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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: 6 U 151/06
Rechtsgebiete: ArbEG


Vorschriften:

ArbEG § 5
1. Zu den formellen Anforderungen an eine Erfindungsmeldung nach § 5 ArbnErfG.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 06, 754 - "Haftetikett") die Frist für die Inanspruchnahme einer dem Arbeitgeber bekannt gewordenen Diensterfindung ausnahmsweise auch ohne formell ordnungsgemäße Erfindungsmeldung in Gang gesetzt wird; insbesondere zu der Frage, welche Anforderungen in diesem Zusammenhang an die "Wissensdokumentation" durch den Arbeitgeber zu stellen sind.


Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 I, 1 ZPO). Mit der Berufung verfolgt die Klägerin das abgewiesene Klagebegehren nach Maßgabe der nachfolgend wiedergegebenen Anträge weiter.

Nach Erlass des angefochtenen Urteils haben die Parteien in einem Verfahren vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht (im dortigen Verfahren mit umgekehrten Parteirollen) mit schriftlichen Erklärungen vom ....2006/....2006 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, die in Ziffer 6. eine umfassende Abgeltungsklausel enthält, von der nach dem Wortlaut nur Ansprüche des Klägers des dortigen Verfahrens ausgenommen sind; wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Landesarbeitsgericht nach § 278 VI ZPO vom 2.11.2006 (Bl. 408 ff. d.A.) verwiesen. Nachdem der Beklagte die Auffassung vertreten hat, damit habe die Klägerin auf die mit der Berufung weiterverfolgten Ansprüche verzichtet, hat die Klägerin den Vergleich vorsorglich wegen Erklärungsirrtums angefochten und die Fortsetzung des Verfahrens vor dem Landesarbeitsgericht beantragt, verbunden mit der Widerklage auf Zwischenfeststellung, dass sich die Ausnahmeregelung von der Abgeltungsklausel in Ziffer 6.1 des Vergleichs gemäß Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2.11.2006 auf Ansprüche beider Parteien bezieht. Mit Urteil vom 28.5.2008 (Bl. 789 ff. d.A.) hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich gemäß Beschluss vom 2.11.2006 beendet ist; zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin (Beklagte des dortigen Verfahrens) mit dem Vergleich nicht auf Ansprüche auf Umschreibung oder Übertragung von Schutzrechten oder Schutzrechtsanmeldungen verzichtet habe. Die Zwischenfeststellungswiderklage der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht als unzulässig abgewiesen. Die gegen die Abweisung der Zwischenfeststellungswiderklage eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat das Bundesarbeitsgericht durch Beschluss vom 12.12.2008 (Bl. 920 ff. d.A.) zurückgewiesen.

Die Klägerin schließt sich der vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung des Vergleichs gemäß Beschluss vom 2.11.2006 an. Weiter trägt sie im Berufungsverfahren erstmals vor, seit Juni 2007 hätten sich vierzehn ihrer Arbeitnehmer bei ihr gemeldet und geltend gemacht, neben dem Beklagten Miterfinder der streitgegenständlichen Diensterfindungen zu sein; die Erfindungen dieser Miterfinder habe sie unbeschränkt in Anspruch genommen. Im Hinblick darauf hat die weitere Hilfsanträge formuliert. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte aus zwei der streitbefangenen Patentanmeldungen zwei Gebrauchsmusterabzweigungen vorgenommen, auf eine der Patentanmeldungen ist inzwischen ein Patent erteilt worden; wegen der Einzelheiten wird auf den - unbestrittenen - Vortrag im Schriftsatz des Klägervertreters hierzu vom 8.7.2008 Bezug genommen. Hieran hat die Klägerin die Klageanträge angepasst.

Die Klägerin beantragt,

I.1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, in die Umschreibung der folgenden Schutzrechte und Schutzrechtsanmeldungen auf die Klägerin beim Deutschen Patent- und Markenamt einzuwilligen:

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hilfsweise für den Fall, dass eine Umschreibung nicht in Betracht kommt, den Beklagten zu verurteilen, seinen jeweiligen Erfinderanteil an vorgenannten Schutzrechtspositionen und den diesen zugrunde liegenden Erfindungen auf die Klägerin zu übertragen und in die Umschreibung dieser Schutzrechtspositionen auf die Klägerin beim Deutschen Patent- und Markenamt einzuwilligen.

2. festzustellen, dass dem Beklagten hinsichtlich der Erfindungen gemäß Ziffer I.1. wegen Benutzung dieser Erfindungen durch die Klägerin weitergehende Ansprüche als solche nach dem ArbEG nicht zustehen.

II. hilfsweise zu I.

1. den Beklagte zu verurteilen, der Klägerin an den Gegenständen der den Schutzrechtspositionen

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zugrunde liegenden Erfindungen eine Mitinhaberschaft einzuräumen und in eine entsprechende Umschreibung vorgenannter Schutzrechtspositionen gegenüber dem DPMA einzuwilligen;

2. hilfsweise zu Ziffer II. 1. festzustellen, dass die Klägerin an den Schutzrechtspositionen

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und den diesen zugrunde liegenden Erfindungen ein umfassendes, auch übertragbares Nutzungsrecht zusteht.

III. weiter hilfsweise zu Ziffern II. und III. festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, nach dem Wortlaut des Vergleichs gemäß Beschluss vom 2.11.2006 sowie nach dem vorangegangenen Schriftwechsel (Anlage B 43) habe die Klägerin in Ziffer 6. auf die streitgegenständlichen Ansprüche verzichtet, für diese Auslegung spreche auch der Umfang der Anspruchpositionen, auf die der Beklagte in dem Vergleich verzichtet habe. Wegen der Einzelheiten des Vortrags wird insbesondere auf Ziffer 1. des Schriftsatzes des Beklagtenvertreters vom 20.11.2008 (Bl. 878 ff. d.A.) sowie auf die Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 14.1.2009 (Bl. 953 ff. d.A.) und vom 20.1.2009 (Bl. 991 ff. d.A.) Bezug genommen. Weiter bestreitet der Beklagte eine Miterfinderstellung anderer Arbeitnehmer der Klägerin. Im Übrigen verteidigt der Beklagte das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Die nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs "Haftetikett" erforderliche Wissensdokumentation des Arbeitgebers liege jedenfalls in dem Bericht der Konzernrevision der Klägerin vom 24.2.2003 (Anlage B 42 a), dem Schreiben der Klägerin vom 5.5.2003 (Anlage K 7) sowie dem Schreiben der Patentabteilung der Klägerin vom 24.9.2003 (Anlage B 6).

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Klägerin hat in dem vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht geschlossenen Vergleich gemäß Beschluss vom 2.11.2006 nicht auf die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche verzichtet. Denn ungeachtet des Wortlauts des Vergleichs sind bei einer an der Interessenlage der Parteien orientierten Auslegung von der umfassenden Abgeltungsklausel in Ziffer 6. auch etwaige Ansprüche der Klägerin auf Umschreibung und Übertragung von Schutzrechtspositionen ausgenommen. Insoweit schließt sich der Senat zunächst in vollem Umfang den zutreffenden Ausführungen im Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28.5.2008 an. Das weitere Vorbringen des Beklagten rechtfertigt ebenfalls keine abweichende Beurteilung. Vielmehr bestätigt auch die schriftlich dokumentierte Entstehungsgeschichte des Vergleichs, dass die Parteien die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerin gleichfalls von der Abgeltungsvereinbarung ausnehmen wollten.

Zwar hat Rechtsanwalt A, der den Beklagten in dem Verfahren vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht vertreten hat, zunächst mit Schreiben vom 17.8..2006 (Bl. 433 d.A.) einen Formulierungsvorschlag zur Ausnahmeregelung von der Abgeltungsklausel unterbreitet, in der es - wie in dem später geschlossenen Vergleich - unter Ziffer 6., erster Spiegelstrich, heißt "Ansprüche unseres Mandanten aus Patenten ...". In einem weiteren Schreiben vom 29.9.2006 hat der von der Klägerin beauftragte Rechtsanwalt Prof. Dr. B jedoch (Bl. 438 d.A.) ausgeführt, dass von der Ausgleichsklausel solche Ansprüche ausgenommen werden sollten, "die ihre Grundlage in den zur Zeit rechtshängigen Verfahren haben". Dem schloss sich ein Formulierungsvorschlag für Ziffer 6., erster Spiegelstrich des Vergleichs an, in dem es heißt "Ansprüche in Bezug auf die Patente und/oder Gebrauchsmuster, die zur Zeit Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens beim Landgericht Frankfurt am Main - 2-06 O 82/06 - sind ...". Damit wären die streitgegenständlichen Ansprüche von der Abgeltungsklausel ausgenommen gewesen.

Mit Schreiben vom 4.10.2006 (Bl. 441 d.A.) hat der vom Beklagten eingeschaltete Patentanwalt Dr. C geantwortet und eine Ausnahmeregelung zur Abgeltungsklausel vorgeschlagen, die ebenfalls eine Beschränkung auf Ansprüche des Beklagten nicht enthielt. Zugleich wird in dem Schreiben ausgeführt, dass "mit vorstehender Formulierung der Komplex noch offener Streitfragen, soweit der gewerbliche Rechtsschutz betroffen ist, klar umrissen und abgegrenzt" sei. Das kann nur dahin verstanden werden, dass auch der Patentanwalt des Beklagten die zu diesem Komplex gehörenden, im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerin - entsprechend dem von ihm vorgeschlagenen Wortlaut des Vergleichs - als von der Ausnahmeregelung erfasst ansehen wollte. Dem steht nicht entgegen, dass es in dem selben Schreiben zuvor im zweiten Absatz heißt: "Die von Ihnen vorgeschlagene Formulierung bedarf noch geringfügiger Ergänzungen, um die Ansprüche Herrn Ds im Zusammenhang mit seinen Erfindungen ... offen zu halten". Die Äußerung legt aus der Sicht des objektiven Empfängers lediglich nahe, dass es Patentanwalt Dr. C mit der gewünschten Änderung zwar darum ging, bestimmte Positionen des Beklagten im Hinblick auf dessen Ansprüche im Zusammenhang mit seinen Erfindungen zu wahren; dagegen kann ihr nicht entnommen werden, dass der Beklagte damit - entgegen den erkennbar gewordenen Vorstellungen im Schreiben des Rechtsanwalts Prof. Dr. B vom 29.9.2006 - von der Klägerin einen Verzicht auf deren Ansprüche aus diesem Komplex verlangen wollte.

Unter dem 16.10.2006 (Bl. 443 d.A.) hat Rechtsanwalt Prof. Dr. B dem vom Beklagten beauftragten Rechtsanwalt A mitgeteilt, seine Partei sei "bereit, die Erledigungsklausel hinsichtlich der Patentansprüche so zu akzeptieren, wie sie von Rechtsanwalt C vorgeschlagen wird"; er habe daher "das Ergebnis unserer Korrespondenz in einen endgültigen Vergleichstext gegossen". In diesem dem Schreiben beigefügten Vergleichstext heißt es allerdings unter Ziffer 6., erster Spiegelstrich, wiederum "Ansprüche des Klägers ..."; diese Einschränkung ist sodann in den mit Beschluss vom 2.11.2006 festgestellten Vergleich übernommen worden.

Unter diesen Umständen handelt es sich bei der im Vergleichswortlaut unter Ziffer 6., erster Spiegelstrich, enthaltenen Beschränkung der Ausnahmeregelung auf Ansprüche "des Klägers" (und Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits) ersichtlich um ein bei der Abfassung des Textes unterlaufenes - vermutlich auf die erste Fassung im Schreiben des Rechtsanwalts Prof. Dr. B vom 17.8.2006 zurückgehendes - Versehen, das dem wirklichen Willen der den Vergleich schließenden Parteien nicht entsprach. Aus der Sicht der Klägerin bestand - für den Beklagten erkennbar - nicht der geringste Anlass, in dem Vergleich auf die Ansprüche zu verzichten, die sie mit der kurz zuvor eingelegten Berufung gegen das angefochtene Urteil des Landgerichts weiterverfolgt hatte. Wäre dies die Absicht der Parteien gewesen, wäre in den Vergleich im Übrigen auch eine Regelung aufgenommen worden, wie das anhängige Verfahren zweckmäßigerweise zu beenden sei. Vor allem hat auch der Beklagte im Laufe der Vergleichsverhandlungen niemals zu erkennen gegeben, dass er den Vergleichsschluss vor dem Landesarbeitsgericht etwa von einem Verzicht der Klägerin auf die streitgegenständlichen Ansprüche abhängig machen wollte. Wie sich aus dem dargestellten Schriftwechsel, insbesondere dem Schreiben des Patentanwalts C vom 4.10.2006, mit aller Deutlichkeit ergibt, ging vielmehr auch der Beklagte erklärtermaßen davon aus, dass die streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerin von der Abgeltungsklausel ebenfalls ausgenommen werden sollten. Daher beruhte die in den Vergleichstext aufgenommene Beschränkung ("des Klägers") auf einem offensichtlichen Versehen, das dem Anwalt der Klägerin bei der Abfassung des endgültigen Vergleichstextes unterlaufen ist und das auch der Beklagte bzw. sein Anwalt vor der Annahme dieses Vergleichsangebots übersehen hat. Selbst wenn der Beklagte die - für ihn äußerst vorteilhafte - Abweichung des endgültigen Vergleichswortlauts vom Inhalt des bis dahin von beiden Seiten beabsichtigten Vergleichsinhalts vor der Annahme erkannt hätte, wäre es aus den dargestellten Gründen jedenfalls treuwidrig, wenn der Beklagte die Klägerin nunmehr an dem Wortlaut des Vergleichs festhalten wollte.

Die dargestellten Erwägungen zur Auslegung des Vergleichs führen zu einem derart klaren Ergebnis, dass es für die Beurteilung nicht mehr darauf ankommen kann, wie die Positionen, auf die der Beklagte im Rahmen dieses Vergleichs verzichtet hat, zu bewerten sind.

2. Der Klägerin steht der mit dem Berufungsantrag zu I. 1. geltend gemachte Anspruch auf Einwilligung des Beklagten in die Umschreibung der in diesem Antrag aufgeführten Schutzrechte und Schutzrechtsanmeldungen zu, weil allen Schutzrechtspositionen Diensterfindungen (§ 4 II ArbEG) des Beklagten zugrunde liegen und die Klägerin diese Diensterfindungen wirksam in Anspruch genommen hat (§ 5 ArbEG). Die Klägerin hat daher auch ein rechtliches Interesse (§ 256 I ZPO) an der Feststellung gemäß dem Berufungsantrag zu I. 2. begehrten Feststellung.

a) Hinsichtlich der Qualifizierung als Diensterfindung besteht zwischen den Parteien nur Streit in Bezug auf die DE .... Auch hierbei handelt es sich jedoch um eine Diensterfindung (§ 4 ArbEG).

Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, hat der Beklagte die in Rede stehende Erfindung noch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin gemacht. Die Erfindung beruht auch maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebs der Klägerin i.S.v. § 4 II Nr. 2 ArbEG.

Der Beklagte ist nach eigenem Vortrag 1978 als Mechaniker bei der Klägerin eingetreten, arbeitete seit 1990 als Meister der Getriebemontage und ab 1.5.2002 als Planer in der Getriebemontage. Das rechtfertigt den Schluss, dass er praktisch sein gesamtes die Getriebetechnik im weitesten Sinn betreffendes Wissen bei der Klägerin erworben hat. Die in Rede stehende Erfindung steht nach der Anmeldeschrift (Anlagenkonvolut K 13) - ungeachtet der allgemeinen Formulierung des Patentanspruchs - in engem Zusammenhang mit dem Problem, dass Saugfilter für Automatikgetriebe kleinste Partikel aus dem Öl herausfiltern müssen. Damit berührt der Erfindungsgegenstand in starkem Maße den betrieblichen Tätigkeitsbereich des Beklagten, so dass jedenfalls eine tatsächliche Vermutung für eine Erfahrungserfindung i.S.v. § 4 II Nr. 2 ArbEG spricht. Diese Vermutung hat der Beklagte nicht widerlegt. Selbst wenn der Beklagte - wie er vorträgt - auf das in der Anmeldung geschilderte Problem im Zusammenhang mit seiner Mithilfe auf dem Reiterhof seiner Ehegattin gestoßen ist, folgt daraus nicht, dass der Beklagte auch die Lösung dieses Problems derart unabhängig von den betrieblich gewonnen Erfahrungen auf dem Gebiet der Getriebetechnik gefunden hat, dass keine Erfahrungserfindung im Sinne des Gesetzes vorliegt.

b) Die Klägerin hat die streitgegenständlichen Diensterfindungen mit Schreiben vom 19.4., 5.7. und 21.7.2005 wirksam unbeschränkt in Anspruch genommen, da die viermonatige Inanspruchnahmefrist des § 6 II, 2 ArbEG zuvor nicht in Lauf gesetzt worden war.

aa) Eine den allgemeinen Anforderungen gerecht werdende Erfindungsmeldung (§ 5 ArbEG) hat - wovon auch das Landgericht mit zutreffender Begründung ausgegangen ist - der Beklagte nicht erstattet.

Dies gilt zunächst hinsichtlich der Schreiben bzw. e-Mails des Beklagten vom 29.8.2002 (Anlage K 4), 4.9.2002 (Anlage K 5) und 20.11.2002 (Anlage K 6) schon deshalb, weil hierin nur allgemein behauptet wird, der Beklagte habe eine Vielzahl von Erfindungen gemacht, ohne dass diese auch nur in Ansätzen näher beschrieben worden wären. Dies hat bereits die Schiedsstelle im Einzelnen in ihrem Beschluss vom 29.6.2004 (Anlage K 12) zutreffend ausgeführt, ohne dass es darauf ankäme, welche Bindungswirkung dieser Entscheidung zukommt.

Ebenso wenig kann dem Ordner SSt-O, den der Beklagte bei der Schiedsstelle mit Schriftsatz vom 4.1.2003 eingereicht hat und der der Klägerin am 24.3.2003 zugestellt worden ist, eine ordnungsgemäße Meldung der streitgegenständlichen Erfindungen gesehen werden. Es geht in diesem Zusammenhang nicht darum, ob die besonderen Voraussetzungen einer Erfindungsmeldung nach § 5 II ArbEG erfüllt sind; fehlte es nur hieran, hätte die Klägerin binnen zwei Monaten eine entsprechende Ergänzung anfordern müssen (§ 5 III ArbEG). Vielmehr wird der Ordner SSt-O schon den allgemeinen Anforderungen an eine Erfindungsmeldung nach § 5 I ArbEG nicht gerecht.

Die Meldung hat nach dem Gesetz "gesondert schriftlich" zu erfolgen. Zweck der Regelung ist es, den Arbeitgeber in die Lage zu versetzen, den Erfindungscharakter zu erkennen und sachgerecht über die Frage der Inanspruchnahme oder Freigabe, den etwaigen Inhalt einer Schutzrechtsanmeldung sowie über die Erfindervergütung zu entscheiden (vgl. BGH GRUR 06, 754 - Haftetikett). Sowohl das Schriftformerfordernis als auch das Erfordernis der "gesonderten" Meldung sollen sicherstellen, dass dem Arbeitgeber klar und deutlich vor Augen geführt wird, dass er die genannten Entscheidungen - innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von vier Monaten - treffen muss, will er nicht Gefahr laufen, dass die Diensterfindung frei wird. Daher muss eine die Diensterfindung betreffende, für sich stehende und vom Arbeitnehmer unterzeichnete Meldungsurkunde übergeben werden.

Den danach zu stellenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße Erfindungsmeldung wird der Ordner SSt-O selbst dann nicht gerecht, wenn man - wovon das Landgericht ausgegangen ist - unterstellt, dass die Gegenstände der einzelnen Erfindungen sich in diesem Ordner mit mehr oder weniger großer Mühe finden lassen. Denn wenn überhaupt befinden sich diese Offenbarungen der Erfindungen in den Anlagen K 1 - 4, K 7 zu dem Entwurf einer arbeitsgerichtlichen Klage, der dem vom Beklagten unterzeichneten Schriftsatz an die Schiedsstelle vom 4.1.2003 beigefügt war. Danach wäre den Erfordernissen der Schriftform und der "gesonderten" Meldung allenfalls dann Rechnung getragen, wenn der vom Beklagten unterzeichnete Schriftsatz zumindest irgendeinen Hinweis darauf enthielte, dass diese "Anlagen zur Anlage" die Meldung von Diensterfindungen enthalten sollten. Dazu ist dem Schriftsatz vom 4.1.2003 aber nichts zu entnehmen. Es handelt sich bei diesem Schriftsatz im Gegenteil ausdrücklich um eine Anrufung der Schiedsstelle gemäß § 31 I ArbEG "wegen Vergütung der Arbeitnehmererfindungen gem. ArbNErfG". Dies erweckt den Eindruck, mit dieser Anrufung der Schiedsstelle solle die Höhe der Vergütung für eine bereits in Anspruch genommene Diensterfindung geklärt werden. Dass in den Anlagen zu einer Anlage dieses Schriftsatzes Diensterfindungen überhaupt erst gemeldet werden sollten, war für die Klägerin nicht zu erkennen. Damit sind die Voraussetzungen für eine Erfindungsmeldung nach § 5 I ArbEG nicht erfüllt.

bb) Die Inanspruchnahmefrist ist auch nicht unter Anwendung der vom Bundesgerichtshof in der bereits genannten Entscheidung "Haftetikett" entwickelten Grundsätze in Lauf gesetzt worden. Dies gilt selbst dann, wenn unterstellt wird, dass die Klägerin sich auf Grund der vom Beklagten übermittelten Informationen, insbesondere durch den Inhalt des Ordners SSt-O, im vollständigen Besitz der einzelnen Erfindungen befand und auch wusste, dass der Beklagte der Erfinder war. Denn auch unter dieser Voraussetzung wird nach der genannten Entscheidung die Inanspruchnahmefrist trotz Fehlens einer formell ordnungsgemäßen Erfindungsmeldung ausnahmsweise nur dann - letztlich im Hinblick auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) - in Lauf gesetzt, wenn in einer der ordnungsgemäßen Meldung vergleichbaren anderweitigen Form dokumentiert ist, dass der Arbeitgeber das Wissen und die Erkenntnismöglichkeiten hat, die ihm nach § 5 ArbEG vermittelt werden sollen (BGH a.a.O., Nr. 26). Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung angenommen, dass im dortigen Fall die Patentanmeldung durch den Arbeitgeber unter Nennung aller beteiligten Erfinder eine solche "Wissensdokumentation" darstellte. Unter diesen Umständen wäre es in der Tat eine "treuwidrige Förmelei" (BGH a.a.O.), vom Arbeitnehmer noch die Meldung einer Diensterfindung zu verlangen, die der Arbeitgeber bereits zum Gegenstand einer eigenen Schutzrechtsanmeldung gemacht hat. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass etwa eine Wissensübermittlung durch den Arbeitnehmer an den Arbeitgeber, die zwar die Diensterfindung beinhaltet, jedoch den besonderen formellen Erfordernissen einer Erfindungsmeldung gemäß § 5 I ArbEG nicht gerecht wird, ebenfalls als "Wissendokumentation" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angesehen werden könnte. Denn dadurch würden die bereits oben dargestellten gesetzlichen Anforderungen an eine Erfindungsmeldung im Ergebnis vollständig unterlaufen. Auch der Entscheidung "Haftetikett" kann nicht entnommen werden, dass eine solche Konsequenz vom Bundesgerichtshof beabsichtigt ist.

Im vorliegenden Fall fehlt es an einer "Wissensdokumentation" im dargestellten Sinn. Insbesondere hat nicht - wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall - die Klägerin, sondern der Beklagte die Schutzrechtsanmeldungen vorgenommen. Als "Wissensdokumentation" kann auch nicht das Schreiben der Klägerin vom 5.5.2003 (Anlage K 7) angesehen werden, in dem es heißt, nach Erhalt des Ordners SSt-O sei die Klägerin "erstmals in die Lage versetzt, überhaupt zu erkennen, was Ihr Mandant erfunden haben will". Denn in dem gleichen Schreiben hat die Klägerin die nach wie vor fehlende Erfindungsmeldung mit der erforderlichen ausführlichen Beschreibung beanstandet. Dieses Verlangen nach einer ordnungsgemäßen Erfindungsmeldung war schon angesichts der Vielzahl der im Raum stehenden Diensterfindungen des Beklagten keine "bloße Förmelei" im Sinne der Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Das gleiche gilt für den als Anlage B 42 a (Bl. 412 ff. d.A.) vorgelegten Bericht der Konzernrevision der Klägerin vom 24.2.2003 sowie das Schreiben der Patentabteilung der Klägerin vom 24.9.2003 (Anlage B 6). Beide Unterlagen zeigen zwar, dass die Klägerin sich allgemein mit den Erfindungen des Beklagten befasst hat, sie dokumentieren jedoch nicht in der erforderlichen Form, dass die Klägerin das Wissen und die Erkenntnismöglichkeiten hatte, die ihr durch eine Erfindungsmeldung vermittelt werden sollen.

c) Infolge der wirksamen Inanspruchnahme der Diensterfindungen kann die Klägerin die Einwilligung des Beklagten in die Umschreibung verlangen; dies hat das Landgericht - in Bezug auf die im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständlichen Diensterfindungen - zutreffend ausgeführt. Auf die Frage, ob an den Erfindungen weitere Arbeitnehmer als Miterfinder beteiligt waren, kommt es - da die Klägerin auch die Erfindungen dieser etwaigen Miterfinder in Anspruch genommen hat - für die Entscheidung nicht an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 II ZPO) liegen nicht vor. Nach Auffassung des erkennenden Senats wirft insbesondere die Entscheidung "Haftetikett" des Bundesgerichtshofs keine für die Entscheidung des vorliegenden Falles erheblichen ernsthaften Zweifelsfragen auf.

Ende der Entscheidung

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