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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 13.06.2001
Aktenzeichen: 5 WF 27/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 115
Kindergeld ist bei Bewilligung von Prozeßkostenhilfe auf Seiten des betreuenden Elternteils hältig als Einkommen anzusehen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

5 WF 27/01

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Gießen vom 12.9.2000 -Teilabhilfebeschluß vom 16.1.2001- am 13.6.2001 beschlosssen:

Tenor:

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht der Antragstellerin Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten bewilligt und zunächst die von ihr zu zahlenden Raten auf monatlich 250,- DM festgesetzt. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Amtsgericht der Beschwerde teilweise abgeholfen und die Raten auf monatlich 150,- DM festgesetzt.

Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässigen Beschwerde eine weitergehende Reduzierung der Raten auf monatlich 60,- DM. Sie ist der Auffassung, daß das von ihr bezogene staatliche Kindergeld und die Kindesunterhaltszahlungen von monatlich 114,- DM nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien. Dementsprechend sei von einem einzusetzenden Einkommen von monatlich 102,-DM auszugehen.

Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet.

Nach der von der Antragstellerin nunmehr vorgelegten Jahresverdienstbescheinigung für das Jahr 2000 ist von einem monatlichen Durchschnittsnettoeinkommen in Höhe von 2958,- DM auszugehen. Nach Abzug der von der Antragstellerin geltend gemachten Belastungen von 20,- DM für berufsbedingte Aufwendungen, 81,- DM Versicherungskosten, 790,- DM für Unterkunft und Heizung, 20,- DM gem. §§ 115 I Zif.1 ZPO, 76 II Zif. 5 BSHG, dem Freibetrag für Erwerbstätige von monatlich 278,-DM und dem Grundfreibetrag gem. § 115 I 3 Nr. 2 ZPO von 676,- DM verbleiben 1093,- DM. Ferner sind als anzuerkennende besondere Belastungen gem. § 115 I 3 Nr. 4 ZPO die Kreditraten für den Pkw mit monatlich 264,- DM und die Kreditraten bei der Volksbank mit monatlich 114,- DM abzuziehen. Von den verbleibenden 715,- DM ist gem. § 115 I 3 Nr. 2 ZPO der Freibetrag von derzeit 475,- DM für das im Haushalt der Antragstellerin lebende Kind abzusetzen, jedoch vermindert um die für das Kind geleisteten Unterhaltszahlungen von monatlich 114,-DM. Die Unterhaltszahlungen stellen Einkommen des Kindes dar, welche nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes von dem Freibetrag in Abzug zu bringen sind (Zöller/Philippi, ZPO, 22. Auflage, § 115 Rdnr. 9).

Es verbleibt danach ein einzusetzendes Einkommen von 354,- DM.

Ob das von der Antragstellerin bezogene Kindergeld in Höhe von 270,- DM als Einkommen hinzuzurechnen ist oder nicht, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig (Zum Meinungsstand vergleiche Zöller / Philippi, ZPO, 22. Auflage, Rdnr. 19).

Nach Auffassung des Senats ist im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach § 115 ZPO in den Fällen der Unterhaltszahlung an das im Haushalt der Antragstellerin lebende Kind das Kindergeld hälftig dem Einkommen der Antragstellerin zuzurechnen (vgl. dazu OLG Koblenz FamRZ 2000, 1585; OLG Stuttgart FamRZ 2000, 1586; OLG Bremen FamRZ 1984, 606 f.). Der Ansatz des staatlichen Kindergeldes als Einkommen entspricht dem Sozialhilferecht, dem das System der Prozeßkostenhilfe zuzurechnen ist. Die Definition des Einkommens nach § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO entspricht derjenigen in § 76 Abs. 1 BSHG. Danach gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Das staatliche Kindergeld steht nicht den Kindern selbst zu, sondern soll die Unterhaltslast der Eltern erleichtern. Der Unterhaltslast als solcher wird unabhängig vom Kindergeldbezug dadurch Rechnung getragen, daß für die Kinder Freibeträge angesetzt werden (vgl. zu Vorstehendem OLG Frankfurt am Main vom 9.7.1998, 1 WF 29/98, FamRZ 1998, 1603; Beschluß vom 22.9.1988, 6 WF 22/88, 38/88, 39/88; SchlOLG OLGR 2000, 112, BVerwG 39, 314; Atzler in FamRZ 2001, 630 mit Anmerkungen zu OLG Hamm vom 13.7.99 in FamRZ 2000, 1093).

Der Sicherung des Existenzminimums tragen die gem. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu berücksichtigenden Freibeträge Rechnung, welche jährlich zu überprüfen und den veränderten Lebensverhältnissen anzupassen sind. Auch das BVerfG geht in der von der Antragstellerin angeführten Entscheidung davon aus, daß das Sozialhilferecht eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene darstellt (BVerfG, Beschluß vom 10.11.1998, NJW 99, 562). Die Entscheidung stellt klar, daß der sozialhilferechtlich anerkannte existenznotwendige Mindestbedarf nicht durch eine Besteuerung des Einkommens unterschritten werden darf. Sie kommt dagegen nicht zu dem Ergebnis, daß das Existenzminimum durch die Sozialhilfe nicht gedeckt wird.

In den Fällen, in denen -wie hier- beide Elternteile durch Betreuung bzw. Barunterhalt für das Kind aufkommen, ist durch § 1612 b Abs. 1 BGB allerdings vorgesehen, daß das Kindergeld im Ergebnis beiden unterhaltspflichtigen Elternteilen hälftig zugute kommt. Der Barunterhalt des Kindes wird um die Hälfte des Kindergeldes gekürzt. Dieser Betrag kann dann nicht bei dem betreuenden Elternteil verbleiben, sondern ist an das Kind auszukehren. Dies gilt auch in dem Fall des § 1612 b Abs. 5 BGB. Die Antragstellerin kann danach nur über die Hälfte des Kindergeldes frei verfügen, nur dies ist anzurechnen. Würde sie diesen Betrag ebenfalls an das Kind bis zur Höhe des für dieses geltenden Freibetrages abführen (vgl. dazu BVerwG a.a.O), so würde im Ergebnis keine abweichende Berechnung erfolgen. Der Freibetrag würde sich dann entsprechend reduzieren bzw. in Wegfall kommen. Daraus folgt, daß der Kinderfreibetrag von 475,- DM noch um den auf das Kind entfallenden Kindergeldanteil von 135,- DM zu verringern ist und dem Einkommen der Antragstellerin weitere 135,- DM hinzuzurechnen sind.

Somit verbleibt ein einzusetzendes Einkommen von 624,- DM (354,- + 135,- ergibt 489,- zuzüglich 135,- vom Freibetrag abzusetzender Kindergeldanteil ergibt 624,-DM).

Die monatlich festgesetzte Rate von 150,- DM ist somit jedenfalls nicht zu hoch bemessen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO, KV 1952 Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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