Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 24.05.2002
Aktenzeichen: 5 W 4/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 568 S. 1
Die Entscheidung des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen ohne Handelsrichter stellt keine Einzelrichterentscheidung i. S. des § 568 S. 1 ZPO dar. Die ordnungsgemäße Durchführung eines Abhilfeverfahrens bildet keine Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot begründet nicht automatisch die Besorgnis der Befangenheit
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgericht Frankfurt am Main durch die Richter .... am 24. Mai 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 14. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 05. Februar 2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Wert der Beschwerde wird auf die Gebührenstufe bis 21.000,-- € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gem. §§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in der Fassung des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Vorschriften des neuen Rechts über die Beschwerde sind anwendbar, weil die angefochtene Entscheidung der Geschäftsstelle nach dem 31. Dezember 2001 übergeben wurde (§ 26 Nr. 10 EGZPO).

Der Senat entscheidet über die sofortige Beschwerde in voller Besetzung und nicht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass Einzelrichter i. S. des § 568 S. 1 ZPO n.F. nicht der ohne Mitwirkung der Handelsrichter entscheidende Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ist. Dies folgt daraus, dass der Begriff des Einzelrichters auf die §§ 348 ff. ZPO bezogen ist, in denen terminologisch zwischen dem Einzelrichter der Zivilkammer (§§ 348, 348a ZPO) und dem Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen (§ 349 ZPO) genau getrennt wird. § 349 Abs. 4 ZPO n.F. bestimmt ausdrücklich, dass die §§ 348 und 348a ZPO n.F. auf den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen keine Anwendung finden. Auch in § 350 ZPO n.F. werden der Einzelrichter (§§ 348, 348a) und der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen (§ 349) sorgfältig auseinandergehalten, was überflüssig gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber bereits die Überschrift des 4. Titels für ausreichend gehalten hätte, beide Formen der Entscheidung durch einen Richter als durch einen "Einzelrichter" in einem weiteren Sinn zu kennzeichnen und für die Rechtsmittelzuständigkeit verbindlich zu machen. Aus § 526 Abs. 4 ZPO n.F., der bestimmt, dass "in Sachen der Kammer für Handelssachen ... Einzelrichter nur der Vorsitzende sein" könne, folgt insoweit nichts anderes, weil diese Vorschrift nur den Fall regelt, dass die Kammer für Handelssachen Berufungsgericht ist, Einzelrichter beim Berufungsgericht in diesem Fall somit nur der Vorsitzende sein kann (Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 526 Rn. 16). Dafür, dass die Begriffswahl sachliche Unterschiede zum Ausdruck bringt, spricht auch deren Entstehungsgeschichte. Die §§ 348 ff. ZPO n.F. schließen sich an frühere Gesetzesfassungen an, in denen der Einzelrichter (der Zivilkammer) und der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ebenfalls schon strikt getrennt worden waren. Die Neufassung hat dies aufgegriffen und insoweit ersichtlich nichts ändern wollen.

Die unterschiedliche Einordnung des Einzelrichters der Zivilkammer und des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen im Rechtsmittel recht ist auch sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat durch § 348 Abs. 1 Nr. 2f ZPO n.F. zu erkennen gegeben, dass er "Streitigkeiten aus Handelssachen i.S.d. § 95 des Gerichtsverfassungsgesetzes" für typischerweise so gewichtig hält, dass die Zuständigkeit des originären Einzelrichters auszuschließen ist. Mit dieser Beurteilung steht es in Einklang, dem Rechtsmittelführer eine Überprüfung durch den vollbesetzten Senat zu eröffnen. Die Fälle, in denen der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen an Stelle der Kammer entscheidet, sind - von denen des § 349 Abs. 2 ZPO abgesehen - zudem solche, in denen die Parteien ihr Einverständnis erklärt haben (§ 349 Abs. 3 ZPO). Dieses Verhalten der Parteien lässt jedoch in der Regel keinen Rückschluss auf die Bedeutung und die Schwierigkeit der Sache zu, weil ihm gänzlich andere Erwägungen zu Grunde liegen können, beispielsweise weil sich die Parteien gerade in schwierigen Rechtsfragen von der Mitwirkung der Laienrichter keinen Vorteil versprechen. Würde man den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen als Einzelrichter i.S.d. Rechtsmittelrechts (§§ 526 Abs. 1 Nr. 1, 568 S. 1 ZPO n.F.) ansehen, dann würden sich vorhersehbar viele Parteien veranlasst sehen, der Entscheidung des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen (§ 349 Abs. 3 ZPO) nicht zuzustimmen, um eine Prüfung eines Rechtsmittels durch den vollbesetzten Senat sicherzustellen, was Mehraufwand hervorrufen, statt ihn verringern würde. Auch diese Situation, von deren Eintritt der Senat auf Grund von Äußerungen aus der Anwaltschaft ausgehen muss, bildet einen sachlichen Grund dafür, die Fälle des Einzelrichters der Zivilkammer und des allein entscheidenden Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen unterschiedlich zu behandeln.

Der vorherigen Herbeiführung einer Abhilfeentscheidung des Landgerichts, wie sie § 572 Abs. 1 ZPO n.F. für die Fälle der sofortigen Beschwerde vorsieht, bedarf es nicht. Die geänderte Rechtslage, die dem Beschwerdeführer die freie Wahl lässt, die Beschwerde beim Ausgangsgericht oder beim Beschwerdegericht einzulegen (§ 569 Abs. 1 S. 1 ZPO n.F.), ist zwar nicht so zu verstehen, dass bei einer Beschwerde, die beim Beschwerdegericht eingelegt worden ist, die Abhilfemöglichkeit von vornherein ausgeschlossen sein soll, weil der Beschwerdeführer durch Umgehung des Ausgangsgerichts bei der Beschwerdeeinlegung zu erkennen gegeben hat, dass er auf eine vorherige Befassung des Ausgangsgerichts keinen Wert legt. Der Gesetzeswortlaut ließe eine solche Auslegung mangels klarer Verfahrensregelung allerdings zu. Der Streichung der Voraussetzung des Vorliegens eines dringenden Falles lag aber offenbar die Vorstellung zu Grunde, dass diese entbehrlich sei, weil auch bisher schon Beschwerden in nicht dringenden Fällen zulässig beim Beschwerdegericht angebracht werden konnten, diese jedoch zunächst zur Abhilfe- und Vorlageentscheidung an das Erstgericht zurückgegeben wurden (vgl. Schneider, ZPO-Reform, Rn. 563). Das Schrifttum äußert sich demgemäß dahin, dass auch die beim Beschwerdegericht eingelegte Beschwerde grundsätzlich zunächst dem Erstgericht zur Prüfung einer etwaigen Abhilfe zugeleitet werden solle (Baumbach/Lauterbach/Albers, 60. Aufl. 2002, § 572 ZPO Rn. 4; Musielak/Ball, 3. Aufl. 2002, § 569 ZPO Rn. 6; Hannich/Meyer-Seitz, § 569 Rn. 16). Jedoch ist das angerufene Beschwerdegericht, in dessen vorrangigen Interesse das Abhilfeverfahren als Filter vorgeschaltet ist, an einer Entscheidung nicht gehindert. Die ordnungsgemäße Durchführung eines Abhilfeverfahrens bildet keine Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdegericht (Zöller/Gummer, 23. Aufl. 2002, § 571 ZKPO Rn. 4). Das Beschwerdegericht kann nicht nur dann selbst entscheiden, wenn der Fall dringend ist, sondern jedenfalls auch dann, wenn die Überprüfung der entscheidungsreifen Sache ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung rechtmäßig war und das Abhilfeverfahren zu keinem anderen Ergebnis hätte führen dürfen, eine Abhilfe also nicht zu erwarten ist. Diese Befugnis des Beschwerdegerichts ist geeignet, in gewissem Umfang den Nachteil auszugleichen, der sich vorhersehbar daraus ergeben wird, dass infolge des Wegfalls der Regeleinlegung der Beschwerde beim "iudex a quo", die bisher jedenfalls erfolgreich darauf hingewirkt hatte, dass Beschwerden ganz überwiegend auch beim Untergericht eingereicht worden waren, sofortige Beschwerden zukünftig vermehrt unmittelbar beim Beschwerdegericht eingelegt werden und dadurch unnötiger Leerlauf erzeugt wird, dass alle Beschwerden - auch die offensichtlich unzulässigen oder unbegründeten - zunächst an das Untergericht zur Abhilfeprüfung zurückgereicht werden müssten, ohne dass eine "Filterwirkung" zu erwarten ist.

Der Senat ist zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde geschäftsplanmäßig zuständig. Das Landgericht hat die angefochtene Entscheidung ausdrücklich als 14. Kammer für Handelssachen erlassen, obgleich die Zuständigkeit für das zu Grunde liegende Verfahren durch die Geschäftsverteilung des Landgerichts ab 01. Januar 2002 auf die 10. Kammer für Handelssachen übergeleitet worden war.

Die sofortige Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 07. Dezember 2001 zu Recht für unbegründet erklärt.

Das Rechtsschutzinteresse an einer Entscheidung über die Ablehnung ist allerdings zu bejahen. Auch wenn die Zuständigkeit für das Ausgangsverfahren mit Wirkung ab 01. Januar 2002 von der 14. Kammer für Handelssachen auf die 10. Kammer für Handelssachen übergegangen ist, bleibt der abgelehnte Richter mit der Sache befasst, da er zwar nicht mehr Vorsitzender der 14. Kammer für Handelssachen, wohl aber nunmehr der 10. Kammer für Handelssachen ist. Ob der Vorsitzende der 13. Kammer für Handelssachen für die Entscheidung über den Befangenheitsantrag zuständig war, ist vom Senat nicht zu überprüfen. Die Beschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe (§ 571 Abs. 2 S. 2 ZPO n.F.).

Die Klägerin hat ihr Ablehnungsrecht nicht dadurch verloren, dass sie eine - erfolgreiche - außerordentliche Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss vom 08. November 2001 bei der 14. Kammer für Handelssachen eingelegt und darin um Aufhebung und Terminierung gebeten hat, ohne das Ablehnungsrecht geltend zu machen. Die Einlegung einer außerordentlichen Beschwerde beim Ausgangsgericht entsprechend der seinerzeit geltenden Vorschrift des § 569 Abs. 1 ZPO a.F. bewirkte keine Heilung i.S.d. § 43 ZPO, weil die Klägerin davon ausgehen durfte, dass dies nicht als Antragstellung bei dem später abgelehnten Richter, sondern als Rechtsschutzbegehren zum Beschwerdegericht zu verstehen war, das keiner Abhilfemöglichkeit unterlag. Nichts anderes lässt sich dem Inhalt der Beschwerdeschrift entnehmen.

Die Klägerin hat auch nicht stillschweigend auf ihr Ablehnungsrecht verzichtet. Mit der außerordentlichen Beschwerde wollte sie verhindern, dass die Sache an die Zivilkammer verwiesen wird, da sie befürchtete, dass sich diese an die Verweisung nicht gebunden sehen werde und dadurch weitere Verzögerungen eintreten würden. Ihr Begehren, die Sache bei der 14. Kammer für Handelssachen als Spruchkörper zu halten, bietet aber keine ausreichende Grundlage für die Annahme, sie habe auf ein Ablehnungsrecht gegen deren Vorsitzenden verzichten wollen.

Wegen Besorgnis der Befangenheit findet sie Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Entscheidend dafür ist nicht, dass die Klägerin aus ihrer subjektiven Sicht zu der Auffassung gelangt ist, der abgelehnte Richter sei befangen, sondern es sind objektive Gründe erforderlich, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung begründen können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (Zöller/Vollkommer, § 42 ZPO, Rn. 9). Derartige Gründe liegen nicht vor.

Die Klägerin hat ihr Ablehnungsgesuch vom 07. Dezember 2001 darauf gestützt, dass sich der abgelehnte Richter der Sache habe entledigen wollen, statt ihr als dringlich beurteiltes Rechtsschutzgesuch zu fördern. Dies hat sie aus Beschlüssen der Kammer vom 06. Juni und 08. November 2001 hergeleitet, wobei letzterer objektiv willkürlich gewesen sei und zu ihrem Nachteil die Erledigung der Sache verzögert habe. Dieser Beurteilung vermag der Senat nicht zu folgen.

Rechtsfehlerhafte Entscheidungen und Verfahrensverstöße berechtigen grundsätzlich nicht zur Ablehnung eines Richters. Hinzukommen muss vielmehr, dass Gründe hervortreten, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf Voreingenommenheit beruht (vgl. BAG NJW 1993, 879; Zöller/Vollkommer, § 42 Rn. 28). Soweit die Auffassung vertreten wird, die Grenze zur Befangenheit werde durch das Willkürverbot gezogen (Schneider, Befangenheitsablehnung des Richters im Zivilprozess, 2. Aufl. 2001, S. 171), ist dies in dieser Unbedingtheit nicht richtig. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot begründet nicht automatisch die Besorgnis der Befangenheit, es kommt vielmehr auf die näheren Umstände an. Das Willkürverbot ist verletzt, wenn ein Fehler vorliegt, der bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist, so dass sich aus objektiver Sicht eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG aufdrängt (vgl. BVerfGE 81, 132; 87, 273; BGH NJW 1993, 1607). Ein subjektives Fehlverhalten wird nicht vorausgesetzt. Daraus geht hervor, dass auch bloße Irrtümer, Fehlvorstellungen und Nachlässigkeiten objektiv willkürliche Entscheidungen nach sich ziehen können und oftmals deren Ursache sind, ohne dass daraus notwendigerweise der Schluss gezogen werden könnte, der Richter sei deshalb nicht mehr in der Lage, sich der Sache unvoreingenommen anzunehmen.

Im vorliegenden Fall hat der Senat den Verweisungsbeschluss des Landgerichts vom 08. November 2001 als im vorgenannten Sinn angreifbar beurteilt, da die Verweisung ohne tragfähige sachliche Grundlage vorgenommen worden sei und der Boden sachlich vertretbarer, noch verständlicher Rechtsanwendung deshalb verlassen worden sei, weil das Landgericht der Erklärung der Klägerin in mündlicher Verhandlung, sie halte ihren Vortrag, den Anspruch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 UWG stützen zu wollen, nicht mehr aufrecht, jegliche Bedeutung ohne nachvollziehbare Begründung abgesprochen habe. Dabei darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese Entscheidung in unmittelbarer Reaktion auf ein Verhalten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung getroffen wurde und sie schon deshalb anfälliger für Fehlgriffe war. Auch wenn man den Begriff der Willkür im Richterablehnungsrecht nicht in dem engen Sinn versteht, dass der Grad der Fehlerhaftigkeit so groß sein müsse, dass ein Schluss auf Willkür im subjektiven Sinne möglich sei (OLG Saarbrücken, NJW-RR 1994, 763, 766), liegt hier jedoch noch kein Fehlgriff von solchem Gewicht vor, der bei einer objektiv urteilenden Partei die Befürchtung der Voreingenommenheit hervorzurufen geeignet ist.

Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass der abgelehnte Richter nach Einlegung der außerordentlichen Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss eine Nichtabhilfeentscheidung getroffen hat, die nicht begründet worden ist. Ein Beharren auf einem Rechtsirrtum bei ausreichender Überprüfungsmöglichkeit ist daraus deshalb nicht herzuleiten, weil es nahe liegt, dass das Landgericht den Verweisungsbeschluss als nicht mit Rechtsmitteln angreifbar und sich als nicht zur Abänderung befugt angesehen hat (§ 102 S. 1 GVG; vgl. Zöller/Greger, § 281 ZPO, Rn. 16).

Soweit die Klägerin ergänzend den Beschluss vom 06. Juni 2001 zur Begründung der Ablehnung heranzieht, vermag der Senat unter diesem Datum nur eine Streitwertfestsetzung für die (erste) Klageerweiterung aufzufinden, die eine Ablehnung ersichtlich nicht trägt. Es ist auch unzutreffend, dass außer den Beschlüssen vom 06. Juni 2001 und 08. November 2001 "zugunsten eines Fortgangs des Verfahrens nichts geschehen" sei. Das Landgericht hat am 28. Juni 2001 und 08. November 2001 mündlich verhandelt und am 09. August 2001 einen Beweisbeschluss erlassen. Unzutreffend und ein falsches Bild vermittelnd ist auch das Vorbringen der Klägerin, der abgelehnte Richter habe sich den klägerischen Vortrag nur daraufhin durchgelesen, ob sich aus diesem die Möglichkeiten einer "Von-sich-weg-Verweisung" ergeben könnte. Aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin an anderer Stelle geht hervor, dass der abgelehnte Richter eine Reihe anderer Punkte in der mündlichen Verhandlung erörtert und sich mit ihnen befasst hat.

Das Landgericht hat sich in seiner Entscheidung gem. § 45 ZPO veranlasst gesehen, dem Ablehnungsgrund der Verzögerung des Verfahrens von Amts wegen nachzugehen und den gesamten Verfahrensgang der ersten Instanz daraufhin zu untersuchen, ob Verzögerungen vorgekommen sind, die den Eindruck einer Voreingenommenheit rechtfertigen könnten. Der Senat gelangt zu keinem anderen Ergebnis der Untersuchung als das Landgericht, das solche Verzögerungen nicht hat feststellen können, und verweist insoweit auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.

Die Klägerin hat in der Beschwerdeschrift eine Vielzahl von Punkten abgehandelt, die im Ergebnis die Verzögerungstendenz des abgelehnten Richters stützen sollen und sich deshalb noch im Rahmen des geltendgemachten Ablehnungsgrundes bewegen (vgl. BayObLGZ 1985, 307, 313 f.; Wieczorek/Schütze/Niemann, 3. Aufl. 1994, § 46 ZPO Rn. 7; Zöller/Vollkommer, § 46 ZPO Rn. 17). Sie rechtfertigen jedoch kein abweichendes Ergebnis.

Es ist unzutreffend, dass die Verweisung ohne vorherigen richterlichen Hinweis und unter Verletzung des rechtlichen Gehörs erfolgt sei. Das Gegenteil ist durch die Niederschrift vom 08. November 2001 und den Umstand bewiesen, dass die Klägerin darauf reagiert hat.

Der Umstand, dass allgemein an eine Zivilkammer verwiesen wurde, ohne die genaue Bezeichnung der zuständigen Kammer hinzuzufügen, vermag Befangenheit nicht ernsthaft besorgen zu lassen. Die für die Feststellung benötigte Zeit fällt nicht ins Gewicht.

Der abgelehnte Richter durfte aus seiner Sicht nicht mehr terminieren, nachdem er seine Ansicht nach wirksam verwiesen hatte, und musste das Ergebnis der außerordentlichen Beschwerde abwarten.

Es belegt noch keine Verzögerungsabsicht, dass neun Monate nach dem Eingang der Sache noch keine Sachentscheidung gefällt worden ist.

Dass der abgelehnte Richter nur dort zügig gehandelt habe, wo er habe hoffen können, die Sache abweisen zu können, wird durch die Tatsachen nicht gedeckt und stellt eine unzutreffend erhobene Anschuldigung gegen den abgelehnten Richter dar.

Der abgelehnte Richter musste die Klägerin auch nicht darauf hinweisen, dass er die englische Sprache nicht verwenden könne oder wolle. Dass die Gerichtssprache deutsch ist, ergibt sich aus dem Gesetz (§ 184 GVG). Im Bereich des § 293 ZPO ist keine Ausnahme vorgesehen.

Die Ausführungen der Klägerin zur Änderung der Geschäftsverteilung des Landgerichts für das Jahr 2002 haben für das vorliegende Ablehnungsverfahren keine Bedeutung. Die Klägerin behauptet nicht, dass der abgelehnte Richter auf diesen Beschluss hingewirkt habe. Ihn traf auch keine Verpflichtung, das Präsidium des Landgerichts auf den vorliegenden Rechtsstreit aufmerksam zu machen.

Soweit die Klägerin dem abgelehnten Richter vorwirft, er sei in dem Beweisbeschluss vom 09. August 2001 über den Vortrag der Parteien hinausgegangen, kann dies schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil die Klägerin anschließend weitere Anträge bei dem abgelehnten Richter angebracht hat (§ 43 ZPO).

Nach alledem musste die sofortige Beschwerde auch unter Gesamtwürdigung der vorgebrachten Tatsachen mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO erfolglos bleiben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bestimmt sich der Wert der Beschwerde im Verfahren der Richterablehnung nach demjenigen der Hauptsache (vgl. BGH NJW 1968, 796).

Die Rechtsbeschwerde war gem. § 574 Abs. 3 S. 1 ZPO n.F. zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung aufweist (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F.). Es handelt sich um klärungsbedürftige Fragen für eine Vielzahl von Fällen, ob der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen kein Einzelrichter i.S.d. § 568 ZPO n.F. ist und ob das unmittelbar angegangene Beschwerdegericht befugt ist, unter den zuvor beschriebenen Voraussetzungen ohne vorherige Durchführung eines Abhilfeverfahrens zu entscheiden.



Ende der Entscheidung

Zurück