Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 21.07.2005
Aktenzeichen: 6 U 175/04
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 7 II Nr. 2
1. Die für Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern notwendige Einwilligung kann auch unter § 7 II Nr. 2 UWG konkludent erkärt werden.

2. Für Anrufe eines Versicherungsunternehmens bei seinen privaten Kunden, die bei Vertragsschluss ihre Telefonnummer ohne nähere Erläuterung angegeben haben, fehlt es an einer konkludenten Einwilligung, wenn der Anruf Änderungs- oder Ergänzungsangebote oder die Verlängerung einer bestehenden Versicherung betrifft.


Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Zu ergänzen ist folgendes:

Auf die Abmahnung hin hat die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 06.03.2002 ausgeführt, sie könne bei ihr versicherte Personen ohne weiteres anrufen und auf Änderungen oder neue Angebote im Zusammenhang mit der Gebäudeversicherung hinweisen. In der Klageerwiderung vom 26.05.2003 hat der Beklagtenvertreter die Auffassung vertreten, der Beklagten müsse es möglich sein, telefonisch Verlängerungsangebote zu unterbreiten, Verbesserungsvorschläge und ähnliches. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der Beklagtenvertreter erklärt, es gehe der Beklagten darum, dass sie auch ungefragt Kunden im Rahmen bestehender Versicherungsverhältnisse anrufen wolle, um sie auf Änderungen der schon bestehenden Verhältnisse ansprechen zu können; es sei beabsichtigt, Kunden darauf hinzuweisen, dass Änderungen und Ergänzungen von Vertragsverhältnissen im Allgemeinen stattfinden, wie das zum Beispiel bei neuen Angeboten, Vertragsänderungen, Ausweitungen und dergleichen gegenüber allen Kunden gleichmäßig vorkommen könne. Die Beklagte hat weiter behauptet, ihre Versicherungskunden hätten bei Abschluss des Versicherungsvertrages ihre Telefonnummer mitgeteilt.

Die Klägerin hat sich weiter zur Begründung des Klageanspruchs auf Anrufe der Beklagten bei den Kunden A und B berufen; insoweit hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben und vorgetragen, alle weiteren Ausführungen erfolgten nur zum Zwecke der Rechtsverteidigung.

Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin hat mit der Berufungsbegründung zunächst die erstinstanzlich gestellten Klageanträge weiter verfolgt. Nach teilweiser Rücknahme der Berufung beantragt sie nunmehr, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr per Telefon die bei ihr versicherten Privatpersonen -auch soweit diese bei Vertragsschluss ihre Telefonnummer ohne nähere Erläuterung angegeben haben - auf ihre Angebote betreffend eine Änderung, Ergänzung, Ausweitung, ein neues Angebot oder eine Verlängerung eines bestehenden Versicherungsvertrages anzusprechen, ohne dass die Privatpersonen vorher ausdrücklich oder konkludent in den Telefonanruf eingewilligt haben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, bei denjenigen ihrer Versicherungskunden, die bei Vertragsschluss ihre Telefonnummer mitgeteilt hätten, zu telefonischen Nachfragen der im Klageantrag bezeichneten Art berechtigt zu sein.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in dem zuletzt weiter verfolgten Umfang auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht der mit dem Klageantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 2, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG zu.

Das im Klageantrag wiedergegebene geschäftliche Verhalten verstößt gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Nach der genannten Vorschrift ist Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern nur erlaubt, wenn die Verbraucher in diesen Anruf zuvor eingewilligt haben. Dafür reicht neben der ausdrücklichen auch eine konkludente Einwilligung aus (vgl. Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage, Rdz. 51, 53 zu § 7). Dies ergibt sich zwar nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung. Auch unter Geltung des alten Rechts (§ 1 UWG a.F.) war es jedoch nach der Rechsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 95, 220 - Telefonwerbung V - m.w.N.) anerkannt, dass Telefonwerbung gegenüber Privatpersonen zulässig ist, wenn der Angerufene zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit einem solchen Anruf erklärt hat. Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG beabsichtigt haben könnte, die Anforderungen an die Telefonwerbung im privaten Bereich gegenüber dem alten Recht zu verschärfen. Insbesondere ergeben sich hierfür aus den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte. Zwar hatte es in der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zunächst geheißen, dass die angerufene Privatperson zuvor "ausdrücklich" seine Einwilligung erklärt haben müsse (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1487, Seite 21). In ihrer Gegenäußerung zu den Vorschlägen des Bundesrates hat die Bundesregierung sodann jedoch zum Ausdruck gebracht, dass eine Verschärfung des geltenden Rechts nicht beabsichtigt sei (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1487, Seite 42).

Andererseits genügt eine lediglich mutmaßliche Einwilligung zur Rechtfertigung eines Telefonanrufs im privaten Bereich regelmäßig nicht; dies ergibt sich bereits im Gegenschluss aus der Regelung in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG zur Telefonwerbung gegenüber sonstigen Marktteilnehmern, für die nach dem Gesetzeswortlaut eine mutmaßliche Einwilligung ausdrücklich ausreicht.

Auch Versicherungsunternehmen dürfen daher bei ihren privaten Versicherungsnehmern zu Werbezwecken nur dann anrufen, wenn der Versicherungsnehmer dem Anruf zuvor ausdrücklich oder konkludent zugestimmt hat. Unter den Begriff der Werbung fallen dabei alle Anrufe, die darauf abzielen, über die Klärung von Fragen innerhalb des bereits bestehenden Versicherungsvertragsverhältnisses - etwa die Schadensabwicklung - hinaus den Versicherungsnehmer zum Abschluss eines neues Versicherungsvertrages oder - wie im Klageantrag aufgeführt - zur inhaltlichen Änderung, insbesondere zur Verlängerung, Ausweitung oder Ergänzung des bestehenden Vertragsverhältnisses zu bewegen. Die demnach erforderliche Einwilligung des Versicherungsnehmers in solche Anrufe kann nicht darin gesehen werden, dass der Kunde bei Abschluss des Versicherungsvertrages ohne nähere Erläuterung seine Telefonnummer mitgeteilt hat. Denn hiermit bringt der Versicherungsnehmer regelmäßig nur sein Einverständnis zum Ausdruck, im Rahmen des bestehenden Versicherungsverhältnisses und des durch ihn begründeten Bereichs des Versicherungsschutzes angerufen zu werden (vgl. BGH a.a.O. - Telefonwerbung V, Seite 220, 221). Hierzu gehören etwa Anrufe anlässlich der Bearbeitung eines Schadensfalles oder zur Erinnerung an die Zahlung der Versicherungsprämien. Nicht erfasst von der Einwilligung sind dagegen Anrufe zur Erweiterung oder Ergänzung des Versicherungsschutzes (vgl. BGH a.a.O.). Denn aus der Sicht des Versicherungskunden gibt es keinen Grund, warum ein solches Angebot nicht auch schriftlich unterbreitet bzw. die möglicherweise sinnvolle mündliche Erläuterung des Angebots auf schriftlichem Wege vorbereitet werden sollte.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf, dass Situationen eintreten könnten, in denen eine besondere Eilbedürftigkeit für die vorgeschlagene Erweiterung oder Ergänzung des Versicherungsschutzes besteht. Diese Situation, an die der Versicherungskunde bei Mitteilung seiner Telefonnummer im Vertragsformular ohne entsprechende Erläuterungen nicht gedacht hat, vermag allenfalls eine mutmaßliche Einwilligung in den Telefonanruf zu begründen, die jedoch - wie ausgeführt - Werbeanrufe im privaten Bereich gerade nicht zu rechtfertigen vermag. Die Beklagte hat es im übrigen in der Hand, durch entsprechende Erläuterungen in ihren Vertragsformularen die Einwilligung ihrer Kunden in derartige Anrufe ausdrücklich einzuholen.

Im Hinblick auf das erhebliche Allgemeininteresse an der Unterbindung belästigender Werbung überschreitet der Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG im vorliegenden Fall auch die Bagatellgrenze des § 3 UWG.

Die Klägerin kann die Beklagte gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG auf Unterlassung des im Klageantrag beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhaltens in Anspruch nehmen, weil insoweit jedenfalls Begehungsgefahr infolge Berühmung besteht.

Die Beklagte hat mit den unter I. wiedergegebenen Äußerungen im vorprozessualen Anwaltsschreiben, in der Klageerwiderung und in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, zu dem im Klageantrag wiedergegebenen Verhalten berechtigt zu sein und sich in Zukunft auch entsprechend verhalten zu wollen. Hierin liegt eine die Begehungsgefahr begründende Berühmung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. WRP 03, 1138, 1139 - Buchreihen zum Sammeln - m.w.N.). Dem steht der Rechtsverteidigungsvorbehalt, den die Beklagte im Zusammenhang mit der erhobenen Verjährungseinrede hinsichtlich der Fälle A und B verbunden hat, nicht entgegen. Denn angesichts der Deutlichkeit der Berühmung, die die Beklagte auch in der Senatsverhandlung nochmals zum Ausdruck gebracht hat, kann in dem formelhaften Rechtsverteidigungsvorbehalt keine ernsthafte, die Begehungsgefahr beseitigende Aufgabe der Berühmung gesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG enthält - wie die Beklagte selbst vorträgt - keine inhaltliche Änderung gegenüber dem alten Recht (§ 1 UWG a.F.). Die Entscheidung hängt daher lediglich von der Anwendung der nach wie vor geltenden Grundsätze, die der Bundesgerichtshof zur Telefonwerbung im privaten Bereich entwickelt hat, auf den konkreten Einzelfall ab.

Ende der Entscheidung

Zurück