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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 05.06.2008
Aktenzeichen: 6 U 135/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 301
ZPO § 538 Abs. 2
1. Wird ein einheitlicher Klageantrag mit der Verletzung unterschiedlicher Schutzrechte (hier: Gemeinschaftsmarke und Recht an einem Unternehmenskennzeichen) begründet, liegen unterschiedliche Streitgegenstände vor. Das Klagebegehren kann in einem solchen Fall jedoch alternativ auf diese Streitgegenstände gestützt werden mit der Folge, dass die Klage in vollem Umfang Erfolg hat, wenn sie sich aus einem der Schutzrechte als begründet erweist. Über den Anspruch aus dem weiteren Schutzrecht ergeht dabei keine Entscheidung; dieser Anspruch kann jedoch zum Gegenstand des Berufungsverfahrens werden, wenn das Berufungsgericht den Anspruch unter dem vom Landgericht zuerkannten Gesichtspunkt verneinen sollte.

2. Wegen der einheitlichen Wirkung der Gemeinschaftsmarke im gesamten Gebiet der Gemeinschaft kann über eine hierauf gestütze Klage nicht durch Teilurteil nur über einen Teil des Gebietes entschieden werden, für das mit der Klage Unterlassung begehrt wird. Wegen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen im Instanzenzug ist in einem solchen Fall ein Teilurteil auch dann unzulässig, wenn die Verurteilung mit der Verletzung eines anderen Schutzrechtes begründet wird, auf welches die Klage alternativ zur Verletzung der Gemeinschaftsmarke gestützt wird (s. o. Ziffer 1.).


Gründe:

I.

Die Klägerinnen nehmen die Beklagten wegen der Benutzung des Kennzeichens ... für Dienstleistungen im Finanz- und Immobilienwesen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Republik Österreich auf Unterlassung, Auskunft, Herausgabe gekennzeichneter Gegenstände, Firmenlöschung und Schadensersatzfeststellung in Anspruch. Sie stützen diese, mit einheitlichen Anträgen geltend gemachten, Ansprüche auf die Verletzung zweier Gemeinschaftsmarken sowie - insoweit begrenzt auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland - auf die Rechte an ihren Unternehmenskennzeichen (§ 5 MarkenG) und auf eine inländische Marke.

Mit Teilurteil vom 16.5.2007 hat das Landgericht die Beklagten - soweit sich das Klagebegehren auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bezieht - wegen Verletzung der Unternehmenskennzeichen der Klägerinnen (§§ 5, 15 MarkenG) antragsgemäß verurteilt und die weitergehende Klage - soweit das Verfahren nicht mit Beschluss vom gleichen Tage bis zur Entscheidung des HABM über die gegen die Klagemarken gerichteten Nichttigkeitsanträge ausgesetzt worden ist (auf das Gebiet von Österreich bezogene Klageanträge der Beklagten zu 1.) - abgewiesen. Gegen das Teilurteil, auf dessen Inhalt wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird (§ 540 I, 1 ZPO), haben die Beklagten Berufung eingelegt.

Die Beklagten machen geltend, das Landgericht hätte nicht durch Teilurteil entscheiden dürfen, sondern den Rechtsstreit insgesamt bis zur Entscheidung des HABM aussetzen müssen. Im Übrigen wenden sie sich gegen die vom Landgericht vorgenommene materiell-rechtliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt von §§ 5, 15 MarkenG.

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit das Landgericht den Rechtsstreit nicht durch Beschluss vom 16.5.2007 ausgesetzt hat.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere haben die Beklagten durch die Ausführungen in der Berufungsbegründung mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen gegeben, dass sie mit ihrer Berufung der Sache nach die Klageabweisung in dem mit dem zuletzt gestellten Berufungsantrag klargestellten Umfang anstreben; in dieser Hinsicht sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 75, 2013) an die Zulässigkeit der Berufung keine zu hohen Anforderungen zu stellen.

Die Berufung führt gemäß § 538 Abs. 2, Satz 1 Nr. 7 - unabhängig von einem entsprechenden Antrag der Parteien (§ 538 II Satz 3 ZPO) - zur Aufhebung des stattgebenden Teils des angefochtenen Teilurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht insoweit, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils (§ 301 ZPO) nicht vorlagen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. NJW 04, 1452 m.w.N.) darf ein Teilurteil nur ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so dass die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht gegeben ist; ein Teilurteil ist schon dann unzulässig, wenn die bloße Möglichkeit besteht, dass es in demselben Rechtsstreit, auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt (vgl. BGH a.a.O.). Dies ist hier der Fall.

Die Klägerinnen haben in erster Instanz das mit dem - einheitlichen - Unterlassungsantrag sowie den darauf rückbezogenen Folgeanträgen geltend gemachte Klagebegehren auf mehrere Schutzrechtspositionen gestützt, nämlich zum einen - bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland und Österreich - auf zwei Gemeinschaftsmarken und zum andern - bezogen nur auf die Bundesrepublik Deutschland - auf das Recht an ihren Unternehmenskennzeichen (§ 5 UWG) sowie auf eine inländische Marke. Dabei handelt es sich zwar trotz des einheitlichen Klagenantrages nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff (vg. hierzu BGH WRP 01, 804 - Telefonkarte - sowie zum Wettbewerbsrecht BGH WRP 08, 666 - Saugeinlagen - m.w.N.) wegen der zugrunde liegenden verschiedenen Schutzrechte um mehrere Streitgegenstände. Die Klägerinnen haben jedoch nicht zu erkennen gegeben, dass sie - unabhängig von der Frage, ob dies prozessual zulässig wäre - diese verschiedenen Schutzrechte etwa kumulativ oder in einem bestimmten Eventualverhältnis zur Begründung der Klageanträge heranziehen wollen. Wie ihrem schriftsätzlichen Vorbringen zu entnehmen und vom Klägervertreter in der Senatsverhandlung bestätigt worden ist, ist das Klagebegehren vielmehr in der Weise alternativ auf die verschiedenen Schutzrechte gestützt werden, dass den Klageanträgen entsprochen werden soll, wenn - nach Wahl des Gerichts - auch nur eines der Schutzrechte die angestrebte Verurteilung rechtfertigt mit der Folge, dass sich in diesem Fall ein Eingehen auf die weiteren Schutzrechte erübrigt. Eine solche Begründung des einheitlichen Klageantrags mit mehreren alternativ geltend gemachten Klagegründen ist im gewerblichen Rechtsschutz seit langem üblich und im Hinblick auf das schutzwürdige Interesse des Klägers an einem effektiven Rechtsschutz prozessual zulässig (vgl. hierzu im Einzelnen Götz, GRUR 08, 401, 405 m.w.N.); auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. hierzu etwa WRP 08, 232 - INTERCONNECT/T-InterConnect, Tz. 38) ist zu entnehmen, dass hiergegen keine prozessualen Bedenken bestehen.

Das dargestellte prozessuale Vorgehen der Klägerinnen hat weiter zur Folge, dass die auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bezogenen Klageansprüche aus den Gemeinschaftsmarken insoweit ein möglicher Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens sind, als der Senat - sollte er die vom Landgericht zuerkannten Ansprüche aus §§ 5, 15 MarkenG ebenso wie Ansprüche aus der deutschen Marke verneinen - über die Ansprüche aus den Gemeinschaftsmarken entscheiden müsste. Da der Gemeinschaftsmarke jedoch grundsätzlich einheitliche Wirkung für das Gebiet der Gemeinschaft zukommt (vgl. BGH WRP 08, 236 - THE HOME STORE; Tz. 39, 40), können auch die Fragen, die sich im vorliegenden Fall im Zusammenhang mit den Gemeinschaftsmarken stellen, für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und das Gebiet von Österreich nur einheitlich beantwortet werden. Dies steht einem Teilurteil des vom Landgericht erlassenen Inhalts entgegen. Denn nach diesem Teilurteil besteht die Möglichkeit sich widersprechender Entscheidungen innerhalb des vorliegenden Rechtsstreits, wenn der "deutsche" Teil der Ansprüche aus den Gemeinschaftsmarken beim Senat und der "österreichische" Teil dieser Ansprüche beim Landgericht anhängig ist.

Der Senat sieht keine Gründe, ausnahmsweise von einer Zurückverweisung abzusehen und den in erster Instanz anhängigen Teil des Rechtsstreits an sich zu ziehen (vgl. hierzu Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., Rdz. 55 zu § 538 m.w.N.). Nach Zurückverweisung an das Landgericht dürfte aus den dargestellten Erwägungen alles dafür sprechen, den Rechtsstreit - soweit die Klage nicht durch den nicht angefochtenen Teil des Teilurteils rechtskräftig abgewiesen ist - insgesamt bis zur Entscheidung des HABM über die Nichtigkeitsanträge gegen die Gemeinschaftsmarken auszusetzen.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs.2 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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