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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 02.07.2007
Aktenzeichen: 5 W 17/07
Rechtsgebiete: AktG, ZPO


Vorschriften:

AktG § 245
ZPO § 66
Mangels Widerspruchs geht die Anfechtungsbefugnis kraft Gesetzes der Verwirkung ähnlich wegen sonst widersprüchlichen Verhaltens verloren. Die Nebenintervention auf Seiten der unterstützten Anfechtungskläger ist danach gemäß § 245 Nr. 1 AktG mangels Anfechtungsbefugnis unzulässig.
Gründe:

I.

Die Kläger haben jeweils Anfechtungsklage gegen verschiedene Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 13./14.12.2005 erhoben.

Die Klägerin zu 23) hat mit Schriftsatz vom 11.1.2006 (Bd. XVIII, Bl. 3 ff.) beantragt, den Beschluss zu TOP 2 für nichtig zu erklären, hilfsweise festzustellen, dass der Beschluss nichtig ist, äußerst hilfsweise festzustellen, dass der Beschluss unwirksam ist. Die Erhebung dieser ursprünglich unter dem Aktenzeichen 14 O 94/06 bei dem Landgericht Darmstadt anhängigen Klage wurde am 31.1.2006 im elektronischen Bundesanzeiger bekanntgemacht. Mit am 17.2.2006 eingegangenen Schriftsatz vom 14.2.2006 (Bd. XVIII, Bl. 29-31) hat der Streithelfer zu 41) seinen Beitritt zum Verfahren auf Seiten der Klägerin zu 23) erklärt und angekündigt, sich den Anträgen der Klägerin zu 23) anzuschließen sowie sich den Vortrag der Klägerin zu 23) zu eigen zu machen.

Die Klägerin zu 27) hat mit Schriftsatz vom 11.1.2006 (Bd. XXII, Bl. 33 ff.) unter anderem beantragt, die Beschlüsse zu TOP 2, 3, 5 und 6 für nichtig zu erklären, hilfsweise festzustellen, dass die Beschlüsse nichtig sind. Die Erhebung dieser ursprünglich unter dem Aktenzeichen 14 O 125/06 bei dem Landgericht Darmstadt anhängigen Klage wurde am 28.2.2006 im elektronischen Bundesanzeiger bekanntgemacht. Mit Schriftsatz vom 28.3.2006 (Bd. XXII, Bl. 88-90), per Fax eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Streithelferin zu 43) ihren Beitritt zum Verfahren auf Seiten der Klägerin zu 27) erklärt und angekündigt, beantragen zu wollen, dass die Beschlüsse zu TOP 2, 3, 5 und 6 für nichtig erklärt werden.

Die Beklagte hat die Zurückweisung der Nebeninterventionen beantragt und insoweit u.a. geltend gemacht, die Nebenintervenienten hätten kein rechtliches Interesse am Beitritt, weil sie nicht anfechtungsbefugt im Sinne von § 245 Nr. 1 AktG seien, nachdem sie keinen Widerspruch erhoben haben.

Mit Zwischen- und Schlussurteil vom 30. März 2007 (Bd. XXX, Bl. 12-56), auf das Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Nebeninterventionen zurückgewiesen, weil die Streithelfer mangels Erhebung eines Widerspruchs zur Niederschrift nicht anfechtungsberechtigt seien, und im Übrigen in der Hauptsache entschieden.

Gegen das ihm am 18.4.2007 zugestellte Urteil hat der Nebenintervenient zu 41) mit am 27.4.2007 eingegangenem Schriftsatz vom 27.4.2007 sofortige Beschwerde eingelegt, soweit die Nebenintervention zurückgewiesen worden ist, ohne diese im weiteren zu begründen.

Die Nebenintervenientin zu 43) hat gegen das ihr am 20.4.2007 zugestellte Urteil mit am 4.5.2007 eingegangenem Schriftsatz vom 4.5.2007 sofortige Beschwerde eingelegt, soweit die Nebenintervention zurückgewiesen worden ist. Sie ist der Ansicht, aus der neu eingeführten Nebeninterventionsfrist in § 246 Abs. 4 S 2. AktG ergebe sich, dass es mit Ausnahme der Fristwahrung keine weiteren Zulässigkeitsschranken geben solle. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vortrags wird auf den Schriftsatz vom 4.5.2007 (Bd. XXX, Bl. 102-110) verwiesen.

Mit Beschluss vom 8.5.2007 (Bd. XXX, Bl. 112-114), auf den Bezug genommen wird, hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beschwerdegegnerin verteidigt mit Schriftsatz vom 25.7.2007 (Bd. XXXII, Bl. 171, 172) das angefochtene Zwischenurteil.

Die Kläger zu 6) und 7) haben mit Schriftsatz vom 21.6.2007 (Bd. XXXII, Bl. 167) dem Vortrag der Beschwerdeführer zugestimmt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Über den Antrag auf Zurückweisung einer Nebenintervention ist durch Zwischenurteil zu entscheiden, gegen das die sofortige Beschwerde stattfindet (§§ 71 Abs. 2; 576 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Dem steht nicht entgegen, dass die Entscheidung über die Zulassung des Beitritts des Nebenintervenienten im Endurteil getroffen ist, weil das Zwischenurteil mit dem Endurteil verbunden werden darf und der zurückgewiesene Streitgehilfe das in der Entscheidung enthaltene Zwischenurteil - soweit dies überhaupt zulässig ist - auch dann mit der sofortigen Beschwerde anfechten kann (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2001 - 5 W 16/01, OLG-Report Frankfurt 2002, 10; BGH, Urteil vom 11. Februar 1982 - III ZR 184/80, NJW 1982, 2070, Juris Rz.9).

Die sofortige Beschwerde ist im Übrigen zulässig, insbesondere form- und, weil binnen der zweiwöchigen Notfrist nach Zustellung eingelegt, fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1 Satz 1, 2; Abs. 2 ZPO).

Das Rechtsmittel ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Zurückweisung der Nebenintervention zu Recht damit begründet, dass die Nebenintervenienten den Klägern aus speziell aktienrechtlichen Gründen im Rechtsstreit mit der Beklagten nicht beitreten können.

Grundsätzlich ist zwar das rechtliche Interesse der Nebenintervenienten, dem Rechtsstreit auf Seiten der Kläger beizutreten, gegeben. Nach der Rechtsprechung des Senats folgt das rechtliche Interesse des - wie vorliegend - formgerecht (§ 70 ZPO) beigetretenen Nebenintervenienten gemäß § 66 Abs. 1 ZPO aus einer Rechtskrafterstreckung auf den Nebenintervenienten als Mitaktionär der Kläger, weil das einen Beschluss rechtskräftig für nichtig erklärende Urteil für und gegen alle Aktionäre, auch wenn sie nicht Partei sind, wirkt (§ 248 Abs. 1 S. 1 AktG; vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2001 - 5 W 16/01, a.a.O.).

Die Beschwerdeführer sind den Klagen auch innerhalb der Frist des § 246 Abs. 4 S. 2 AktG beigetreten. Sie sind hierzu jedoch deswegen nicht befugt gewesen, weil sie unstreitig gegen die angefochtenen Beschlüsse keinen Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben (§ 245 Nr. 1 AktG).

Zum Teil wird es zwar für entbehrlich gehalten, dass der Nebenintervenient selbst anfechtungsbefugt gemäß § 245 Nr. 1 AktG sein müsse (so etwa OLG Düsseldorf, AG 2004, 677). Der Senat hält demgegenüber an der im Beschluss vom 3.11.2005 (5 W 46/05 - ZIP 2006, 873) begründeten Auffassung fest, wonach die eigene Klagebefugnis des Nebenintervenienten gemäß § 245 Nr. 1 AktG für den Beitritt auf Klägerseite erforderlich ist.

Entgegen der Ansicht der Streithelferin zu 43) steht § 246 Abs. 4 S. 2 AktG dieser Auffassung nicht entgegen. Der Regierungsbegründung zum UMAG (BT-Drucksache 15/5092, Seite 27) ist im Gegenteil zu entnehmen, der neue Satz 2 in § 246 Abs. 4 AktG stelle klar, dass die Nebenintervention von den Klagevoraussetzungen nicht besser stehen darf als die Klage.

Die Nebenintervention auf Seiten der unterstützten Anfechtungskläger ist danach gemäß § 245 Nr. 1 AktG mangels Anfechtungsbefugnis unzulässig. Diese Vorschrift beruht auf dem Gedanken des Verbots des widersprüchlichen Verhaltens (vgl. Großkommentar/Karsten Schmidt, § 245 Rz. 19). Mangels Widerspruchs geht die Anfechtungsbefugnis kraft Gesetzes der Verwirkung ähnlich wegen sonst widersprüchlichen Verhaltens verloren (vgl. Hüffer, AktG, § 245, Rz. 13). Ist unter den genannten Voraussetzungen die Anfechtungsklage ausgeschlossen, muss dies auch für eine Nebenintervention auf Klägerseite gelten, die dasselbe Ziel verfolgt wie die ausgeschlossene Anfechtungsklage (vgl. von Falkenhausen/Kocher, ZIP 2004, 1179, 1181; a. A. Waclawik, WM 2004, 1361, 1366, der dies in Konsequenz für eine lediglich rechtspolitisch diskussionswürdige Gleichsetzung des Interventionsinteresses mit der Anfechtungsbefugnis hält).

Soweit mit den Regelungen über die Nebenintervention der Anspruch eines Dritten, dessen Rechtsstellung der Rechtsstreit zwischen anderen Parteien negativ beeinflussen kann, auf rechtliches Gehör gewährleistet werden soll (vgl. Musielak/Wedt, ZPO, 4. Aufl., § 66, Rz. 1), nötigt dies ebenfalls nicht zur Zulassung des beigetretenen Nebenintervenienten auf Klägerseite. Der Zweck der Nebenintervention, dem Streithelfer die Möglichkeit zu geben, Einfluss auf einen Rechtsstreit zwischen anderen Parteien nehmen, der im Ergebnis seine Rechtsstellung betrifft, gebietet die einschränkungslose Zulassung der Beschwerdeführer als Nebenintervenienten auf Seiten der Anfechtungskläger gerade nicht.

Der unmittelbar aus Art 103 Abs. 1 GG herzuleitende Anspruch auf rechtliches Gehör gibt dazu Veranlassung, dass ein streitgenössischer Nebenintervenient im Sinne des § 62 ZPO von einem Prozess, der seine Rechte in folgenschwerer Weise berührt, durch das mit dem Rechtsstreit befasste Gericht unterrichtet und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt wird, wenn das Verfahrensrecht das durch die Verfassung gewährleistete Minimum an rechtlichem Gehör nur unzureichend gewährleistet; das gilt im Zivilprozess namentlich bei Auflösungsklagen gegen eine Gesellschaft, bei der Mitgesellschafter als notwendiger Streitgenosse (§ 62 ZPO) von der Klageerhebung jedenfalls dann in Kenntnis zu setzen ist, wenn der Kreis der in Betracht kommenden Streitgenossen ersichtlich oder überschaubar ist (BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1982 - 1 BvR 191/81, BVerfGE 60, 7, Juris-Rz. 27 ff). Eine vergleichbare Problematik ist im Streitfall nicht gegeben. Anders als im Fall der Auflösungsklage bei der GmbH, die bis zur genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts quasi hinter dem Rücken eines Mitgesellschafters erhoben werden konnte, ist der Aktionär unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf rechtliches Gehör nicht in dieser Weise schutzbedürftig. Die Vorschriften des Aktienrechts gewährleisten, dass der Aktionär schon vor der Hauptversammlung von deren Tagesordnung, die bei der Einberufung bekannt zu machen ist (§ 124 Abs. 1 S. 1 AktG), ebenso unterrichtet wird wie grundsätzlich von den Beschlussvorschlägen zu jedem Gegenstand der Tagesordnung (§ 124 Abs. 3 S. 1 AktG). Er hat die Möglichkeit, zur Hauptversammlung zu erscheinen, gegebenenfalls von seinem Auskunftsrecht (§ 131 AktG), Stimmrecht (§ 134 AktG) und Widerspruchsrecht (§ 245 Nr. 1 AktG) Gebrauch zu machen. Über die Tatsache des Beschlusses ist er unterrichtet. Erscheint er nicht zur Hauptversammlung, kann er sich über gefasste Beschlüsse informieren und prüfen, ob er im Sinne von § 245 Nr. 2, 3 AktG zu deren Anfechtung berechtigt ist.

Ob ein Widerspruch entbehrlich ist, wenn der Anfechtungsgrund während der Hauptversammlung nicht erkennbar geworden ist, weil dann der Aktionär nicht widersprüchlich handelte, wenn er die Rüge erst später erhebt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, die klägerseits behaupteten Anfechtungsgründe - Verstöße gegen das Informations- und Auskunftsrecht - seien bei Beschlussfassung nicht bekannt gewesen.

Auch die Frage, ob wegen der Identität des Streitgegenstandes von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2002 - II ZR 286/01, BGHZ 152, 1, Juris Rz. 9 ff.) die Anfechtungsbefugnis des Streithelfers auch dann gegeben sein muss, wenn der unterstützte Kläger Nichtigkeitsgründe im Sinne von § 241 AktG geltend gemacht und der Nebenintervenient seinen Beitritt auf einen derartigen Grund beschränkt hat, bedarf vorliegend keiner Erörterung. Die unterstützten Kläger zu 23) und 27) haben ihre Klage nicht auf Gründe im Sinne von § 241 Nr. 1 - 4 AktG gestützt, sondern die Anfechtbarkeit gemäß § 243 Abs. 1 AktG geltend gemacht.

Der Streithelfer zu 41) hat sich zwar insgesamt den Anträgen der Klägerin zu 23) angeschlossen und damit auch dem Hilfsantrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses zu TOP 2. Weder der Streithelfer zu 41) noch die Klägerin zu 23), auf deren Vortrag sich der Nebenintervenient beruft, machen jedoch geltend, es lägen Nichtigkeitsgründe vor.

Die Streithelferin zu 43) hat ausdrücklich nur beantragt, die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 13./14.12.2005 zu TOP 2, 3, 5 und 6 für nichtig zu erklären und sich damit insoweit den Anfechtungsanträgen und nicht dem Hilfsfeststellungsantrag der Klägerin zu 27) angeschlossen. Der Erörterung, ob der Beitritt zulässig gewesen wäre, wäre er auch bezüglich des mit dem Feststellungsbegehren geltend gemachten weiteren Streitgegenstandes erklärt worden, bedarf es insoweit schon deswegen nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts, der sich nach dem Wert der Nebenintervention richtet, ergibt sich aus dem Interesse der Kläger an der Anfechtung der Hauptversammlungsbeschlüsse, ohne dass für die Nebenintervention ein prozentualer Abschlag vorzunehmen wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2001 - 5 W 16/01). Dieses Interesse bemisst der Senat im Einklang mit der nicht angegriffenen Festsetzung des Landgerichts auf je 250.000,00 € für die Beschlüsse zu TOP 2 und 3 und auf je 50.000,00 € für die Beschlüsse zu TOP 5 und 6, mithin insgesamt auf 600.000,00 €.

Gemäß § 574 Abs. 3 ZPO war die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung, aber auch zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, nachdem in dem Verfahren 5 W 46/05 die vom Senat zugelassene Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zu Az. II ZB 29/05 eingelegt und über diese - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden ist.

Ende der Entscheidung

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