Einkommen stehe in voller Höhe für Unterhaltszahlungen zur Verfügung, da sämtliche Lebenshaltungskosten des Beklagten von seiner Ehefrau getragen würden. Auch unter Berücksichtigung der vorrangigen Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem minderjährigen Bruder des Klägers sei der Beklagte daher in der Lage, den geltend gemachten Unterhaltsanspruch zu erfüllen.

Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihm am 5.2.2008 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 5.3.2008 Berufung eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 3.4.2008 begründete. Das Urteil des Amtsgerichts Gießen sei falsch, da dort zu Unrecht von seiner Leistungsfähigkeit ausgegangen werde. Tatsächlich sei er infolge seiner körperlichen Einschränkungen bereits in 2007 nicht in der Lage gewesen mehr als ein Einkommen von circa 500 € monatlich zu erzielen. Ab Januar 2008 sei er krankheitsbedingt außer Stande überhaupt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auch seine Ehefrau sei nur eingeschränkt leistungsfähig, da ihr nach Abzug aller Verbindlichkeiten monatlich lediglich circa 700 € verblieben. Sie sei daher nicht imstande, für seinen Unterhalt aufzukommen. Das Urteil sei auch deshalb falsch, weil die Einkommensverhältnisse der Kindesmutter seitens des Klägers nicht dargelegt seien. Im Hinblick darauf, dass auf seiner Seite fiktive Einkünfte berücksichtigt würden, obliege es dem Kläger auch zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Mutter und ihren Verdienstmöglichkeiten vorzutragen, damit sich der Haftungsanteil der Eltern feststellen lasse. Da dies vorliegend nicht geschehen sei, sei die Klage unschlüssig.

Im Rahmen der Berufungsbegründung berief sich der Beklagte auch darauf, dass eine Barunterhaltsverpflichtung dem Grunde nach nicht bestehe. Er habe gegenüber dem Kläger von dem ihm zustehenden Bestimmungsrecht nach § 1612 Abs. 2 BGB Gebrauch gemacht, indem er den Kläger wiederholt zur Rückkehr in seinen Haushalt aufgefordert habe, um ihm dort Naturalunterhalt zu leisten. Der Beklagte bestritt jetzt auch, dass der Kläger überhaupt eine Schulausbildung absolviert. Nach seinen Informationen sei der Kläger der Schule zu einem ihm nicht bekannten Zeitpunkt verwiesen worden. Er habe ihn mehrfach aufgefordert, Zeugnisse oder Schulbescheinigungen vorzulegen, ohne dass eine Reaktion erfolgt sei.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts-Familiengericht- Gießen( AZ 29 F861/07 ) vom 13.12.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Beklagte müsse sich fiktiv die Einkünfte zurechnen lassen, die er als Produktionsarbeiter erzielt habe. Eine Arbeitsunfähigkeit liege beim Beklagten nicht vor, und es müsse auch weiterhin davon ausgegangen werden, dass er im Betrieb seiner jetzigen Ehefrau umfangreich arbeite. Das vom Beklagten ausgeübte Unterhaltsbestimmungsrecht nach § 1612 Abs.2 BGB greife nicht, da es für den Beklagte nicht zumutbar sei, in den Haushalt des Vaters zurückzugehen.

Soweit der Beklagte die Berufung auf neue Tatsachen stütze, sei dies verspätet, da entsprechender Vortrag bereits erstinstanzlich hätte erfolgen können. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Kläger hat trotz entsprechender gerichtlicher Auflage keine Schulbescheinigungen beziehungsweise Zeugnisse zum Nachweis seiner schulischen Ausbildung vorgelegt und ist auch zum Verhandlungstermin ohne Entschuldigung nicht erschienen, obwohl sein persönliches Erscheinen angeordnet war.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Kindesunterhalt.

Ob und inwieweit der Beklagte leistungsfähig ist und inwieweit die Kindesmutter anteilig für den Bedarf des Klägers haftet, kann vorliegend dahinstehen, da ein Unterhaltsanspruch dem Grunde nach nicht besteht.

Grundsätzlich haben zwar auch volljährige Kinder gemäß §§ 1601 ff. BGB Unterhaltsansprüche gegen ihre Eltern, wenn sie bedürftig sind.

Bedürftig im Sinne dieser Vorschrift ist jedoch nur derjenige, der außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten. Dies ist beim Ausbildungsunterhalt zu bejahen, da das Kind wegen der Ausbildung seinen Unterhalt nicht durch eigene Erwerbstätigkeit sicherstellen kann und dies wegen des Rechts auf eine angemessene Ausbildung (§ 1610 Abs. 3 BGB) auch nicht muss.

Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz hat der Kläger jedoch zwischenzeitlich seine Schulausbildung abgebrochen, so dass er seinen Unterhalt künftig durch Erwerbstätigkeit selbst sicherstellen muss. Ein volljähriges Kind, das sich nicht in einer Ausbildung befindet, muss selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen. Für diese Erwerbsobliegenheit gelten strenge Maßstäbe, das heißt der Volljährige muss jede Arbeitsmöglichkeit ausnutzen und auch Arbeiten annehmen, die unter seiner gewohnten Lebensstellung liegen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.3. 99, 5 WF 129/98). Der für seine Bedürftigkeit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat insoweit nichts vorgetragen , was zur Begründung dafür herangezogen werden könnte, dass er trotz Abbruchs seiner Schulausbildung nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt selbst sicherzustellen.

Auch für die Zeit vor Abbruch der Schulausbildung steht dem Kläger kein Ausbildungsunterhaltsanspruch zu.

Ein Unterhaltsanspruch nach § 1610 Abs.2 BGB auf Unterhaltsleistungen für eine angemessene, der Begabung, Neigung und Leistungsfähigkeit entsprechende Ausbildung eines Kindes setzt nämlich im Gegenseitigkeitsverhältnis gemäß § 1618 a BGB voraus, dass der Unterhaltsberechtigte die Ausbildung mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit durchführt und beendet. Hieran fehlt es nach der Überzeugung des Gerichts auf der Seite des Klägers. Er hat bereits vor seinem Auszug aus dem Haushalt des Beklagten die ihm obliegende Verpflichtung, die Schulausbildung zielstrebig zu verfolgen, nicht erfüllt, da er seiner Schulpflicht nicht nachkam und daher den schulischen Leistungsanforderungen nicht gerecht werden konnte. Dieses Verhalten, das zu dem Zerwürfnis mit dem Beklagten maßgeblich beitrug, hat er nach seinem Auszug nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz fortgesetzt und damit die Bedingung dafür gesetzt, dass er nicht versetzt und letztlich auch von der Schule verwiesen wurde.

Dieser Verstoß des Klägers gegen seine Ausbildungsobliegenheit führt auch zu einem Wegfall der Unterhaltsverpflichtung des Beklagten.

Zwar ist der Unterhaltsverpflichtete gehalten, Verzögerungen in der Ausbildung hinzunehmen. Auch ein zwischenzeitliches leichtes Versagen des Unterhaltsberechtigten in der schulischen Ausbildung führt nicht dazu, dass ein Unterhaltsanspruch sofort entfällt, denn jungen Menschen sind gewisse Orientierungsphasen zuzugestehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.1.2002, 1 WF 228/01). Der Zeitraum, in dem der Kläger seine schulische Ausbildung nicht mit dem gebotenen Fleiß und Ernsthaftigkeit betreibt ,erstreckt sich hier schon über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr und die Versäumnisse haben jetzt zum Schulverweis geführt. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit hier Abhilfe seitens des Klägers zu erwarten ist. Er hat die Vorlage von Leistungsnachweisen, zu denen er gegenüber dem Beklagten schon aus dem Gegenseitigkeitsprinzip verpflichtet wäre, verweigert und hat auch keinerlei Angaben zu Ursachen seines Schulversagens oder Perspektiven des weiteren Ausbildungsganges gemacht. Angesichts der engen wirtschaftlichen Verhältnisse der Kindeseltern war der Kläger spätestens ab seinem Auszug aus dem Haushalt des Beklagten verpflichtet, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln dafür zu sorgen, dass er das Jahrgangsziel erreicht. Mit dem Auszug hat er sich nämlich dem Einflussbereich des Beklagten entzogen und musste damit in verstärktem Maße die Verantwortung für seine schulischen Angelegenheiten selbst wahrnehmen. Die Rücksichtnahme auf die Belange der mit der Unterhaltszahlung belasteten Eltern hätte es geboten, die Ausbildung nun zielstrebig durchzuführen. Da der Kläger dieser Obliegenheit nicht nachgekommen ist, hat er seinen Unterhaltsanspruch eingebüßt und muss sich darauf verweisen lassen, selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. (Vergleiche BGH FamRZ 1998, 671; OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.3.1999, 5 WF 129/98; OLG Hamm FamRZ 2005, 1005)

Der Beklagte ist auch nicht mit seinem Vorbringen, der Kläger betreibe seine Ausbildung nicht oder nicht ordnungsgemäß, wegen Verspätung ausgeschlossen.

Selbst wenn man diesen Vortrag als neues Verteidigungsmittel im Rahmen der Berufungsbegründung bewerten würde, wäre dieser gemäß der in Familiensachen allein für die Zurückweisung verspäteten Vorbringens maßgeblichen Vorschrift des § 615 ZPO ( vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, 26.Auflage, 2007, Philippi, § 615 ZPO Rnr.2 ) zuzulassen. Es beruhte nicht auf Nachlässigkeit, dass seitens des Beklagten ein entsprechender Vortrag in der ersten Instanz unterblieb. Anhaltspunkte für die Fortdauer der Schulversäumnisse und den Schulabbruch haben sich nämlich erst im Verlauf des Berufungsverfahrens ergeben, so dass dieser Gesichtspunkt auch nicht früher in das Verfahren eingebracht werden konnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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